Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904.140 Wien, Dienstag Reichspost 21. Juni 1904 [Spaltenumbruch] geschriebenen, mit 1 Krone gestempelten Gesuche, Genossenschaft der Gastwirte in Wien. Am Mittwoch den 6. Juli 1904, nachmittags Vereinsnachrichten. § Christlich-soziale Arbeiter-Bezirksorgani- sation. Sonntag den 26. Juni um 1/23 Uhr nach- § Der Erste Wiener Kneippverein christlicher Frauen hält am Sonntag den 26. Juni Volkswirtschaftlicher Teil. Von der Eisenfirma Echinger und Fernau. Seitens des Vertreters der Firma Der Krieg und der Export nach Ost- asien. Die Staatsbahnen geben bezüglich der K. k. österreichische Staatsbahnen. Die Lottoziehungen am 18. Juni. Wien 8 79 50 9 48 Graz 44 3 85 69 16 [Spaltenumbruch] 1 [Nachdruck verboten]. Selma Alraun. "Aber Friedel", unterbrach ich ihn, "was Friedel dachte doch zu richtig, um die Ver- "So würdest du also einen Blaustrumpf, bei- "Und", sprach ich weiter, "wenn du dich in Mehrere Tage vergingen, endlich lief folgen- Abbazia den 9. Februar 1903. Mein lieber Nach mehr als einer Woche erhielt ich aber- Abbazia den 18. Februar 1893. Mein lieber [Fortsetzung folgt] 140 Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904 [Spaltenumbruch] geſchriebenen, mit 1 Krone geſtempelten Geſuche, Genoſſenſchaft der Gaſtwirte in Wien. Am Mittwoch den 6. Juli 1904, nachmittags Vereinsnachrichten. § Chriſtlich-ſoziale Arbeiter-Bezirksorgani- ſation. Sonntag den 26. Juni um ½3 Uhr nach- § Der Erſte Wiener Kneippverein chriſtlicher Frauen hält am Sonntag den 26. Juni Volkswirtſchaftlicher Teil. Von der Eiſenfirma Echinger und Fernau. Seitens des Vertreters der Firma Der Krieg und der Export nach Oſt- aſien. Die Staatsbahnen geben bezüglich der K. k. öſterreichiſche Staatsbahnen. Die Lottoziehungen am 18. Juni. Wien 8 79 50 9 48 Graz 44 3 85 69 16 [Spaltenumbruch] 1 [Nachdruck verboten]. Selma Alraun. „Aber Friedel“, unterbrach ich ihn, „was Friedel dachte doch zu richtig, um die Ver- „So würdeſt du alſo einen Blauſtrumpf, bei- „Und“, ſprach ich weiter, „wenn du dich in Mehrere Tage vergingen, endlich lief folgen- Abbazia den 9. Februar 1903. Mein lieber Nach mehr als einer Woche erhielt ich aber- Abbazia den 18. Februar 1893. Mein lieber [Fortſetzung folgt] <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0011" n="11"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">140 Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jVarious" n="1"> <div xml:id="stipendien2" prev="#stipendien1" type="jArticle" n="2"> <p>geſchriebenen, mit 1 Krone geſtempelten Geſuche,<lb/> welche mit dem Geburtsdokumente, Heimatſchein,<lb/> Mittelloſigkeitszeugniſſe und den Zeugniſſen über<lb/> ihre Vorbildung (abſolvierte Bürgerſchule) ver-<lb/> ſehen ſein müſſen, bis längſtens 10. September<lb/> bei der Kammer 1. 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Juni um ½3 Uhr nach-<lb/> mittags findet im Raimundtheater eine Separat-<lb/> Vorſtellung zu Gunſten obiger Organiſation ſtatt.<lb/> Zur Aufführung gelangt: „Drei Tage in Schlierſee“<lb/> Bauernpoſſe mit Geſang und Tanz in drei Aufzügen<lb/> von G. G. Bankl. Dargeſtellt wird dieſes Stück<lb/> von den Mitgliedern des oberbayriſchen Bauern-<lb/> theaters unter der Direktion M. Dengg. Da zu<lb/> dieſer Vorſtellung die Preiſe der Karten <hi rendition="#g">enorm</hi><lb/> herabgeſetzt wurden und außerdem eine ſchöne<lb/> Bauernpoſſe zur Aufführung gelangt, werden alle,<lb/> die ſich einen vergnügten Nachmittag bereiten und<lb/> ein ſchönes Stück anſehen wollen, aufmerkſam ge-<lb/> macht, ſich ſchon jetzt an den unten angeführten Ver-<lb/> kaufsſtellen mit Karten zu verſorgen, da jetzt noch<lb/> ſolche zu allen Preiſen zu haben ſind. <hi rendition="#g">Karten ſind<lb/> zu haben:</hi> In der Verwaltung der chriſtlich-ſozialen<lb/> Arbeiter-Zeitung, 7. 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Juni<lb/> 6 Uhr abends im Sitzungsſaale des alten Rat-<lb/> hauſes 1. Bez., Wipplingerſtraße 8, die 34. Vereins-<lb/> verſammlung ab. Es werden Vorträge über das<lb/> Kneippſche Naturheilverfahren und über die in<lb/><cb/> demſelben enthaltenen Winke und Ratſchläge für<lb/> Geſunde und Kranke unverfälſcht und rein nur<lb/> von wahren Kneippapoſteln gehalten. Für die<lb/> Damen iſt der Jahresbeitrag 1 Krone. Die Herren<lb/> als unterſtützende Mitglieder entrichten 2 Kronen.<lb/> Arme ſind von jeder Zahlung enthoben. Beitritts-<lb/> erklärungen werden bereitwilligſt durch die Buch-<lb/> handlung „Auſtria“, Sonnenfelsgaſſe 21, ferner<lb/> in der Vereinskanzlei beim Obmanne Adalbert<lb/> Hollas, 2. 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Die Koſten der zu<lb/> beſtellenden Vertrauensmänner fallen zu Laſten<lb/> der notleidenden Firma; das Ueberwachungs-<lb/> komitee, die Firmen Guſtav Chaudoir u. Co.,<lb/> Petzold u. Co., der Wiener Kreditorenverein,<lb/><hi rendition="#aq">nomine</hi> Fritz Fiſchl und die Niederöſterreichiſche<lb/> Eskomptegeſellſchaft, erklärt, während der Mora-<lb/> toriumsdauer keine gerichtlichen Schritte einzu-<lb/> leiten und die eingeleiteten einzuſtellen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Krieg und der Export nach Oſt-<lb/> aſien.</hi> </head> <p>Die Staatsbahnen geben bezüglich der<lb/> Uebernahme von Sendungen nach oſtaſiatiſchen<lb/> Stationen bekannt, daß „bis auf weiteres Sen-<lb/> dungen nach Stationen der Sibiriſchen, der<lb/> Transbaikal-Eiſenbahn, der Chineſiſchen Oſtbahn<lb/> und der Uſſuri-Eiſenbahn nur dann zur Beförde-<lb/> rung anzunehmen ſind, wenn hiezu vom Abſender<lb/> die Genehmigung der Eiſenbahnabteilung des<lb/> ruſſiſchen Großen Generalſtabes oder des Leiters<lb/> der ruſſiſchen Truppentransporte oder des be-<lb/> treffenden ruſſiſchen Bahnhofskommandanten bei-<lb/> gebracht wird.“ — Bezüglich der bisherigen Rück-<lb/> wirkungen des Krieges auf den Export nach<lb/> Oſtaſien iſt einem Berichte des öſterreichiſch-<lb/> ungariſchen Generalkonſulats in Hamburg zu ent-<lb/> nehmen: Die Schiffsexpeditionen konnten nach<lb/> Oſtaſien mit Ausnahme der ruſſiſchen Häfen, in<lb/><cb/> aller Regelmäßigkeit erfolgen; es hat den An-<lb/> ſchein, daß der ruſſiſch-japaniſche Krieg in mancher<lb/> Beziehung in letzter Zeit eher einen vorteilhaften<lb/> als ſchädigenden Einfluß auf den hamburgi-<lb/> ſchen Schiffsdienſt und Export ausgeübt hat<lb/> und daß mit den Erfolgen der Japaner ſich auch<lb/> wieder mehr Vertrauen zu den Geſchäften Japans<lb/> einſtellt. Auch nach vorliegenden Nachrichten iſt<lb/> dort im allgemeinen durchaus kein nennenswerter<lb/> Rückgang zu verzeichnen. Fühlbar macht ſich die<lb/> fortdauernde Unterbrechung des Verkehres mit<lb/> den ruſſiſchen Häfen im fernen Oſten; dagegen<lb/> werden laut neueſter ruſſiſcher Verfügung im<lb/> Eiſenbahnverkehre mit Sibirien nunmehr ſämt-<lb/> liche Eilgüter ohne jeden Aufenthalt bis zur<lb/> Station Baikal der Transbailalbahn angenommen<lb/> und weiter befördert. Für gewöhnliche Güterzugs-<lb/> ſendungen iſt die letzte Station Krasnojarsk<lb/> unweit Jeniſſej. Das mit dem Ausbruche des<lb/> ruſſiſch-japaniſchen Krieges geſteigerte Mißtrauen<lb/> zu den Geſchäftsverhältniſſen in China iſt bisher<lb/> nicht geſchwunden. Die unbeſtimmte politiſche<lb/> Situation und eine angebliche ſtarke Depreſſion<lb/> unter den chineſiſchen Kaufleuten wirken lähmend<lb/> auf den Handel ein; die Transaktionen für China<lb/> waren daher ſehr beſchränkt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">K. k. öſterreichiſche Staatsbahnen.</hi> </head> <p>Die<lb/> Transporteinnahmen der k. k. öſterreichiſchen<lb/> Staatsbahnen und der vom Staate für eigene<lb/> Rechnung betriebenen Bahnen hatten im Monate<lb/> Mai 1904, beziehungsweiſe in den erſten vier<lb/> Monaten d. J., folgendes Ergebnis: Befördert<lb/> wurden: 4,760.600 Perſonen, 2,826.300 Tonnen<lb/> Güter. Einnaymen: für Perſonen und Gepäck<lb/> 6,066.300 Kronen, für Güter 15,376.800 Kronen.<lb/> Die proviſoriſche Ermittlung der Transport-<lb/> einnahmen im Monate Mai ergab für das weſt-<lb/> liche Staatsbahnnetz aus dem Perſonenverkehre<lb/> eine Einnahme von 4,388.800 Kronen, aus dem<lb/> Güterverkehre von 10,765.600 Kronen, für das<lb/> öſtliche Netz aus dem Perſonenverkehre von<lb/> 1 677.500 Kronen, aus dem Güterverkehre von<lb/> 4 611.200 Kronen. Im Vergleiche mit dem<lb/> definitiven Ergebniſſe des Monats Mai v. J. er-<lb/> brachte der Perſonenverkehr des Berichtsmonats<lb/> eine Mehreinnahme von 355.142 Kronen mit<lb/> 454.700 Reiſenden, wogegen ſich im Güterverkehre<lb/> eine Mindereinnahme von 332.571 Kvonen ergab.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <div type="jAn" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Lottoziehungen am 18. Juni.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#b">Wien 8 79 50 9 48</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Graz 44 3 85 69 16</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <p>1 <hi rendition="#et">[Nachdruck verboten].</hi> </p> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Selma Alraun.</hi> </head><lb/> <byline>Eine Blauſtrumpfgeſchichte von <hi rendition="#b">Franz Kerſchbaumer.</hi> </byline><lb/> <p>„Aber Friedel“, unterbrach ich ihn, „was<lb/> ſprichſt du da? Ich vermiſſe heute an dir ganz<lb/> eine Eigenſchaft, die dich ſonſt immer aus-<lb/> zeichnete.“ „Und die wäre?“ „Die richtige<lb/> Unterſcheidungsgabe. Was haben denn die Blau-<lb/> ſtrümpfe, um ſchon in deinem Idiom zu ſprechen,<lb/> mit Emanzipation und Frauenrechtlerei zu tun?<lb/> Iſt geiſtiges Streben an das Geſchlecht gebunden?“</p><lb/> <p>Friedel dachte doch zu richtig, um die Ver-<lb/> mengung der Begriffe nicht einzuſehen und ent-<lb/> gegnete nach kurzer Pauſe: „Nun gut, im Prinzip<lb/> will ich ja dem weiblichen Geſchlechte die Be-<lb/> rechtigung nicht aberkennen, ſeine Gefühle durch<lb/> Tinte und Druckerſchwärze der Welt zu vermitteln.<lb/> Aber meinen Beifall wird das nie haben!“</p><lb/> <p>„So würdeſt du alſo einen Blauſtrumpf, bei-<lb/> ſpielsweiſe dieſe Selma Alraun, wenn ſie noch zu<lb/> erlangen wäre, nicht heiraten?“ „Gewiß nicht,<lb/> und dieſe Raben- und Adlerfeindin ſchon gar nicht,<lb/> das ſchwör ich!“ Und Friedel machte ein dem Ernſte<lb/> entſprechendes Geſicht.</p><lb/> <p>„Und“, ſprach ich weiter, „wenn du dich in<lb/> eine ſchriftſtellernde Dame verlieben würdeſt, wenn<lb/> ſie hold, ſchön, liebenswürdig ....“ „Genug,<lb/> genug!“ unterbrach mich Friedel, „unter keinen<lb/> Umſtänden! Ich hab’s beſchworen und du kennſt<lb/> ja Schillers Worte: Ewigkeit geſchwornen Eiden!<lb/> Aber“ und hier fiel Friedel aus dem pathe-<lb/> tiſchen Tone „ich bin nur gekommen, um dir<lb/> zu ſagen, daß ich morgen Wien auf einige Zeit<lb/> verlaſſe“. — „Auf wie lange“ fragte ich, „und<lb/> wohin geht die Reiſe?“ — „Wie lange ich ferne<lb/> bleibe, weiß ich nicht, und das Wohin iſt mir auch<lb/> noch nicht genau bekannt. Vor allem gehe ich<lb/> nach Abbazia, das ich trotz meines vielen Umher-<lb/> ſtreifens noch nicht kenne. Es liegt etwas abſeits<lb/> von der gewöhnlichen Reiſeroute. Dann geht es<lb/> jedenfalls wieder einmal in’s wälſche Land. Ich<lb/><cb/> werde dir, wie gewöhnlich, die Orte im voraus<lb/> angeben, an welchem ich deine freundlichen Zeilen<lb/> erwarte. Und nun leb’ wohl!“ — „Leb’ wohl!“<lb/> rief ich dem Weggehenden nach — „und wenn du<lb/> eine Selma Alraun triffſt, erinnere dich!“ —<lb/> und noch aus dem Vorgemache tönte mir Friedels<lb/> Stimme: „Ewigkeit geſchwornen Eiden!“</p><lb/> <p>Mehrere Tage vergingen, endlich lief folgen-<lb/> der Brief meines Freundes ein:</p><lb/> <p>Abbazia den 9. Februar 1903. Mein lieber<lb/> Freund! Morgen gehe ich wieder von hier weg.<lb/> Ich habe nun Abbazia vollſtändig kennen gelernt<lb/> und ſomit iſt jeder Grund zu längerem Aufent-<lb/> halte verſchwunden. Die Maſſe von Hotels,<lb/> Dependencen, Penſionen, Reſtaurants u. ſ. w., die<lb/> den ohnehin ſchmalen Küſtenſtrich unheimlich ver-<lb/> engen, haben zu wenig Verlockendes. Vor andern<lb/> Kurorten, deren ich ja ſchon ſo viele geſehen habe,<lb/> zeichnet ſich Abbazia nicht aus. Von den Kranken,<lb/> die hier Geneſung ſuchen, iſt noch nie einer ge-<lb/> ſund geworden. Die Geſunden, welche die Be-<lb/> gleitung der Kranken bilden und die natürlich in<lb/> größerer Anzahl hier auftreten, werden auch hier<lb/> für die aufopferungsfähigſten Seelen gehalten,<lb/> welche den teuren Leidenden nicht verlaſſen wollen<lb/> und in ihrem Samariterwerke „mit bluten-<lb/> dem Herzen“ jede Unterhaltung mit-<lb/> machen. Dabei iſt es manchesmal ſehr lang-<lb/> weilig und immer ſehr teuer. Das ſind ſo einige<lb/> wenige Aehnlichkeiten, die Abbazia mit anderen<lb/> Kurorten z. B. Nizza hat, mit dem es übrigens<lb/> in keiner anderen Hinſicht verglichen werden kann.<lb/> Ich habe auch einige neu entſtandene Seekurorte<lb/> an den benachbarten Küſten beſucht, denn der<lb/> Drang der Einheimiſchen, auf Koſten der Fremden<lb/> zu leben, wird immer mächtiger. Allein dieſe Kur-<lb/> orte verhalten ſich, was ihr Ausſehen betrifft, zu<lb/> Abbazia allenfalls, wie kotige Stallpintſcher zu<lb/> einem gewaſchenen und geſchniegelten Windſpiel.<lb/> Das iſt eben der erkennbare Unterſchied. Du ſiehſt<lb/> alſo, mich hält hier nichts länger zurück und<lb/> morgen geht’s von hier. In einem nächſten Briefe<lb/><cb/> werde ich dir den Ort angeben können, an welchem<lb/> ich deine Zeilen erwarte. Dein Friedel.</p><lb/> <p>Nach mehr als einer Woche erhielt ich aber-<lb/> mals ein Schreiben Friedels. Wie erſtaunte ich<lb/> aber, daß dieſer Brief ebenfalls von Abbazia<lb/> datiert war, das er ja ſchon ſo lange verlaſſen<lb/> haben ſollte. Das Schreiben lautete:</p><lb/> <p>Abbazia den 18. Februar 1893. Mein lieber<lb/> Freund! Ich kann mir den ſtaunenden Ausdruck<lb/> deines Antlitzes lebhaft vorſtellen, wenn du als<lb/> Abſendungsort dieſer Epiſtel Abbazia lieſt. Zur<lb/> Erklärung des Widerſpruches, der zwiſchen dem<lb/> Inhalte meines letzten Schreibens und meinem<lb/> verlängerten Aufenthaltsorte hierorts herrſcht, ver-<lb/> weiſe ich dich auf eine ſtattliche Anzahl von dir<lb/> jedenfalls bekannten Sprichwörtern, deren hervor-<lb/> ragendſtes lautet: Der Menſch denkt u. ſ. w. Doch<lb/> ich glaube, daß die Erwähnung dieſes Univerſal-<lb/> pflaſters, welches über alle gebrochenen Vorſätze<lb/> gelegt wird, dich nicht ganz befriedigt und du<lb/> darfſt von deinem Freunde erwarten, daß er dich<lb/> informiert. Mein lieber, lieber Freund! Du ſiehſt<lb/> an dem zweifachen Epitheton, daß es mir ſehr<lb/> darum zu tun iſt, in dir eine mir günſtige<lb/> Stimmung zu erwecken. So höre denn, warum ich<lb/> noch am Quarnero weile: ſie heißt Laura! Ich<lb/> müßte dich nicht kennen, wenn ich nun noch<lb/> zweifelte, daß dir die Situation vollſtändig klar<lb/> ſei. Doch nun zu näherem Bericht. Am ſelben Tage<lb/> an dem ich dir meinen Entſchluß meldete, von<lb/> Abbazia wegzugehen ſchneite der Himmel — es<lb/> ſchneite an dem Tage wirklich, was für den ſüd-<lb/> lichen Kurort ganz ausnehmend paßte und die<lb/> kranken Kurgäſte mit ihren ſich aufopfernden An-<lb/> gehörigen und Freunden hockten in den Zimmern<lb/> — alſo ſchneite der Himmel einen Engel zu uns<lb/> herab, die vorgenannte Laura. Ich will ſie dir<lb/> nicht weiter beſchreiben, da du ſie jedenfalls<lb/> kennen lernen wirſt. Höchſtens verweiſe ich dich auf<lb/> Wielands Schilderung: „Denk dir ein Weib im<lb/> reinſten Jugendlicht“, und auf weitere <supplied>einſchlgige</supplied><lb/> Zitate.</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c"> <supplied>Fortſetzung folgt</supplied> </hi> </ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [11/0011]
140 Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904
geſchriebenen, mit 1 Krone geſtempelten Geſuche,
welche mit dem Geburtsdokumente, Heimatſchein,
Mittelloſigkeitszeugniſſe und den Zeugniſſen über
ihre Vorbildung (abſolvierte Bürgerſchule) ver-
ſehen ſein müſſen, bis längſtens 10. September
bei der Kammer 1. Bezirk, Wipplingerſtraße 34,
einzubringen.
Genoſſenſchaft der Gaſtwirte in Wien.
Am Mittwoch den 6. Juli 1904, nachmittags
präziſe ½4 Uhr findet in der Volkshalle im
Neuen Rathauſe für das erſte Semeſter 1904 die
feierliche Freiſprechung jener Lehrlinge des Gaſt-
wirtsgewerbes ſtatt, welche mit Ende dieſes
Jahres ihre Lehrlingszeit vollendet haben.
Vereinsnachrichten.
§ Chriſtlich-ſoziale Arbeiter-Bezirksorgani-
ſation. Sonntag den 26. Juni um ½3 Uhr nach-
mittags findet im Raimundtheater eine Separat-
Vorſtellung zu Gunſten obiger Organiſation ſtatt.
Zur Aufführung gelangt: „Drei Tage in Schlierſee“
Bauernpoſſe mit Geſang und Tanz in drei Aufzügen
von G. G. Bankl. Dargeſtellt wird dieſes Stück
von den Mitgliedern des oberbayriſchen Bauern-
theaters unter der Direktion M. Dengg. Da zu
dieſer Vorſtellung die Preiſe der Karten enorm
herabgeſetzt wurden und außerdem eine ſchöne
Bauernpoſſe zur Aufführung gelangt, werden alle,
die ſich einen vergnügten Nachmittag bereiten und
ein ſchönes Stück anſehen wollen, aufmerkſam ge-
macht, ſich ſchon jetzt an den unten angeführten Ver-
kaufsſtellen mit Karten zu verſorgen, da jetzt noch
ſolche zu allen Preiſen zu haben ſind. Karten ſind
zu haben: In der Verwaltung der chriſtlich-ſozialen
Arbeiter-Zeitung, 7. Bezirk, Kaiſerſtraße 8; ferner
im 5. Bezirke: Witzmanns Gaſthaus, Reinprechts-
dorferſtraße 53. 6. Bezirk: Gemeinderat Franz
Schwarz, Stumpergaſſe 6, J. Kunſtmüller, Maria-
hilferſtraße 27, Franz Joſef Schadek, Bezirksvorſtand,
Barnabitengaſſe 6, Maidlinger & Rainer, Gumpen-
dorferſtraße 39, R. Rath, Morizgaſſe 1, A. Anderle,
Mittelgaſſe 10, A. Schremſer, Mollardgaſſe 10,
Reſtaurant Laßmann Gumpendorferſtraße 144,
F. Kußnik, Millergaſſe 21, ſowie jeden Samstag
von 8 bis ½10 Uhr abends in den Zahlſtellen des
chriſtlich-ſozialen Arbeitervereines: Knotz’ Gaſthaus,
Kaunitzgaſſe 7 und Treipls Gaſthaus, Millergaſſe 31.
12. Bezirk: Franz Jakeſch, Teichackergaſſe 5. 13. Be-
zirk: J. Zahradnik, Linzerſtraße 16.
§ Der Erſte Wiener Kneippverein
chriſtlicher Frauen hält am Sonntag den 26. Juni
6 Uhr abends im Sitzungsſaale des alten Rat-
hauſes 1. Bez., Wipplingerſtraße 8, die 34. Vereins-
verſammlung ab. Es werden Vorträge über das
Kneippſche Naturheilverfahren und über die in
demſelben enthaltenen Winke und Ratſchläge für
Geſunde und Kranke unverfälſcht und rein nur
von wahren Kneippapoſteln gehalten. Für die
Damen iſt der Jahresbeitrag 1 Krone. Die Herren
als unterſtützende Mitglieder entrichten 2 Kronen.
Arme ſind von jeder Zahlung enthoben. Beitritts-
erklärungen werden bereitwilligſt durch die Buch-
handlung „Auſtria“, Sonnenfelsgaſſe 21, ferner
in der Vereinskanzlei beim Obmanne Adalbert
Hollas, 2. Bez., Malzgaſſe 1 und in den Vereins-
verſammlungen der letzten Sonntage im Monate
entgegengenommen.
Volkswirtſchaftlicher Teil.
Von der Eiſenfirma Echinger und
Fernau. Seitens des Vertreters der Firma
Echinger und Fernau wurden folgende Punkte
behufs Bewilligung eines Moratoriums ſtipuliert
und den Gläubigern zur Annahme empfohlen:
Der Firma Echinger und Fernau wird ein
Moratorium bis 30. Juni 1906 zur Zahlung
ihrer Schulden ſamt 5%igen Zinſen in Raten
bewilligt. Bleibt die Firma mit einer Rate im
Rückſtande, dann ſind die Gläubiger an dieſes
Uebereinkommen nicht gebunden. Die Koſten der zu
beſtellenden Vertrauensmänner fallen zu Laſten
der notleidenden Firma; das Ueberwachungs-
komitee, die Firmen Guſtav Chaudoir u. Co.,
Petzold u. Co., der Wiener Kreditorenverein,
nomine Fritz Fiſchl und die Niederöſterreichiſche
Eskomptegeſellſchaft, erklärt, während der Mora-
toriumsdauer keine gerichtlichen Schritte einzu-
leiten und die eingeleiteten einzuſtellen.
Der Krieg und der Export nach Oſt-
aſien. Die Staatsbahnen geben bezüglich der
Uebernahme von Sendungen nach oſtaſiatiſchen
Stationen bekannt, daß „bis auf weiteres Sen-
dungen nach Stationen der Sibiriſchen, der
Transbaikal-Eiſenbahn, der Chineſiſchen Oſtbahn
und der Uſſuri-Eiſenbahn nur dann zur Beförde-
rung anzunehmen ſind, wenn hiezu vom Abſender
die Genehmigung der Eiſenbahnabteilung des
ruſſiſchen Großen Generalſtabes oder des Leiters
der ruſſiſchen Truppentransporte oder des be-
treffenden ruſſiſchen Bahnhofskommandanten bei-
gebracht wird.“ — Bezüglich der bisherigen Rück-
wirkungen des Krieges auf den Export nach
Oſtaſien iſt einem Berichte des öſterreichiſch-
ungariſchen Generalkonſulats in Hamburg zu ent-
nehmen: Die Schiffsexpeditionen konnten nach
Oſtaſien mit Ausnahme der ruſſiſchen Häfen, in
aller Regelmäßigkeit erfolgen; es hat den An-
ſchein, daß der ruſſiſch-japaniſche Krieg in mancher
Beziehung in letzter Zeit eher einen vorteilhaften
als ſchädigenden Einfluß auf den hamburgi-
ſchen Schiffsdienſt und Export ausgeübt hat
und daß mit den Erfolgen der Japaner ſich auch
wieder mehr Vertrauen zu den Geſchäften Japans
einſtellt. Auch nach vorliegenden Nachrichten iſt
dort im allgemeinen durchaus kein nennenswerter
Rückgang zu verzeichnen. Fühlbar macht ſich die
fortdauernde Unterbrechung des Verkehres mit
den ruſſiſchen Häfen im fernen Oſten; dagegen
werden laut neueſter ruſſiſcher Verfügung im
Eiſenbahnverkehre mit Sibirien nunmehr ſämt-
liche Eilgüter ohne jeden Aufenthalt bis zur
Station Baikal der Transbailalbahn angenommen
und weiter befördert. Für gewöhnliche Güterzugs-
ſendungen iſt die letzte Station Krasnojarsk
unweit Jeniſſej. Das mit dem Ausbruche des
ruſſiſch-japaniſchen Krieges geſteigerte Mißtrauen
zu den Geſchäftsverhältniſſen in China iſt bisher
nicht geſchwunden. Die unbeſtimmte politiſche
Situation und eine angebliche ſtarke Depreſſion
unter den chineſiſchen Kaufleuten wirken lähmend
auf den Handel ein; die Transaktionen für China
waren daher ſehr beſchränkt.
K. k. öſterreichiſche Staatsbahnen. Die
Transporteinnahmen der k. k. öſterreichiſchen
Staatsbahnen und der vom Staate für eigene
Rechnung betriebenen Bahnen hatten im Monate
Mai 1904, beziehungsweiſe in den erſten vier
Monaten d. J., folgendes Ergebnis: Befördert
wurden: 4,760.600 Perſonen, 2,826.300 Tonnen
Güter. Einnaymen: für Perſonen und Gepäck
6,066.300 Kronen, für Güter 15,376.800 Kronen.
Die proviſoriſche Ermittlung der Transport-
einnahmen im Monate Mai ergab für das weſt-
liche Staatsbahnnetz aus dem Perſonenverkehre
eine Einnahme von 4,388.800 Kronen, aus dem
Güterverkehre von 10,765.600 Kronen, für das
öſtliche Netz aus dem Perſonenverkehre von
1 677.500 Kronen, aus dem Güterverkehre von
4 611.200 Kronen. Im Vergleiche mit dem
definitiven Ergebniſſe des Monats Mai v. J. er-
brachte der Perſonenverkehr des Berichtsmonats
eine Mehreinnahme von 355.142 Kronen mit
454.700 Reiſenden, wogegen ſich im Güterverkehre
eine Mindereinnahme von 332.571 Kvonen ergab.
Lottoziehungen am 18. Juni.
Wien 8 79 50 9 48
Graz 44 3 85 69 16
1 [Nachdruck verboten].
Selma Alraun.
Eine Blauſtrumpfgeſchichte von Franz Kerſchbaumer.
„Aber Friedel“, unterbrach ich ihn, „was
ſprichſt du da? Ich vermiſſe heute an dir ganz
eine Eigenſchaft, die dich ſonſt immer aus-
zeichnete.“ „Und die wäre?“ „Die richtige
Unterſcheidungsgabe. Was haben denn die Blau-
ſtrümpfe, um ſchon in deinem Idiom zu ſprechen,
mit Emanzipation und Frauenrechtlerei zu tun?
Iſt geiſtiges Streben an das Geſchlecht gebunden?“
Friedel dachte doch zu richtig, um die Ver-
mengung der Begriffe nicht einzuſehen und ent-
gegnete nach kurzer Pauſe: „Nun gut, im Prinzip
will ich ja dem weiblichen Geſchlechte die Be-
rechtigung nicht aberkennen, ſeine Gefühle durch
Tinte und Druckerſchwärze der Welt zu vermitteln.
Aber meinen Beifall wird das nie haben!“
„So würdeſt du alſo einen Blauſtrumpf, bei-
ſpielsweiſe dieſe Selma Alraun, wenn ſie noch zu
erlangen wäre, nicht heiraten?“ „Gewiß nicht,
und dieſe Raben- und Adlerfeindin ſchon gar nicht,
das ſchwör ich!“ Und Friedel machte ein dem Ernſte
entſprechendes Geſicht.
„Und“, ſprach ich weiter, „wenn du dich in
eine ſchriftſtellernde Dame verlieben würdeſt, wenn
ſie hold, ſchön, liebenswürdig ....“ „Genug,
genug!“ unterbrach mich Friedel, „unter keinen
Umſtänden! Ich hab’s beſchworen und du kennſt
ja Schillers Worte: Ewigkeit geſchwornen Eiden!
Aber“ und hier fiel Friedel aus dem pathe-
tiſchen Tone „ich bin nur gekommen, um dir
zu ſagen, daß ich morgen Wien auf einige Zeit
verlaſſe“. — „Auf wie lange“ fragte ich, „und
wohin geht die Reiſe?“ — „Wie lange ich ferne
bleibe, weiß ich nicht, und das Wohin iſt mir auch
noch nicht genau bekannt. Vor allem gehe ich
nach Abbazia, das ich trotz meines vielen Umher-
ſtreifens noch nicht kenne. Es liegt etwas abſeits
von der gewöhnlichen Reiſeroute. Dann geht es
jedenfalls wieder einmal in’s wälſche Land. Ich
werde dir, wie gewöhnlich, die Orte im voraus
angeben, an welchem ich deine freundlichen Zeilen
erwarte. Und nun leb’ wohl!“ — „Leb’ wohl!“
rief ich dem Weggehenden nach — „und wenn du
eine Selma Alraun triffſt, erinnere dich!“ —
und noch aus dem Vorgemache tönte mir Friedels
Stimme: „Ewigkeit geſchwornen Eiden!“
Mehrere Tage vergingen, endlich lief folgen-
der Brief meines Freundes ein:
Abbazia den 9. Februar 1903. Mein lieber
Freund! Morgen gehe ich wieder von hier weg.
Ich habe nun Abbazia vollſtändig kennen gelernt
und ſomit iſt jeder Grund zu längerem Aufent-
halte verſchwunden. Die Maſſe von Hotels,
Dependencen, Penſionen, Reſtaurants u. ſ. w., die
den ohnehin ſchmalen Küſtenſtrich unheimlich ver-
engen, haben zu wenig Verlockendes. Vor andern
Kurorten, deren ich ja ſchon ſo viele geſehen habe,
zeichnet ſich Abbazia nicht aus. Von den Kranken,
die hier Geneſung ſuchen, iſt noch nie einer ge-
ſund geworden. Die Geſunden, welche die Be-
gleitung der Kranken bilden und die natürlich in
größerer Anzahl hier auftreten, werden auch hier
für die aufopferungsfähigſten Seelen gehalten,
welche den teuren Leidenden nicht verlaſſen wollen
und in ihrem Samariterwerke „mit bluten-
dem Herzen“ jede Unterhaltung mit-
machen. Dabei iſt es manchesmal ſehr lang-
weilig und immer ſehr teuer. Das ſind ſo einige
wenige Aehnlichkeiten, die Abbazia mit anderen
Kurorten z. B. Nizza hat, mit dem es übrigens
in keiner anderen Hinſicht verglichen werden kann.
Ich habe auch einige neu entſtandene Seekurorte
an den benachbarten Küſten beſucht, denn der
Drang der Einheimiſchen, auf Koſten der Fremden
zu leben, wird immer mächtiger. Allein dieſe Kur-
orte verhalten ſich, was ihr Ausſehen betrifft, zu
Abbazia allenfalls, wie kotige Stallpintſcher zu
einem gewaſchenen und geſchniegelten Windſpiel.
Das iſt eben der erkennbare Unterſchied. Du ſiehſt
alſo, mich hält hier nichts länger zurück und
morgen geht’s von hier. In einem nächſten Briefe
werde ich dir den Ort angeben können, an welchem
ich deine Zeilen erwarte. Dein Friedel.
Nach mehr als einer Woche erhielt ich aber-
mals ein Schreiben Friedels. Wie erſtaunte ich
aber, daß dieſer Brief ebenfalls von Abbazia
datiert war, das er ja ſchon ſo lange verlaſſen
haben ſollte. Das Schreiben lautete:
Abbazia den 18. Februar 1893. Mein lieber
Freund! Ich kann mir den ſtaunenden Ausdruck
deines Antlitzes lebhaft vorſtellen, wenn du als
Abſendungsort dieſer Epiſtel Abbazia lieſt. Zur
Erklärung des Widerſpruches, der zwiſchen dem
Inhalte meines letzten Schreibens und meinem
verlängerten Aufenthaltsorte hierorts herrſcht, ver-
weiſe ich dich auf eine ſtattliche Anzahl von dir
jedenfalls bekannten Sprichwörtern, deren hervor-
ragendſtes lautet: Der Menſch denkt u. ſ. w. Doch
ich glaube, daß die Erwähnung dieſes Univerſal-
pflaſters, welches über alle gebrochenen Vorſätze
gelegt wird, dich nicht ganz befriedigt und du
darfſt von deinem Freunde erwarten, daß er dich
informiert. Mein lieber, lieber Freund! Du ſiehſt
an dem zweifachen Epitheton, daß es mir ſehr
darum zu tun iſt, in dir eine mir günſtige
Stimmung zu erwecken. So höre denn, warum ich
noch am Quarnero weile: ſie heißt Laura! Ich
müßte dich nicht kennen, wenn ich nun noch
zweifelte, daß dir die Situation vollſtändig klar
ſei. Doch nun zu näherem Bericht. Am ſelben Tage
an dem ich dir meinen Entſchluß meldete, von
Abbazia wegzugehen ſchneite der Himmel — es
ſchneite an dem Tage wirklich, was für den ſüd-
lichen Kurort ganz ausnehmend paßte und die
kranken Kurgäſte mit ihren ſich aufopfernden An-
gehörigen und Freunden hockten in den Zimmern
— alſo ſchneite der Himmel einen Engel zu uns
herab, die vorgenannte Laura. Ich will ſie dir
nicht weiter beſchreiben, da du ſie jedenfalls
kennen lernen wirſt. Höchſtens verweiſe ich dich auf
Wielands Schilderung: „Denk dir ein Weib im
reinſten Jugendlicht“, und auf weitere einſchlgige
Zitate.
Fortſetzung folgt
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