Reichspost. Nr. 130, Wien, 11.05.1908.[Spaltenumbruch]
Preis 8 h Das Blatt erscheint täglich ein- mal (als Morgenausgabe). Montag erfolgt die Ausgabe um 2 Uhr nachmittags. [Spaltenumbruch] Mittagsblatt. Reichspost. Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich-Ungarns. [Spaltenumbruch] Preis 8 h Für Deutschland: vierteljährig ....... 12 K. Länder des Weltpostvereines: vierteljährig ........ 16 K. Inserate werden in der Verwaltung der "Reichspost", VIII. Strozzigasse 42, sowie in allen Annoncenbureaus des In- und Auslandes angenommen. XV. Jahrgang. Wien, Montag, den 11. Mai 1908. Nr. 130. [Spaltenumbruch] Der Streik gegen das Studium. Wien, am 11. Mai. Morgen oder übermorgen soll der Streik der frei- Der Streik soll Herrn Professor Wahrmund unter den Es ist wirklich sehr imposant, wenn an unseren Hochschulen Die Art, wie bei uns studentische Parteien in wichtige Dieser Versuch gewisser gewalttätiger Fraktionen der Es steht diesmal wirklich viel in Frage: Ob in Zur Wahrmundaffäre erfährt die "Salzburger [Spaltenumbruch] Das Unterrichtsministerium will demnächst die außer- Politische Rundschau. Oesterreich-Ungarn. Wien, 11. Mai. Die Beeidigung des deutschen Landsmann- ministers. Der Kaiser wird, wie wir erfahren, Die Sprachenkonflikte. Wie die "Deutsche [Spaltenumbruch] 38. Folge. Nachdruck verboten. Die Sierramühle. Er stieg leichtfüßig auf einen breiten, überhängenden Nehmen Sie sich in acht! rief Collinson erschrocken. Chivers sprang eilig herunter, winkte noch einmal Aber Collinson fühlte sich nicht mehr einsam. Bisher Kein anderes Ohr als ein an die Einsamkeit der Collinson machte sich schußfertig und untersuchte sein Der Reiter kam jetzt dicht heran. Die Büsche teilten Das Pferd prallte zur Seite und warf die Reiterin Collinson stand wie vom Schlage getroffen! Sadie! keuchte er. Seth! zitterte es tonlos von ihren Lippen. Wie betäubt starrten sie einander an. Aber Collinson Hab' ich Dich endlich wieder! O mein Gott! Und Sie blickte scheu umher. Mich -- mich suchen? Ja freilich; sieh doch, ich wollt' nüber nach dem Im Kloster? wiederholte sie mit Schreck und (Fortsetzung folgt.)
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Die heutige Nummer ist 8 Seiten stark.
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Preis 8 h Das Blatt erſcheint täglich ein- mal (als Morgenausgabe). Montag erfolgt die Ausgabe um 2 Uhr nachmittags. [Spaltenumbruch] Mittagsblatt. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns. [Spaltenumbruch] Preis 8 h Für Deutſchland: vierteljährig ....... 12 K. Länder des Weltpoſtvereines: vierteljährig ........ 16 K. Inſerate werden in der Verwaltung der „Reichspoſt“, VIII. Strozzigaſſe 42, ſowie in allen Annoncenbureaus des In- und Auslandes angenommen. XV. Jahrgang. Wien, Montag, den 11. Mai 1908. Nr. 130. [Spaltenumbruch] Der Streik gegen das Studium. Wien, am 11. Mai. Morgen oder übermorgen ſoll der Streik der frei- Der Streik ſoll Herrn Profeſſor Wahrmund unter den Es iſt wirklich ſehr impoſant, wenn an unſeren Hochſchulen Die Art, wie bei uns ſtudentiſche Parteien in wichtige Dieſer Verſuch gewiſſer gewalttätiger Fraktionen der Es ſteht diesmal wirklich viel in Frage: Ob in Zur Wahrmundaffäre erfährt die „Salzburger [Spaltenumbruch] Das Unterrichtsminiſterium will demnächſt die außer- Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, 11. Mai. Die Beeidigung des deutſchen Landsmann- miniſters. Der Kaiſer wird, wie wir erfahren, Die Sprachenkonflikte. Wie die „Deutſche [Spaltenumbruch] 38. Folge. Nachdruck verboten. Die Sierramühle. Er ſtieg leichtfüßig auf einen breiten, überhängenden Nehmen Sie ſich in acht! rief Collinſon erſchrocken. Chivers ſprang eilig herunter, winkte noch einmal Aber Collinſon fühlte ſich nicht mehr einſam. Bisher Kein anderes Ohr als ein an die Einſamkeit der Collinſon machte ſich ſchußfertig und unterſuchte ſein Der Reiter kam jetzt dicht heran. Die Büſche teilten Das Pferd prallte zur Seite und warf die Reiterin Collinſon ſtand wie vom Schlage getroffen! Sadie! keuchte er. Seth! zitterte es tonlos von ihren Lippen. Wie betäubt ſtarrten ſie einander an. Aber Collinſon Hab’ ich Dich endlich wieder! O mein Gott! Und Sie blickte ſcheu umher. Mich — mich ſuchen? Ja freilich; ſieh doch, ich wollt’ nüber nach dem Im Kloſter? wiederholte ſie mit Schreck und (Fortſetzung folgt.)
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Die heutige Nummer iſt 8 Seiten ſtark.
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Man rechne damit, daß die Univerſitäten ſofort<lb/> beim erſten Anſturm <hi rendition="#g">geſperrt</hi> werden, ſchon deshalb,<lb/> weil ja im gegenteiligen Falle <hi rendition="#g">ſcharfe Zuſammen-<lb/> ſtöße</hi> mit den „klerikalen“ Studenten unvermeidlich wären<lb/> und <hi rendition="#g">offene Raufereien</hi> zu verhindern, liege vor<lb/> allem auch im Intereſſe der maßgebenden Univerſitäts-<lb/> behörden.</p><lb/> <p>Der Streik ſoll Herrn Profeſſor Wahrmund unter den<lb/> Schutz der freiſinnigen Studentenſchaft ſtellen und ihn gegen<lb/> alles ſchützen, was einer Maßregelung dieſes Mannes<lb/> ähnlich ſähe. — Die Entfernung Profeſſor Wahrmunds iſt<lb/> heute zwar von allen erwachſenen Leuten von Bildung und<lb/> Geſchmack als unerläßlich angeſehen worden und gerade<lb/> aus dem deutſchnationalen Lager haben ſich in der letzten<lb/> Zeit die offenen, vorbehaltloſen Ablehnungen Wahrmunds<lb/> in großer Zahl eingeſtellt, aber die Herren deutſchfreiſinnigen<lb/> Studenten haben eine andere Meinung und ſo gehen ſie<lb/> unter dem Beifall der Wiener jüdiſchen Preſſe daran, dieſe<lb/> Meinung der ganzen Oeffentlichkeit zu diktieren. Darin,<lb/> daß ſich auch die tſchechiſchen Studenten der Maſarykſchule<lb/> dieſem jugendlichen Erpreſſungsverſuche angeſchloſſen haben,<lb/> findet die „Neue Freie Preſſe“ eine „impoſante Erſcheinung,<lb/> wie ſie vielleicht noch nie erlebt worden iſt und deren Be-<lb/> deutung in die Augen ſtechen muß“.</p><lb/> <p>Es iſt wirklich ſehr impoſant, wenn an unſeren Hochſchulen<lb/> die Univerſitätsprofeſſoren — freiſinnige Männer von der<lb/> erprobten Geſinnung eines v. <hi rendition="#g">Scala</hi> und ſeiner Inns-<lb/> brucker Freunde! — zu Nullen werden und nichts mehr<lb/> zu reden haben, wenn die Regierung und die Volksver-<lb/> tretung gehorſam die Obhut der ihnen anvertrauten<lb/> Intereſſen abzutreten haben und die liebe Jugend die<lb/><cb/> Zügel der Staatsführung ergreifen und diktieren möchte,<lb/> was ſie für freiſinnig, fortſchrittlich und zur Verteidigung<lb/> der Wiſſenſchaft für notwendig hält!</p><lb/> <p>Die Art, wie bei uns ſtudentiſche Parteien in wichtige<lb/> Fragen des öffentlichen Lebens hineinſprechen dürfen, war<lb/> ſeit langem eine beſchämende. Mehr als einmal wurden<lb/> durch irgend einen Univerſitätsſkandal, der mitunter den<lb/> nichtigſten Anläſſen entſprungen war, politiſche Arbeiten erſten<lb/> Ranges vereitelt. Nun iſt man mit dieſem Syſteme, daß man<lb/> für den Staat die Obervormundſchaft der Minderjährigen<lb/> anerkannte, ſo weit gekommen, daß einer Univerſität mit<lb/> Gewalt ein Mann aufgehalſt werden ſoll, der ſich wiſſen-<lb/> ſchaftlich ſchwer kompromittiert und die Sitten der An-<lb/> ſtändigkeit gröblich verletzt hat, ein Mann, für deſſen Ent-<lb/> fernung ſofort in einer Volksabſtimmung Millionen von<lb/> Stimmen aufzubringen ſind und den auch in Erkenntnis<lb/> der Tatſachen die freiſinnigen Profeſſoren und Abgeordneten<lb/> fallen gelaſſen haben.</p><lb/> <p>Dieſer Verſuch gewiſſer gewalttätiger Fraktionen der<lb/> Studentenſchaft, ſich ſelbſt das Recht der Berufung an die<lb/> Univerſitäten anzueignen und geſtützt auf die Herrſchaft des<lb/> Prügels dem Staate zu kommandieren, muß das Maß der<lb/> Geduld, mit dem man bisher die Univerſitäts-<lb/> angelegenheiten behandelt hat, überfließen machen. Es<lb/> gibt ausreichend Mittel, um dieſer traurigen<lb/> Abirrung einzelner Teile der ſtudierenden Jugend zu be-<lb/> gegnen: Man ſperre ruhig die Univerſitäten, ſtelle in den<lb/> Dekanaten feſt, wer ſich aktiv und freiwillig an dem Streik<lb/> beteiligt, ſtreiche dieſen das jetzige Sommerſemeſter und<lb/> ändere die Handhabung des Vereinsweſens an unſeren<lb/> Univerſitäten, indem man die Verantwortlichkeit der akade-<lb/> miſchen Vereine erhöhe und damit eine Handhabe ſchaffe,<lb/> die Anſtifter derartiger Bewegungen zu treffen. Die rück-<lb/> ſichtsloſe Auflöſung der ſchuldigen Korporationen und die<lb/> Beſtrafung ihrer Leitungen wird bald die Ordnung wieder-<lb/> herſtellen.</p><lb/> <p>Es ſteht diesmal wirklich viel in Frage: Ob in<lb/> Oeſterreich vor aller Welt Regierung und Parlament zu-<lb/> gunſten einer Schar gewalttätiger junger Herren abdanken<lb/> wollen oder nicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Zur Wahrmundaffäre erfährt die „<hi rendition="#g">Salzburger<lb/> Chronik</hi>“ aus beſter Quelle folgende Einzelheiten:</p><lb/> <cb/> <p>Das Unterrichtsminiſterium will demnächſt die außer-<lb/> ordentlichen Profeſſoren an der Czernowitzer Univerſität Dr.<lb/><hi rendition="#g">Kogler</hi> und Dr. Robert <hi rendition="#g">Mayer</hi> zu ordentlichen Pro-<lb/> feſſoren ernennen. Profeſſor Robert Mayer ſollte bekanntlich<lb/> nach Innsbruck kommen und war vom Senate der Czerno-<lb/> witzer Univerſität ſelbſt dahin empfohlen worden. <supplied>Als</supplied> man<lb/> aber in Innsbruck hörte, Profeſſor Robert Mayer ſe<supplied>i</supplied> katho-<lb/> liſcher Geſinnung, da legten die „freiheitlichen“ Clique-Pro-<lb/> feſſoren Verwahrung gegen deſſen Berufung ein und<lb/> ihre ſtudentiſchen Nachbeter drohten mit Demonſtrationen.<lb/> Die Berufung unterblieb. Das ſcheint jetzt Unterrichtsminiſter<lb/> Marchet einigermaßen gut machen zu wollen. Was aber ge-<lb/> ſchieht mit <hi rendition="#g">Wahrmund,</hi> deſſen Rückkehr auf die Inns-<lb/> brucker Lehrkanzel ausgeſchloſſen iſt? Die Regierung plant, ihn<lb/> nach — — — <hi rendition="#g">Graz</hi> zu berufen, wohl in der berechtigten<lb/> Vorausſicht, daß Wahrmund zu ſeinen dortigen Kollegen aufs<lb/> beſte paſſen wird. Wenn das Unterrichtsminiſterium dieſen<lb/> Plan durchführt, ſo wird das katholiſche Volk Steiermarks<lb/> auch ein Wort dreinreden. Freilich iſt noch ſehr die Frage, ob<lb/> die Grazer Profeſſoren, die an ihrer Hochſchule Zündſtoff in<lb/> Maſſen lagern haben, der jeden Augenblick explodieren kann,<lb/> Luſt haben werden, dieſen durch einen Wahrmund noch zu ver-<lb/> mehren.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Rundſchau.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <dateline>Wien, 11. Mai.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Beeidigung des deutſchen Landsmann-<lb/> miniſters.</hi> </head> <p>Der Kaiſer wird, wie wir erfahren,<lb/> Donnerstag den 14. d., vormittags vor Beginn der all-<lb/> gemeinen Audienzen den neuernannten Miniſter Geheimen<lb/> Rat Heinrich <hi rendition="#g">Prade</hi> beeidigen.</p> </div><lb/> <div xml:id="a1a" next="#a1b" type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Sprachenkonflikte.</hi> </head> <p>Wie die „Deutſche<lb/> Wehr“ meldet, wurde kürzlich einem deutſchen Advokaten<lb/> in einer Strafſache vom <hi rendition="#g">Troppauer</hi> Landesgerichte<lb/> als Berufungsgericht ein tſchechiſcher Beſcheid zugeſtellt,<lb/> in welchem über Rekurs des Gegners der von dem<lb/> Advokaten vertretenen Partei ein ihm in erſter Inſtanz<lb/> auferlegter Koſtenerſatz als nicht gerechtfertigt erklärt<lb/> wird. Die Beſchlußausfertigung iſt vom Oberlandes-<lb/> gerichtsrate Hruby unterſchrieben. Die „Narodni Liſty“<lb/> melden: Vor kurzem hat das Bezirksgericht in<lb/><hi rendition="#g">Petſchau</hi> eine Entſcheidung über die Tagfahrt zur<lb/> Zeugeneinvernahme in dem durchgeführten Prozeſſe be-<lb/> treffend eine Wohnungskündigung an das Bezirksgericht<lb/><hi rendition="#g">Deutſchrod</hi> in deutſcher Sprache erlaſſen. Da-<lb/> gegen haben zwei tſchechiſche Advokaten in Deutſchbrod<lb/> den Rekurs an das Egerer Kreisgericht er-<lb/> hoben, den Landesgerichtsrat Johann <hi rendition="#g">Augſten</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <p> <ref>38. Folge.</ref> <hi rendition="#et">Nachdruck verboten.</hi> </p><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Sierramühle.</hi> </head><lb/> <byline>Von <hi rendition="#b">Bret Harte.</hi> </byline><lb/> <p>Er ſtieg leichtfüßig auf einen breiten, überhängenden<lb/> Felsblock und winkte mit der Hand.</p><lb/> <p>Nehmen Sie ſich in acht! rief Collinſon erſchrocken.<lb/> Dieſe Felſen ſind mächtig kitzlich, und der gerade ganz<lb/> beſonders. Eine einzige kleine Berührung bringt ſie<lb/> manchmal zum Kippen.</p><lb/> <p>Chivers ſprang eilig herunter, winkte noch einmal<lb/> und verſchwand in der Richtung nach dem Hauſe.</p><lb/> <p>Aber Collinſon fühlte ſich nicht mehr einſam. Bisher<lb/> hatten ſeine Träumereien der Vergangenheit gegolten;<lb/> es waren Erinnerungen, die allein das Gedächtnis<lb/> wachrief, bei denen die Hoffnung aber nur ſehr<lb/> wenig Raum fand. Unter dem Zauber von<lb/> Chivers Worten begann nunmehr ſeine Phantaſie ſich<lb/> zu regen. Er dachte daran, wie ſeine Frau wohl jetzt<lb/> ausſehen, wie es ihr ergehen mochte — vielleicht war ſie<lb/> krank, irrte verzweifelnd umher, wohl gar in Lumpen<lb/> und mit wunden Füßen; oder hatte ſie ſich — wenn ſie<lb/> ihn für tot hielt — ebenſo geduldig in ihr Geſchick<lb/> ergeben wie er ſeit der Nachricht von ihrem Tode in das<lb/> ſeine? Das Bild, welches ihm hiebei vorſchwebte, war<lb/> aber nicht ſeine alte Sadie, nein, die hatte ganz anders<lb/> ausgeſehen. Eine leiſe Furcht, ein Schatten von Zweifel<lb/> durchzitterte zum erſtenmal ſein ſtarkes Herz und traf<lb/> es mit eiſiger Kälte. Er ſchulterte ſeine Waffe und ſchritt<lb/> raſch nach dem Rande des Waldes. Die Düfte des Lorbeers<lb/> und der Sproſſenfichte, welche der Sonnenſchein des<lb/> langen Tages durchglüht hatte, wehten ihm noch warm<lb/> entgegen. — Merkwürdig, was es doch hier für wunder-<lb/> bar ſchnell wechſelnde Temperaturveränderungen gab!<lb/> Bald heiß, bald kalt wehte es ihm beim Auf- und Ab-<lb/> ſchreiten an. Es ſchien ihm ſo verkehrt, daß er jetzt<lb/> nach ihr ſuchen ſollte, anſtatt daß ſie zu ihm kam. Sie<lb/> wiederzufinden fern von dem Haus, das er für ſie ge-<lb/><cb/> baut, würde freilich ganz anders ſein, als wie er es<lb/> ſtets erträumt hatte. — Er wanderte hin und her<lb/> und warf immer von neuem einen Blick hinunter<lb/> auf die alte Mühle drüben an der Felswand. Friedlich<lb/> übergoß der Mond ſie mit ſeinen weißen Strahlen und<lb/> dämpfte das Blinken der Lichter in den Fenſtern; aber<lb/> das rohe Singen und Lachen, welches bis zu ihm her-<lb/> über drang, berührte ſeine ſonſt eben nicht verwöhnten<lb/> Ohren wie ein widriger Mißklang. Raſtlos ſchritt er<lb/> vor dem dichten Walde auf und ab. Plötzlich blieb er<lb/> ſtehen und horchte.</p><lb/> <p>Kein anderes Ohr als ein an die Einſamkeit der<lb/> Berge gewöhntes würde etwas vernommen haben. Aber,<lb/> vertraut mit all den unzähligen Geräuſchen, die die<lb/> Stille des Waldes unterbrechen, ſtutzte Collinſon jetzt<lb/> doch bei einem ſich wiederholenden Ton, der keinem der<lb/> übrigen Laute glich. Es kam ihm vor wie ein ge-<lb/> dämpftes, in ungleichen Pauſen ſich erneuerndes Pochen,<lb/> das immer, wenn es wieder vernehmbar wurde, denſelben<lb/> regelmäßigen Takt beibehielt. Er erkannte es als den<lb/> leichten Galopp eines Pferdes. Die Pauſen entſtanden<lb/> jedenfalls durch die ſtellenweiſe den Weg bedeckenden<lb/> Blätter. Die mitunter veränderte Gangart des Pferdes<lb/> konnte man wohl dem Geſtrüpp und anderen Hinder-<lb/> niſſen zuſchreiben. Augenſcheinlich verfolgte der Reiter<lb/> den geheimen Pfad, der ihm, Collinſon, zur Be-<lb/> wachung übertragen war. Nach dem öfteren<lb/> Richtungswechſel, den der Klang der Hufe ver-<lb/> riet, hatte der Reiter offenbar große Schwierigkeit, ſich<lb/> in dem Gewirr zurechtzufinden. Trotzdem zeugten aber<lb/> die immer wieder beſchleunigt erklingenden Hufſchläge von<lb/> Eile und Entſchloſſenheit.</p><lb/> <p>Collinſon machte ſich ſchußfertig und unterſuchte ſein<lb/> Zündhütchen. Als der Ton näher kam, trat er hinter<lb/> eine junge Sproſſenfichte am Rande des Dickichts. Das<lb/> Haus zu alarmieren oder die anderen Poſten heran-<lb/> zurufen erſchien ihm unnötig. War es doch nur ein<lb/> einziger Reiter und mit dem würde er allein fertig. Er<lb/> wartete ruhig und mit ſeiner gewöhnlichen Geduld, aber<lb/><cb/> ſogar in dieſem Augenblick ſchweiften ſeine Gedanken zu<lb/> ſeiner Frau zurück.</p><lb/> <p>Der Reiter kam jetzt dicht heran. Die Büſche teilten<lb/> ſich. Staunen und Verwunderung erfaßten Collinſon —<lb/> auf ſchweißtriefendem, aber nochmutigem Pferd kam ein<lb/> Weib zum Vorſchein. — Halt! rief er vortretend.</p><lb/> <p>Das Pferd prallte zur Seite und warf die Reiterin<lb/> beinahe ab. Collinſon ſprang herzu und ergriff die Zügel.<lb/> Die Frau hob mechaniſch die Peitſche, hielt ſie aber zit-<lb/> ternd in der Luft, als ſie in dem vergeblichen Beſtreben,<lb/> ihren verlorenen Sieg wiederzugewinnen, haltlos aus dem<lb/> Sattel glitt. Sie wäre gefallen, doch Collinſon, ſchnell<lb/> zur Hand, umfaßte ſie mit kräftigem Griff und ließ ſie<lb/> auf den Boden nieder. Ein Aufſchrei entfuhr ihr.</p><lb/> <p>Collinſon ſtand wie vom Schlage getroffen!</p><lb/> <p>Sadie! keuchte er.</p><lb/> <p>Seth! zitterte es tonlos von ihren Lippen.</p><lb/> <p>Wie betäubt ſtarrten ſie einander an. Aber Collinſon<lb/> fand raſch ſeine Faſſung wieder. Der Mann von ein-<lb/> facher Geradheit und ohne Arg ſah nichts, als daß ſein<lb/> Weib vor ihm ſtand — etwas atemlos, etwas verwirrt<lb/> und vom ſchnellen Ritt zerzauſt, ſo, wie er ſie auch<lb/> früher manchmal geſehen hatte, im übrigen aber unver-<lb/> ändert. Auch er war unverändert, er nahm ſie auf, wie er<lb/> ſie verlaſſen hatte. Sein ernſtes Geſicht verzog ſich zu einem<lb/> Lächeln und ſtrahlte in lang entbehrtem Glück, als er<lb/> ihre beiden Hände in den ſeinen hielt.</p><lb/> <p>Hab’ ich Dich endlich wieder! O mein Gott! Und<lb/> noch eben erſt dacht’ ich, morgen Dich ſuchen zu gehen,<lb/> Sadie!</p><lb/> <p>Sie blickte ſcheu umher. Mich — mich ſuchen?<lb/> ſtammelte ſie ungläubig.</p><lb/> <p>Ja freilich; ſieh doch, ich wollt’ nüber nach dem<lb/> Kloſter, um dort nach dir zu fragen.</p><lb/> <p>Im Kloſter? wiederholte ſie mit Schreck und<lb/> Verwunderung.</p><lb/> <p> <ref>(Fortſetzung folgt.)</ref> </p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <note> <figure/> <hi rendition="#b">Die heutige Nummer iſt 8 Seiten ſtark.</hi> <figure/> </note><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [1/0001]
Preis 8 h
Redaktion: VIII. Strozzigaſſe 41.
Telephon: 18082.
Verwaltung: VIII. Strozzig. 42.
Telephon: 13870.
Druckerei: VIII. Strozzigaſſe 41.
Telephon: 22641.
Stadtexpedition I. Wollzeile 11.
Zeitungsbureau H. Goldſchmied.
Blattbeſtellungen übernimmt auch
J. Heindl, I. Stefansplatz 7.
Das Blatt erſcheint täglich ein-
mal (als Morgenausgabe).
Montag erfolgt die Ausgabe um
2 Uhr nachmittags.
Mittagsblatt.
Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns.
Preis 8 h
Bezugspreiſe:
Für Wien und Auswärts
(ſamt Zuſtellung):
ganzjährig .......... 32 K
vierteljährig ........ 8 K
monatlich ....... 2 K 75 h
Für Deutſchland:
vierteljährig ....... 12 K.
Länder des Weltpoſtvereines:
vierteljährig ........ 16 K.
Inſerate
werden in der Verwaltung der
„Reichspoſt“, VIII. Strozzigaſſe 42,
ſowie in allen Annoncenbureaus des
In- und Auslandes angenommen.
XV. Jahrgang. Wien, Montag, den 11. Mai 1908. Nr. 130.
Der Streik gegen das Studium.
Wien, am 11. Mai.
Morgen oder übermorgen ſoll der Streik der frei-
ſinnigen Studenten an allen öſterreichiſchen Univerſitäten
beginnen, das heißt, es ſoll zur Einſtellung jeder Tätigkeit
an den Univerſitäten gebracht werden und wo dies nicht
ſofort erreicht wird, dort wird, wie die Fichtegäßnerin, die
ſonſt ſo beredte Verkünderin der feinen Lebensart und der
Ziviliſation, triumphierend vorausſieht, die freiſinnige
Studentenſchaft die einzelnen Kollegien durch Demonſtrationen
ſo lange ſtören, bis der betreffende Profeſſor die Vorleſung
abbricht. Man rechne damit, daß die Univerſitäten ſofort
beim erſten Anſturm geſperrt werden, ſchon deshalb,
weil ja im gegenteiligen Falle ſcharfe Zuſammen-
ſtöße mit den „klerikalen“ Studenten unvermeidlich wären
und offene Raufereien zu verhindern, liege vor
allem auch im Intereſſe der maßgebenden Univerſitäts-
behörden.
Der Streik ſoll Herrn Profeſſor Wahrmund unter den
Schutz der freiſinnigen Studentenſchaft ſtellen und ihn gegen
alles ſchützen, was einer Maßregelung dieſes Mannes
ähnlich ſähe. — Die Entfernung Profeſſor Wahrmunds iſt
heute zwar von allen erwachſenen Leuten von Bildung und
Geſchmack als unerläßlich angeſehen worden und gerade
aus dem deutſchnationalen Lager haben ſich in der letzten
Zeit die offenen, vorbehaltloſen Ablehnungen Wahrmunds
in großer Zahl eingeſtellt, aber die Herren deutſchfreiſinnigen
Studenten haben eine andere Meinung und ſo gehen ſie
unter dem Beifall der Wiener jüdiſchen Preſſe daran, dieſe
Meinung der ganzen Oeffentlichkeit zu diktieren. Darin,
daß ſich auch die tſchechiſchen Studenten der Maſarykſchule
dieſem jugendlichen Erpreſſungsverſuche angeſchloſſen haben,
findet die „Neue Freie Preſſe“ eine „impoſante Erſcheinung,
wie ſie vielleicht noch nie erlebt worden iſt und deren Be-
deutung in die Augen ſtechen muß“.
Es iſt wirklich ſehr impoſant, wenn an unſeren Hochſchulen
die Univerſitätsprofeſſoren — freiſinnige Männer von der
erprobten Geſinnung eines v. Scala und ſeiner Inns-
brucker Freunde! — zu Nullen werden und nichts mehr
zu reden haben, wenn die Regierung und die Volksver-
tretung gehorſam die Obhut der ihnen anvertrauten
Intereſſen abzutreten haben und die liebe Jugend die
Zügel der Staatsführung ergreifen und diktieren möchte,
was ſie für freiſinnig, fortſchrittlich und zur Verteidigung
der Wiſſenſchaft für notwendig hält!
Die Art, wie bei uns ſtudentiſche Parteien in wichtige
Fragen des öffentlichen Lebens hineinſprechen dürfen, war
ſeit langem eine beſchämende. Mehr als einmal wurden
durch irgend einen Univerſitätsſkandal, der mitunter den
nichtigſten Anläſſen entſprungen war, politiſche Arbeiten erſten
Ranges vereitelt. Nun iſt man mit dieſem Syſteme, daß man
für den Staat die Obervormundſchaft der Minderjährigen
anerkannte, ſo weit gekommen, daß einer Univerſität mit
Gewalt ein Mann aufgehalſt werden ſoll, der ſich wiſſen-
ſchaftlich ſchwer kompromittiert und die Sitten der An-
ſtändigkeit gröblich verletzt hat, ein Mann, für deſſen Ent-
fernung ſofort in einer Volksabſtimmung Millionen von
Stimmen aufzubringen ſind und den auch in Erkenntnis
der Tatſachen die freiſinnigen Profeſſoren und Abgeordneten
fallen gelaſſen haben.
Dieſer Verſuch gewiſſer gewalttätiger Fraktionen der
Studentenſchaft, ſich ſelbſt das Recht der Berufung an die
Univerſitäten anzueignen und geſtützt auf die Herrſchaft des
Prügels dem Staate zu kommandieren, muß das Maß der
Geduld, mit dem man bisher die Univerſitäts-
angelegenheiten behandelt hat, überfließen machen. Es
gibt ausreichend Mittel, um dieſer traurigen
Abirrung einzelner Teile der ſtudierenden Jugend zu be-
gegnen: Man ſperre ruhig die Univerſitäten, ſtelle in den
Dekanaten feſt, wer ſich aktiv und freiwillig an dem Streik
beteiligt, ſtreiche dieſen das jetzige Sommerſemeſter und
ändere die Handhabung des Vereinsweſens an unſeren
Univerſitäten, indem man die Verantwortlichkeit der akade-
miſchen Vereine erhöhe und damit eine Handhabe ſchaffe,
die Anſtifter derartiger Bewegungen zu treffen. Die rück-
ſichtsloſe Auflöſung der ſchuldigen Korporationen und die
Beſtrafung ihrer Leitungen wird bald die Ordnung wieder-
herſtellen.
Es ſteht diesmal wirklich viel in Frage: Ob in
Oeſterreich vor aller Welt Regierung und Parlament zu-
gunſten einer Schar gewalttätiger junger Herren abdanken
wollen oder nicht.
Zur Wahrmundaffäre erfährt die „Salzburger
Chronik“ aus beſter Quelle folgende Einzelheiten:
Das Unterrichtsminiſterium will demnächſt die außer-
ordentlichen Profeſſoren an der Czernowitzer Univerſität Dr.
Kogler und Dr. Robert Mayer zu ordentlichen Pro-
feſſoren ernennen. Profeſſor Robert Mayer ſollte bekanntlich
nach Innsbruck kommen und war vom Senate der Czerno-
witzer Univerſität ſelbſt dahin empfohlen worden. Als man
aber in Innsbruck hörte, Profeſſor Robert Mayer ſei katho-
liſcher Geſinnung, da legten die „freiheitlichen“ Clique-Pro-
feſſoren Verwahrung gegen deſſen Berufung ein und
ihre ſtudentiſchen Nachbeter drohten mit Demonſtrationen.
Die Berufung unterblieb. Das ſcheint jetzt Unterrichtsminiſter
Marchet einigermaßen gut machen zu wollen. Was aber ge-
ſchieht mit Wahrmund, deſſen Rückkehr auf die Inns-
brucker Lehrkanzel ausgeſchloſſen iſt? Die Regierung plant, ihn
nach — — — Graz zu berufen, wohl in der berechtigten
Vorausſicht, daß Wahrmund zu ſeinen dortigen Kollegen aufs
beſte paſſen wird. Wenn das Unterrichtsminiſterium dieſen
Plan durchführt, ſo wird das katholiſche Volk Steiermarks
auch ein Wort dreinreden. Freilich iſt noch ſehr die Frage, ob
die Grazer Profeſſoren, die an ihrer Hochſchule Zündſtoff in
Maſſen lagern haben, der jeden Augenblick explodieren kann,
Luſt haben werden, dieſen durch einen Wahrmund noch zu ver-
mehren.
Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.
Wien, 11. Mai.
Die Beeidigung des deutſchen Landsmann-
miniſters. Der Kaiſer wird, wie wir erfahren,
Donnerstag den 14. d., vormittags vor Beginn der all-
gemeinen Audienzen den neuernannten Miniſter Geheimen
Rat Heinrich Prade beeidigen.
Die Sprachenkonflikte. Wie die „Deutſche
Wehr“ meldet, wurde kürzlich einem deutſchen Advokaten
in einer Strafſache vom Troppauer Landesgerichte
als Berufungsgericht ein tſchechiſcher Beſcheid zugeſtellt,
in welchem über Rekurs des Gegners der von dem
Advokaten vertretenen Partei ein ihm in erſter Inſtanz
auferlegter Koſtenerſatz als nicht gerechtfertigt erklärt
wird. Die Beſchlußausfertigung iſt vom Oberlandes-
gerichtsrate Hruby unterſchrieben. Die „Narodni Liſty“
melden: Vor kurzem hat das Bezirksgericht in
Petſchau eine Entſcheidung über die Tagfahrt zur
Zeugeneinvernahme in dem durchgeführten Prozeſſe be-
treffend eine Wohnungskündigung an das Bezirksgericht
Deutſchrod in deutſcher Sprache erlaſſen. Da-
gegen haben zwei tſchechiſche Advokaten in Deutſchbrod
den Rekurs an das Egerer Kreisgericht er-
hoben, den Landesgerichtsrat Johann Augſten
38. Folge. Nachdruck verboten.
Die Sierramühle.
Von Bret Harte.
Er ſtieg leichtfüßig auf einen breiten, überhängenden
Felsblock und winkte mit der Hand.
Nehmen Sie ſich in acht! rief Collinſon erſchrocken.
Dieſe Felſen ſind mächtig kitzlich, und der gerade ganz
beſonders. Eine einzige kleine Berührung bringt ſie
manchmal zum Kippen.
Chivers ſprang eilig herunter, winkte noch einmal
und verſchwand in der Richtung nach dem Hauſe.
Aber Collinſon fühlte ſich nicht mehr einſam. Bisher
hatten ſeine Träumereien der Vergangenheit gegolten;
es waren Erinnerungen, die allein das Gedächtnis
wachrief, bei denen die Hoffnung aber nur ſehr
wenig Raum fand. Unter dem Zauber von
Chivers Worten begann nunmehr ſeine Phantaſie ſich
zu regen. Er dachte daran, wie ſeine Frau wohl jetzt
ausſehen, wie es ihr ergehen mochte — vielleicht war ſie
krank, irrte verzweifelnd umher, wohl gar in Lumpen
und mit wunden Füßen; oder hatte ſie ſich — wenn ſie
ihn für tot hielt — ebenſo geduldig in ihr Geſchick
ergeben wie er ſeit der Nachricht von ihrem Tode in das
ſeine? Das Bild, welches ihm hiebei vorſchwebte, war
aber nicht ſeine alte Sadie, nein, die hatte ganz anders
ausgeſehen. Eine leiſe Furcht, ein Schatten von Zweifel
durchzitterte zum erſtenmal ſein ſtarkes Herz und traf
es mit eiſiger Kälte. Er ſchulterte ſeine Waffe und ſchritt
raſch nach dem Rande des Waldes. Die Düfte des Lorbeers
und der Sproſſenfichte, welche der Sonnenſchein des
langen Tages durchglüht hatte, wehten ihm noch warm
entgegen. — Merkwürdig, was es doch hier für wunder-
bar ſchnell wechſelnde Temperaturveränderungen gab!
Bald heiß, bald kalt wehte es ihm beim Auf- und Ab-
ſchreiten an. Es ſchien ihm ſo verkehrt, daß er jetzt
nach ihr ſuchen ſollte, anſtatt daß ſie zu ihm kam. Sie
wiederzufinden fern von dem Haus, das er für ſie ge-
baut, würde freilich ganz anders ſein, als wie er es
ſtets erträumt hatte. — Er wanderte hin und her
und warf immer von neuem einen Blick hinunter
auf die alte Mühle drüben an der Felswand. Friedlich
übergoß der Mond ſie mit ſeinen weißen Strahlen und
dämpfte das Blinken der Lichter in den Fenſtern; aber
das rohe Singen und Lachen, welches bis zu ihm her-
über drang, berührte ſeine ſonſt eben nicht verwöhnten
Ohren wie ein widriger Mißklang. Raſtlos ſchritt er
vor dem dichten Walde auf und ab. Plötzlich blieb er
ſtehen und horchte.
Kein anderes Ohr als ein an die Einſamkeit der
Berge gewöhntes würde etwas vernommen haben. Aber,
vertraut mit all den unzähligen Geräuſchen, die die
Stille des Waldes unterbrechen, ſtutzte Collinſon jetzt
doch bei einem ſich wiederholenden Ton, der keinem der
übrigen Laute glich. Es kam ihm vor wie ein ge-
dämpftes, in ungleichen Pauſen ſich erneuerndes Pochen,
das immer, wenn es wieder vernehmbar wurde, denſelben
regelmäßigen Takt beibehielt. Er erkannte es als den
leichten Galopp eines Pferdes. Die Pauſen entſtanden
jedenfalls durch die ſtellenweiſe den Weg bedeckenden
Blätter. Die mitunter veränderte Gangart des Pferdes
konnte man wohl dem Geſtrüpp und anderen Hinder-
niſſen zuſchreiben. Augenſcheinlich verfolgte der Reiter
den geheimen Pfad, der ihm, Collinſon, zur Be-
wachung übertragen war. Nach dem öfteren
Richtungswechſel, den der Klang der Hufe ver-
riet, hatte der Reiter offenbar große Schwierigkeit, ſich
in dem Gewirr zurechtzufinden. Trotzdem zeugten aber
die immer wieder beſchleunigt erklingenden Hufſchläge von
Eile und Entſchloſſenheit.
Collinſon machte ſich ſchußfertig und unterſuchte ſein
Zündhütchen. Als der Ton näher kam, trat er hinter
eine junge Sproſſenfichte am Rande des Dickichts. Das
Haus zu alarmieren oder die anderen Poſten heran-
zurufen erſchien ihm unnötig. War es doch nur ein
einziger Reiter und mit dem würde er allein fertig. Er
wartete ruhig und mit ſeiner gewöhnlichen Geduld, aber
ſogar in dieſem Augenblick ſchweiften ſeine Gedanken zu
ſeiner Frau zurück.
Der Reiter kam jetzt dicht heran. Die Büſche teilten
ſich. Staunen und Verwunderung erfaßten Collinſon —
auf ſchweißtriefendem, aber nochmutigem Pferd kam ein
Weib zum Vorſchein. — Halt! rief er vortretend.
Das Pferd prallte zur Seite und warf die Reiterin
beinahe ab. Collinſon ſprang herzu und ergriff die Zügel.
Die Frau hob mechaniſch die Peitſche, hielt ſie aber zit-
ternd in der Luft, als ſie in dem vergeblichen Beſtreben,
ihren verlorenen Sieg wiederzugewinnen, haltlos aus dem
Sattel glitt. Sie wäre gefallen, doch Collinſon, ſchnell
zur Hand, umfaßte ſie mit kräftigem Griff und ließ ſie
auf den Boden nieder. Ein Aufſchrei entfuhr ihr.
Collinſon ſtand wie vom Schlage getroffen!
Sadie! keuchte er.
Seth! zitterte es tonlos von ihren Lippen.
Wie betäubt ſtarrten ſie einander an. Aber Collinſon
fand raſch ſeine Faſſung wieder. Der Mann von ein-
facher Geradheit und ohne Arg ſah nichts, als daß ſein
Weib vor ihm ſtand — etwas atemlos, etwas verwirrt
und vom ſchnellen Ritt zerzauſt, ſo, wie er ſie auch
früher manchmal geſehen hatte, im übrigen aber unver-
ändert. Auch er war unverändert, er nahm ſie auf, wie er
ſie verlaſſen hatte. Sein ernſtes Geſicht verzog ſich zu einem
Lächeln und ſtrahlte in lang entbehrtem Glück, als er
ihre beiden Hände in den ſeinen hielt.
Hab’ ich Dich endlich wieder! O mein Gott! Und
noch eben erſt dacht’ ich, morgen Dich ſuchen zu gehen,
Sadie!
Sie blickte ſcheu umher. Mich — mich ſuchen?
ſtammelte ſie ungläubig.
Ja freilich; ſieh doch, ich wollt’ nüber nach dem
Kloſter, um dort nach dir zu fragen.
Im Kloſter? wiederholte ſie mit Schreck und
Verwunderung.
(Fortſetzung folgt.)
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