Reichspost. Nr. 117, Wien, 28.04.1908.[Spaltenumbruch]
Preis 8 h Verwaltung: VIII. Strozzig. 42. Telephon: 13870. Druckerei: VIII. Strozzigasse 41. Telephon: 22641. Stadtexpedition I. Wollzeile 11. Zeitungsbureau H. Goldschmied. Blattbestellungen übernimmt auch J. Heindl, I. Stefansplatz 7. Das Blatt erscheint täglich ein- mal (als Morgenausgabe). Montag erfolgt die Ausgabe um 2 Uhr nachmittags. [Spaltenumbruch] Morgenblatt. Reichspost. Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich-Ungarus. [Spaltenumbruch] Preis 8 h Für Deutschland: vierteljährig ....... 12 K Länder des Weltpostvereines: vierteljährig ........ 16 K. Inserate werden in der Verwaltung der "Reichspost", VIII. Strozzigasse 42, sowie in allen Annoncenbureaus des In- und Auslandes angenommen XV. Jahrgang. Wien, Dienstag, den 28. April 1908. Nr. 117. [Spaltenumbruch] Die Nationalsprachen in der ge- meinsamen Armee. Abermals wird von Kompromissen gesprochen, welche Die Behandlung der Armeeangelegenheiten liefert uns Blitzartig tritt heute die Kriegsgefahr heran und wer Es scheint, daß die Erkenntnis dessen auch unsere Der politische Himmel Europas ist nicht sonnenhell Was will Ungarn eigentlich? Angeblich eine nationale Mit der Rückberufung aller in Ungarn Dann folgte die Begünstigung der magyarischen Gegenwärtig ist man bestrebt, sogenannte Konzessionen Die Kommandosprache ist die Sprache der [Spaltenumbruch] Feuilleton. Lachgasversuche. Das Lach- oder Lustgas (Stickstoffoxydul) und seine Das von Priestley 1772 entdeckte Stickstoffoxydul zog Diese aus den wunderlichen Anschauungen der Nicht in den "idealen Träumen wilden Verlangens" In Prosa erzählt er, in welch lebhafte Erregung "Einige junge Herren machten den Anfang", so er- Diese kühne Prophezeiung ist zwar nicht eingetroffen, Die eigentliche Hochburg der Lachgasversuche aber Der Raum war bald zu klein für die Tausende [Abbildung] Die heutige Nummer ist 12 Seiten stark. [Abbildung] [Spaltenumbruch]
Preis 8 h Verwaltung: VIII. Strozzig. 42. Telephon: 13870. Druckerei: VIII. Strozzigaſſe 41. Telephon: 22641. Stadtexpedition I. Wollzeile 11. Zeitungsbureau H. Goldſchmied. Blattbeſtellungen übernimmt auch J. Heindl, I. Stefansplatz 7. Das Blatt erſcheint täglich ein- mal (als Morgenausgabe). Montag erfolgt die Ausgabe um 2 Uhr nachmittags. [Spaltenumbruch] Morgenblatt. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarus. [Spaltenumbruch] Preis 8 h Für Deutſchland: vierteljährig ....... 12 K Länder des Weltpoſtvereines: vierteljährig ........ 16 K. Inſerate werden in der Verwaltung der „Reichspoſt“, VIII. Strozzigaſſe 42, ſowie in allen Annoncenbureaus des In- und Auslandes angenommen XV. Jahrgang. Wien, Dienstag, den 28. April 1908. Nr. 117. [Spaltenumbruch] Die Nationalſprachen in der ge- meinſamen Armee. Abermals wird von Kompromiſſen geſprochen, welche Die Behandlung der Armeeangelegenheiten liefert uns Blitzartig tritt heute die Kriegsgefahr heran und wer Es ſcheint, daß die Erkenntnis deſſen auch unſere Der politiſche Himmel Europas iſt nicht ſonnenhell Was will Ungarn eigentlich? Angeblich eine nationale Mit der Rückberufung aller in Ungarn Dann folgte die Begünſtigung der magyariſchen Gegenwärtig iſt man beſtrebt, ſogenannte Konzeſſionen Die Kommandoſprache iſt die Sprache der [Spaltenumbruch] Feuilleton. Lachgasverſuche. Das Lach- oder Luſtgas (Stickſtoffoxydul) und ſeine Das von Prieſtley 1772 entdeckte Stickſtoffoxydul zog Dieſe aus den wunderlichen Anſchauungen der Nicht in den „idealen Träumen wilden Verlangens“ In Proſa erzählt er, in welch lebhafte Erregung „Einige junge Herren machten den Anfang“, ſo er- Dieſe kühne Prophezeiung iſt zwar nicht eingetroffen, Die eigentliche Hochburg der Lachgasverſuche aber Der Raum war bald zu klein für die Tauſende [Abbildung] Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark. 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Statt des zaghaften, ſtets nachgiebigen und ſchwäch-<lb/> lichen Geiſtes von ehedem, trat uns endlich einmal Selbſt-<lb/> gefühl und Kraftbewußtſein vor Augen.</p><lb/> <p>Die Behandlung der Armeeangelegenheiten liefert uns<lb/> den Beweis dafür. Würde dieſe infolge unſerer ſtaatsrecht-<lb/> lichen Einrichtungen nicht dem eigentlichen Hauſe entrückt<lb/> ſein, die Intereſſen der Armee fänden in dieſem ein noch<lb/> beſſeres Echo. Je höher ein Volk ſeine politiſche Lage ſchätzt<lb/> und je unbehinderter es ſeine geſellſchaftlichen Einrichtungen<lb/> nach eigenem Gutdünken geſtalten kann, deſto ausgiebiger<lb/> wird es für ſeinen eigenen Schutz ſorgen und deſto größere<lb/> Opfer wird es bringen, um ſeine Armee und dadurch ſich<lb/> ſelbſt unüberwindlich zu machen.</p><lb/> <p>Blitzartig tritt heute die Kriegsgefahr heran und wer<lb/> nicht alle ſeine Verteidigungsmittel zum augenblicklichen<lb/> Gebrauche bereithält, iſt von vorneherein ſo gut wie ver-<lb/> loren. 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Die Träume<lb/> vom ewigen Frieden und allgemeiner Abrüſtung ſind Blend-<lb/> werk, Phantaſiegebilde, die der menſchlichen Natur wider-<lb/> ſprechen.</p><lb/> <p>Es ſcheint, daß die Erkenntnis deſſen auch unſere<lb/> Delegation beherrſcht hat, als ſie bei ihrer letzten Tagung<lb/> aus eigener Initiative ſich der Armee annahm und unver-<lb/> zagt der Durchſetzung ihres Willens nachging. In den<lb/> Delegationen weht merklich eine andere Luft heute, als<lb/> ehedem, und die chriſtlichſoziale Partei kann ſtolz darauf<lb/><cb/> ſein, daß die Wandlung zum Beſſeren ſowohl im Hauſe als<lb/> in den Delegationen von ihr ausgegangen iſt.</p><lb/> <p>Der politiſche Himmel Europas iſt nicht ſonnenhell<lb/> und ein heftiges Gewitter kann über Nacht hereinbrechen.<lb/> Es iſt daher unverantwortlich, daß die Magyaren die<lb/> Armee benützen, um ihren überſpannten, nationalen Ehr-<lb/> geiz zu ſtillen. Einſtmals ſchloß ſich Ungarn an Oeſterreich<lb/> an, damit es ihm helfe, ſeine Grenzen zu ſchützen und die<lb/> inneren Zwiſtigkeiten niederzuhalten. Heute lähmt Ungarn<lb/> die gemeinſame Wehr. Erlitte aber Oeſterreich eine<lb/> Niederlage, ſo würde es entweder zertrümmert oder auf<lb/> Jahre hinaus finanziell ausgepreßt. Wer aber würde die<lb/> Milliarden zahlen, die wir abgeben müßten und die Laſten<lb/> tragen, die uns auferlegt würden? Oeſterreich, — gewiß<lb/> nur Oeſterreich, weil es etwas zu geben hat, nicht aber<lb/> Ungarn, das kapitalsarm iſt.</p><lb/> <p>Was will Ungarn eigentlich? Angeblich eine nationale<lb/> Armee, in Wahrheit aber will es die gemeinſame Armee<lb/> in den Dienſt der Magyariſierung ſtellen. Darin liegt die<lb/> Haupttriebfeder aller Angriffe wider das Heer, die Kirche,<lb/> die Schule und die öffentliche Verwaltung, alles arbeitet in<lb/> Ungarn auf die Magyariſierung der nichtungariſchen Natio-<lb/> nalitäten los, nur die gemeinſame Armee — in gewiſſem<lb/> Sinne gleichfalls eine Schule höherer Art — hielt ſich bis-<lb/> her dieſer Strömung ferne. Eben darum iſt ſie für die<lb/> gegenwärtig in Ungarn herrſchende Klaſſe ein Stein des<lb/> Anſtoßes, der umſo mißliebiger erſcheint, als die Sprache<lb/> der Armee <hi rendition="#g">deutſch</hi> iſt.</p><lb/> <p>Mit der <hi rendition="#g">Rückberufung aller in Ungarn<lb/> geborenen Offiziere in ungarländiſche<lb/> Truppenkörper</hi> hat der einſeitige Druck auf die<lb/> Heeresverwaltung ſeinen Anfang genommen. Leider wurde<lb/> ihm willfahrt, obwohl dieſe Maßregel, wenn ſie nicht nur<lb/> vorübergehend iſt, auch ihre recht bedenkliche Seite hat. Zur<lb/> Verſchmelzung des Offizierskorps trägt ſie keineswegs bei,<lb/> im Gegenteil iſt zu befürchten, daß mit der Zeit der vater-<lb/> ländiſche Geſichtskreis vieler mehr als zuträglich eingeengt<lb/> werde.</p><lb/> <p>Dann folgte die Begünſtigung der <hi rendition="#g">magyariſchen<lb/> Sprache in den Militärbildungs-<lb/> anſtalten.</hi> Auch hier ward den Magyaren nachgegeben,<lb/> und zwar in bedenklichſter Weiſe. In allen in Ungarn befind-<lb/> lichen Kadettenſchulen der gemeinſamen Armee werden ſeit dem<lb/> Jahre 1904 von 20 Vortragsgegenſtänden neun magyariſch<lb/> gelehrt, die übrigen deutſch und einige doppelſprachig.<lb/> Während aber in den gleichartigen in Oeſterreich befind-<lb/> lichen Schulen nebſt der deutſchen Armeeſprache — je nach<lb/> dem Standorte der Schule — die Zöglinge auch tſchechiſch,<lb/> polniſch, rutheniſch, italieniſch, kroatiſch und magyariſch<lb/><cb/> lernen müſſen, wird in den ungarländiſchen Schulen weder<lb/> rumäniſch, noch ſlovakiſch, noch ſerbiſch gelehrt, ſo daß die<lb/> Kinder dieſer Volksſtämme ihrer Mutterſprache zugunſten<lb/> des Magyariſchen vollſtändig entraten müſſen, was zur<lb/> Folge hat, daß es ſeinerzeit auch bei den betreffenden<lb/> Regimentern keine Offiziere geben wird, welche<lb/> mit den Mannſchaften dieſer Nationalitäten in der<lb/> Mutterſprache werden verkehren können. Die<lb/> Magyaren haben alſo tatſächlich erreicht, daß<lb/> Einrichtungen der gemeinſamen Armee in den Dienſt<lb/> magyariſierender Beſtrebungen geſtellt wurden, was umſo<lb/> bedenklicher iſt, als zu befürchten ſteht, daß der Widerſtand<lb/> gegen den ungariſchen Sprachenzwang ſich zukünftig auch<lb/> gegen die gemeinſame Armee kehren wird, wenn die<lb/> Rumänen, Slovaken und Serben einmal die Zurückſetzung<lb/> inne werden, die ihnen zuteil geworden.</p><lb/> <p>Gegenwärtig iſt man beſtrebt, ſogenannte Konzeſſionen<lb/> zu verlangen in bezug auf die deutſche Kommando-, die<lb/> deutſche Dienſt- und die Regimentsſprache. Zwiſchen dieſen<lb/> Abſtufungen iſt wohl zu unterſcheiden, ſie ſind im praktiſchen<lb/> Militärleben nicht dasſelbe und auch keinesfalls gleichwertig.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Kommandoſprache</hi> iſt die Sprache der<lb/> Befehlsgebung im engern Sinne, d. i. auf dem Exerzier-<lb/> platze, vor der Front. Sie iſt wichtig, aber nicht die Haupt-<lb/> ſache. Die Kommandoſprache iſt bekanntlich in der gemein-<lb/> ſamen Armee und öſterreichiſchen Landwehr deutſch, in der<lb/> ungariſchen Landwehr magyariſch und in der kroatiſchen<lb/> kroatiſch. Entſcheidend in militäriſcher Beziehung iſt die<lb/><hi rendition="#g">Dienſtſprache.</hi> Sie iſt die Sprache des täglichen<lb/> Lebens bei der Truppe und in ihr wickelt ſich innerhalb der<lb/> Truppe der ganze mündliche und ſchriftliche Verkehr ab,<lb/> vom Oberſt bis zum letzten Unteroffizier, vorausgeſetzt<lb/> natürlich, daß dieſer der deutſchen Sprache überhaupt<lb/> mächtig iſt. Erſt gegenüber dem einfachen Soldaten<lb/> wird notgedrungen allenthalben die Mutterſprache<lb/> angewandt. Doch gibt es keine Engherzigkeit in ſprachlicher<lb/> Beziehung. Für gewöhnlich ſpricht jedermann mit ſeinem<lb/> Kameraden oder Untergebenen in jener Sprache, welche<lb/> beiden am geläufigſten iſt. Immerhin hat die einheitliche<lb/> Armeeſprache eine tiefwurzelnde Bedeutung für jeden nicht-<lb/> deutſchen Truppenkörper, ſo daß jeder alte Soldat unzweifel-<lb/> haft zugeben wird, daß die Spaltung der Armee nach<lb/> zweierlei Dienſtſprachen ſehr bald eine Differenzierung auch<lb/> in anderen wichtigen Belangen zur Folge hätte. In der<lb/> einheitlichen Dienſt- und Umgangsſprache liegt eben ein<lb/> unſchätzbares, ganz unerſetzliches Unterpfand des überein-<lb/> ſtimmenden Fühlens und Denkens, der Gemeinſamkeit und<lb/> Zuſammengehörigkeit aller.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Feuilleton.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="f1a" next="#f1b" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Lachgasverſuche.</hi> </head><lb/> <p>Das Lach- oder Luſtgas (Stickſtoffoxydul) und ſeine<lb/> anäſthetiſche Wirkung, die auch heute noch beim Zahn-<lb/> ziehen gute Dienſte leiſtet, iſt für uns längſt aus der<lb/> Reihe der intereſſanten chemiſchen Produkte geſchwunden<lb/> und wir wiſſen nicht mehr, was für ein Aufſehen dieſes<lb/> Stickſtoffpräparat kurz nach ſeiner Entdeckung in weiten<lb/> Kreiſen hervorgerufen hat. In dieſe „intime Geſchichte des<lb/> Lachgaſes“ und zugleich in ein amüſantes kultur-<lb/> geſchichtliches Milieu um die Wende des 18. Jahr-<lb/> hunderts führt uns ein hübſches Büchlein eines bekannten<lb/> Chemieprofeſſors, der hier ein reiches Material zur Ge-<lb/> ſchichte der Naturwiſſenſchaften vor uns ausbreitet.</p><lb/> <p>Das von Prieſtley 1772 entdeckte Stickſtoffoxydul zog<lb/> das Intereſſe der Naturhiſtoriker in höchſtem Maße an.<lb/> 1796 verteidigte der amerikaniſche Profeſſor Mitchill eine<lb/> abenteuerliche Theorie, nach der dieſes Gas als die<lb/> Urſache aller anſteckenden Krankheiten anzuſehen ſei und<lb/> die ſchrecklichſten Wirkungen herbeiführe, wenn es auch<lb/> nur in ganz geringen Mengen von Menſch oder Tier<lb/> eingeatmet werde.</p><lb/> <p>Dieſe aus den wunderlichen Anſchauungen der<lb/> romantiſchen Medizin geborene Behauptung erſchien<lb/> damals nicht weiter ſonderbar. Hielt man doch zu ſeiner<lb/> Zeit überhaupt gewiſſe Gaſe für Krankheitserreger und<lb/> ſchrieb z. B. das Entſtehen der Schwindſucht einem zu<lb/> großen. Sauerſtoffgehalte des Organismus zu. Der<lb/> engliſche Arzt Thomas Beddoes ging daher bei ſeinen<lb/> Heilungen von der Ueberzeugung aus, daß ſich viele<lb/> Krankheiten durch das Einatmen beſtimmter Gaſe heilen<lb/> ließen, indem dieſe die Wirkung der ſchädlichen Gaſe<lb/><cb/> aufheben könnten. Er gründete ein Inſtitut für dieſe<lb/> „pneumatiſche Medizin“ und ſicherte ſich dafür die Mit-<lb/> arbeit eines tüchtigen Experimentators, jenes Humphry<lb/> Davy, der zuerſt die berauſchenden Eigenſchaften des<lb/> neuen Gaſes entdeckte. Davy atmete nun dieſes „Luſt-<lb/> oder Lachgas“ zahlloſe Male ein und beſchrieb in<lb/> poetiſcher Verzückung die Empfindungen, die ihn dabei<lb/> erfaßt hätten.</p><lb/> <p>Nicht in den „idealen Träumen wilden Verlangens“<lb/> habe er je Aehnliches gefühlt: „Der Buſen brennt mit<lb/> nie gefühltem Feuer, die Wange färbt ſich rot mit<lb/> glühendem Wallen; die Augen leuchten auf mit hellem<lb/> Blitzen.“</p><lb/> <p>In Proſa erzählt er, in welch lebhafte Erregung<lb/> ſeine ganze Phantaſie durch dieſes Gas gebracht werde,<lb/> wie prächtige Bilder und große Gedanken ſich in ſeinem<lb/> Hirn jagten, wie er in einer ganz neuen herrlicheren Welt<lb/> zu leben meine. Davys Freunde mußten natürlich auch<lb/> die wunderbare Kraft dieſes merkwürdigen Stoffs an ſich<lb/> erproben. Auch die Dichter Coleridge und Southey<lb/> ließen ſich dadurch anregen und beſchreiben, in welch<lb/> himmliſche Fröhlichkeit ſie dadurch verſetzt wurden, wie<lb/> ſie ſich leicht und frei fühlten und in ein göttliches Ge-<lb/> lächter ausbrachen. Das große Publikum wollte gleich-<lb/> falls Anteil haben an dieſem wahrhaft olympiſchen Mittel<lb/> der Lebensſteigerung. Wo eine naturwiſſenſchaftlich in-<lb/> tereſſierte Geſellſchaft beiſammen war, da verfiel man<lb/> auf die Erprobung des Luſtgaſes.</p><lb/> <p>„Einige junge Herren machten den Anfang“, ſo er-<lb/> zählt der deutſche Naturforſcher Schönbein von ſeiner<lb/> engliſchen Reiſe, „und ſie alle gaben unzweideutige Zeichen<lb/> von Wohlbehagen und wilder Luſt von ſich; ein ältlicher<lb/> geſetzter Mann hegte aber auch ſeine Zweifel und ent-<lb/> ſchloß ſich daher, ſelbſt einige Maße des Lachgaſes zu<lb/> ſich zu nehmen. Nachdem er eine Anzahl von Zügen ge-<lb/> tan, begann er auf einmal zu tanzen und richtete während<lb/><cb/> ſeiner Ekſtaſe in den benachbarten Blumenbeeten die<lb/> fürchterlichſten Verwüſtungen an, zu großer Ergötzung<lb/> der Zuſchauer. Vielleicht wird es auch noch einmal bei<lb/> uns Sitte, gegen das Ende eines Gaſtmahles Stickſtoff-<lb/> oxydulgas zu atmen, anſtatt Champagner zu trinken,<lb/> und tritt dieſer Fall ein, ſo wird es auch an Luſtgas-<lb/> fabriken nicht fehlen.“</p><lb/> <p>Dieſe kühne Prophezeiung iſt zwar nicht eingetroffen,<lb/> aber jedenfalls wurde damals ſo viel Lachgas in England<lb/> eingeatmet, wie nie wieder. Die kleineren Theater brachten<lb/> zur Belehrung ihres Publikums Experimente mit dem<lb/> neuen Gas, wobei einer der Zuſchauer ſich der Einatmung<lb/> unterzog und wobei, wenn der Erfolg nicht ganz ſo<lb/> großartig geweſen, wie man ſich ihn vorgeſtellt, das Ende<lb/> der Darbietung in eine wüſte Schlägerei ausartete.</p><lb/> <p>Die eigentliche Hochburg der Lachgasverſuche aber<lb/> wurde das königliche Inſtitut von Großbritannien, das<lb/> der bekannte Philantrop Graf Rumford, der Erfinder<lb/> jener berühmten billigen nahrhaften „Rumforder Suppen“,<lb/> begründete. Durch dieſes Inſtitut ſollte die Kenntnis der<lb/> Naturwiſſenſchaften unter dem Publikum verbreitet werden,<lb/> und es erfreute ſich auch wirklich raſch eines außerordent-<lb/> lichen Zuſpruches.</p><lb/> <p>Der Raum war bald zu klein für die Tauſende<lb/> vornehmer Herren und Damen, die ſich zu den Lachgas-<lb/> experimenten herbeidrängten. Ein neues Gebäude wurde<lb/> erbaut, „ein wahres Pantheon mit einer oben, wo das<lb/> Licht einfällt, verſchließbaren Knppel“, wie ein zeit-<lb/> genöſſiſcher Bericht ſagt. Der Saal war der prächtigſte<lb/> Hörſaal in ganz Europa. Der geniale Karikaturiſt<lb/> Gillray hat in einer Karikatur die elegante Lebewelt<lb/> Londons geſchildert, wie ſie grotesk aufgeputzt mit Notiz-<lb/> buch und Lorgnette um den Expertmentiertiſch ſitzt,<lb/> während ein vornehmer Baronet das Gas einatmet, das<lb/> aber bei ihm eine unerwartete, durchaus nicht ſalonfähige<lb/> Wirkung hervorbringt.</p><lb/> <p> <ref> <figure/> <hi rendition="#b">Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark.</hi> <figure/> </ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [1/0001]
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Redaktion: VIII. Strozzigaſſe 41.
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Verwaltung: VIII. Strozzig. 42.
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Stadtexpedition I. Wollzeile 11.
Zeitungsbureau H. Goldſchmied.
Blattbeſtellungen übernimmt auch
J. Heindl, I. Stefansplatz 7.
Das Blatt erſcheint täglich ein-
mal (als Morgenausgabe).
Montag erfolgt die Ausgabe um
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Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarus.
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werden in der Verwaltung der
„Reichspoſt“, VIII. Strozzigaſſe 42,
ſowie in allen Annoncenbureaus des
In- und Auslandes angenommen
XV. Jahrgang. Wien, Dienstag, den 28. April 1908. Nr. 117.
Die Nationalſprachen in der ge-
meinſamen Armee.
Vom Reichsratsabgeordneten Athanas von Guggenberg,
General a. D.
Abermals wird von Kompromiſſen geſprochen, welche
die nächſte Delegationsſitzung zugunſten der Magyaren vor-
bereiten ſollen. Täuſcht man ſich wirklich und überſieht, daß
die Verhältniſſe in Oeſterreich, die ſolche Kompromiſſe mög-
lich machten, andere geworden ſind? Schon bei den jüngſten
Delegationsverhandlungen zeigte es ſich, daß die öſter-
reichiſche Volksvertretung ein tatſächliches Volkshaus gewor-
den. Statt des zaghaften, ſtets nachgiebigen und ſchwäch-
lichen Geiſtes von ehedem, trat uns endlich einmal Selbſt-
gefühl und Kraftbewußtſein vor Augen.
Die Behandlung der Armeeangelegenheiten liefert uns
den Beweis dafür. Würde dieſe infolge unſerer ſtaatsrecht-
lichen Einrichtungen nicht dem eigentlichen Hauſe entrückt
ſein, die Intereſſen der Armee fänden in dieſem ein noch
beſſeres Echo. Je höher ein Volk ſeine politiſche Lage ſchätzt
und je unbehinderter es ſeine geſellſchaftlichen Einrichtungen
nach eigenem Gutdünken geſtalten kann, deſto ausgiebiger
wird es für ſeinen eigenen Schutz ſorgen und deſto größere
Opfer wird es bringen, um ſeine Armee und dadurch ſich
ſelbſt unüberwindlich zu machen.
Blitzartig tritt heute die Kriegsgefahr heran und wer
nicht alle ſeine Verteidigungsmittel zum augenblicklichen
Gebrauche bereithält, iſt von vorneherein ſo gut wie ver-
loren. Alle Tapferkeit und guter Wille ſind machtlos gegen
die ungeheure Zahl der raſch auftauchenden feindlichen
Krieger und deren todſpeiende Geſchoſſe und Zerſtörungs-
mittel. Ein beſiegter Staat iſt heute wahrhaft erbarmens-
wert. Er bezahlt ſein kriegeriſches Verſäumnis mit Milli-
arden von Werten und dauernd auferlegten wirtſchaftlichen
Verpflichtungen, die ihn auf lange Jahre hinaus ſchädigen
und gefügig erhalten. Darum auch die Wahrnehmung, daß
die auf ihr Selbſtbeſtimmungsrecht und wirtſchaftliche Un-
abhängigkeit meiſtbedachten Völker für die Steigerung ihrer
Schlagfertigkeit ſo Außerordentliches leiſten. Die Träume
vom ewigen Frieden und allgemeiner Abrüſtung ſind Blend-
werk, Phantaſiegebilde, die der menſchlichen Natur wider-
ſprechen.
Es ſcheint, daß die Erkenntnis deſſen auch unſere
Delegation beherrſcht hat, als ſie bei ihrer letzten Tagung
aus eigener Initiative ſich der Armee annahm und unver-
zagt der Durchſetzung ihres Willens nachging. In den
Delegationen weht merklich eine andere Luft heute, als
ehedem, und die chriſtlichſoziale Partei kann ſtolz darauf
ſein, daß die Wandlung zum Beſſeren ſowohl im Hauſe als
in den Delegationen von ihr ausgegangen iſt.
Der politiſche Himmel Europas iſt nicht ſonnenhell
und ein heftiges Gewitter kann über Nacht hereinbrechen.
Es iſt daher unverantwortlich, daß die Magyaren die
Armee benützen, um ihren überſpannten, nationalen Ehr-
geiz zu ſtillen. Einſtmals ſchloß ſich Ungarn an Oeſterreich
an, damit es ihm helfe, ſeine Grenzen zu ſchützen und die
inneren Zwiſtigkeiten niederzuhalten. Heute lähmt Ungarn
die gemeinſame Wehr. Erlitte aber Oeſterreich eine
Niederlage, ſo würde es entweder zertrümmert oder auf
Jahre hinaus finanziell ausgepreßt. Wer aber würde die
Milliarden zahlen, die wir abgeben müßten und die Laſten
tragen, die uns auferlegt würden? Oeſterreich, — gewiß
nur Oeſterreich, weil es etwas zu geben hat, nicht aber
Ungarn, das kapitalsarm iſt.
Was will Ungarn eigentlich? Angeblich eine nationale
Armee, in Wahrheit aber will es die gemeinſame Armee
in den Dienſt der Magyariſierung ſtellen. Darin liegt die
Haupttriebfeder aller Angriffe wider das Heer, die Kirche,
die Schule und die öffentliche Verwaltung, alles arbeitet in
Ungarn auf die Magyariſierung der nichtungariſchen Natio-
nalitäten los, nur die gemeinſame Armee — in gewiſſem
Sinne gleichfalls eine Schule höherer Art — hielt ſich bis-
her dieſer Strömung ferne. Eben darum iſt ſie für die
gegenwärtig in Ungarn herrſchende Klaſſe ein Stein des
Anſtoßes, der umſo mißliebiger erſcheint, als die Sprache
der Armee deutſch iſt.
Mit der Rückberufung aller in Ungarn
geborenen Offiziere in ungarländiſche
Truppenkörper hat der einſeitige Druck auf die
Heeresverwaltung ſeinen Anfang genommen. Leider wurde
ihm willfahrt, obwohl dieſe Maßregel, wenn ſie nicht nur
vorübergehend iſt, auch ihre recht bedenkliche Seite hat. Zur
Verſchmelzung des Offizierskorps trägt ſie keineswegs bei,
im Gegenteil iſt zu befürchten, daß mit der Zeit der vater-
ländiſche Geſichtskreis vieler mehr als zuträglich eingeengt
werde.
Dann folgte die Begünſtigung der magyariſchen
Sprache in den Militärbildungs-
anſtalten. Auch hier ward den Magyaren nachgegeben,
und zwar in bedenklichſter Weiſe. In allen in Ungarn befind-
lichen Kadettenſchulen der gemeinſamen Armee werden ſeit dem
Jahre 1904 von 20 Vortragsgegenſtänden neun magyariſch
gelehrt, die übrigen deutſch und einige doppelſprachig.
Während aber in den gleichartigen in Oeſterreich befind-
lichen Schulen nebſt der deutſchen Armeeſprache — je nach
dem Standorte der Schule — die Zöglinge auch tſchechiſch,
polniſch, rutheniſch, italieniſch, kroatiſch und magyariſch
lernen müſſen, wird in den ungarländiſchen Schulen weder
rumäniſch, noch ſlovakiſch, noch ſerbiſch gelehrt, ſo daß die
Kinder dieſer Volksſtämme ihrer Mutterſprache zugunſten
des Magyariſchen vollſtändig entraten müſſen, was zur
Folge hat, daß es ſeinerzeit auch bei den betreffenden
Regimentern keine Offiziere geben wird, welche
mit den Mannſchaften dieſer Nationalitäten in der
Mutterſprache werden verkehren können. Die
Magyaren haben alſo tatſächlich erreicht, daß
Einrichtungen der gemeinſamen Armee in den Dienſt
magyariſierender Beſtrebungen geſtellt wurden, was umſo
bedenklicher iſt, als zu befürchten ſteht, daß der Widerſtand
gegen den ungariſchen Sprachenzwang ſich zukünftig auch
gegen die gemeinſame Armee kehren wird, wenn die
Rumänen, Slovaken und Serben einmal die Zurückſetzung
inne werden, die ihnen zuteil geworden.
Gegenwärtig iſt man beſtrebt, ſogenannte Konzeſſionen
zu verlangen in bezug auf die deutſche Kommando-, die
deutſche Dienſt- und die Regimentsſprache. Zwiſchen dieſen
Abſtufungen iſt wohl zu unterſcheiden, ſie ſind im praktiſchen
Militärleben nicht dasſelbe und auch keinesfalls gleichwertig.
Die Kommandoſprache iſt die Sprache der
Befehlsgebung im engern Sinne, d. i. auf dem Exerzier-
platze, vor der Front. Sie iſt wichtig, aber nicht die Haupt-
ſache. Die Kommandoſprache iſt bekanntlich in der gemein-
ſamen Armee und öſterreichiſchen Landwehr deutſch, in der
ungariſchen Landwehr magyariſch und in der kroatiſchen
kroatiſch. Entſcheidend in militäriſcher Beziehung iſt die
Dienſtſprache. Sie iſt die Sprache des täglichen
Lebens bei der Truppe und in ihr wickelt ſich innerhalb der
Truppe der ganze mündliche und ſchriftliche Verkehr ab,
vom Oberſt bis zum letzten Unteroffizier, vorausgeſetzt
natürlich, daß dieſer der deutſchen Sprache überhaupt
mächtig iſt. Erſt gegenüber dem einfachen Soldaten
wird notgedrungen allenthalben die Mutterſprache
angewandt. Doch gibt es keine Engherzigkeit in ſprachlicher
Beziehung. Für gewöhnlich ſpricht jedermann mit ſeinem
Kameraden oder Untergebenen in jener Sprache, welche
beiden am geläufigſten iſt. Immerhin hat die einheitliche
Armeeſprache eine tiefwurzelnde Bedeutung für jeden nicht-
deutſchen Truppenkörper, ſo daß jeder alte Soldat unzweifel-
haft zugeben wird, daß die Spaltung der Armee nach
zweierlei Dienſtſprachen ſehr bald eine Differenzierung auch
in anderen wichtigen Belangen zur Folge hätte. In der
einheitlichen Dienſt- und Umgangsſprache liegt eben ein
unſchätzbares, ganz unerſetzliches Unterpfand des überein-
ſtimmenden Fühlens und Denkens, der Gemeinſamkeit und
Zuſammengehörigkeit aller.
Feuilleton.
Lachgasverſuche.
Das Lach- oder Luſtgas (Stickſtoffoxydul) und ſeine
anäſthetiſche Wirkung, die auch heute noch beim Zahn-
ziehen gute Dienſte leiſtet, iſt für uns längſt aus der
Reihe der intereſſanten chemiſchen Produkte geſchwunden
und wir wiſſen nicht mehr, was für ein Aufſehen dieſes
Stickſtoffpräparat kurz nach ſeiner Entdeckung in weiten
Kreiſen hervorgerufen hat. In dieſe „intime Geſchichte des
Lachgaſes“ und zugleich in ein amüſantes kultur-
geſchichtliches Milieu um die Wende des 18. Jahr-
hunderts führt uns ein hübſches Büchlein eines bekannten
Chemieprofeſſors, der hier ein reiches Material zur Ge-
ſchichte der Naturwiſſenſchaften vor uns ausbreitet.
Das von Prieſtley 1772 entdeckte Stickſtoffoxydul zog
das Intereſſe der Naturhiſtoriker in höchſtem Maße an.
1796 verteidigte der amerikaniſche Profeſſor Mitchill eine
abenteuerliche Theorie, nach der dieſes Gas als die
Urſache aller anſteckenden Krankheiten anzuſehen ſei und
die ſchrecklichſten Wirkungen herbeiführe, wenn es auch
nur in ganz geringen Mengen von Menſch oder Tier
eingeatmet werde.
Dieſe aus den wunderlichen Anſchauungen der
romantiſchen Medizin geborene Behauptung erſchien
damals nicht weiter ſonderbar. Hielt man doch zu ſeiner
Zeit überhaupt gewiſſe Gaſe für Krankheitserreger und
ſchrieb z. B. das Entſtehen der Schwindſucht einem zu
großen. Sauerſtoffgehalte des Organismus zu. Der
engliſche Arzt Thomas Beddoes ging daher bei ſeinen
Heilungen von der Ueberzeugung aus, daß ſich viele
Krankheiten durch das Einatmen beſtimmter Gaſe heilen
ließen, indem dieſe die Wirkung der ſchädlichen Gaſe
aufheben könnten. Er gründete ein Inſtitut für dieſe
„pneumatiſche Medizin“ und ſicherte ſich dafür die Mit-
arbeit eines tüchtigen Experimentators, jenes Humphry
Davy, der zuerſt die berauſchenden Eigenſchaften des
neuen Gaſes entdeckte. Davy atmete nun dieſes „Luſt-
oder Lachgas“ zahlloſe Male ein und beſchrieb in
poetiſcher Verzückung die Empfindungen, die ihn dabei
erfaßt hätten.
Nicht in den „idealen Träumen wilden Verlangens“
habe er je Aehnliches gefühlt: „Der Buſen brennt mit
nie gefühltem Feuer, die Wange färbt ſich rot mit
glühendem Wallen; die Augen leuchten auf mit hellem
Blitzen.“
In Proſa erzählt er, in welch lebhafte Erregung
ſeine ganze Phantaſie durch dieſes Gas gebracht werde,
wie prächtige Bilder und große Gedanken ſich in ſeinem
Hirn jagten, wie er in einer ganz neuen herrlicheren Welt
zu leben meine. Davys Freunde mußten natürlich auch
die wunderbare Kraft dieſes merkwürdigen Stoffs an ſich
erproben. Auch die Dichter Coleridge und Southey
ließen ſich dadurch anregen und beſchreiben, in welch
himmliſche Fröhlichkeit ſie dadurch verſetzt wurden, wie
ſie ſich leicht und frei fühlten und in ein göttliches Ge-
lächter ausbrachen. Das große Publikum wollte gleich-
falls Anteil haben an dieſem wahrhaft olympiſchen Mittel
der Lebensſteigerung. Wo eine naturwiſſenſchaftlich in-
tereſſierte Geſellſchaft beiſammen war, da verfiel man
auf die Erprobung des Luſtgaſes.
„Einige junge Herren machten den Anfang“, ſo er-
zählt der deutſche Naturforſcher Schönbein von ſeiner
engliſchen Reiſe, „und ſie alle gaben unzweideutige Zeichen
von Wohlbehagen und wilder Luſt von ſich; ein ältlicher
geſetzter Mann hegte aber auch ſeine Zweifel und ent-
ſchloß ſich daher, ſelbſt einige Maße des Lachgaſes zu
ſich zu nehmen. Nachdem er eine Anzahl von Zügen ge-
tan, begann er auf einmal zu tanzen und richtete während
ſeiner Ekſtaſe in den benachbarten Blumenbeeten die
fürchterlichſten Verwüſtungen an, zu großer Ergötzung
der Zuſchauer. Vielleicht wird es auch noch einmal bei
uns Sitte, gegen das Ende eines Gaſtmahles Stickſtoff-
oxydulgas zu atmen, anſtatt Champagner zu trinken,
und tritt dieſer Fall ein, ſo wird es auch an Luſtgas-
fabriken nicht fehlen.“
Dieſe kühne Prophezeiung iſt zwar nicht eingetroffen,
aber jedenfalls wurde damals ſo viel Lachgas in England
eingeatmet, wie nie wieder. Die kleineren Theater brachten
zur Belehrung ihres Publikums Experimente mit dem
neuen Gas, wobei einer der Zuſchauer ſich der Einatmung
unterzog und wobei, wenn der Erfolg nicht ganz ſo
großartig geweſen, wie man ſich ihn vorgeſtellt, das Ende
der Darbietung in eine wüſte Schlägerei ausartete.
Die eigentliche Hochburg der Lachgasverſuche aber
wurde das königliche Inſtitut von Großbritannien, das
der bekannte Philantrop Graf Rumford, der Erfinder
jener berühmten billigen nahrhaften „Rumforder Suppen“,
begründete. Durch dieſes Inſtitut ſollte die Kenntnis der
Naturwiſſenſchaften unter dem Publikum verbreitet werden,
und es erfreute ſich auch wirklich raſch eines außerordent-
lichen Zuſpruches.
Der Raum war bald zu klein für die Tauſende
vornehmer Herren und Damen, die ſich zu den Lachgas-
experimenten herbeidrängten. Ein neues Gebäude wurde
erbaut, „ein wahres Pantheon mit einer oben, wo das
Licht einfällt, verſchließbaren Knppel“, wie ein zeit-
genöſſiſcher Bericht ſagt. Der Saal war der prächtigſte
Hörſaal in ganz Europa. Der geniale Karikaturiſt
Gillray hat in einer Karikatur die elegante Lebewelt
Londons geſchildert, wie ſie grotesk aufgeputzt mit Notiz-
buch und Lorgnette um den Expertmentiertiſch ſitzt,
während ein vornehmer Baronet das Gas einatmet, das
aber bei ihm eine unerwartete, durchaus nicht ſalonfähige
Wirkung hervorbringt.
[Abbildung]
Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark.
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