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Reichspost. Nr. 130, Wien, 11.05.1908.

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Wien, Montag Reichspost 11. Mai 1908 Nr. 130

[Spaltenumbruch]

in Petschau als befangen abgelehnt, und
gleichzeitig die Aufsichtsbeschwerde an das
Oberlandesgericht in Prag überreicht. Am 8. Mai
l. J. erhielt nun einer der beschwerdeführenden Advokaten
zwei deutsche Erledigungen des Kreisgerichtes Eger, in
denen gemäß des § 13 a. b. G. B. der Ablehnung des
Landesgerichtsrates Johann Augsten nicht stattgegeben
als auch der Rekurs, betreffend die Entscheidung des Be-
zirkesgerichtes Petschau abgewiesen wird. -- Wie die
"Narodni Politika" aus absolut glaubwürdiger Quelle
erfährt, weilte dieser Tage ein Sekretär des Handels-
ministeriums in Prag und beauftragt die maßgebenden
Faktoren der Postbeamtenschaft dahinzuwirken, daß die
eutsche innere Amtssprache wenigstens im
Verkehr mit den deutschen Städten wiedereingeführt
werde. Der Gebrauch der tschechischen Sprache solle vor-
läufig ausschließlich bei Sendungen in tschechische
Orte
gehandhabt werden. In einer vertraulichen Ver-
sammlung der Postambulanzbeamten, die vergangenen
Freitag stattgefunden hat, wurde beschlossen, sich dieser
gegebenen Anordnung zu fügen. -- Wie den "Narodni
Listy" aus Wien mitgeteilt wird, hat der Oberste
Gerichtshof in seiner Sitzung am 5. Mai zwei
neue Urteile in Angelegenheiten der Sprachen-
frage bei den Gerichten in Böhmen gefällt.
Im ersten Falle hatte das Kreisgericht Eger als Rekurs-
gericht einen Erlaß des Bezirksgerichtes Marienbad be-
stätigt, durch welchen ein Gesuch eines Advokaten ab-
gewiesen wurde, weil es in tschechischer Sprache abgefaßt
war. Gleichzeitig ordnete das Kreisgericht Eger an, daß
die Erledigung des Rekurses ebenfalls in deutscher
Sprache zu erfolgen habe. Der Oberste Gerichtshof wies
den Revisionsrekurs des klägerischen Advokaten, insoweit
es sich um die Abweisung der Klage durch das Marien-
bader Bezirksgericht handelt, als unzulässig ab, da be-
reits zwei gleiche Urteile erflossen sind. Dagegen hob er
die Entscheidung des Rekursgerichtes, welche dahingeht,
daß die Erledigung des Rekurses in deutscher Sprache
zu erfolgen habe, auf, und zwar unter Hinweis auf den
Artikel 19 St. G. G., auf den § 13 A. G. B. G. und
auf die Gleichberechtigung der Landessprachen in Schule,
Amt und öffentlichem Leben, endlich unter Hinweis auf
den Stremayrschen Sprachenerlaß. Ein gleiches Urteil
fällte der Oberste Gerichtshof in einer Rechtsangelegenheit
des Viehhändlers Josef Hostoimsky in Alt-Straschnitz
gegen die Vorschußkasse für das Egerer Gebiet in Eger.

Verschiebungen im Polenklub.

Der bisher der
allpolnischen Gruppe des Polenklubs angehörende Rabg.
Dr. Stanislaus Bialy ist, wie eine Korrespondenz
meldet, aus derselben ausgetreten und gehört nunmehr
der polnischen Volkspartei an. Von den 71 Mitgliedern,
die der Polenklub nach dem Beitritt der polnischen Volks-
partei zählt, gehören nunmehr nur noch 15 Abgeordnete
der allpolnischen Gruppe an.

Gegen den "Volkstag in Kalsching".

Wie
uns aus Freiheit in Ostböhmen geschrieben wird,
fand dort diese Tage eine gut besuchte Versammlung des
christlichsozialen Verbandes für Deutschböhmen statt, in
welcher nach einem Referate des Parteisekretärs Böhm
aus Trautenau, welcher dem verstorbenen deutschen
Landsmannminister Peschka einen warmen Nachruf hielt
und über die politische Lage und die aktuellen Fragen
sprach, und nach einer Rede des Pfarrers Mayer über
den sogenannten deutschen "Volkstag" in Kalsching ein-
[Spaltenumbruch] stimmig eine Entschließung angenommen wurde,
in der auf das entschiedenste gegen die
seitens mehrerer deutschfreisinniger Abgeordneter,
insbesondere aber durch den Abg. Kasper auf dem
Volkstage in Kalsching gegen die deutschen Christlich-
sozialen ausgesprochenen Verdächtigungen protestiert wurde,
daß die christlichsoziale Partei keine deutsche Partei sei
und das Bildungsniveau des deutschen Volkes herab-
drücken wolle. Bei dem Umstande, heißt es in der Reso-
lution, als die Christlichsozialen stets für die Interessen
des deutschen Volkes in Oesterreich eingetreten und den
anderen deutschen Parteien nie in den Rücken gefallen
sind, und es nicht die Christlichsozialen sind, welche einen
"Kulturkampf" heraufbeschworen haben, weisen die Ver-
sammelten diese ungerechtfertigten Angriffe gegen die
christlichsoziale Partei umso entschiedener zurück, als es
ein Volksverrat ist, in den jetzigen schweren
Zeiten neuen Unfrieden in die Reihen des deutschen
Volkes zu tragen und geben der bestimmten Hoffnung
Ausdruck, daß auch jene vernünftigen, deutsch-
freisinnigen Abgeordneten, welche die Interessen des
deutschen Volkes im Auge haben, mit den gefallenen
Aeußerungen des Abg. Kasper nicht einverstanden sind.

Eine Lehrerversammlung in der Bukowina.

In Gurahumora fand, wie uns von dort
berichtet wird, am 3. d. eine zahlreich besuchte Lehrer-
versammlung statt, in der zu der durch liberale Intrigen
vereitelten Sanktion des vom Landtage zweimal be-
schlossenen Lehrergehaltsgesetzes Stellung genommen
werden sollte. Nach einer langen Debatte, in der Abg.
R. v. Onciul, Oberlehrer Kozarkiewicz,
Notar Prunkul, die Lehrer Cozmiuc, Kipper
sen. und jun., Manz, Coroma, die Landwirte
Horn, Bilei und Pascowici und Inspektor
Dolinschi gesprochen hatten und das Verhalten
der freisinnigen Abgeordneten in äußerst scharfer
Weise besprochen wurde, während der christlich-
sozialen Partei von den meisten Rednern wärmste
Anerkennung gezollt wurde, fanden eine Reihe
von Resolutionen einmütige Annahme, darunter eine, in
der die Ausarbeitung eines neuen sektionsweisen Lehrer-
gehaltsgesetzes befürwortet wird. Die Stimmung der
Bukowinaer Lehrerschaft, die das falsche Spiel der Libe-
ralen sattbekommen hat, schildert am besten folgende auf
Antrag des Lehrers Ripper jun. einstimmig ange-
nommene Resolution:

Die Lehrerschaft der Bukowina sieht sich in der Lehrer-
gehaltsfrage von den maßgebenden Faktoren schmählich
betrogen und hintergangen.
Die tagende Ver-
sammlung konstatiert, daß der Herr Unterrichtsminister sein
der Lehrerschaft gegebenes Versprechen
nicht gehalten hat
und daß die von der Unterrichts-
verwaltung selbst offiziell in Bezug auf die Sanktionsvorlage
des Lehrergehaltsgesetzentwurfes und die Bedeckungsfrage ge-
machte Zusicherung nicht eingehalten wurde. Ferner konstatiert
sie bei einzelnen Landtagsabgeordneten in
Frage der Lehrergehaltsregulierung Wortbruch und
Uebelwollen.
Sie spricht diesen Männern ihre
schärfste Mißbilligung
aus. Die Lehrerschaft wird
und muß es als ihre heilige Pflicht ansehen, Politiker, die im
Solde der Korruption und im Dienste an-
derer Volksausbeuter und Volks-
verber stehen,
vor dem Volke zu demaskieren
und politisch unmöglich zu machen.

Diese derbe Brandmarkung dürfte die doppelzüngigen
freisinnigen "Lehrerfreunde" umso schwerer treffen, als
[Spaltenumbruch] der Antragsteller Ripper jun., wie er ausdrücklich er-
klärte, durchaus kein Christlichsozialer ist.




Ausland.

Die Ersatzwahl in Dundee für das eng-
lische Unterhaus verlief mit folgendem Resultat: Gewählt
wurde der Liberale Churchill mit 7079 Stimmen, in
der Minderheit blieben der Unionist Baxter mit 4370,
ferner der Kandidat Stuart der Arbeiterpartei mit 4014
Stimmen.

Der neue Gendarmeriechef für Maze-
donien.
Graf de Robilant, ist gestern in Konstantin-
opel eingetroffen und nach dem Yildiz gefahren, um sich
anzumelden.

Die Aufstandsbewegung in Britisch-
Indien
hat die englische Regierung veranlaßt beim
Emir von Afghanistan Vorstellungen zu machen bezüglich
des Anteiles afghanischer Untertanen am Grenzaufstand.
Der Emir hat nunmehr geantwortet, er habe bündige
Befehle erteilt, alle Afghanen, die sich mit den aufrühre-
rischen Stämmen vereinigt hätten, zurückzurufen, und
auch seine Beamten angewiesen, Afghanen am Ueber-
schreiten der Grenze zu hindern.




Eine Rede des Fürsten Nikolaus von
Montenegro.

Gestern hat in Anwesenheit des Fürsten Niko-
laus,
der Prinzessinnen, des diplomatischen Korps, der
Mitglieder der Regierung, der Würdenträger und einer
überaus zahlreichen Menschenmenge die feierliche Grund-
steinlegung der neuen montenegrini-
schen Residenz
in Antivari stattgefunden. Der
Fürst hielt eine Rede, worin er auf die hohe Bedeutung
hinwies, die er darauf lege, Antivari sich entwickeln und
ein Mittelpunkt des Handels und der Industrie werden
zu sehen und betonte, daß alle seine Bemühungen auf
dieses Ziel gerichtet seien. Der Fürst erklärte,
daß Rußland, von wo er erst jüngst sehr be-
friedigt zurückgekehrt sei, über das Aufblühen
Montenegros sich freuen werde.

Er sei überzeugt, daß Kaiser Nikolaus und Rußland
niemals Montenegros vergessen werden. Der Fürst gab
weiters der Ueberzeugung Ausdruck, daß Montenegro
auch in Zukunft des Wohlwollens seines mächtigen
Nachbarreiches Oesterreich-Ungarn werde teil-
haft bleiben, das stets den wirtschaftlichen Aufschwung
Montenegros begünstigt habe. Er gedachte mit Dankbar-
keit Italiens, von wo Kapitalisten gekommen seien,
um den Unternehmungsgeist Montenegros zu heben und
die wirtschaftliche Entwicklung dieser
Küste des Adriatischen Meeres zu för-
dern,
und erklärte schließlich, daß alle bei dieser Feier
vertretenen Staaten mit ihren Völkern das neue Industrie-
zentrum, das in Antivari nunmehr im Entstehen begriffen
sei, unterstützen werden.




Die italienischen Bahnbauten in Montenegro.


In einer der Aprilnummern des C. d. S. war ein
sehr interessanter Artikel enthalten, der in lebhaften




[Spaltenumbruch]
Literarische Post.
"Der kampf um den Gral".

Unter dieser Ueberschrift veröffentlichte Dr. Wilhelm
Oehl in den Nummern 104 und 105 der "Reichspost" vom
15. und 16. April ein Feuilleton*), demgegenüber das
audiatur et altera pars zu gerechter Beurteilung unerläßlich
ist. Wollte ich mich auf eine Berichtigung der mannigfachen
Schiefheiten in Dr. Oehls Darstellung hier einlassen, ich
müßte nahezu den gleichen Raum in Anspruch nehmen. Da
die Fehde indes nicht in der "Reichspost" auszutragen ist,
so beschränke ich mich hier nur auf einige mich ganz per-
sönlich treffende Behauptungen und verweise alle, die sich
eingehender informieren wollen, auf meine Kritik der
Kampfesweise des "Gral" in Nr. 5 und 6 des "Hochland"
(S. 603 und 217, 1908) und auf meine Duplik an die be-
sondere Adresse R. v. Kraliks.

Dr. Oehl beginnt seine Ausführung gleich mit einer
schiefen Behauptung. Denn von einem "bedeutsamen Prin-
zipienkampf" zwischen "Gral" und "Hochland" kann gar
keine Rede sein, nachdem ich einen solchen ausdrücklich abg-
gelehnt (Siehe: "Hochland", Heft 5, S. 603) und mich
lediglich darauf beschränkt habe, die Art und Weise
zu kennzeichnen, mit der der "Gral" sein Programm an-
preist, ausführt und verteidigt. Wer diese Methode ge-
schmackvoll und dauernd wirksam findet, mit dem will ich
nicht streiten, aber Tatsache ist, daß ich nur diese Methode
mit ihren Auswüchsen von Lieblosigkeit, eitler Selbstan-
preisung und widerspruchsvollen Behauptungen gekennzeich-
net, nicht aber einen "Prinzipienkampf" aufgenommen
habe. Wohl aber habe ich mir für eine noch in
diesem Jahre erscheinende Sonderschrift die Er-
örterung gewisser literarischer Grundsätze und Pro-
grammpunkte vorbehalten, es jedoch abgelehnt, diese
Erörterung mit dem "Gral" zu pflegen, da mir seine
Kampfesweise für eine jede sachliche Austragung allen-
fallsiger Meinungsunterschiede ungeeignet erscheint. Wenn
sogar Dr. Oehl, ein Gralbündler und geschworener Partei-
gänger Kraliks, gegen die von Kralik und anderen im "Gral"
beliebte "polemische Form" Vorbehalte für
nötig findet, so wird auch der nicht allseitig orientierte Leser
[Spaltenumbruch] den Eindruck gewinnen, daß meine Zurückhaltung guten
Grund haben muß.

Gegenüber dem tendenziösen Bericht über meine Gral-
kritik und speziell meine Kritik des Kralikschen Verhaltens
kann ich diejenigen Leser der "Reichspost", denen es um
wahre und sachliche Orientierung zu tun ist, nur auf meinen
Hochlandartikel verweisen. Die Redaktion des Hochland
schickt ihn gern ohne weiteres an alle Interessenten, die ihn
erbitten. Die Behauptung Dr. Oehls, Kralik habe
mir in seiner Replik Entstellung von Zitaten und
Verkehrung des Sinnes "durch Weglassung einzelner Worte"
u. dgl. nachgewiesen, beruht auf einer unbegreif-
lichen Selbsttäuschung, um nicht zu sagen groben Täuschung
der "Reichspost" leser. Kralik hat, wie ich in meiner Duplik
feststelle, ein einziges Zitat von mir in diesem Sinne
gegen mich auszuspielen versucht, damit aber nur bewiesen,
daß er nicht einmal die Tragweite seiner eigenen Worte ab-
zuschätzen vermag. Was er sonst gegen meine "Methode"
vorbringt, sind Worte, Worte, Worte! -- Ich habe nicht
ein einziges Zitat zu korrigieren noch mich wegen Miß-
brauchs zu entschuldigen.

Allen Grund hiezu hat aber Dr. Oehl, wenn er mich
durch zwei Sätze, die er aus einer 1905 von mir ge-
schriebenen Würdigung Kraliks herausreißt, in Widerspruch
zu setzen wähnt mit meiner heutigen Stellungnahme gegen
Kralik.

Von einem Widerspruch kann gar keine Rede sein.
Denn wenn ich damals schrieb: "Kralik steht hoch, sehr
hoch, das aber erklärt die Einsamkeit," so galt diese Ein-
schätzung, wie ein einziger Blick in den Zusammenhang er-
gibt, nur in bezug auf gewisse ästhetische Anschauungen
seines "Kunstbüchleins". Ich stelle daselbst die Frage, woran
es liege, daß Kraliks ästhetische Anschauungen bis jetzt so
wenig Einfluß ausgeübt hätten und fahre dann fort:

"Wenn es nicht wie ein Tadel klingen würde, möchte ich
sagen: An Kraliks ästhetischer Unduldsamkeit. Ich verstehe
das Wort im Gegensatz zu jenen toleranten Bemühungen
auf dem Gebiete der ästhetischen Kritik, so charakterlosen und
meist flachen Erscheinungen wie dem bürgerlichen Schauspiel,
dem Sittenstück, dem Problem- und Unterhaltungs-
roman noch immer das Recht künstlerischer Be-
deutung zuzusprechen. Ich erinnere zum Beispiel nur
an den philiströsen Widerstand, der sich vor einigen
Jahren erhob, als ich den Versuch machte, an den heute be-
liebten Roman höhere Maßstäbe anzulegen als die gang-
baren. Nur weil unter diesem einzig berechtigten Vorgehen
das literarische Ansehen einer nicht unbedeutenden Reihe
von Werken, worauf katholische Kritiker stolz zu sein pflegten,
zu schwinden drohte, glaubte man so hohe Maßstäbe ab-
lehnen zu dürfen. Auch Kralik hat damals in den Meinungs-
[Spaltenumbruch] streit eingegriffen. Aber höchst vorsichtig und allgemein.
Hätte er wie ich konkret werden und sich nicht nur mit
Prinzipien, sondern auch mit den Schriftstellern und ihren
Werken beschäftigen wollen, sein Urteil wäre so herb und
herber ausgefallen als das meine. Es kommt eben nur
darauf an, wo einer steht."

In diesem Zusammenhang folgen dann die obigen
Worte. Wo ist da ein Widerspruch mit dem, was ich heute
gegen Kralik vorzubringen durch diesen selbst gezwungen
wurde? Viel leichter wäre es, Kralik eines inkonsequenten
Verhaltens zu zeihen, insofern als er diesen hohen Forde-
rungen in concreto keinen Nachdruck verlieh, sondern durch
literaturpolitische Erwägungen sich seines hohen theoretischen
Standpunktes in der Praxis begab. Wenn ich in meiner
Abwehr der Gralangriffe meinen Zweifel an der Fähigkeit
der "schaffenden Autoren" des "Gral" und ins-
besonders des Dichters Kralik aussprach, "auch nur
den hundertsten Teil dessen wahr zu machen, was sie uns
so volltönend als nahezu verwirklicht aufreden wollen", so
bin ich dabei meinem früheren Urteil in bezug auf den
letzteren durchaus treu geblieben. Denn auch 1905 habe ich,
trotz meines persönlichen Wohlwollens und trotz des
besonderen Festcharakters meiner Würdigung, es nicht über
mich gebracht, mein Urteil über den Dichter Kralik in
noch mildere Formen zu kleiden, als mit folgenden Worten
geschehen:

"Ein eigenes Kapitel wäre dem Dichter Kralik zu
widmen. Aber auch nur die Titel der zahlreichen epischen,
lyrischen und dramatischen Dichtungen aufzuführen, fehlt
hier ja schon der Raum. So sehr ich mich von vielen
theoretischen Anschauungen Kraliks eingenommen bekenne,
so wenig hat mich der Dichter in seinen Kreis gebannt.
Das soll nicht heißen, daß ich seine poetischen Gaben etwa
nicht schätze. Von dem Geist, der darin steckt, möchte ich
sogar unseren meisten zeitgenössischen Dichtern ein erklecklich
Teil wünschen. Nicht umsonst hat Kralik sich in die großen
Geister der Vergangenheit von Pindar bis zu Calderon ver-
senkt. Seine Mysterienspiele sind tiefsinnig, seine Lieder und
Kantaten formstreng und schön, in seinen Dramen (Türken
vor Wien, Maximilian) ist ein großer Zug, aber es fehlt
doch allem das undefinierbare Etwas des aus geheimsten
Lebenstiefen entsprungenen Dichterischen, die bezwingende
Kraft des seelisch Erlebten."

Wer nunmehr verdient, tendenziöser Zitierung be-
schuldigt zu werden, Dr. Oehl oder ich, das mögen sich die
Reichspostleser selber beantworten.

Zum Schluß lege ich Wert darauf, zu wiederholen:
der Streit wurde vom Zaun gebrochen durch den "Gral",
in den ersten Stunden seines Erscheinens. Monatelang
habe ich geschwiegen; schließlich forderte die Selbstachtung


*) Wir erachten es als unsere Pflicht, in der Angelegenheit
des "Gral", die in Nr. 104 und 105 der "Reichspost" im
Feuilleton unter dem Titel "Der Kampf um den Gral" von
Dr. Wilhelm Oehl vertreten wurde, bei Wahrung unserer
vollen Objektivität auch der anderen Seite Gelegenheit zur
Aussprache zu geben. D. R.
Wien, Montag Reichspoſt 11. Mai 1908 Nr. 130

[Spaltenumbruch]

in Petſchau als befangen abgelehnt, und
gleichzeitig die Aufſichtsbeſchwerde an das
Oberlandesgericht in Prag überreicht. Am 8. Mai
l. J. erhielt nun einer der beſchwerdeführenden Advokaten
zwei deutſche Erledigungen des Kreisgerichtes Eger, in
denen gemäß des § 13 a. b. G. B. der Ablehnung des
Landesgerichtsrates Johann Augſten nicht ſtattgegeben
als auch der Rekurs, betreffend die Entſcheidung des Be-
zirkesgerichtes Petſchau abgewieſen wird. — Wie die
„Narodni Politika“ aus abſolut glaubwürdiger Quelle
erfährt, weilte dieſer Tage ein Sekretär des Handels-
miniſteriums in Prag und beauftragt die maßgebenden
Faktoren der Poſtbeamtenſchaft dahinzuwirken, daß die
eutſche innere Amtsſprache wenigſtens im
Verkehr mit den deutſchen Städten wiedereingeführt
werde. Der Gebrauch der tſchechiſchen Sprache ſolle vor-
läufig ausſchließlich bei Sendungen in tſchechiſche
Orte
gehandhabt werden. In einer vertraulichen Ver-
ſammlung der Poſtambulanzbeamten, die vergangenen
Freitag ſtattgefunden hat, wurde beſchloſſen, ſich dieſer
gegebenen Anordnung zu fügen. — Wie den „Narodni
Liſty“ aus Wien mitgeteilt wird, hat der Oberſte
Gerichtshof in ſeiner Sitzung am 5. Mai zwei
neue Urteile in Angelegenheiten der Sprachen-
frage bei den Gerichten in Böhmen gefällt.
Im erſten Falle hatte das Kreisgericht Eger als Rekurs-
gericht einen Erlaß des Bezirksgerichtes Marienbad be-
ſtätigt, durch welchen ein Geſuch eines Advokaten ab-
gewieſen wurde, weil es in tſchechiſcher Sprache abgefaßt
war. Gleichzeitig ordnete das Kreisgericht Eger an, daß
die Erledigung des Rekurſes ebenfalls in deutſcher
Sprache zu erfolgen habe. Der Oberſte Gerichtshof wies
den Reviſionsrekurs des klägeriſchen Advokaten, inſoweit
es ſich um die Abweiſung der Klage durch das Marien-
bader Bezirksgericht handelt, als unzuläſſig ab, da be-
reits zwei gleiche Urteile erfloſſen ſind. Dagegen hob er
die Entſcheidung des Rekursgerichtes, welche dahingeht,
daß die Erledigung des Rekurſes in deutſcher Sprache
zu erfolgen habe, auf, und zwar unter Hinweis auf den
Artikel 19 St. G. G., auf den § 13 A. G. B. G. und
auf die Gleichberechtigung der Landesſprachen in Schule,
Amt und öffentlichem Leben, endlich unter Hinweis auf
den Stremayrſchen Sprachenerlaß. Ein gleiches Urteil
fällte der Oberſte Gerichtshof in einer Rechtsangelegenheit
des Viehhändlers Joſef Hoſtoimsky in Alt-Straſchnitz
gegen die Vorſchußkaſſe für das Egerer Gebiet in Eger.

Verſchiebungen im Polenklub.

Der bisher der
allpolniſchen Gruppe des Polenklubs angehörende Rabg.
Dr. Stanislaus Bialy iſt, wie eine Korreſpondenz
meldet, aus derſelben ausgetreten und gehört nunmehr
der polniſchen Volkspartei an. Von den 71 Mitgliedern,
die der Polenklub nach dem Beitritt der polniſchen Volks-
partei zählt, gehören nunmehr nur noch 15 Abgeordnete
der allpolniſchen Gruppe an.

Gegen den „Volkstag in Kalſching“.

Wie
uns aus Freiheit in Oſtböhmen geſchrieben wird,
fand dort dieſe Tage eine gut beſuchte Verſammlung des
chriſtlichſozialen Verbandes für Deutſchböhmen ſtatt, in
welcher nach einem Referate des Parteiſekretärs Böhm
aus Trautenau, welcher dem verſtorbenen deutſchen
Landsmannminiſter Peſchka einen warmen Nachruf hielt
und über die politiſche Lage und die aktuellen Fragen
ſprach, und nach einer Rede des Pfarrers Mayer über
den ſogenannten deutſchen „Volkstag“ in Kalſching ein-
[Spaltenumbruch] ſtimmig eine Entſchließung angenommen wurde,
in der auf das entſchiedenſte gegen die
ſeitens mehrerer deutſchfreiſinniger Abgeordneter,
insbeſondere aber durch den Abg. Kaſper auf dem
Volkstage in Kalſching gegen die deutſchen Chriſtlich-
ſozialen ausgeſprochenen Verdächtigungen proteſtiert wurde,
daß die chriſtlichſoziale Partei keine deutſche Partei ſei
und das Bildungsniveau des deutſchen Volkes herab-
drücken wolle. Bei dem Umſtande, heißt es in der Reſo-
lution, als die Chriſtlichſozialen ſtets für die Intereſſen
des deutſchen Volkes in Oeſterreich eingetreten und den
anderen deutſchen Parteien nie in den Rücken gefallen
ſind, und es nicht die Chriſtlichſozialen ſind, welche einen
„Kulturkampf“ heraufbeſchworen haben, weiſen die Ver-
ſammelten dieſe ungerechtfertigten Angriffe gegen die
chriſtlichſoziale Partei umſo entſchiedener zurück, als es
ein Volksverrat iſt, in den jetzigen ſchweren
Zeiten neuen Unfrieden in die Reihen des deutſchen
Volkes zu tragen und geben der beſtimmten Hoffnung
Ausdruck, daß auch jene vernünftigen, deutſch-
freiſinnigen Abgeordneten, welche die Intereſſen des
deutſchen Volkes im Auge haben, mit den gefallenen
Aeußerungen des Abg. Kaſper nicht einverſtanden ſind.

Eine Lehrerverſammlung in der Bukowina.

In Gurahumora fand, wie uns von dort
berichtet wird, am 3. d. eine zahlreich beſuchte Lehrer-
verſammlung ſtatt, in der zu der durch liberale Intrigen
vereitelten Sanktion des vom Landtage zweimal be-
ſchloſſenen Lehrergehaltsgeſetzes Stellung genommen
werden ſollte. Nach einer langen Debatte, in der Abg.
R. v. Onciul, Oberlehrer Kozarkiewicz,
Notar Prunkul, die Lehrer Cozmiuc, Kipper
ſen. und jun., Manz, Coroma, die Landwirte
Horn, Bilei und Pascowici und Inſpektor
Dolinſchi geſprochen hatten und das Verhalten
der freiſinnigen Abgeordneten in äußerſt ſcharfer
Weiſe beſprochen wurde, während der chriſtlich-
ſozialen Partei von den meiſten Rednern wärmſte
Anerkennung gezollt wurde, fanden eine Reihe
von Reſolutionen einmütige Annahme, darunter eine, in
der die Ausarbeitung eines neuen ſektionsweiſen Lehrer-
gehaltsgeſetzes befürwortet wird. Die Stimmung der
Bukowinaer Lehrerſchaft, die das falſche Spiel der Libe-
ralen ſattbekommen hat, ſchildert am beſten folgende auf
Antrag des Lehrers Ripper jun. einſtimmig ange-
nommene Reſolution:

Die Lehrerſchaft der Bukowina ſieht ſich in der Lehrer-
gehaltsfrage von den maßgebenden Faktoren ſchmählich
betrogen und hintergangen.
Die tagende Ver-
ſammlung konſtatiert, daß der Herr Unterrichtsminiſter ſein
der Lehrerſchaft gegebenes Verſprechen
nicht gehalten hat
und daß die von der Unterrichts-
verwaltung ſelbſt offiziell in Bezug auf die Sanktionsvorlage
des Lehrergehaltsgeſetzentwurfes und die Bedeckungsfrage ge-
machte Zuſicherung nicht eingehalten wurde. Ferner konſtatiert
ſie bei einzelnen Landtagsabgeordneten in
Frage der Lehrergehaltsregulierung Wortbruch und
Uebelwollen.
Sie ſpricht dieſen Männern ihre
ſchärfſte Mißbilligung
aus. Die Lehrerſchaft wird
und muß es als ihre heilige Pflicht anſehen, Politiker, die im
Solde der Korruption und im Dienſte an-
derer Volksausbeuter und Volks-
verber ſtehen,
vor dem Volke zu demaskieren
und politiſch unmöglich zu machen.

Dieſe derbe Brandmarkung dürfte die doppelzüngigen
freiſinnigen „Lehrerfreunde“ umſo ſchwerer treffen, als
[Spaltenumbruch] der Antragſteller Ripper jun., wie er ausdrücklich er-
klärte, durchaus kein Chriſtlichſozialer iſt.




Ausland.

Die Erſatzwahl in Dundee für das eng-
liſche Unterhaus verlief mit folgendem Reſultat: Gewählt
wurde der Liberale Churchill mit 7079 Stimmen, in
der Minderheit blieben der Unioniſt Baxter mit 4370,
ferner der Kandidat Stuart der Arbeiterpartei mit 4014
Stimmen.

Der neue Gendarmeriechef für Maze-
donien.
Graf de Robilant, iſt geſtern in Konſtantin-
opel eingetroffen und nach dem Yildiz gefahren, um ſich
anzumelden.

Die Aufſtandsbewegung in Britiſch-
Indien
hat die engliſche Regierung veranlaßt beim
Emir von Afghaniſtan Vorſtellungen zu machen bezüglich
des Anteiles afghaniſcher Untertanen am Grenzaufſtand.
Der Emir hat nunmehr geantwortet, er habe bündige
Befehle erteilt, alle Afghanen, die ſich mit den aufrühre-
riſchen Stämmen vereinigt hätten, zurückzurufen, und
auch ſeine Beamten angewieſen, Afghanen am Ueber-
ſchreiten der Grenze zu hindern.




Eine Rede des Fürſten Nikolaus von
Montenegro.

Geſtern hat in Anweſenheit des Fürſten Niko-
laus,
der Prinzeſſinnen, des diplomatiſchen Korps, der
Mitglieder der Regierung, der Würdenträger und einer
überaus zahlreichen Menſchenmenge die feierliche Grund-
ſteinlegung der neuen montenegrini-
ſchen Reſidenz
in Antivari ſtattgefunden. Der
Fürſt hielt eine Rede, worin er auf die hohe Bedeutung
hinwies, die er darauf lege, Antivari ſich entwickeln und
ein Mittelpunkt des Handels und der Induſtrie werden
zu ſehen und betonte, daß alle ſeine Bemühungen auf
dieſes Ziel gerichtet ſeien. Der Fürſt erklärte,
daß Rußland, von wo er erſt jüngſt ſehr be-
friedigt zurückgekehrt ſei, über das Aufblühen
Montenegros ſich freuen werde.

Er ſei überzeugt, daß Kaiſer Nikolaus und Rußland
niemals Montenegros vergeſſen werden. Der Fürſt gab
weiters der Ueberzeugung Ausdruck, daß Montenegro
auch in Zukunft des Wohlwollens ſeines mächtigen
Nachbarreiches Oeſterreich-Ungarn werde teil-
haft bleiben, das ſtets den wirtſchaftlichen Aufſchwung
Montenegros begünſtigt habe. Er gedachte mit Dankbar-
keit Italiens, von wo Kapitaliſten gekommen ſeien,
um den Unternehmungsgeiſt Montenegros zu heben und
die wirtſchaftliche Entwicklung dieſer
Küſte des Adriatiſchen Meeres zu för-
dern,
und erklärte ſchließlich, daß alle bei dieſer Feier
vertretenen Staaten mit ihren Völkern das neue Induſtrie-
zentrum, das in Antivari nunmehr im Entſtehen begriffen
ſei, unterſtützen werden.




Die italieniſchen Bahnbauten in Montenegro.


In einer der Aprilnummern des C. d. S. war ein
ſehr intereſſanter Artikel enthalten, der in lebhaften




[Spaltenumbruch]
Literariſche Poſt.
„Der kampf um den Gral“.

Unter dieſer Ueberſchrift veröffentlichte Dr. Wilhelm
Oehl in den Nummern 104 und 105 der „Reichspoſt“ vom
15. und 16. April ein Feuilleton*), demgegenüber das
audiatur et altera pars zu gerechter Beurteilung unerläßlich
iſt. Wollte ich mich auf eine Berichtigung der mannigfachen
Schiefheiten in Dr. Oehls Darſtellung hier einlaſſen, ich
müßte nahezu den gleichen Raum in Anſpruch nehmen. Da
die Fehde indes nicht in der „Reichspoſt“ auszutragen iſt,
ſo beſchränke ich mich hier nur auf einige mich ganz per-
ſönlich treffende Behauptungen und verweiſe alle, die ſich
eingehender informieren wollen, auf meine Kritik der
Kampfesweiſe des „Gral“ in Nr. 5 und 6 des „Hochland“
(S. 603 und 217, 1908) und auf meine Duplik an die be-
ſondere Adreſſe R. v. Kraliks.

Dr. Oehl beginnt ſeine Ausführung gleich mit einer
ſchiefen Behauptung. Denn von einem „bedeutſamen Prin-
zipienkampf“ zwiſchen „Gral“ und „Hochland“ kann gar
keine Rede ſein, nachdem ich einen ſolchen ausdrücklich abg-
gelehnt (Siehe: „Hochland“, Heft 5, S. 603) und mich
lediglich darauf beſchränkt habe, die Art und Weiſe
zu kennzeichnen, mit der der „Gral“ ſein Programm an-
preiſt, ausführt und verteidigt. Wer dieſe Methode ge-
ſchmackvoll und dauernd wirkſam findet, mit dem will ich
nicht ſtreiten, aber Tatſache iſt, daß ich nur dieſe Methode
mit ihren Auswüchſen von Liebloſigkeit, eitler Selbſtan-
preiſung und widerſpruchsvollen Behauptungen gekennzeich-
net, nicht aber einen „Prinzipienkampf“ aufgenommen
habe. Wohl aber habe ich mir für eine noch in
dieſem Jahre erſcheinende Sonderſchrift die Er-
örterung gewiſſer literariſcher Grundſätze und Pro-
grammpunkte vorbehalten, es jedoch abgelehnt, dieſe
Erörterung mit dem „Gral“ zu pflegen, da mir ſeine
Kampfesweiſe für eine jede ſachliche Austragung allen-
fallſiger Meinungsunterſchiede ungeeignet erſcheint. Wenn
ſogar Dr. Oehl, ein Gralbündler und geſchworener Partei-
gänger Kraliks, gegen die von Kralik und anderen im „Gral“
beliebte „polemiſche Form“ Vorbehalte für
nötig findet, ſo wird auch der nicht allſeitig orientierte Leſer
[Spaltenumbruch] den Eindruck gewinnen, daß meine Zurückhaltung guten
Grund haben muß.

Gegenüber dem tendenziöſen Bericht über meine Gral-
kritik und ſpeziell meine Kritik des Kralikſchen Verhaltens
kann ich diejenigen Leſer der „Reichspoſt“, denen es um
wahre und ſachliche Orientierung zu tun iſt, nur auf meinen
Hochlandartikel verweiſen. Die Redaktion des Hochland
ſchickt ihn gern ohne weiteres an alle Intereſſenten, die ihn
erbitten. Die Behauptung Dr. Oehls, Kralik habe
mir in ſeiner Replik Entſtellung von Zitaten und
Verkehrung des Sinnes „durch Weglaſſung einzelner Worte“
u. dgl. nachgewieſen, beruht auf einer unbegreif-
lichen Selbſttäuſchung, um nicht zu ſagen groben Täuſchung
der „Reichspoſt“ leſer. Kralik hat, wie ich in meiner Duplik
feſtſtelle, ein einziges Zitat von mir in dieſem Sinne
gegen mich auszuſpielen verſucht, damit aber nur bewieſen,
daß er nicht einmal die Tragweite ſeiner eigenen Worte ab-
zuſchätzen vermag. Was er ſonſt gegen meine „Methode“
vorbringt, ſind Worte, Worte, Worte! — Ich habe nicht
ein einziges Zitat zu korrigieren noch mich wegen Miß-
brauchs zu entſchuldigen.

Allen Grund hiezu hat aber Dr. Oehl, wenn er mich
durch zwei Sätze, die er aus einer 1905 von mir ge-
ſchriebenen Würdigung Kraliks herausreißt, in Widerſpruch
zu ſetzen wähnt mit meiner heutigen Stellungnahme gegen
Kralik.

Von einem Widerſpruch kann gar keine Rede ſein.
Denn wenn ich damals ſchrieb: „Kralik ſteht hoch, ſehr
hoch, das aber erklärt die Einſamkeit,“ ſo galt dieſe Ein-
ſchätzung, wie ein einziger Blick in den Zuſammenhang er-
gibt, nur in bezug auf gewiſſe äſthetiſche Anſchauungen
ſeines „Kunſtbüchleins“. Ich ſtelle daſelbſt die Frage, woran
es liege, daß Kraliks äſthetiſche Anſchauungen bis jetzt ſo
wenig Einfluß ausgeübt hätten und fahre dann fort:

„Wenn es nicht wie ein Tadel klingen würde, möchte ich
ſagen: An Kraliks äſthetiſcher Unduldſamkeit. Ich verſtehe
das Wort im Gegenſatz zu jenen toleranten Bemühungen
auf dem Gebiete der äſthetiſchen Kritik, ſo charakterloſen und
meiſt flachen Erſcheinungen wie dem bürgerlichen Schauſpiel,
dem Sittenſtück, dem Problem- und Unterhaltungs-
roman noch immer das Recht künſtleriſcher Be-
deutung zuzuſprechen. Ich erinnere zum Beiſpiel nur
an den philiſtröſen Widerſtand, der ſich vor einigen
Jahren erhob, als ich den Verſuch machte, an den heute be-
liebten Roman höhere Maßſtäbe anzulegen als die gang-
baren. Nur weil unter dieſem einzig berechtigten Vorgehen
das literariſche Anſehen einer nicht unbedeutenden Reihe
von Werken, worauf katholiſche Kritiker ſtolz zu ſein pflegten,
zu ſchwinden drohte, glaubte man ſo hohe Maßſtäbe ab-
lehnen zu dürfen. Auch Kralik hat damals in den Meinungs-
[Spaltenumbruch] ſtreit eingegriffen. Aber höchſt vorſichtig und allgemein.
Hätte er wie ich konkret werden und ſich nicht nur mit
Prinzipien, ſondern auch mit den Schriftſtellern und ihren
Werken beſchäftigen wollen, ſein Urteil wäre ſo herb und
herber ausgefallen als das meine. Es kommt eben nur
darauf an, wo einer ſteht.“

In dieſem Zuſammenhang folgen dann die obigen
Worte. Wo iſt da ein Widerſpruch mit dem, was ich heute
gegen Kralik vorzubringen durch dieſen ſelbſt gezwungen
wurde? Viel leichter wäre es, Kralik eines inkonſequenten
Verhaltens zu zeihen, inſofern als er dieſen hohen Forde-
rungen in concreto keinen Nachdruck verlieh, ſondern durch
literaturpolitiſche Erwägungen ſich ſeines hohen theoretiſchen
Standpunktes in der Praxis begab. Wenn ich in meiner
Abwehr der Gralangriffe meinen Zweifel an der Fähigkeit
der „ſchaffenden Autoren“ des „Gral“ und ins-
beſonders des Dichters Kralik ausſprach, „auch nur
den hundertſten Teil deſſen wahr zu machen, was ſie uns
ſo volltönend als nahezu verwirklicht aufreden wollen“, ſo
bin ich dabei meinem früheren Urteil in bezug auf den
letzteren durchaus treu geblieben. Denn auch 1905 habe ich,
trotz meines perſönlichen Wohlwollens und trotz des
beſonderen Feſtcharakters meiner Würdigung, es nicht über
mich gebracht, mein Urteil über den Dichter Kralik in
noch mildere Formen zu kleiden, als mit folgenden Worten
geſchehen:

„Ein eigenes Kapitel wäre dem Dichter Kralik zu
widmen. Aber auch nur die Titel der zahlreichen epiſchen,
lyriſchen und dramatiſchen Dichtungen aufzuführen, fehlt
hier ja ſchon der Raum. So ſehr ich mich von vielen
theoretiſchen Anſchauungen Kraliks eingenommen bekenne,
ſo wenig hat mich der Dichter in ſeinen Kreis gebannt.
Das ſoll nicht heißen, daß ich ſeine poetiſchen Gaben etwa
nicht ſchätze. Von dem Geiſt, der darin ſteckt, möchte ich
ſogar unſeren meiſten zeitgenöſſiſchen Dichtern ein erklecklich
Teil wünſchen. Nicht umſonſt hat Kralik ſich in die großen
Geiſter der Vergangenheit von Pindar bis zu Calderon ver-
ſenkt. Seine Myſterienſpiele ſind tiefſinnig, ſeine Lieder und
Kantaten formſtreng und ſchön, in ſeinen Dramen (Türken
vor Wien, Maximilian) iſt ein großer Zug, aber es fehlt
doch allem das undefinierbare Etwas des aus geheimſten
Lebenstiefen entſprungenen Dichteriſchen, die bezwingende
Kraft des ſeeliſch Erlebten.“

Wer nunmehr verdient, tendenziöſer Zitierung be-
ſchuldigt zu werden, Dr. Oehl oder ich, das mögen ſich die
Reichspoſtleſer ſelber beantworten.

Zum Schluß lege ich Wert darauf, zu wiederholen:
der Streit wurde vom Zaun gebrochen durch den „Gral“,
in den erſten Stunden ſeines Erſcheinens. Monatelang
habe ich geſchwiegen; ſchließlich forderte die Selbſtachtung


*) Wir erachten es als unſere Pflicht, in der Angelegenheit
des „Gral“, die in Nr. 104 und 105 der „Reichspoſt“ im
Feuilleton unter dem Titel „Der Kampf um den Gral“ von
Dr. Wilhelm Oehl vertreten wurde, bei Wahrung unſerer
vollen Objektivität auch der anderen Seite Gelegenheit zur
Ausſprache zu geben. D. R.
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[2/0002] Wien, Montag Reichspoſt 11. Mai 1908 Nr. 130 in Petſchau als befangen abgelehnt, und gleichzeitig die Aufſichtsbeſchwerde an das Oberlandesgericht in Prag überreicht. Am 8. Mai l. J. erhielt nun einer der beſchwerdeführenden Advokaten zwei deutſche Erledigungen des Kreisgerichtes Eger, in denen gemäß des § 13 a. b. G. B. der Ablehnung des Landesgerichtsrates Johann Augſten nicht ſtattgegeben als auch der Rekurs, betreffend die Entſcheidung des Be- zirkesgerichtes Petſchau abgewieſen wird. — Wie die „Narodni Politika“ aus abſolut glaubwürdiger Quelle erfährt, weilte dieſer Tage ein Sekretär des Handels- miniſteriums in Prag und beauftragt die maßgebenden Faktoren der Poſtbeamtenſchaft dahinzuwirken, daß die eutſche innere Amtsſprache wenigſtens im Verkehr mit den deutſchen Städten wiedereingeführt werde. Der Gebrauch der tſchechiſchen Sprache ſolle vor- läufig ausſchließlich bei Sendungen in tſchechiſche Orte gehandhabt werden. In einer vertraulichen Ver- ſammlung der Poſtambulanzbeamten, die vergangenen Freitag ſtattgefunden hat, wurde beſchloſſen, ſich dieſer gegebenen Anordnung zu fügen. — Wie den „Narodni Liſty“ aus Wien mitgeteilt wird, hat der Oberſte Gerichtshof in ſeiner Sitzung am 5. Mai zwei neue Urteile in Angelegenheiten der Sprachen- frage bei den Gerichten in Böhmen gefällt. Im erſten Falle hatte das Kreisgericht Eger als Rekurs- gericht einen Erlaß des Bezirksgerichtes Marienbad be- ſtätigt, durch welchen ein Geſuch eines Advokaten ab- gewieſen wurde, weil es in tſchechiſcher Sprache abgefaßt war. Gleichzeitig ordnete das Kreisgericht Eger an, daß die Erledigung des Rekurſes ebenfalls in deutſcher Sprache zu erfolgen habe. Der Oberſte Gerichtshof wies den Reviſionsrekurs des klägeriſchen Advokaten, inſoweit es ſich um die Abweiſung der Klage durch das Marien- bader Bezirksgericht handelt, als unzuläſſig ab, da be- reits zwei gleiche Urteile erfloſſen ſind. Dagegen hob er die Entſcheidung des Rekursgerichtes, welche dahingeht, daß die Erledigung des Rekurſes in deutſcher Sprache zu erfolgen habe, auf, und zwar unter Hinweis auf den Artikel 19 St. G. G., auf den § 13 A. G. B. G. und auf die Gleichberechtigung der Landesſprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben, endlich unter Hinweis auf den Stremayrſchen Sprachenerlaß. Ein gleiches Urteil fällte der Oberſte Gerichtshof in einer Rechtsangelegenheit des Viehhändlers Joſef Hoſtoimsky in Alt-Straſchnitz gegen die Vorſchußkaſſe für das Egerer Gebiet in Eger. Verſchiebungen im Polenklub. Der bisher der allpolniſchen Gruppe des Polenklubs angehörende Rabg. Dr. Stanislaus Bialy iſt, wie eine Korreſpondenz meldet, aus derſelben ausgetreten und gehört nunmehr der polniſchen Volkspartei an. Von den 71 Mitgliedern, die der Polenklub nach dem Beitritt der polniſchen Volks- partei zählt, gehören nunmehr nur noch 15 Abgeordnete der allpolniſchen Gruppe an. Gegen den „Volkstag in Kalſching“. Wie uns aus Freiheit in Oſtböhmen geſchrieben wird, fand dort dieſe Tage eine gut beſuchte Verſammlung des chriſtlichſozialen Verbandes für Deutſchböhmen ſtatt, in welcher nach einem Referate des Parteiſekretärs Böhm aus Trautenau, welcher dem verſtorbenen deutſchen Landsmannminiſter Peſchka einen warmen Nachruf hielt und über die politiſche Lage und die aktuellen Fragen ſprach, und nach einer Rede des Pfarrers Mayer über den ſogenannten deutſchen „Volkstag“ in Kalſching ein- ſtimmig eine Entſchließung angenommen wurde, in der auf das entſchiedenſte gegen die ſeitens mehrerer deutſchfreiſinniger Abgeordneter, insbeſondere aber durch den Abg. Kaſper auf dem Volkstage in Kalſching gegen die deutſchen Chriſtlich- ſozialen ausgeſprochenen Verdächtigungen proteſtiert wurde, daß die chriſtlichſoziale Partei keine deutſche Partei ſei und das Bildungsniveau des deutſchen Volkes herab- drücken wolle. Bei dem Umſtande, heißt es in der Reſo- lution, als die Chriſtlichſozialen ſtets für die Intereſſen des deutſchen Volkes in Oeſterreich eingetreten und den anderen deutſchen Parteien nie in den Rücken gefallen ſind, und es nicht die Chriſtlichſozialen ſind, welche einen „Kulturkampf“ heraufbeſchworen haben, weiſen die Ver- ſammelten dieſe ungerechtfertigten Angriffe gegen die chriſtlichſoziale Partei umſo entſchiedener zurück, als es ein Volksverrat iſt, in den jetzigen ſchweren Zeiten neuen Unfrieden in die Reihen des deutſchen Volkes zu tragen und geben der beſtimmten Hoffnung Ausdruck, daß auch jene vernünftigen, deutſch- freiſinnigen Abgeordneten, welche die Intereſſen des deutſchen Volkes im Auge haben, mit den gefallenen Aeußerungen des Abg. Kaſper nicht einverſtanden ſind. Eine Lehrerverſammlung in der Bukowina. In Gurahumora fand, wie uns von dort berichtet wird, am 3. d. eine zahlreich beſuchte Lehrer- verſammlung ſtatt, in der zu der durch liberale Intrigen vereitelten Sanktion des vom Landtage zweimal be- ſchloſſenen Lehrergehaltsgeſetzes Stellung genommen werden ſollte. Nach einer langen Debatte, in der Abg. R. v. Onciul, Oberlehrer Kozarkiewicz, Notar Prunkul, die Lehrer Cozmiuc, Kipper ſen. und jun., Manz, Coroma, die Landwirte Horn, Bilei und Pascowici und Inſpektor Dolinſchi geſprochen hatten und das Verhalten der freiſinnigen Abgeordneten in äußerſt ſcharfer Weiſe beſprochen wurde, während der chriſtlich- ſozialen Partei von den meiſten Rednern wärmſte Anerkennung gezollt wurde, fanden eine Reihe von Reſolutionen einmütige Annahme, darunter eine, in der die Ausarbeitung eines neuen ſektionsweiſen Lehrer- gehaltsgeſetzes befürwortet wird. Die Stimmung der Bukowinaer Lehrerſchaft, die das falſche Spiel der Libe- ralen ſattbekommen hat, ſchildert am beſten folgende auf Antrag des Lehrers Ripper jun. einſtimmig ange- nommene Reſolution: Die Lehrerſchaft der Bukowina ſieht ſich in der Lehrer- gehaltsfrage von den maßgebenden Faktoren ſchmählich betrogen und hintergangen. Die tagende Ver- ſammlung konſtatiert, daß der Herr Unterrichtsminiſter ſein der Lehrerſchaft gegebenes Verſprechen nicht gehalten hat und daß die von der Unterrichts- verwaltung ſelbſt offiziell in Bezug auf die Sanktionsvorlage des Lehrergehaltsgeſetzentwurfes und die Bedeckungsfrage ge- machte Zuſicherung nicht eingehalten wurde. Ferner konſtatiert ſie bei einzelnen Landtagsabgeordneten in Frage der Lehrergehaltsregulierung Wortbruch und Uebelwollen. Sie ſpricht dieſen Männern ihre ſchärfſte Mißbilligung aus. Die Lehrerſchaft wird und muß es als ihre heilige Pflicht anſehen, Politiker, die im Solde der Korruption und im Dienſte an- derer Volksausbeuter und Volks- verber ſtehen, vor dem Volke zu demaskieren und politiſch unmöglich zu machen. Dieſe derbe Brandmarkung dürfte die doppelzüngigen freiſinnigen „Lehrerfreunde“ umſo ſchwerer treffen, als der Antragſteller Ripper jun., wie er ausdrücklich er- klärte, durchaus kein Chriſtlichſozialer iſt. Ausland. Die Erſatzwahl in Dundee für das eng- liſche Unterhaus verlief mit folgendem Reſultat: Gewählt wurde der Liberale Churchill mit 7079 Stimmen, in der Minderheit blieben der Unioniſt Baxter mit 4370, ferner der Kandidat Stuart der Arbeiterpartei mit 4014 Stimmen. Der neue Gendarmeriechef für Maze- donien. Graf de Robilant, iſt geſtern in Konſtantin- opel eingetroffen und nach dem Yildiz gefahren, um ſich anzumelden. Die Aufſtandsbewegung in Britiſch- Indien hat die engliſche Regierung veranlaßt beim Emir von Afghaniſtan Vorſtellungen zu machen bezüglich des Anteiles afghaniſcher Untertanen am Grenzaufſtand. Der Emir hat nunmehr geantwortet, er habe bündige Befehle erteilt, alle Afghanen, die ſich mit den aufrühre- riſchen Stämmen vereinigt hätten, zurückzurufen, und auch ſeine Beamten angewieſen, Afghanen am Ueber- ſchreiten der Grenze zu hindern. Eine Rede des Fürſten Nikolaus von Montenegro. Geſtern hat in Anweſenheit des Fürſten Niko- laus, der Prinzeſſinnen, des diplomatiſchen Korps, der Mitglieder der Regierung, der Würdenträger und einer überaus zahlreichen Menſchenmenge die feierliche Grund- ſteinlegung der neuen montenegrini- ſchen Reſidenz in Antivari ſtattgefunden. Der Fürſt hielt eine Rede, worin er auf die hohe Bedeutung hinwies, die er darauf lege, Antivari ſich entwickeln und ein Mittelpunkt des Handels und der Induſtrie werden zu ſehen und betonte, daß alle ſeine Bemühungen auf dieſes Ziel gerichtet ſeien. Der Fürſt erklärte, daß Rußland, von wo er erſt jüngſt ſehr be- friedigt zurückgekehrt ſei, über das Aufblühen Montenegros ſich freuen werde. Er ſei überzeugt, daß Kaiſer Nikolaus und Rußland niemals Montenegros vergeſſen werden. Der Fürſt gab weiters der Ueberzeugung Ausdruck, daß Montenegro auch in Zukunft des Wohlwollens ſeines mächtigen Nachbarreiches Oeſterreich-Ungarn werde teil- haft bleiben, das ſtets den wirtſchaftlichen Aufſchwung Montenegros begünſtigt habe. Er gedachte mit Dankbar- keit Italiens, von wo Kapitaliſten gekommen ſeien, um den Unternehmungsgeiſt Montenegros zu heben und die wirtſchaftliche Entwicklung dieſer Küſte des Adriatiſchen Meeres zu för- dern, und erklärte ſchließlich, daß alle bei dieſer Feier vertretenen Staaten mit ihren Völkern das neue Induſtrie- zentrum, das in Antivari nunmehr im Entſtehen begriffen ſei, unterſtützen werden. Die italieniſchen Bahnbauten in Montenegro. [Eigenbericht der „Reichspoſt“.] Antivari, 7. Mai. In einer der Aprilnummern des C. d. S. war ein ſehr intereſſanter Artikel enthalten, der in lebhaften Literariſche Poſt. „Der kampf um den Gral“. Unter dieſer Ueberſchrift veröffentlichte Dr. Wilhelm Oehl in den Nummern 104 und 105 der „Reichspoſt“ vom 15. und 16. April ein Feuilleton *), demgegenüber das audiatur et altera pars zu gerechter Beurteilung unerläßlich iſt. Wollte ich mich auf eine Berichtigung der mannigfachen Schiefheiten in Dr. Oehls Darſtellung hier einlaſſen, ich müßte nahezu den gleichen Raum in Anſpruch nehmen. Da die Fehde indes nicht in der „Reichspoſt“ auszutragen iſt, ſo beſchränke ich mich hier nur auf einige mich ganz per- ſönlich treffende Behauptungen und verweiſe alle, die ſich eingehender informieren wollen, auf meine Kritik der Kampfesweiſe des „Gral“ in Nr. 5 und 6 des „Hochland“ (S. 603 und 217, 1908) und auf meine Duplik an die be- ſondere Adreſſe R. v. Kraliks. Dr. Oehl beginnt ſeine Ausführung gleich mit einer ſchiefen Behauptung. Denn von einem „bedeutſamen Prin- zipienkampf“ zwiſchen „Gral“ und „Hochland“ kann gar keine Rede ſein, nachdem ich einen ſolchen ausdrücklich abg- gelehnt (Siehe: „Hochland“, Heft 5, S. 603) und mich lediglich darauf beſchränkt habe, die Art und Weiſe zu kennzeichnen, mit der der „Gral“ ſein Programm an- preiſt, ausführt und verteidigt. Wer dieſe Methode ge- ſchmackvoll und dauernd wirkſam findet, mit dem will ich nicht ſtreiten, aber Tatſache iſt, daß ich nur dieſe Methode mit ihren Auswüchſen von Liebloſigkeit, eitler Selbſtan- preiſung und widerſpruchsvollen Behauptungen gekennzeich- net, nicht aber einen „Prinzipienkampf“ aufgenommen habe. Wohl aber habe ich mir für eine noch in dieſem Jahre erſcheinende Sonderſchrift die Er- örterung gewiſſer literariſcher Grundſätze und Pro- grammpunkte vorbehalten, es jedoch abgelehnt, dieſe Erörterung mit dem „Gral“ zu pflegen, da mir ſeine Kampfesweiſe für eine jede ſachliche Austragung allen- fallſiger Meinungsunterſchiede ungeeignet erſcheint. Wenn ſogar Dr. Oehl, ein Gralbündler und geſchworener Partei- gänger Kraliks, gegen die von Kralik und anderen im „Gral“ beliebte „polemiſche Form“ Vorbehalte für nötig findet, ſo wird auch der nicht allſeitig orientierte Leſer den Eindruck gewinnen, daß meine Zurückhaltung guten Grund haben muß. Gegenüber dem tendenziöſen Bericht über meine Gral- kritik und ſpeziell meine Kritik des Kralikſchen Verhaltens kann ich diejenigen Leſer der „Reichspoſt“, denen es um wahre und ſachliche Orientierung zu tun iſt, nur auf meinen Hochlandartikel verweiſen. Die Redaktion des Hochland ſchickt ihn gern ohne weiteres an alle Intereſſenten, die ihn erbitten. Die Behauptung Dr. Oehls, Kralik habe mir in ſeiner Replik Entſtellung von Zitaten und Verkehrung des Sinnes „durch Weglaſſung einzelner Worte“ u. dgl. nachgewieſen, beruht auf einer unbegreif- lichen Selbſttäuſchung, um nicht zu ſagen groben Täuſchung der „Reichspoſt“ leſer. Kralik hat, wie ich in meiner Duplik feſtſtelle, ein einziges Zitat von mir in dieſem Sinne gegen mich auszuſpielen verſucht, damit aber nur bewieſen, daß er nicht einmal die Tragweite ſeiner eigenen Worte ab- zuſchätzen vermag. Was er ſonſt gegen meine „Methode“ vorbringt, ſind Worte, Worte, Worte! — Ich habe nicht ein einziges Zitat zu korrigieren noch mich wegen Miß- brauchs zu entſchuldigen. Allen Grund hiezu hat aber Dr. Oehl, wenn er mich durch zwei Sätze, die er aus einer 1905 von mir ge- ſchriebenen Würdigung Kraliks herausreißt, in Widerſpruch zu ſetzen wähnt mit meiner heutigen Stellungnahme gegen Kralik. Von einem Widerſpruch kann gar keine Rede ſein. Denn wenn ich damals ſchrieb: „Kralik ſteht hoch, ſehr hoch, das aber erklärt die Einſamkeit,“ ſo galt dieſe Ein- ſchätzung, wie ein einziger Blick in den Zuſammenhang er- gibt, nur in bezug auf gewiſſe äſthetiſche Anſchauungen ſeines „Kunſtbüchleins“. Ich ſtelle daſelbſt die Frage, woran es liege, daß Kraliks äſthetiſche Anſchauungen bis jetzt ſo wenig Einfluß ausgeübt hätten und fahre dann fort: „Wenn es nicht wie ein Tadel klingen würde, möchte ich ſagen: An Kraliks äſthetiſcher Unduldſamkeit. Ich verſtehe das Wort im Gegenſatz zu jenen toleranten Bemühungen auf dem Gebiete der äſthetiſchen Kritik, ſo charakterloſen und meiſt flachen Erſcheinungen wie dem bürgerlichen Schauſpiel, dem Sittenſtück, dem Problem- und Unterhaltungs- roman noch immer das Recht künſtleriſcher Be- deutung zuzuſprechen. Ich erinnere zum Beiſpiel nur an den philiſtröſen Widerſtand, der ſich vor einigen Jahren erhob, als ich den Verſuch machte, an den heute be- liebten Roman höhere Maßſtäbe anzulegen als die gang- baren. Nur weil unter dieſem einzig berechtigten Vorgehen das literariſche Anſehen einer nicht unbedeutenden Reihe von Werken, worauf katholiſche Kritiker ſtolz zu ſein pflegten, zu ſchwinden drohte, glaubte man ſo hohe Maßſtäbe ab- lehnen zu dürfen. Auch Kralik hat damals in den Meinungs- ſtreit eingegriffen. Aber höchſt vorſichtig und allgemein. Hätte er wie ich konkret werden und ſich nicht nur mit Prinzipien, ſondern auch mit den Schriftſtellern und ihren Werken beſchäftigen wollen, ſein Urteil wäre ſo herb und herber ausgefallen als das meine. Es kommt eben nur darauf an, wo einer ſteht.“ In dieſem Zuſammenhang folgen dann die obigen Worte. Wo iſt da ein Widerſpruch mit dem, was ich heute gegen Kralik vorzubringen durch dieſen ſelbſt gezwungen wurde? Viel leichter wäre es, Kralik eines inkonſequenten Verhaltens zu zeihen, inſofern als er dieſen hohen Forde- rungen in concreto keinen Nachdruck verlieh, ſondern durch literaturpolitiſche Erwägungen ſich ſeines hohen theoretiſchen Standpunktes in der Praxis begab. Wenn ich in meiner Abwehr der Gralangriffe meinen Zweifel an der Fähigkeit der „ſchaffenden Autoren“ des „Gral“ und ins- beſonders des Dichters Kralik ausſprach, „auch nur den hundertſten Teil deſſen wahr zu machen, was ſie uns ſo volltönend als nahezu verwirklicht aufreden wollen“, ſo bin ich dabei meinem früheren Urteil in bezug auf den letzteren durchaus treu geblieben. Denn auch 1905 habe ich, trotz meines perſönlichen Wohlwollens und trotz des beſonderen Feſtcharakters meiner Würdigung, es nicht über mich gebracht, mein Urteil über den Dichter Kralik in noch mildere Formen zu kleiden, als mit folgenden Worten geſchehen: „Ein eigenes Kapitel wäre dem Dichter Kralik zu widmen. Aber auch nur die Titel der zahlreichen epiſchen, lyriſchen und dramatiſchen Dichtungen aufzuführen, fehlt hier ja ſchon der Raum. So ſehr ich mich von vielen theoretiſchen Anſchauungen Kraliks eingenommen bekenne, ſo wenig hat mich der Dichter in ſeinen Kreis gebannt. Das ſoll nicht heißen, daß ich ſeine poetiſchen Gaben etwa nicht ſchätze. Von dem Geiſt, der darin ſteckt, möchte ich ſogar unſeren meiſten zeitgenöſſiſchen Dichtern ein erklecklich Teil wünſchen. Nicht umſonſt hat Kralik ſich in die großen Geiſter der Vergangenheit von Pindar bis zu Calderon ver- ſenkt. Seine Myſterienſpiele ſind tiefſinnig, ſeine Lieder und Kantaten formſtreng und ſchön, in ſeinen Dramen (Türken vor Wien, Maximilian) iſt ein großer Zug, aber es fehlt doch allem das undefinierbare Etwas des aus geheimſten Lebenstiefen entſprungenen Dichteriſchen, die bezwingende Kraft des ſeeliſch Erlebten.“ Wer nunmehr verdient, tendenziöſer Zitierung be- ſchuldigt zu werden, Dr. Oehl oder ich, das mögen ſich die Reichspoſtleſer ſelber beantworten. Zum Schluß lege ich Wert darauf, zu wiederholen: der Streit wurde vom Zaun gebrochen durch den „Gral“, in den erſten Stunden ſeines Erſcheinens. Monatelang habe ich geſchwiegen; ſchließlich forderte die Selbſtachtung *) Wir erachten es als unſere Pflicht, in der Angelegenheit des „Gral“, die in Nr. 104 und 105 der „Reichspoſt“ im Feuilleton unter dem Titel „Der Kampf um den Gral“ von Dr. Wilhelm Oehl vertreten wurde, bei Wahrung unſerer vollen Objektivität auch der anderen Seite Gelegenheit zur Ausſprache zu geben. D. R.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 130, Wien, 11.05.1908, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost130_1908/2>, abgerufen am 21.11.2024.