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Reichspost. Nr. 106, Wien, 18.04.1910.

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Wien, Montag Reichspost 18. April 1910. Nr. 106

[Spaltenumbruch]

der ausgleichenden Gerechtigkeit und die konsequente Durch-
führung der im Motivenberichte dargelegten Grundsätze. Sie
richtet an die gesetzgebenden Körperschaften den dringenden
Appell, alle Bestimmungen des Regierungsentwurfes, durch
die das Staatsdienstverhältnis zu einem
Gewaltverhältnis im Sinne der Labandschen
Theorie wird, der Auffassung des Staatsdienstes als
Pflichtverhältnis entsprechend abzuändern, ferner
die Beamten mit vollständiger Hochschulbildung hinsichtlich des
Ausmaßes der Zeitbeförderung den Mittelschulprofessoren gleich-
zustellen, da sich die Zurücksetzung der übrigen akademisch ge-
bildeten Beamten in keiner Weise rechtfertigen läßt und in
keinem auswärtigen Staate erfolgt ist.

Mit aller Entschiedenheit aber muß gefordert werden, daß
rücksichtlich derjenigen Beamten, die bei Beginn der Wirksamkeit
des Gesetzes eine längere Gesamtdienstzeit auf-
weisen als nach dem Schema des § 69 für die Er-
langung einer bestimmten Rangsklasse gefordert wird,
bei dem Zutreffen der übrigen Voraussetzungen die
Gesamtdienstzeit in demselben Dienstzweige für die Vorrückung
in die höhere Rangsklasse, wie auch in die entsprechende
Gehaltsstufe entscheidend sei.

Andernfalls würden die bisherigen Zufälligkeiten der Be-
förderung gerade für diejenigen Beamten, die die schlechtesten
Avancementverhältnisse durchzumachen hatten, nicht beseitigt,
sondern stabilisiert und hätten sie die ohne ihr Verschulden
eingetretene Verschlechterung ihres Avancements für ihr ganzes
Leben zu büßen, sindem ihnen nicht einmal das im § 69
statuierte Mindestavancement eingeräumt wird.




Politische Rundschau.
Oesterreich-Ungarn.


Ministerpräsident Baron Bienerth beim
Kaiser.

Ministerpräsident Dr. Freiherr v. Bienerth
ist gestern um 10 Uhr vormittags vom Kaiser in
Schönbrunn in längerer besonderer Audienz
empfangen worden.

Ein Schritt der Regierung zur Klärung
der parlamentarischen Lage?

Die heikle Situation,
die durch den Vorstoß des Polenklubs gegen die Rück-
stellungen im Budget im Abgeordnetenhause geschaffen
wurde, erfährt durch folgende Wiener Meldung des
Brünner "Nasinec", des Organs des Abg. Doktor
Hruban, eine eigenartige Beleuchtung:

Der Slavischen Union wird in kurzer Zeit wichtiges
Material
für ihre Beratungen vorliegen, da der Minister-
präsident sich entschlossen hat, seinen Plan zn verwirklichen und
der Slavischen Union konkrete Anträge vorzulegen,
durch deren Annahme ihr die Möglichkeit geboten werden soll,
sich der Regierungsmajorität anzuschließen.

Die Meldung gibt zweifellos die Erwartungen
wieder, die von verschiedenen Kreisen der Opposition an
die derzeitigen parlamentarischen Schwierigkeiten geknüpft
werden, die durch die Rückstellungspolitik des Finanz-
ministers hervorgerufen wurden.

Minister a. D. Dr. Zacek über die
tschechische Politik.

Aus Brünn, 17. d., wird uns
berichtet: Abg. Dr. Zacek hielt heute hier im
"Narodni Klub" der mährischen Nationalpartei eine
Rede über die gegenwärtige politische Situation. Er
verwies zunächst auf die Enttäuschungen, die das erste
Haus des gleichen Wahlrechts gebracht habe, ins-
besondere auf die angebliche Verschärfung des nationalen
Streites.

Am meisten enttäuscht sei das tschechische Volk, das mit
einer gewissen Berechtigung von dem aus dem allgemeinen
Wahlrechte hervorgegangenen Parlamente eine wesentliche
Besserung seiner Stellung und eine Stärkung seines politischen
Einflusses auch in der Staatsverwaltung erwarten konnte.
Nach einem kurzen Intermezzo in der Aera Beck ist der
Einfluß des tschechischen Volkes in der Verwaltung tiefer
gesunken, als vielleicht lange zuvor! Und im Parlament, wo
die tschechischen Abgeordneten eine führende Rolle er-
[Spaltenumbruch] wartet hatten, vergeuden sie nun alle ihre Kraft in oft klein-
lichen Kämpfen, in wechselnden Formen oppositioneller Be-
tätigung ohne große, klar vorgezeichnete
Ziele,
eingesetzt oft falschen Beurteilungen von oben un-
begründeten Anfeindungen ja sogar Verdächtigungen vonseiten
mancher anderer Parteien, oft unverstanden von
ihren Freunden
und hart behandelt von ihren Gegnern.
Die Ursachen der Verhältnisse lägen zunächst in der veränderten
Richtung unserer äußeren Politik, dann aber auch in der Zer-
splitterung der tschechischen Vertretung in viele Fraktionen, die
sich gegenseitig mit eifersüchtigen Augen verfolgen. Und so sei
es den tschechischen Führern schwer, ja beinahe unmöglich
gemacht worden, ihren Gegnern mit Erfolg entgegenzutreten
und auch die gegen sie gerichteten Verdächtigungen, die in
einzelnen kindischen Strömungen, absichtlich falsch
geteudeten Unternehmungen und Exkursionen ihre Nahrung
fanden, rechtzeitig unschädlich zu machen. Aber es müsse den
entscheidenden Faktoren selbst daran gelegen sein, das tschechische
Volk zur positiven Mitarbeit heranzuziehen und
ihnen den der Bedeutung des tschechischen Volkes entsprechenden
Einfluß auf die Führung der öffentlichen Angelegenheiten zu
sichern. Aber da müßten die tschechischen Abge-
ordneten vor allem Ordnung in ihren Reihen
machen, sich selbst ein klares, streng umschriebenes
Ziel vor Augen stellen und um der notwendigen nationalen
Auseinandersetzung zwischen dem deutschen und tschechischen
Volke praktisch näher zu treten, müssen sie den
unmöglichen Forderungen und Programmen der Deutschen in
Böhmen selbst ein klares positives Programm
entgegensetzen, das die berechtigten Ansprüche beider Volks-
stämme respektiert und schützt, ohne die Einheit des Landes zu
gefährden.

Dr. Zacek denkt da wohl an die vor kurzem
auch in der "Korr. Zentrum" als möglich zugegebene Ein-
führung der nationalen Autonomie in Böhmen ohne
territoriale Teilung. Es bleibt aber fraglich, ob die An-
schauungen und Mahnungen Dr. Zaceks bei seinen
Verbandsgenossen, die vielfach ganz andere Ziele als
die nationale Verständigung im Auge haben, Gehör
finden.




Parlamentarisches.
Der Budgetausschuß

tritt heute 3 Uhr nachmittags zu einer Sitzung zusammen,
in der die Debatte über die Anleihevorlage und über die
Frage der Rückstellungen fortgesetzt werden wird.

Die Slavische Union gegen die Rückstellungen.

Die dem Budgetausschuß angehörenden Mitglieder der
Slavischen Union haben, nach einer Meldung der "Narodny
Listy" beschlossen, für den Antrag Glombinski, betreffend
die Aufhebung der Rückstellungen im Budget des Jahres 1910,
zu votieren.




Ausland.

Zum Besuche des Wiener Nunzius
bei Roosevelt
wird von kompetenter vatikanischer
Stelle erklärt, daß weder der Nunzius Weisungen des
Heiligen Stuhls erbeten, noch dieser ihm solche erteilt
hat. Es ist daher nicht nur die Annahme grundlos, als
ob der Nunzius Roosevelt irgendwelche Mitteilung
gemacht hätte, sondern es kann auch dem Besuche selbst
keinerlei Bedeutung in bezug auf den Heiligen Stuhl
beigemessen werden.

Die angebliche Rolle Oesterreich-
Ungarns und Deutschlands
im Albanesen-
aufstande wird von der "Kölnischen Zeitung" in
folgender, aus Berlin stammenden Meldung näher
beleuchtet. Die Tatarennachricht des Pariser "Journal",
die Pforte sei im Besitze von Beweisen, daß die
neuesten albanesischen Unruhen von deutschen und
österreichisch-ungarischen Geheim-
agenten (!)
angezettelt worden seien, um
dem Gedanken des Balkanbundes entgegen-
[Spaltenumbruch] zuarbeiten, wird in Konstantinopel die be-
absichtigte Wirkung ganz und gar verlieren.
Man weiß dort ganz genau, auf welche Gründe der
Aufstand in Wirklichkeit zurückzuführen ist. Man kann
nur wünschen, daß dem tatkräftigen Vorgehen der türki-
schen Regierung eine möglichst rasche Unterdrückung des
Aufstandes gelingt. -- Die Nachrichten von einer voll-
kommenen Beilegung der Bewegung in Nordkossowo
scheinen verfrüht zu sein. Aus dem türkischen
Hauptquartier wird gemeldet: Die Arnauten
von Djakova befinden sich in Aufregung und
sammeln sich in einer Entfernung von zwei Stunden
von der Stadt. Die Entsendung von Truppen dorthin
wird in Erwägung gezogen. Die Ursache der Zusammen-
rottung ist noch unbekannt. In Prischtina und Ipek
wurde die Ruhe nicht weiter gestört. Das Volk zeigt
sich nachgiebig, die Stimmung ist jedoch gereizt. Die
Gesamtverluste der Arnauten sollen 230 Tote und
60 Verwundete betragen. Die Arnauten von Ghilan
sind gleichfalls erregt.

Die Belgrader Investitionsanleihe
wurde bei der gestrigen Abstimmung mit 4842 gegen
1383 Stimmen gutgeheißen.

Die fremdenfeindliche Bewegung in
China
nimmt an Schärfe zu. Wie dem Reuterschen
Bureau aus Hankau gemeldet wird, wurde in Tschang-
scha der Yamen des Gouverneurs vollständig zerstört.
Der Gouverneur und sein Sohn wurden getötet. Die
Stadt steht in Flammen. Die norwegische Mission und
die katholischen Missionen wurden nieder-
gebrannt, die übrigen zerstört. Die Stadt wurde von
Tausenden von Plünderern heimgesucht. Unter den zer-
störten Gebäuden befindet sich auch das japanische Kon-
sulat. Eine ohne Lichter fahrende Dschunke wurde von
dem nach Tschangscha eilenden englischen Kanonenboot
"Thistle" überrannt. An Bord der Dschunke sollen sich
drei deutsche Missionäre befunden haben, die ertrunken
wären. Man weiß indessen nur von acht Deutschen, die
sich in Tschangscha befunden haben und sämtlich in Sicher-
heit sein sollen. Ein späterer Bericht besagt, daß drei
Amerikaner vermißt werden; dieselben sind möglicher-
weise mit der Dschunke untergegangen.




Letzte Telegramme.
Parteitag der polnischen Volkspartei.

(Privattelegramm.) Der Aus-
schuß des Aufsichtsrates der polnischen Volkspartei hielt
gestern unter dem Vorsitze des Abg. Stapinski
eine überaus lange Beratung ab. Es waren fast sämtliche
Reichsrats- und Landtagsabgeordnete der polnischen
Volkspartei erschienen. Nach einer ausführlichen Debatte
über die politische Situation wurden die Details des
Projektes zur Reorganisation beraten und die der am
1. Mai l. J. in Tarnow stattfindenden Versammlung
der Aufsichtsratsmitglieder der polnischen Volkspartei zu
unterbreitenden diesbezüglichen Anträge festgestellt.

Roosevelt in Ofen-Pest.

Roosevelt empfing
heute früh den Sektionsrat im Ackerbauministerium
Josef Nemeth, demgegenüber er sein Entzücken über die
Hauptstadt sowie über den ihm bereiteten Empfang Aus-
druck gab. Um 1/211 Uhr vormittags fuhr Roosevelt nach
Ofen, um beim Erzherzog Josef und beim Minister-
präsidenten Grafen Khuen-Hedervary seine
Karte abzugeben. Um 3/412 Uhr mittags begab er
sich in das Parlamentsgebäude, wo die ungarische




[Spaltenumbruch]

Literarische Post.

Neuerscheinungen des Verlages der
Deutschen Gesellschaft für christliche
Kunst. München.

1. Meisterwerke religiöser Kunst.
Serie
II (neue Meister). Vierfarbige Kunstblätter in
Aquarellgravüre mit Text von Dr. Johannes Damrich.
Format 69 x 51. Preis 25 Mark.

2. Janssens: "Die sieben Schmerzen
Mariä."
Blatt I. Darstellung im Tempel.
Format 70 x 50. (Einzelpreis 10 Mark.)

3. Bayrisch-schwäbischer Kunstkalender
von Josef Schlecht. VII. Jahrg. Preis 1 Mark.

Der rührige Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst
hatte bereits im Vorjahre die I. Serie der Meisterwerke
religiöser Kunst erscheinen lassen, sechs großformatige Kunst-
blätter in Aquarellgravüre, Reproduktionen alter Meister.
Wir haben auf die Vortrefflichkeit dieser Blätter bereits
einigemale hingewiesen. In der II. Serie sind nur moderne
Meister vertreten, und zwar Fritz Kunz mit seiner
"Verkündigung" und "Heiligen Familie", ferner eine
"Madonna" Schleibners und Martin Feuer-
steins
"Hl. Odilia". Den Vorzug möchten wir den
beiden Blättern Kunzens geben. Seine ein wenig
archaisierenden aber außerordentlich ernsten und eindrucks-
vollen Bilder versetzen in ihrer Geschlossenheit und anmuts-
vollen Einfachheit unwillkürlich in andachtsvolle Stimmung.
Das Bild Feuersteins erfreut uns besonders durch die
romantischen Reize des Waldhintergrundes. Gleichwertig
reiht sich Schleibners "Madonna" an. Der Preis von
8 Mark pro Blatt ist im Verhältnis zu der wirklich
vollendeten Reproduktionstechnik der Aquarellgravüre, welche
an künstlerischen Werten hoch über den gewöhnlichen Drei-
oder Vier-Farbendrucken steht, mäßig. Wenn trotzdem
unkünstlerische Oelfarbendrucke noch immer die Wände des
christlichen Hauses "zieren", so gibt es jetzt angesichts
dieser nicht zu teur[e]n, farbigen und dabei künstlerisch
einwandfreien Bilder keine Entschuldigung mehr.

P. Ad. Innerkofler C. SS. R.: Lebens-
bild des hl. Kl. M. Hofbauer
C. SS. R.
Regensburg, Fr. Pustet. -- Lange Zeit ist es Uebung der
[Spaltenumbruch] Heiligenbiographen gewesen, den Gegenstand ihrer Be-
trachtung in jener abstrakten und unkörperlichen Form dar-
zustellen, die ihn wie eine Wolke umgab, hinter der die
Verehrung ihn so hoch stellen konnte als sie wollte, aus
der aber der Leser wenig Gewinn für sein praktisches
Christentum ziehen konnte, da sie ihm kaum eine Hand-
habe zur Nachahmung bot. Dieser Methode, die sich
bis in unsere Tage verfolgen läßt, wagte sich selbst
Voltaire nicht zu entziehen, denn der hl. Ludwig
von Frankreich z. B. erhielt auch unter seinen
Händen die süßliche, unpersönliche Schablonenhaftigkeit
gewisser Heiligenbilder. Das ist's aber nicht was dem Volke
not tut. Der kleine Mann, der von einem andern Mann
aus dem Volke liest, wie er -- allen Gewalten zum
Trotz -- durch Klippen und Hemmnisse den Weg zur
Heiligkeit gefunden, wird an einer solchen Erscheinung
nicht vorübergehen können. Es muß ihn packen, es läßt
ihn nicht los. Und damit ist der Anfang zum Guten ge-
macht. So war es auch ein Griff ins volle Menschentum,
als P. Innerkofler aus dem Redemptoristenkollegium
uns in vielen treuen Einzelzügen das Lebensbild
des Wiener Kongregationsvaters, des heiligen
Klemens Hofbauer aufrollte. Er zeigt ihn in seinen müh-
seligen Anfängen als Handwerkerlehrling, in der schon
Gottesminne atmenden Beharrlichkeit, mit der er das
Priestertum anstrebte, endlich in Ausübung des schwer-
erkämpften Berufes. -- Keine Seite seines Lebens ist
übergangen, jede seiner priesterlichen Funktionen, alle
seine Beziehungen zu Freund und Feind, zu den
Armen und Vornehmen, im Kloster bei St. Ursula,
unter seinen Novizen, unter den genialen Roman-
tikern treten klar beleuchtet, in übersichtlicher
Gliederung vor unser Auge, und zahlreiche anekdotische
Details, Aussprüche des Heiligen und Stimmungsnüancen
geben dem Werke die unmittelbare Frische lebendiger,
persönlicher Berührung. Das Buch umfaßt über
900 Seiten Großoktav und hat doch keine Längen. Das
überreiche Quellenmaterial, das dem Verfasser zur Ver-
fügung stand, ließe das gar nicht zu, ja es werden bei
der bald zu erwartenden zweiten Auflage einige Aus-
scheidungen nötig werden, da seither wieder eine Unmenge
neues Material zugeflossen und auch die Anlage eines
Sachregisters in Aussicht genommen ist. -- Eigentlich wird
[Spaltenumbruch] ja derjenige, der dieses Werk kennen gelernt hat, gar nich[t]s
von seinem Inhalte missen wollen; wenn aber -- zur
Erzielung wohlbedachter Aenderungen -- schon gestrichen
werden muß, wäre zu wünschen, daß durchaus nichts
von dem wegfiele, was den engeren Kreis und Lebens-
rahmen des Heiligen bildet, weder von den harten An-
fängen seines Seelsorgeamtes in der Fremde, noch von
der aus Wienern so besonders teuren Epoche seines
hiesigen Wirkens mit all den interessanten und lebens-
vollen Erscheinungen, die hier wie leuchtende Sterne seine
Bahnen schneiden. Wenn das Buch als Nachschlagewerk
über eine historische Persönlichkeit schon wegen der
gewissenhaften und liebevollen Sammelarbeit von hohem
Werte ist, wenn der Literaturfreund die lebendighinfließende,
immer neu fesselnde Darstellungsweise würdigen wird, so
liegt die höchste Bedeutung des Werkes doch zuletzt in der
natürlichen und greifbaren Gestaltung, die der Heilige in
diesem Lebensbilde vor uns annimmt, und die uns das
Wunder einer ganz durch die Gnade wirkenden Berufung
aneifernd vor Augen führt. -- Der Verfasser hat also nicht
nur die Literatur und die Hagiographie, sondern nicht
minder das katholische Bewußtsein bereichert, indem er
zeigte, daß es etwas gibt, das selbst die Fanatiker der
"Aufklärung" zum Respekt und zum Rückzug zwingt -- und
das ist eine echte, unerschütterte religiöse Ueberzeugung.

S.

Aehnlich im Format und der Ausführung ist eine
andere Serie von sieben Blättern, "Die sieben Schmerzen
Mariä", nach Bildern des belgischen Malers Janussens.
Nach dem vorliegenden ersten Blatt zu urteilen, wird auch
diese Novität dem Verleger alle Ehre machen. Von kleine-
ren Erscheinungen des Verlages wären noch der neue
Jahrgang des Kalenders bayrischer und schwäbischer
Kunst zu nennen, mit einer prächtigen, farbigen Wieder-
gabe des "apokalyptischen Weibes" von Rubens. Auch auf
die ausgezeichneten Kommunionsandenken, welche der
Verlag herausgibt, sei jetzt in der Osterzeit aufmerksam
gemacht. Die letzten Blätter 11 und 12 sind wunderschöne
Nachbildungen von "Jesus in Emaus" von Dirck Sant-
voort und des berühmten Abendmahlbildes von Leonardo
da Vinci. Der Preis ist trotz des Doppeltondruckes auf
Mattpapier der gleiche (20 Pfennig) geblieben.


Wien, Montag Reichspoſt 18. April 1910. Nr. 106

[Spaltenumbruch]

der ausgleichenden Gerechtigkeit und die konſequente Durch-
führung der im Motivenberichte dargelegten Grundſätze. Sie
richtet an die geſetzgebenden Körperſchaften den dringenden
Appell, alle Beſtimmungen des Regierungsentwurfes, durch
die das Staatsdienſtverhältnis zu einem
Gewaltverhältnis im Sinne der Labandſchen
Theorie wird, der Auffaſſung des Staatsdienſtes als
Pflichtverhältnis entſprechend abzuändern, ferner
die Beamten mit vollſtändiger Hochſchulbildung hinſichtlich des
Ausmaßes der Zeitbeförderung den Mittelſchulprofeſſoren gleich-
zuſtellen, da ſich die Zurückſetzung der übrigen akademiſch ge-
bildeten Beamten in keiner Weiſe rechtfertigen läßt und in
keinem auswärtigen Staate erfolgt iſt.

Mit aller Entſchiedenheit aber muß gefordert werden, daß
rückſichtlich derjenigen Beamten, die bei Beginn der Wirkſamkeit
des Geſetzes eine längere Geſamtdienſtzeit auf-
weiſen als nach dem Schema des § 69 für die Er-
langung einer beſtimmten Rangsklaſſe gefordert wird,
bei dem Zutreffen der übrigen Vorausſetzungen die
Geſamtdienſtzeit in demſelben Dienſtzweige für die Vorrückung
in die höhere Rangsklaſſe, wie auch in die entſprechende
Gehaltsſtufe entſcheidend ſei.

Andernfalls würden die bisherigen Zufälligkeiten der Be-
förderung gerade für diejenigen Beamten, die die ſchlechteſten
Avancementverhältniſſe durchzumachen hatten, nicht beſeitigt,
ſondern ſtabiliſiert und hätten ſie die ohne ihr Verſchulden
eingetretene Verſchlechterung ihres Avancements für ihr ganzes
Leben zu büßen, ſindem ihnen nicht einmal das im § 69
ſtatuierte Mindeſtavancement eingeräumt wird.




Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.


Miniſterpräſident Baron Bienerth beim
Kaiſer.

Miniſterpräſident Dr. Freiherr v. Bienerth
iſt geſtern um 10 Uhr vormittags vom Kaiſer in
Schönbrunn in längerer beſonderer Audienz
empfangen worden.

Ein Schritt der Regierung zur Klärung
der parlamentariſchen Lage?

Die heikle Situation,
die durch den Vorſtoß des Polenklubs gegen die Rück-
ſtellungen im Budget im Abgeordnetenhauſe geſchaffen
wurde, erfährt durch folgende Wiener Meldung des
Brünner „Naſinec“, des Organs des Abg. Doktor
Hruban, eine eigenartige Beleuchtung:

Der Slaviſchen Union wird in kurzer Zeit wichtiges
Material
für ihre Beratungen vorliegen, da der Miniſter-
präſident ſich entſchloſſen hat, ſeinen Plan zn verwirklichen und
der Slaviſchen Union konkrete Anträge vorzulegen,
durch deren Annahme ihr die Möglichkeit geboten werden ſoll,
ſich der Regierungsmajorität anzuſchließen.

Die Meldung gibt zweifellos die Erwartungen
wieder, die von verſchiedenen Kreiſen der Oppoſition an
die derzeitigen parlamentariſchen Schwierigkeiten geknüpft
werden, die durch die Rückſtellungspolitik des Finanz-
miniſters hervorgerufen wurden.

Miniſter a. D. Dr. Zacek über die
tſchechiſche Politik.

Aus Brünn, 17. d., wird uns
berichtet: Abg. Dr. Zacek hielt heute hier im
„Narodni Klub“ der mähriſchen Nationalpartei eine
Rede über die gegenwärtige politiſche Situation. Er
verwies zunächſt auf die Enttäuſchungen, die das erſte
Haus des gleichen Wahlrechts gebracht habe, ins-
beſondere auf die angebliche Verſchärfung des nationalen
Streites.

Am meiſten enttäuſcht ſei das tſchechiſche Volk, das mit
einer gewiſſen Berechtigung von dem aus dem allgemeinen
Wahlrechte hervorgegangenen Parlamente eine weſentliche
Beſſerung ſeiner Stellung und eine Stärkung ſeines politiſchen
Einfluſſes auch in der Staatsverwaltung erwarten konnte.
Nach einem kurzen Intermezzo in der Aera Beck iſt der
Einfluß des tſchechiſchen Volkes in der Verwaltung tiefer
geſunken, als vielleicht lange zuvor! Und im Parlament, wo
die tſchechiſchen Abgeordneten eine führende Rolle er-
[Spaltenumbruch] wartet hatten, vergeuden ſie nun alle ihre Kraft in oft klein-
lichen Kämpfen, in wechſelnden Formen oppoſitioneller Be-
tätigung ohne große, klar vorgezeichnete
Ziele,
eingeſetzt oft falſchen Beurteilungen von oben un-
begründeten Anfeindungen ja ſogar Verdächtigungen vonſeiten
mancher anderer Parteien, oft unverſtanden von
ihren Freunden
und hart behandelt von ihren Gegnern.
Die Urſachen der Verhältniſſe lägen zunächſt in der veränderten
Richtung unſerer äußeren Politik, dann aber auch in der Zer-
ſplitterung der tſchechiſchen Vertretung in viele Fraktionen, die
ſich gegenſeitig mit eiferſüchtigen Augen verfolgen. Und ſo ſei
es den tſchechiſchen Führern ſchwer, ja beinahe unmöglich
gemacht worden, ihren Gegnern mit Erfolg entgegenzutreten
und auch die gegen ſie gerichteten Verdächtigungen, die in
einzelnen kindiſchen Strömungen, abſichtlich falſch
geteudeten Unternehmungen und Exkurſionen ihre Nahrung
fanden, rechtzeitig unſchädlich zu machen. Aber es müſſe den
entſcheidenden Faktoren ſelbſt daran gelegen ſein, das tſchechiſche
Volk zur poſitiven Mitarbeit heranzuziehen und
ihnen den der Bedeutung des tſchechiſchen Volkes entſprechenden
Einfluß auf die Führung der öffentlichen Angelegenheiten zu
ſichern. Aber da müßten die tſchechiſchen Abge-
ordneten vor allem Ordnung in ihren Reihen
machen, ſich ſelbſt ein klares, ſtreng umſchriebenes
Ziel vor Augen ſtellen und um der notwendigen nationalen
Auseinanderſetzung zwiſchen dem deutſchen und tſchechiſchen
Volke praktiſch näher zu treten, müſſen ſie den
unmöglichen Forderungen und Programmen der Deutſchen in
Böhmen ſelbſt ein klares poſitives Programm
entgegenſetzen, das die berechtigten Anſprüche beider Volks-
ſtämme reſpektiert und ſchützt, ohne die Einheit des Landes zu
gefährden.

Dr. Zacek denkt da wohl an die vor kurzem
auch in der „Korr. Zentrum“ als möglich zugegebene Ein-
führung der nationalen Autonomie in Böhmen ohne
territoriale Teilung. Es bleibt aber fraglich, ob die An-
ſchauungen und Mahnungen Dr. Zaceks bei ſeinen
Verbandsgenoſſen, die vielfach ganz andere Ziele als
die nationale Verſtändigung im Auge haben, Gehör
finden.




Parlamentariſches.
Der Budgetausſchuß

tritt heute 3 Uhr nachmittags zu einer Sitzung zuſammen,
in der die Debatte über die Anleihevorlage und über die
Frage der Rückſtellungen fortgeſetzt werden wird.

Die Slaviſche Union gegen die Rückſtellungen.

Die dem Budgetausſchuß angehörenden Mitglieder der
Slaviſchen Union haben, nach einer Meldung der „Narodny
Liſty“ beſchloſſen, für den Antrag Glombinski, betreffend
die Aufhebung der Rückſtellungen im Budget des Jahres 1910,
zu votieren.




Ausland.

Zum Beſuche des Wiener Nunzius
bei Rooſevelt
wird von kompetenter vatikaniſcher
Stelle erklärt, daß weder der Nunzius Weiſungen des
Heiligen Stuhls erbeten, noch dieſer ihm ſolche erteilt
hat. Es iſt daher nicht nur die Annahme grundlos, als
ob der Nunzius Rooſevelt irgendwelche Mitteilung
gemacht hätte, ſondern es kann auch dem Beſuche ſelbſt
keinerlei Bedeutung in bezug auf den Heiligen Stuhl
beigemeſſen werden.

Die angebliche Rolle Oeſterreich-
Ungarns und Deutſchlands
im Albaneſen-
aufſtande wird von der „Kölniſchen Zeitung“ in
folgender, aus Berlin ſtammenden Meldung näher
beleuchtet. Die Tatarennachricht des Pariſer „Journal“,
die Pforte ſei im Beſitze von Beweiſen, daß die
neueſten albaneſiſchen Unruhen von deutſchen und
öſterreichiſch-ungariſchen Geheim-
agenten (!)
angezettelt worden ſeien, um
dem Gedanken des Balkanbundes entgegen-
[Spaltenumbruch] zuarbeiten, wird in Konſtantinopel die be-
abſichtigte Wirkung ganz und gar verlieren.
Man weiß dort ganz genau, auf welche Gründe der
Aufſtand in Wirklichkeit zurückzuführen iſt. Man kann
nur wünſchen, daß dem tatkräftigen Vorgehen der türki-
ſchen Regierung eine möglichſt raſche Unterdrückung des
Aufſtandes gelingt. — Die Nachrichten von einer voll-
kommenen Beilegung der Bewegung in Nordkoſſowo
ſcheinen verfrüht zu ſein. Aus dem türkiſchen
Hauptquartier wird gemeldet: Die Arnauten
von Djakova befinden ſich in Aufregung und
ſammeln ſich in einer Entfernung von zwei Stunden
von der Stadt. Die Entſendung von Truppen dorthin
wird in Erwägung gezogen. Die Urſache der Zuſammen-
rottung iſt noch unbekannt. In Priſchtina und Ipek
wurde die Ruhe nicht weiter geſtört. Das Volk zeigt
ſich nachgiebig, die Stimmung iſt jedoch gereizt. Die
Geſamtverluſte der Arnauten ſollen 230 Tote und
60 Verwundete betragen. Die Arnauten von Ghilan
ſind gleichfalls erregt.

Die Belgrader Inveſtitionsanleihe
wurde bei der geſtrigen Abſtimmung mit 4842 gegen
1383 Stimmen gutgeheißen.

Die fremdenfeindliche Bewegung in
China
nimmt an Schärfe zu. Wie dem Reuterſchen
Bureau aus Hankau gemeldet wird, wurde in Tſchang-
ſcha der Yamen des Gouverneurs vollſtändig zerſtört.
Der Gouverneur und ſein Sohn wurden getötet. Die
Stadt ſteht in Flammen. Die norwegiſche Miſſion und
die katholiſchen Miſſionen wurden nieder-
gebrannt, die übrigen zerſtört. Die Stadt wurde von
Tauſenden von Plünderern heimgeſucht. Unter den zer-
ſtörten Gebäuden befindet ſich auch das japaniſche Kon-
ſulat. Eine ohne Lichter fahrende Dſchunke wurde von
dem nach Tſchangſcha eilenden engliſchen Kanonenboot
„Thiſtle“ überrannt. An Bord der Dſchunke ſollen ſich
drei deutſche Miſſionäre befunden haben, die ertrunken
wären. Man weiß indeſſen nur von acht Deutſchen, die
ſich in Tſchangſcha befunden haben und ſämtlich in Sicher-
heit ſein ſollen. Ein ſpäterer Bericht beſagt, daß drei
Amerikaner vermißt werden; dieſelben ſind möglicher-
weiſe mit der Dſchunke untergegangen.




Letzte Telegramme.
Parteitag der polniſchen Volkspartei.

(Privattelegramm.) Der Aus-
ſchuß des Aufſichtsrates der polniſchen Volkspartei hielt
geſtern unter dem Vorſitze des Abg. Stapinski
eine überaus lange Beratung ab. Es waren faſt ſämtliche
Reichsrats- und Landtagsabgeordnete der polniſchen
Volkspartei erſchienen. Nach einer ausführlichen Debatte
über die politiſche Situation wurden die Details des
Projektes zur Reorganiſation beraten und die der am
1. Mai l. J. in Tarnow ſtattfindenden Verſammlung
der Aufſichtsratsmitglieder der polniſchen Volkspartei zu
unterbreitenden diesbezüglichen Anträge feſtgeſtellt.

Rooſevelt in Ofen-Peſt.

Rooſevelt empfing
heute früh den Sektionsrat im Ackerbauminiſterium
Joſef Nemeth, demgegenüber er ſein Entzücken über die
Hauptſtadt ſowie über den ihm bereiteten Empfang Aus-
druck gab. Um ½11 Uhr vormittags fuhr Rooſevelt nach
Ofen, um beim Erzherzog Joſef und beim Miniſter-
präſidenten Grafen Khuen-Hedervary ſeine
Karte abzugeben. Um ¾12 Uhr mittags begab er
ſich in das Parlamentsgebäude, wo die ungariſche




[Spaltenumbruch]

Literariſche Poſt.

Neuerſcheinungen des Verlages der
Deutſchen Geſellſchaft für chriſtliche
Kunſt. München.

1. Meiſterwerke religiöſer Kunſt.
Serie
II (neue Meiſter). Vierfarbige Kunſtblätter in
Aquarellgravüre mit Text von Dr. Johannes Damrich.
Format 69 × 51. Preis 25 Mark.

2. Janſſens: „Die ſieben Schmerzen
Mariä.“
Blatt I. Darſtellung im Tempel.
Format 70 × 50. (Einzelpreis 10 Mark.)

3. Bayriſch-ſchwäbiſcher Kunſtkalender
von Joſef Schlecht. VII. Jahrg. Preis 1 Mark.

Der rührige Verlag der Geſellſchaft für chriſtliche Kunſt
hatte bereits im Vorjahre die I. Serie der Meiſterwerke
religiöſer Kunſt erſcheinen laſſen, ſechs großformatige Kunſt-
blätter in Aquarellgravüre, Reproduktionen alter Meiſter.
Wir haben auf die Vortrefflichkeit dieſer Blätter bereits
einigemale hingewieſen. In der II. Serie ſind nur moderne
Meiſter vertreten, und zwar Fritz Kunz mit ſeiner
„Verkündigung“ und „Heiligen Familie“, ferner eine
„Madonna“ Schleibners und Martin Feuer-
ſteins
„Hl. Odilia“. Den Vorzug möchten wir den
beiden Blättern Kunzens geben. Seine ein wenig
archaiſierenden aber außerordentlich ernſten und eindrucks-
vollen Bilder verſetzen in ihrer Geſchloſſenheit und anmuts-
vollen Einfachheit unwillkürlich in andachtsvolle Stimmung.
Das Bild Feuerſteins erfreut uns beſonders durch die
romantiſchen Reize des Waldhintergrundes. Gleichwertig
reiht ſich Schleibners „Madonna“ an. Der Preis von
8 Mark pro Blatt iſt im Verhältnis zu der wirklich
vollendeten Reproduktionstechnik der Aquarellgravüre, welche
an künſtleriſchen Werten hoch über den gewöhnlichen Drei-
oder Vier-Farbendrucken ſteht, mäßig. Wenn trotzdem
unkünſtleriſche Oelfarbendrucke noch immer die Wände des
chriſtlichen Hauſes „zieren“, ſo gibt es jetzt angeſichts
dieſer nicht zu teur[e]n, farbigen und dabei künſtleriſch
einwandfreien Bilder keine Entſchuldigung mehr.

P. Ad. Innerkofler C. SS. R.: Lebens-
bild des hl. Kl. M. Hofbauer
C. SS. R.
Regensburg, Fr. Puſtet. — Lange Zeit iſt es Uebung der
[Spaltenumbruch] Heiligenbiographen geweſen, den Gegenſtand ihrer Be-
trachtung in jener abſtrakten und unkörperlichen Form dar-
zuſtellen, die ihn wie eine Wolke umgab, hinter der die
Verehrung ihn ſo hoch ſtellen konnte als ſie wollte, aus
der aber der Leſer wenig Gewinn für ſein praktiſches
Chriſtentum ziehen konnte, da ſie ihm kaum eine Hand-
habe zur Nachahmung bot. Dieſer Methode, die ſich
bis in unſere Tage verfolgen läßt, wagte ſich ſelbſt
Voltaire nicht zu entziehen, denn der hl. Ludwig
von Frankreich z. B. erhielt auch unter ſeinen
Händen die ſüßliche, unperſönliche Schablonenhaftigkeit
gewiſſer Heiligenbilder. Das iſt’s aber nicht was dem Volke
not tut. Der kleine Mann, der von einem andern Mann
aus dem Volke lieſt, wie er — allen Gewalten zum
Trotz — durch Klippen und Hemmniſſe den Weg zur
Heiligkeit gefunden, wird an einer ſolchen Erſcheinung
nicht vorübergehen können. Es muß ihn packen, es läßt
ihn nicht los. Und damit iſt der Anfang zum Guten ge-
macht. So war es auch ein Griff ins volle Menſchentum,
als P. Innerkofler aus dem Redemptoriſtenkollegium
uns in vielen treuen Einzelzügen das Lebensbild
des Wiener Kongregationsvaters, des heiligen
Klemens Hofbauer aufrollte. Er zeigt ihn in ſeinen müh-
ſeligen Anfängen als Handwerkerlehrling, in der ſchon
Gottesminne atmenden Beharrlichkeit, mit der er das
Prieſtertum anſtrebte, endlich in Ausübung des ſchwer-
erkämpften Berufes. — Keine Seite ſeines Lebens iſt
übergangen, jede ſeiner prieſterlichen Funktionen, alle
ſeine Beziehungen zu Freund und Feind, zu den
Armen und Vornehmen, im Kloſter bei St. Urſula,
unter ſeinen Novizen, unter den genialen Roman-
tikern treten klar beleuchtet, in überſichtlicher
Gliederung vor unſer Auge, und zahlreiche anekdotiſche
Details, Ausſprüche des Heiligen und Stimmungsnüancen
geben dem Werke die unmittelbare Friſche lebendiger,
perſönlicher Berührung. Das Buch umfaßt über
900 Seiten Großoktav und hat doch keine Längen. Das
überreiche Quellenmaterial, das dem Verfaſſer zur Ver-
fügung ſtand, ließe das gar nicht zu, ja es werden bei
der bald zu erwartenden zweiten Auflage einige Aus-
ſcheidungen nötig werden, da ſeither wieder eine Unmenge
neues Material zugefloſſen und auch die Anlage eines
Sachregiſters in Ausſicht genommen iſt. — Eigentlich wird
[Spaltenumbruch] ja derjenige, der dieſes Werk kennen gelernt hat, gar nich[t]s
von ſeinem Inhalte miſſen wollen; wenn aber — zur
Erzielung wohlbedachter Aenderungen — ſchon geſtrichen
werden muß, wäre zu wünſchen, daß durchaus nichts
von dem wegfiele, was den engeren Kreis und Lebens-
rahmen des Heiligen bildet, weder von den harten An-
fängen ſeines Seelſorgeamtes in der Fremde, noch von
der aus Wienern ſo beſonders teuren Epoche ſeines
hieſigen Wirkens mit all den intereſſanten und lebens-
vollen Erſcheinungen, die hier wie leuchtende Sterne ſeine
Bahnen ſchneiden. Wenn das Buch als Nachſchlagewerk
über eine hiſtoriſche Perſönlichkeit ſchon wegen der
gewiſſenhaften und liebevollen Sammelarbeit von hohem
Werte iſt, wenn der Literaturfreund die lebendighinfließende,
immer neu feſſelnde Darſtellungsweiſe würdigen wird, ſo
liegt die höchſte Bedeutung des Werkes doch zuletzt in der
natürlichen und greifbaren Geſtaltung, die der Heilige in
dieſem Lebensbilde vor uns annimmt, und die uns das
Wunder einer ganz durch die Gnade wirkenden Berufung
aneifernd vor Augen führt. — Der Verfaſſer hat alſo nicht
nur die Literatur und die Hagiographie, ſondern nicht
minder das katholiſche Bewußtſein bereichert, indem er
zeigte, daß es etwas gibt, das ſelbſt die Fanatiker der
„Aufklärung“ zum Reſpekt und zum Rückzug zwingt — und
das iſt eine echte, unerſchütterte religiöſe Ueberzeugung.

S.

Aehnlich im Format und der Ausführung iſt eine
andere Serie von ſieben Blättern, „Die ſieben Schmerzen
Mariä“, nach Bildern des belgiſchen Malers Januſſens.
Nach dem vorliegenden erſten Blatt zu urteilen, wird auch
dieſe Novität dem Verleger alle Ehre machen. Von kleine-
ren Erſcheinungen des Verlages wären noch der neue
Jahrgang des Kalenders bayriſcher und ſchwäbiſcher
Kunſt zu nennen, mit einer prächtigen, farbigen Wieder-
gabe des „apokalyptiſchen Weibes“ von Rubens. Auch auf
die ausgezeichneten Kommunionsandenken, welche der
Verlag herausgibt, ſei jetzt in der Oſterzeit aufmerkſam
gemacht. Die letzten Blätter 11 und 12 ſind wunderſchöne
Nachbildungen von „Jeſus in Emaus“ von Dirck Sant-
voort und des berühmten Abendmahlbildes von Leonardo
da Vinci. Der Preis iſt trotz des Doppeltondruckes auf
Mattpapier der gleiche (20 Pfennig) geblieben.


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[2/0002] Wien, Montag Reichspoſt 18. April 1910. Nr. 106 der ausgleichenden Gerechtigkeit und die konſequente Durch- führung der im Motivenberichte dargelegten Grundſätze. Sie richtet an die geſetzgebenden Körperſchaften den dringenden Appell, alle Beſtimmungen des Regierungsentwurfes, durch die das Staatsdienſtverhältnis zu einem Gewaltverhältnis im Sinne der Labandſchen Theorie wird, der Auffaſſung des Staatsdienſtes als Pflichtverhältnis entſprechend abzuändern, ferner die Beamten mit vollſtändiger Hochſchulbildung hinſichtlich des Ausmaßes der Zeitbeförderung den Mittelſchulprofeſſoren gleich- zuſtellen, da ſich die Zurückſetzung der übrigen akademiſch ge- bildeten Beamten in keiner Weiſe rechtfertigen läßt und in keinem auswärtigen Staate erfolgt iſt. Mit aller Entſchiedenheit aber muß gefordert werden, daß rückſichtlich derjenigen Beamten, die bei Beginn der Wirkſamkeit des Geſetzes eine längere Geſamtdienſtzeit auf- weiſen als nach dem Schema des § 69 für die Er- langung einer beſtimmten Rangsklaſſe gefordert wird, bei dem Zutreffen der übrigen Vorausſetzungen die Geſamtdienſtzeit in demſelben Dienſtzweige für die Vorrückung in die höhere Rangsklaſſe, wie auch in die entſprechende Gehaltsſtufe entſcheidend ſei. Andernfalls würden die bisherigen Zufälligkeiten der Be- förderung gerade für diejenigen Beamten, die die ſchlechteſten Avancementverhältniſſe durchzumachen hatten, nicht beſeitigt, ſondern ſtabiliſiert und hätten ſie die ohne ihr Verſchulden eingetretene Verſchlechterung ihres Avancements für ihr ganzes Leben zu büßen, ſindem ihnen nicht einmal das im § 69 ſtatuierte Mindeſtavancement eingeräumt wird. Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, 18. April. Miniſterpräſident Baron Bienerth beim Kaiſer. Miniſterpräſident Dr. Freiherr v. Bienerth iſt geſtern um 10 Uhr vormittags vom Kaiſer in Schönbrunn in längerer beſonderer Audienz empfangen worden. Ein Schritt der Regierung zur Klärung der parlamentariſchen Lage? Die heikle Situation, die durch den Vorſtoß des Polenklubs gegen die Rück- ſtellungen im Budget im Abgeordnetenhauſe geſchaffen wurde, erfährt durch folgende Wiener Meldung des Brünner „Naſinec“, des Organs des Abg. Doktor Hruban, eine eigenartige Beleuchtung: Der Slaviſchen Union wird in kurzer Zeit wichtiges Material für ihre Beratungen vorliegen, da der Miniſter- präſident ſich entſchloſſen hat, ſeinen Plan zn verwirklichen und der Slaviſchen Union konkrete Anträge vorzulegen, durch deren Annahme ihr die Möglichkeit geboten werden ſoll, ſich der Regierungsmajorität anzuſchließen. Die Meldung gibt zweifellos die Erwartungen wieder, die von verſchiedenen Kreiſen der Oppoſition an die derzeitigen parlamentariſchen Schwierigkeiten geknüpft werden, die durch die Rückſtellungspolitik des Finanz- miniſters hervorgerufen wurden. Miniſter a. D. Dr. Zacek über die tſchechiſche Politik. Aus Brünn, 17. d., wird uns berichtet: Abg. Dr. Zacek hielt heute hier im „Narodni Klub“ der mähriſchen Nationalpartei eine Rede über die gegenwärtige politiſche Situation. Er verwies zunächſt auf die Enttäuſchungen, die das erſte Haus des gleichen Wahlrechts gebracht habe, ins- beſondere auf die angebliche Verſchärfung des nationalen Streites. Am meiſten enttäuſcht ſei das tſchechiſche Volk, das mit einer gewiſſen Berechtigung von dem aus dem allgemeinen Wahlrechte hervorgegangenen Parlamente eine weſentliche Beſſerung ſeiner Stellung und eine Stärkung ſeines politiſchen Einfluſſes auch in der Staatsverwaltung erwarten konnte. Nach einem kurzen Intermezzo in der Aera Beck iſt der Einfluß des tſchechiſchen Volkes in der Verwaltung tiefer geſunken, als vielleicht lange zuvor! Und im Parlament, wo die tſchechiſchen Abgeordneten eine führende Rolle er- wartet hatten, vergeuden ſie nun alle ihre Kraft in oft klein- lichen Kämpfen, in wechſelnden Formen oppoſitioneller Be- tätigung ohne große, klar vorgezeichnete Ziele, eingeſetzt oft falſchen Beurteilungen von oben un- begründeten Anfeindungen ja ſogar Verdächtigungen vonſeiten mancher anderer Parteien, oft unverſtanden von ihren Freunden und hart behandelt von ihren Gegnern. Die Urſachen der Verhältniſſe lägen zunächſt in der veränderten Richtung unſerer äußeren Politik, dann aber auch in der Zer- ſplitterung der tſchechiſchen Vertretung in viele Fraktionen, die ſich gegenſeitig mit eiferſüchtigen Augen verfolgen. Und ſo ſei es den tſchechiſchen Führern ſchwer, ja beinahe unmöglich gemacht worden, ihren Gegnern mit Erfolg entgegenzutreten und auch die gegen ſie gerichteten Verdächtigungen, die in einzelnen kindiſchen Strömungen, abſichtlich falſch geteudeten Unternehmungen und Exkurſionen ihre Nahrung fanden, rechtzeitig unſchädlich zu machen. Aber es müſſe den entſcheidenden Faktoren ſelbſt daran gelegen ſein, das tſchechiſche Volk zur poſitiven Mitarbeit heranzuziehen und ihnen den der Bedeutung des tſchechiſchen Volkes entſprechenden Einfluß auf die Führung der öffentlichen Angelegenheiten zu ſichern. Aber da müßten die tſchechiſchen Abge- ordneten vor allem Ordnung in ihren Reihen machen, ſich ſelbſt ein klares, ſtreng umſchriebenes Ziel vor Augen ſtellen und um der notwendigen nationalen Auseinanderſetzung zwiſchen dem deutſchen und tſchechiſchen Volke praktiſch näher zu treten, müſſen ſie den unmöglichen Forderungen und Programmen der Deutſchen in Böhmen ſelbſt ein klares poſitives Programm entgegenſetzen, das die berechtigten Anſprüche beider Volks- ſtämme reſpektiert und ſchützt, ohne die Einheit des Landes zu gefährden. Dr. Zacek denkt da wohl an die vor kurzem auch in der „Korr. Zentrum“ als möglich zugegebene Ein- führung der nationalen Autonomie in Böhmen ohne territoriale Teilung. Es bleibt aber fraglich, ob die An- ſchauungen und Mahnungen Dr. Zaceks bei ſeinen Verbandsgenoſſen, die vielfach ganz andere Ziele als die nationale Verſtändigung im Auge haben, Gehör finden. Parlamentariſches. Der Budgetausſchuß tritt heute 3 Uhr nachmittags zu einer Sitzung zuſammen, in der die Debatte über die Anleihevorlage und über die Frage der Rückſtellungen fortgeſetzt werden wird. Die Slaviſche Union gegen die Rückſtellungen. Die dem Budgetausſchuß angehörenden Mitglieder der Slaviſchen Union haben, nach einer Meldung der „Narodny Liſty“ beſchloſſen, für den Antrag Glombinski, betreffend die Aufhebung der Rückſtellungen im Budget des Jahres 1910, zu votieren. Ausland. Zum Beſuche des Wiener Nunzius bei Rooſevelt wird von kompetenter vatikaniſcher Stelle erklärt, daß weder der Nunzius Weiſungen des Heiligen Stuhls erbeten, noch dieſer ihm ſolche erteilt hat. Es iſt daher nicht nur die Annahme grundlos, als ob der Nunzius Rooſevelt irgendwelche Mitteilung gemacht hätte, ſondern es kann auch dem Beſuche ſelbſt keinerlei Bedeutung in bezug auf den Heiligen Stuhl beigemeſſen werden. Die angebliche Rolle Oeſterreich- Ungarns und Deutſchlands im Albaneſen- aufſtande wird von der „Kölniſchen Zeitung“ in folgender, aus Berlin ſtammenden Meldung näher beleuchtet. Die Tatarennachricht des Pariſer „Journal“, die Pforte ſei im Beſitze von Beweiſen, daß die neueſten albaneſiſchen Unruhen von deutſchen und öſterreichiſch-ungariſchen Geheim- agenten (!) angezettelt worden ſeien, um dem Gedanken des Balkanbundes entgegen- zuarbeiten, wird in Konſtantinopel die be- abſichtigte Wirkung ganz und gar verlieren. Man weiß dort ganz genau, auf welche Gründe der Aufſtand in Wirklichkeit zurückzuführen iſt. Man kann nur wünſchen, daß dem tatkräftigen Vorgehen der türki- ſchen Regierung eine möglichſt raſche Unterdrückung des Aufſtandes gelingt. — Die Nachrichten von einer voll- kommenen Beilegung der Bewegung in Nordkoſſowo ſcheinen verfrüht zu ſein. Aus dem türkiſchen Hauptquartier wird gemeldet: Die Arnauten von Djakova befinden ſich in Aufregung und ſammeln ſich in einer Entfernung von zwei Stunden von der Stadt. Die Entſendung von Truppen dorthin wird in Erwägung gezogen. Die Urſache der Zuſammen- rottung iſt noch unbekannt. In Priſchtina und Ipek wurde die Ruhe nicht weiter geſtört. Das Volk zeigt ſich nachgiebig, die Stimmung iſt jedoch gereizt. Die Geſamtverluſte der Arnauten ſollen 230 Tote und 60 Verwundete betragen. Die Arnauten von Ghilan ſind gleichfalls erregt. Die Belgrader Inveſtitionsanleihe wurde bei der geſtrigen Abſtimmung mit 4842 gegen 1383 Stimmen gutgeheißen. Die fremdenfeindliche Bewegung in China nimmt an Schärfe zu. Wie dem Reuterſchen Bureau aus Hankau gemeldet wird, wurde in Tſchang- ſcha der Yamen des Gouverneurs vollſtändig zerſtört. Der Gouverneur und ſein Sohn wurden getötet. Die Stadt ſteht in Flammen. Die norwegiſche Miſſion und die katholiſchen Miſſionen wurden nieder- gebrannt, die übrigen zerſtört. Die Stadt wurde von Tauſenden von Plünderern heimgeſucht. Unter den zer- ſtörten Gebäuden befindet ſich auch das japaniſche Kon- ſulat. Eine ohne Lichter fahrende Dſchunke wurde von dem nach Tſchangſcha eilenden engliſchen Kanonenboot „Thiſtle“ überrannt. An Bord der Dſchunke ſollen ſich drei deutſche Miſſionäre befunden haben, die ertrunken wären. Man weiß indeſſen nur von acht Deutſchen, die ſich in Tſchangſcha befunden haben und ſämtlich in Sicher- heit ſein ſollen. Ein ſpäterer Bericht beſagt, daß drei Amerikaner vermißt werden; dieſelben ſind möglicher- weiſe mit der Dſchunke untergegangen. Letzte Telegramme. Parteitag der polniſchen Volkspartei. Krakau, 18. April. (Privattelegramm.) Der Aus- ſchuß des Aufſichtsrates der polniſchen Volkspartei hielt geſtern unter dem Vorſitze des Abg. Stapinski eine überaus lange Beratung ab. Es waren faſt ſämtliche Reichsrats- und Landtagsabgeordnete der polniſchen Volkspartei erſchienen. Nach einer ausführlichen Debatte über die politiſche Situation wurden die Details des Projektes zur Reorganiſation beraten und die der am 1. Mai l. J. in Tarnow ſtattfindenden Verſammlung der Aufſichtsratsmitglieder der polniſchen Volkspartei zu unterbreitenden diesbezüglichen Anträge feſtgeſtellt. Rooſevelt in Ofen-Peſt. Ofen-Peſt, 18. April. Rooſevelt empfing heute früh den Sektionsrat im Ackerbauminiſterium Joſef Nemeth, demgegenüber er ſein Entzücken über die Hauptſtadt ſowie über den ihm bereiteten Empfang Aus- druck gab. Um ½11 Uhr vormittags fuhr Rooſevelt nach Ofen, um beim Erzherzog Joſef und beim Miniſter- präſidenten Grafen Khuen-Hedervary ſeine Karte abzugeben. Um ¾12 Uhr mittags begab er ſich in das Parlamentsgebäude, wo die ungariſche Literariſche Poſt. Neuerſcheinungen des Verlages der Deutſchen Geſellſchaft für chriſtliche Kunſt. München. 1. Meiſterwerke religiöſer Kunſt. Serie II (neue Meiſter). Vierfarbige Kunſtblätter in Aquarellgravüre mit Text von Dr. Johannes Damrich. Format 69 × 51. Preis 25 Mark. 2. Janſſens: „Die ſieben Schmerzen Mariä.“ Blatt I. Darſtellung im Tempel. Format 70 × 50. (Einzelpreis 10 Mark.) 3. Bayriſch-ſchwäbiſcher Kunſtkalender von Joſef Schlecht. VII. Jahrg. Preis 1 Mark. Der rührige Verlag der Geſellſchaft für chriſtliche Kunſt hatte bereits im Vorjahre die I. Serie der Meiſterwerke religiöſer Kunſt erſcheinen laſſen, ſechs großformatige Kunſt- blätter in Aquarellgravüre, Reproduktionen alter Meiſter. Wir haben auf die Vortrefflichkeit dieſer Blätter bereits einigemale hingewieſen. In der II. Serie ſind nur moderne Meiſter vertreten, und zwar Fritz Kunz mit ſeiner „Verkündigung“ und „Heiligen Familie“, ferner eine „Madonna“ Schleibners und Martin Feuer- ſteins „Hl. Odilia“. Den Vorzug möchten wir den beiden Blättern Kunzens geben. Seine ein wenig archaiſierenden aber außerordentlich ernſten und eindrucks- vollen Bilder verſetzen in ihrer Geſchloſſenheit und anmuts- vollen Einfachheit unwillkürlich in andachtsvolle Stimmung. Das Bild Feuerſteins erfreut uns beſonders durch die romantiſchen Reize des Waldhintergrundes. Gleichwertig reiht ſich Schleibners „Madonna“ an. Der Preis von 8 Mark pro Blatt iſt im Verhältnis zu der wirklich vollendeten Reproduktionstechnik der Aquarellgravüre, welche an künſtleriſchen Werten hoch über den gewöhnlichen Drei- oder Vier-Farbendrucken ſteht, mäßig. Wenn trotzdem unkünſtleriſche Oelfarbendrucke noch immer die Wände des chriſtlichen Hauſes „zieren“, ſo gibt es jetzt angeſichts dieſer nicht zu teuren, farbigen und dabei künſtleriſch einwandfreien Bilder keine Entſchuldigung mehr. P. Ad. Innerkofler C. SS. R.: Lebens- bild des hl. Kl. M. Hofbauer C. SS. R. Regensburg, Fr. Puſtet. — Lange Zeit iſt es Uebung der Heiligenbiographen geweſen, den Gegenſtand ihrer Be- trachtung in jener abſtrakten und unkörperlichen Form dar- zuſtellen, die ihn wie eine Wolke umgab, hinter der die Verehrung ihn ſo hoch ſtellen konnte als ſie wollte, aus der aber der Leſer wenig Gewinn für ſein praktiſches Chriſtentum ziehen konnte, da ſie ihm kaum eine Hand- habe zur Nachahmung bot. Dieſer Methode, die ſich bis in unſere Tage verfolgen läßt, wagte ſich ſelbſt Voltaire nicht zu entziehen, denn der hl. Ludwig von Frankreich z. B. erhielt auch unter ſeinen Händen die ſüßliche, unperſönliche Schablonenhaftigkeit gewiſſer Heiligenbilder. Das iſt’s aber nicht was dem Volke not tut. Der kleine Mann, der von einem andern Mann aus dem Volke lieſt, wie er — allen Gewalten zum Trotz — durch Klippen und Hemmniſſe den Weg zur Heiligkeit gefunden, wird an einer ſolchen Erſcheinung nicht vorübergehen können. Es muß ihn packen, es läßt ihn nicht los. Und damit iſt der Anfang zum Guten ge- macht. So war es auch ein Griff ins volle Menſchentum, als P. Innerkofler aus dem Redemptoriſtenkollegium uns in vielen treuen Einzelzügen das Lebensbild des Wiener Kongregationsvaters, des heiligen Klemens Hofbauer aufrollte. Er zeigt ihn in ſeinen müh- ſeligen Anfängen als Handwerkerlehrling, in der ſchon Gottesminne atmenden Beharrlichkeit, mit der er das Prieſtertum anſtrebte, endlich in Ausübung des ſchwer- erkämpften Berufes. — Keine Seite ſeines Lebens iſt übergangen, jede ſeiner prieſterlichen Funktionen, alle ſeine Beziehungen zu Freund und Feind, zu den Armen und Vornehmen, im Kloſter bei St. Urſula, unter ſeinen Novizen, unter den genialen Roman- tikern treten klar beleuchtet, in überſichtlicher Gliederung vor unſer Auge, und zahlreiche anekdotiſche Details, Ausſprüche des Heiligen und Stimmungsnüancen geben dem Werke die unmittelbare Friſche lebendiger, perſönlicher Berührung. Das Buch umfaßt über 900 Seiten Großoktav und hat doch keine Längen. Das überreiche Quellenmaterial, das dem Verfaſſer zur Ver- fügung ſtand, ließe das gar nicht zu, ja es werden bei der bald zu erwartenden zweiten Auflage einige Aus- ſcheidungen nötig werden, da ſeither wieder eine Unmenge neues Material zugefloſſen und auch die Anlage eines Sachregiſters in Ausſicht genommen iſt. — Eigentlich wird ja derjenige, der dieſes Werk kennen gelernt hat, gar nichts von ſeinem Inhalte miſſen wollen; wenn aber — zur Erzielung wohlbedachter Aenderungen — ſchon geſtrichen werden muß, wäre zu wünſchen, daß durchaus nichts von dem wegfiele, was den engeren Kreis und Lebens- rahmen des Heiligen bildet, weder von den harten An- fängen ſeines Seelſorgeamtes in der Fremde, noch von der aus Wienern ſo beſonders teuren Epoche ſeines hieſigen Wirkens mit all den intereſſanten und lebens- vollen Erſcheinungen, die hier wie leuchtende Sterne ſeine Bahnen ſchneiden. Wenn das Buch als Nachſchlagewerk über eine hiſtoriſche Perſönlichkeit ſchon wegen der gewiſſenhaften und liebevollen Sammelarbeit von hohem Werte iſt, wenn der Literaturfreund die lebendighinfließende, immer neu feſſelnde Darſtellungsweiſe würdigen wird, ſo liegt die höchſte Bedeutung des Werkes doch zuletzt in der natürlichen und greifbaren Geſtaltung, die der Heilige in dieſem Lebensbilde vor uns annimmt, und die uns das Wunder einer ganz durch die Gnade wirkenden Berufung aneifernd vor Augen führt. — Der Verfaſſer hat alſo nicht nur die Literatur und die Hagiographie, ſondern nicht minder das katholiſche Bewußtſein bereichert, indem er zeigte, daß es etwas gibt, das ſelbſt die Fanatiker der „Aufklärung“ zum Reſpekt und zum Rückzug zwingt — und das iſt eine echte, unerſchütterte religiöſe Ueberzeugung. S. Aehnlich im Format und der Ausführung iſt eine andere Serie von ſieben Blättern, „Die ſieben Schmerzen Mariä“, nach Bildern des belgiſchen Malers Januſſens. Nach dem vorliegenden erſten Blatt zu urteilen, wird auch dieſe Novität dem Verleger alle Ehre machen. Von kleine- ren Erſcheinungen des Verlages wären noch der neue Jahrgang des Kalenders bayriſcher und ſchwäbiſcher Kunſt zu nennen, mit einer prächtigen, farbigen Wieder- gabe des „apokalyptiſchen Weibes“ von Rubens. Auch auf die ausgezeichneten Kommunionsandenken, welche der Verlag herausgibt, ſei jetzt in der Oſterzeit aufmerkſam gemacht. Die letzten Blätter 11 und 12 ſind wunderſchöne Nachbildungen von „Jeſus in Emaus“ von Dirck Sant- voort und des berühmten Abendmahlbildes von Leonardo da Vinci. Der Preis iſt trotz des Doppeltondruckes auf Mattpapier der gleiche (20 Pfennig) geblieben. Dr. —r.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 106, Wien, 18.04.1910, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost106_1910/2>, abgerufen am 21.11.2024.