Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904.Wien, Dienstag Reichspost 21. Juni 1904 140 [Spaltenumbruch] Gletscher, schöne Gegenden, herrliche Luft, ge- Ein edler Mensch achtet die Ueberzeugung Der Fremde sucht in Tirol Haspinger-, Speck- Was Tirol ist und werden kann, wenn die Der Enthusiasmus, den diese Rede erweckt Politische Rundschau. Oesterreich-Ungarn. Wien, am 20. Juni. Zur politischen Lage. Abgeordneter Doktor Eine "christlich-soziale Sumpfblase". Die alldeutsche Presse bauscht jetzt einen Privat- Der böhmische Landtag wird im Früh- Ein Urteil über die Prager Stadt- verwaltung, herb und voll grimmigen Spottes [Spaltenumbruch] Die Parteienzersplitterung bei den Tschechen. Um das Landtagsmandat von Nachod Deutsches Reich. Der Hauptangriff gegen die Hereros wird verschoben. Der von Oberst Leutwein sorg- Niederlande. Der antiliberale Wahlsieg bei den Frankreich. Die Angelegenheiten zwischen dem Vatikan und Frankreich -- so schreibt man Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904 140 [Spaltenumbruch] Gletſcher, ſchöne Gegenden, herrliche Luft, ge- Ein edler Menſch achtet die Ueberzeugung Der Fremde ſucht in Tirol Haſpinger-, Speck- Was Tirol iſt und werden kann, wenn die Der Enthuſiasmus, den dieſe Rede erweckt Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, am 20. Juni. Zur politiſchen Lage. Abgeordneter Doktor Eine „chriſtlich-ſoziale Sumpfblaſe“. Die alldeutſche Preſſe bauſcht jetzt einen Privat- Der böhmiſche Landtag wird im Früh- Ein Urteil über die Prager Stadt- verwaltung, herb und voll grimmigen Spottes [Spaltenumbruch] Die Parteienzerſplitterung bei den Tſchechen. Um das Landtagsmandat von Nachod Deutſches Reich. Der Hauptangriff gegen die Hereros wird verſchoben. Der von Oberſt Leutwein ſorg- Niederlande. Der antiliberale Wahlſieg bei den Frankreich. Die Angelegenheiten zwiſchen dem Vatikan und Frankreich — ſo ſchreibt man <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904 140</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="einheit2" prev="#einheit1" type="jArticle" n="2"> <p>Gletſcher, ſchöne Gegenden, herrliche Luft, ge-<lb/> ſundes Waſſer und der biedere, ſtreng religiöſe,<lb/> kindlich treue Charakter des Tirolervolkes iſt es,<lb/> was die Fremden zu uns herführt. Berge, Luft<lb/> und Waſſer üben keine größere Anziehungskraft<lb/> auf die Fremden aus, wenn wir proteſtantiſche<lb/> Tempel an den Rand der Gletſcher ſtellen. 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Es ſei übrigens beigefügt, daß<lb/> auch Dr. Thomas die übrige Darſtellung als<lb/> Erfindung bezeichnet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der böhmiſche Landtag</hi> </head> <p>wird im Früh-<lb/> herbſte zugleich mit den anderen Landtagen, wie<lb/> verlautet, wieder zuſammentreten. Nun beabſichtigen<lb/> die Alldeutſchen die deutſchen Parteien in eine<lb/> Falle zu locken. Sie wollen, wie ihre Organe mit-<lb/> teilen, der Plenarverſammlung der deutſchen Ab-<lb/> geordneten im Herbſt die Aufſtellung folgender<lb/> Bedingungen für das Aufgeben der Obſtruktion<lb/> im Landtage empfehlen: 1. Einſtellen der<lb/> tſchechiſchen Obſtruktion im Reichsrate; 2. Be-<lb/> ſeitigung der erhöhten Qualifikationsbedingung für<lb/> die Landesbeamten; 3. Beſetzung von drei Vier-<lb/> teilen aller neuen Stellen mit Deutſchen, inſo-<lb/> lange bis den tſchechiſchen Landesbeamten ebenſoviel<lb/> deutſche Beamte gegenüberſtehen; 4. Berufung<lb/> mehrerer Deutſcher auf Beamtenpoſten höheren<lb/> Ranges in allen Zweigen des Landesdienſtes;<lb/> 5. geſetzliche Sicherſtellung einer der Bevölkerungs-<lb/> anzahl und der Steuerleiſtung der Deutſchen ent-<lb/> ſprechenden Vertretung der Deutſchen im Landes-<lb/> ausſchuſſe, in den Kommiſſionen des Landtages<lb/> und in allen ſonſtigen vom Landtage beſchickten<lb/> Landesanſtalten. — Es hat bereits die tſchechiſche<lb/> Obſtruktion im Reichsrate bewieſen, wie ver-<lb/> hängnisvoll es für die Obſtruierenden ſelber iſt,<lb/> ſich für einen längeren Kampf durch beſtimmte<lb/> Bedingungen zu binden. — Die Alldeutſchen hoffen<lb/> auch gar nicht, daß die übrigen deutſchen Parteien<lb/> ſich in dieſer Weiſe die Hände binden zu laſſen<lb/> beabſichtigen, ſondern ſie wünſchen damit offenbar<lb/> nur, ein Schlagwort gegen die deutſchen Parteien<lb/> für eventuelle Neuwahlen zu erhalten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ein Urteil über die Prager Stadt-<lb/> verwaltung,</hi> </head> <p>herb und voll grimmigen Spottes<lb/> gegen die Prager tſchechiſchen Nationaliſten, gibt<lb/> der Prager „Czas“ ab. Das Blatt wendet ſich<lb/> gegen den Plan der Prager Stadtgemeinde, ſieben<lb/> Millionen für einen Repräſentationspalaſt aufzu-<lb/> wenden und ſchreibt: „Unſer eitles Paradieren<lb/> und unſere Oberflächlichkeit tritt nirgends ſo kraß<lb/> zutage, wie in der Prager Gemeindewirtſchaft. Die<lb/> Finanzlage der Stadt iſt wahrhaft jammervoll;<lb/> für die allerdringlichſten Lebensbedürfniſſe der<lb/> Gemeinde iſt kein Geld vorhanden; wir haben kein<lb/> Trinkwaſſer, keine Volksbäder, die hygieniſchen<lb/> Vorkehrungen ſind überhaupt die allerletzte Sorge<lb/> der Stadtväter; für die Prager Stadtverwaltung<lb/> ſind irgend welche Bräuhausaktien wichtiger als<lb/> alle Probleme einer Großkommune zuſammen-<lb/> genommen. Dafür hat dieſe Stadtverwaltung ge-<lb/> weckten Sinn für nationale Ehre und Repräſen-<lb/> tationspflichten; die Stadtväter ſehen z. B., daß<lb/> die Deutſchen auf dem Graben ein famos ein-<lb/> gerichtetes Kaſino haben und ſtatt ſich zu<lb/> ſagen, die Deutſchen haben Geld genug, ſie ſollen<lb/> es hinauswerfen, wenn ſie wollen, wir aber haben<lb/> wenig Geld und die patriotiſche Verpflichtung, zu<lb/> ſparen und Sorge zu tragen, daß die Gemeinde-<lb/> wirtſchaft der einzigen tſchechiſchen Großkommune<lb/> muſterhaft ſei und den nationalen Wohlſtand<lb/> kräftige, erklären ſie im Gegenteil: Wir kaufen<lb/> einen noch teureren Platz und bauen dort ein<lb/> noch teureres Wirtshaus auf und wenn’s ſelbſt<lb/> ſieben Millionen koſten ſollte. Und wir werden<lb/> dann wiſſen, wohin wir die Gemeinderäte von<lb/> Paris, die Generäle aus Rußland und die Fuß-<lb/> ballſpieler aus Kopenhagen führen können. Elber-<lb/> feld hat den Ruf, die muſterhafteſte Armenpflege<lb/> eingeführt zu haben. Edinburgh wird gelobt, daß<lb/> es die ſauberſte Kanaliſation beſitze; Dresden hat<lb/> ſeine Villenviertel, ſeine Häuſer in den Gärten;<lb/> nach Prag aber werden die Leute wallfahrten,<lb/> weil im Bädecker die Reklame ſtehen wird: Die<lb/> Prager Gemeinde hat <hi rendition="#g">das teuerſte Wirts-<lb/> haus in Europa.</hi> Darin liegt etwas Tſchechiſch-<lb/> Altbäuerliches, das der Putzſucht Millionen opfert<lb/> und die letzte Schindel am Dach einſchuldet.“</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Parteienzerſplitterung bei den<lb/> Tſchechen.</hi> </head> <p>Um das Landtagsmandat von Nachod<lb/> bewerben ſich vier Kandidaten und zwar: Der<lb/> ſelbſtändige jungtſchechiſche Kandidat Bezirksobmann<lb/> und Bürgermeiſter Cizek, der ſelbſtändige radikale<lb/> Kandidat Ingenieur Reziak, der agrariſche Kandidat<lb/> Johann Kotland und für die National-Sozialiſten<lb/> der Redakteur Kovarovic, ein Anhänger des Ab-<lb/> geordneten Klofa<hi rendition="#aq">č</hi>.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Der Hauptangriff gegen die Hereros</hi> </head><lb/> <p>wird verſchoben. Der von Oberſt Leutwein ſorg-<lb/> fältig vorbereitete und kurz vor der Ankunft des<lb/> Generalleutnants von Trotha begonnene neue<lb/> Feldzug gegen die Herero hat eine unerwartete<lb/> Wendung genommen. Trotha hält angeſichts der<lb/> großen Streitmacht, die der Feind in der Gegend<lb/> des Waterberges verſammelt hat, den Zeitpunkt<lb/> für einen entſcheidenden Vorſtoß offenbar noch<lb/> nicht für gekommen und hat infolgedeſſen den von<lb/> Leutwein entworfenen Operationsplan umgeſtoßen.<lb/> Oberſt Leutwein brach auf Wunſch Trothas von<lb/> Owikokerero nach Okahandja auf, um dort ſeine<lb/> Unterſtützung zur Verfügung zu ſtellen, beziehungs-<lb/> weiſe in Windhuk die Geſchäfte des Gouvernements<lb/> zu übernehmen. Zu entſcheidenden Schlägen gegen<lb/> den Feind ſoll es nicht kommen, bis auch die neu<lb/> eingetroffenen Truppen operationsfähig ſind. Die<lb/> alten Truppen rücken in drei Abteilungen mög-<lb/> lichſt nahe an den Feind heran, um ihn zu<lb/> beobachten und ſein etwaiges Entweichen zu ver-<lb/> hindern. Das Kommando über den zurückbleibenden<lb/> Reſt, der als eine neue Abteilung formiert wird,<lb/> übernimmt Major von Glaſenapp.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Der antiliberale Wahlſieg</hi> </head> <p>bei den<lb/> Wahlen zu den Provinzialräten hat die<lb/> Parteienverhältniſſe in dieſem Vertretungskörper<lb/> ganz verändert. Die ſogenannten Anti-Revo-<lb/> lutionäre (Proteſtantiſch-Konſervativen) und die<lb/> Katholiken haben jetzt die Mehrheit in Süd-<lb/> Holland, Limburg, Nordbrabant, Utrecht, Zee-<lb/> land, Gelderland, während die Liberalen nur<lb/> noch in den Provinzen Nord-Holland, Friesland<lb/> und Groningen über die Mehrheit verfügen. Da<lb/> die Provinzialſtaaten die Erſte Kammer zu<lb/> wählen haben, ſo braucht das Miniſterium<lb/> Kuijper nur die Erſte Kammer aufzulöſen, um<lb/> ſich auch dort eine Mehrheit zu ſichern. Die Auf-<lb/> löſung wird ſicher erfolgen, falls die zurzeit noch<lb/> in ihrer Mehrheit liberale Erſte Kammer das<lb/> von der Zweiten Kammer angenommene Geſetz<lb/> über den höheren Unterricht ablehnen ſollte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Die Angelegenheiten zwiſchen dem<lb/> Vatikan und Frankreich</hi> </head> <p>— ſo ſchreibt man<lb/> uns aus Rom — gehen zwar einen wahren<lb/> Schneckengang, aber ſie ruhen durchaus nicht.<lb/> Wer alſo von einem ſogenannten Abbruch der<lb/> diplomatiſchen Beziehungen oder auch nur von<lb/> einem Stillſtand derſelben reden will, befindet ſich<lb/> auf einer durchaus falſchen Fährte. Die<lb/> franzöſiſche Botſchaft beim Vatikan wird zwar<lb/> durch einen noch verhältnismäßig ſehr jungen<lb/><hi rendition="#aq">„Chargé d’ affaire“</hi> geleitet, welcher nur den<lb/> Titel eines dritten Botſchaftsſekretärs führt doch<lb/> gehen die Geſchäfte und Verhandlungen fort, wie<lb/> früher. Allwöchentlich erſcheint dieſer Diplomat<lb/> beim päpſtlichen Staatsſekretär Kardinal Merry<lb/> del Val, um ſich an dem allgemeinen diplo-<lb/> matiſchen Empfange zu beteiligen. Und<lb/> bei dieſen Empfängen hat er noch kein einziges<lb/> Mal gefehlt. Merkwürdig iſt übrigens, daß man<lb/> franzöſiſcherſeits dem Vatikan keine offizielle Mit-<lb/> teilung davon gemacht hat, daß der bevoll-<lb/> mächtigte Miniſter de Navenne nicht die Ver-<lb/> tretung des Botſchafters Niſard übernehme. Am<lb/> Tage ſeiner Abreiſe teilte der Botſchafter dem<lb/> Kardinal-Staatsſekretär mit, daß „in den nächſten<lb/> Tagen“ der gerade auf Urlaub befindliche Bot-<lb/> ſchaftsrat de Navenne zu ſeiner Vertretung ein-<lb/> treffen werde. Da der Entſchluß der franzöſiſchen<lb/> Regierung, den Botſchaftsrat in Paris zu be-<lb/> laſſen, dem Vatikan nicht amtlich mitgeteilt wurde,<lb/> ſo nimmt man im päpſtlichen Staatsſekretariate<lb/> noch heute „offiziell“ an, daß de Navenne<lb/> jeden Tag die Geſchäfte übernehmen werde.<lb/> Der jetzige <hi rendition="#aq">Chargé d’ affaire,</hi> Herr<lb/> de Courcel, iſt erſt anfangs der dreißiger Jahre<lb/> und war bis vor kurzem in der Umgebung des<lb/> Miniſters Delcaſſé beſchäftigt. Nach Beendigung<lb/> des Konklaves kam er an die Botſchaft in Rom.<lb/> Herr de Courcel, welcher durch die beſonderen<lb/> Verhältniſſe mit einem Mal vom dritten und<lb/> letzten Sekretär zum Chef der Botſchaft avanziert<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904 140
Gletſcher, ſchöne Gegenden, herrliche Luft, ge-
ſundes Waſſer und der biedere, ſtreng religiöſe,
kindlich treue Charakter des Tirolervolkes iſt es,
was die Fremden zu uns herführt. Berge, Luft
und Waſſer üben keine größere Anziehungskraft
auf die Fremden aus, wenn wir proteſtantiſche
Tempel an den Rand der Gletſcher ſtellen. Wenn
wir aber den heutigen Volkscharakter nicht zu
wahren verſtehen, wird das Land ſeine größte
Anziehungskraft verlieren. Ein Teil der
Fremden wird ausbleiben, ein anderer ſein Geld
an der Grenze einnähen und das Land in mög-
lichſt kurzer Zeit wieder verlaſſen und erſt dann
wieder ruhig aufatmen, wenn er das letzte Tiroler-
hotel ſamt ſeinen Tempeln weit hinter ſich hat;
und diejenigen, die wirklich ein Bedürfnis nach
religiöſen Uebungen haben und nicht Katholiken
ſind, werden doch nicht kommen, ſondern die
proteſtantiſche Schweiz vorziehen.
Ein edler Menſch achtet die Ueberzeugung
anderer. Die Tiroler werden geſchätzt und geliebt
wegen jener Eigenſchaften, die ihnen die Kraft
gaben, den franzöſiſchen Eroberer zur Zeit ſeiner
größten Macht zu beſiegen. Dieſe Eigenſchaft
war ihr Gottesvertrauen und die Wurzel desſelben
die Glaubenseinheit. Wer dieſe Wurzel zerſtört,
der zerſtört, was der Fremde am Tiroler ſchätzt
und ſucht; der ſchadet dem Fremdenverkehr.
Der Fremde ſucht in Tirol Haſpinger-, Speck-
bacher-, Andreas Hofer-Geſtalten und nicht charakter-
loſe Windfahnen, die den Glauben wie die Kleider
wechſeln. Will der Nichtkatholik in Tirol ſeine An-
dacht verrichten, ſo befindet er ſich hier in einem
Tempel von ſolcher Erhabenheit, wie ihn Menſchen-
hände nicht geſtalten können.
Was Tirol iſt und werden kann, wenn die
Religionsſpaltung einreißt, wenn der Proteſtantis-
mus von Etappe zu Etappe das Land durchſäuert,
das hat man geſehen in der erſten Hälfte des
XVI. Jahrhunderts, wo auch das einſt ſo treue
Tirol einen furchtbaren Bauernkrieg und ſeinen
Abfall vom Landesfürſten zu verzeichnen hatte.
Wenn ich mir das alles ganz ohne Vorein-
genommenheit und ruhig vor Augen
halte, ſo muß ich ſagen: Aus rechtlichen und
geſetzlichen Gründen — aus religiöſen Motiven,
aus Erwägungen der nationalen und der Wehr-
kraft — aus Rückſichten auf das wohlverſtandene
Intereſſe des Fremdenverkehrs — müſſen wir
ganz entſchieden Stellung nehmen gegen den ge-
planten Bau einer proteſtantiſch-anglikaniſchen
Kirche in Sulden. Wir ſind für Bahn- und
Straßenbauten, für jede Hebung und Förderung
des Fremdenverkehres. Dieſer Kirchenbau iſt aber
nichts als ein Zankapfel, ein Mittel, die Frem-
den zu verſcheuchen und uns in den Augen der-
ſelben herabzuſetzen. Darum proteſtieren wir
feierlich dagegen und verlangen von der Regie-
rung, daß ſie den Bau auf Grund des klaren
Wortlautes des Geſetzes verhindere. (Donnernder
Beifall.)
Der Enthuſiasmus, den dieſe Rede erweckt
hatte, wurde durch die Ausführungen der beiden
anderen Redner noch verſtärkt. Die Proteſtent-
ſchließung gegen den Suldener Kirchenbau wurde
ſodann einſtimmig angenommen. Die Konſerva-
tiven waren zu der Verſammlung geladen worden,
doch war nur der konſervative Klerus der Gegend
erſchienen, unter dem die perſönliche Bekanntſchaft
mit den chriſtlich-ſozialen Rednern ſichtlich manches
Vorurteil zerſtreute.
Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.
Wien, am 20. Juni.
Zur politiſchen Lage. Abgeordneter Doktor
Kramar hielt geſtern in Tabor die angekündigte
Rede, die folgende Idee ausdrückte: Er habe in
ſeiner Jungbunzlauer Rede keine Drohung aus-
ſprechen, ſondern nur die gegenwärtige Situation
kennzeichnen wollen. Die Tſchechen müſſen ob-
ſtruieren, um die Verfaſſung zu retten. Das ſollten
auch die Deutſchen bedenken und die tſchechiſch-
nationalen Forderungen gewähren, weil dann die
Tſchechen mit ihnen an der Erweiterung der bür-
gerlichen Freiheit und an dem Aufblühen des
Parlamentartsmus arbeiten werden. — Wie man
ſieht, haben die tſchechiſchen Rhetoriker ver-
ſchiedene Melodien auf Lager. Nur iſt eine ſo falſch,
wie die andere.
Eine „chriſtlich-ſoziale Sumpfblaſe“.
Die alldeutſche Preſſe bauſcht jetzt einen Privat-
ſtreit, welchen das „Deutſche Volksblatt“ mit
dem Landesrat Dr. Thomas ausſicht, zu einer
großen Affäre auf, macht daraus eine chriſtlich-
ſoziale Skandalaffäre, ſpricht von „chriſtlich-ſozialen
Dieben“ u. ſ. w. Nach der Darſtellung des ge-
nannten Blattes ſoll angeblich Dr. Thomas —
und zwar nach ſeiner Behauptung mit Dr.
Luegers Zuſtimmung — von großen jüdiſchen
Organiſationen Geld geſammelt haben, um damit
jenes Blatt bekämpfen zu können. Die alldeutſche
Preſſe macht nun, um ihren Zielen dienen zu
können, aus Dr. Thomas ein „hervorragendes
chriſtlich-ſoziales Parteimitglied“. Indeſſen weiß
jeder Menſch in Wien, daß Dr. Thomas niemals
Chriſtlich-Sozialer, ſondern von jeher Deutſch-
nationaler und ein Angehöriger der niederöſter-
reichiſchen Richtergruppe war. Wir ſind ermächtigt
zu konſtatieren, daß Dr. Lueger niemals mit Dr.
Thomas in einer ähnlichen Angelegenheit etwas
zu tun hatte. Es ſei übrigens beigefügt, daß
auch Dr. Thomas die übrige Darſtellung als
Erfindung bezeichnet.
Der böhmiſche Landtag wird im Früh-
herbſte zugleich mit den anderen Landtagen, wie
verlautet, wieder zuſammentreten. Nun beabſichtigen
die Alldeutſchen die deutſchen Parteien in eine
Falle zu locken. Sie wollen, wie ihre Organe mit-
teilen, der Plenarverſammlung der deutſchen Ab-
geordneten im Herbſt die Aufſtellung folgender
Bedingungen für das Aufgeben der Obſtruktion
im Landtage empfehlen: 1. Einſtellen der
tſchechiſchen Obſtruktion im Reichsrate; 2. Be-
ſeitigung der erhöhten Qualifikationsbedingung für
die Landesbeamten; 3. Beſetzung von drei Vier-
teilen aller neuen Stellen mit Deutſchen, inſo-
lange bis den tſchechiſchen Landesbeamten ebenſoviel
deutſche Beamte gegenüberſtehen; 4. Berufung
mehrerer Deutſcher auf Beamtenpoſten höheren
Ranges in allen Zweigen des Landesdienſtes;
5. geſetzliche Sicherſtellung einer der Bevölkerungs-
anzahl und der Steuerleiſtung der Deutſchen ent-
ſprechenden Vertretung der Deutſchen im Landes-
ausſchuſſe, in den Kommiſſionen des Landtages
und in allen ſonſtigen vom Landtage beſchickten
Landesanſtalten. — Es hat bereits die tſchechiſche
Obſtruktion im Reichsrate bewieſen, wie ver-
hängnisvoll es für die Obſtruierenden ſelber iſt,
ſich für einen längeren Kampf durch beſtimmte
Bedingungen zu binden. — Die Alldeutſchen hoffen
auch gar nicht, daß die übrigen deutſchen Parteien
ſich in dieſer Weiſe die Hände binden zu laſſen
beabſichtigen, ſondern ſie wünſchen damit offenbar
nur, ein Schlagwort gegen die deutſchen Parteien
für eventuelle Neuwahlen zu erhalten.
Ein Urteil über die Prager Stadt-
verwaltung, herb und voll grimmigen Spottes
gegen die Prager tſchechiſchen Nationaliſten, gibt
der Prager „Czas“ ab. Das Blatt wendet ſich
gegen den Plan der Prager Stadtgemeinde, ſieben
Millionen für einen Repräſentationspalaſt aufzu-
wenden und ſchreibt: „Unſer eitles Paradieren
und unſere Oberflächlichkeit tritt nirgends ſo kraß
zutage, wie in der Prager Gemeindewirtſchaft. Die
Finanzlage der Stadt iſt wahrhaft jammervoll;
für die allerdringlichſten Lebensbedürfniſſe der
Gemeinde iſt kein Geld vorhanden; wir haben kein
Trinkwaſſer, keine Volksbäder, die hygieniſchen
Vorkehrungen ſind überhaupt die allerletzte Sorge
der Stadtväter; für die Prager Stadtverwaltung
ſind irgend welche Bräuhausaktien wichtiger als
alle Probleme einer Großkommune zuſammen-
genommen. Dafür hat dieſe Stadtverwaltung ge-
weckten Sinn für nationale Ehre und Repräſen-
tationspflichten; die Stadtväter ſehen z. B., daß
die Deutſchen auf dem Graben ein famos ein-
gerichtetes Kaſino haben und ſtatt ſich zu
ſagen, die Deutſchen haben Geld genug, ſie ſollen
es hinauswerfen, wenn ſie wollen, wir aber haben
wenig Geld und die patriotiſche Verpflichtung, zu
ſparen und Sorge zu tragen, daß die Gemeinde-
wirtſchaft der einzigen tſchechiſchen Großkommune
muſterhaft ſei und den nationalen Wohlſtand
kräftige, erklären ſie im Gegenteil: Wir kaufen
einen noch teureren Platz und bauen dort ein
noch teureres Wirtshaus auf und wenn’s ſelbſt
ſieben Millionen koſten ſollte. Und wir werden
dann wiſſen, wohin wir die Gemeinderäte von
Paris, die Generäle aus Rußland und die Fuß-
ballſpieler aus Kopenhagen führen können. Elber-
feld hat den Ruf, die muſterhafteſte Armenpflege
eingeführt zu haben. Edinburgh wird gelobt, daß
es die ſauberſte Kanaliſation beſitze; Dresden hat
ſeine Villenviertel, ſeine Häuſer in den Gärten;
nach Prag aber werden die Leute wallfahrten,
weil im Bädecker die Reklame ſtehen wird: Die
Prager Gemeinde hat das teuerſte Wirts-
haus in Europa. Darin liegt etwas Tſchechiſch-
Altbäuerliches, das der Putzſucht Millionen opfert
und die letzte Schindel am Dach einſchuldet.“
Die Parteienzerſplitterung bei den
Tſchechen. Um das Landtagsmandat von Nachod
bewerben ſich vier Kandidaten und zwar: Der
ſelbſtändige jungtſchechiſche Kandidat Bezirksobmann
und Bürgermeiſter Cizek, der ſelbſtändige radikale
Kandidat Ingenieur Reziak, der agrariſche Kandidat
Johann Kotland und für die National-Sozialiſten
der Redakteur Kovarovic, ein Anhänger des Ab-
geordneten Klofač.
Deutſches Reich.
Der Hauptangriff gegen die Hereros
wird verſchoben. Der von Oberſt Leutwein ſorg-
fältig vorbereitete und kurz vor der Ankunft des
Generalleutnants von Trotha begonnene neue
Feldzug gegen die Herero hat eine unerwartete
Wendung genommen. Trotha hält angeſichts der
großen Streitmacht, die der Feind in der Gegend
des Waterberges verſammelt hat, den Zeitpunkt
für einen entſcheidenden Vorſtoß offenbar noch
nicht für gekommen und hat infolgedeſſen den von
Leutwein entworfenen Operationsplan umgeſtoßen.
Oberſt Leutwein brach auf Wunſch Trothas von
Owikokerero nach Okahandja auf, um dort ſeine
Unterſtützung zur Verfügung zu ſtellen, beziehungs-
weiſe in Windhuk die Geſchäfte des Gouvernements
zu übernehmen. Zu entſcheidenden Schlägen gegen
den Feind ſoll es nicht kommen, bis auch die neu
eingetroffenen Truppen operationsfähig ſind. Die
alten Truppen rücken in drei Abteilungen mög-
lichſt nahe an den Feind heran, um ihn zu
beobachten und ſein etwaiges Entweichen zu ver-
hindern. Das Kommando über den zurückbleibenden
Reſt, der als eine neue Abteilung formiert wird,
übernimmt Major von Glaſenapp.
Niederlande.
Der antiliberale Wahlſieg bei den
Wahlen zu den Provinzialräten hat die
Parteienverhältniſſe in dieſem Vertretungskörper
ganz verändert. Die ſogenannten Anti-Revo-
lutionäre (Proteſtantiſch-Konſervativen) und die
Katholiken haben jetzt die Mehrheit in Süd-
Holland, Limburg, Nordbrabant, Utrecht, Zee-
land, Gelderland, während die Liberalen nur
noch in den Provinzen Nord-Holland, Friesland
und Groningen über die Mehrheit verfügen. Da
die Provinzialſtaaten die Erſte Kammer zu
wählen haben, ſo braucht das Miniſterium
Kuijper nur die Erſte Kammer aufzulöſen, um
ſich auch dort eine Mehrheit zu ſichern. Die Auf-
löſung wird ſicher erfolgen, falls die zurzeit noch
in ihrer Mehrheit liberale Erſte Kammer das
von der Zweiten Kammer angenommene Geſetz
über den höheren Unterricht ablehnen ſollte.
Frankreich.
Die Angelegenheiten zwiſchen dem
Vatikan und Frankreich — ſo ſchreibt man
uns aus Rom — gehen zwar einen wahren
Schneckengang, aber ſie ruhen durchaus nicht.
Wer alſo von einem ſogenannten Abbruch der
diplomatiſchen Beziehungen oder auch nur von
einem Stillſtand derſelben reden will, befindet ſich
auf einer durchaus falſchen Fährte. Die
franzöſiſche Botſchaft beim Vatikan wird zwar
durch einen noch verhältnismäßig ſehr jungen
„Chargé d’ affaire“ geleitet, welcher nur den
Titel eines dritten Botſchaftsſekretärs führt doch
gehen die Geſchäfte und Verhandlungen fort, wie
früher. Allwöchentlich erſcheint dieſer Diplomat
beim päpſtlichen Staatsſekretär Kardinal Merry
del Val, um ſich an dem allgemeinen diplo-
matiſchen Empfange zu beteiligen. Und
bei dieſen Empfängen hat er noch kein einziges
Mal gefehlt. Merkwürdig iſt übrigens, daß man
franzöſiſcherſeits dem Vatikan keine offizielle Mit-
teilung davon gemacht hat, daß der bevoll-
mächtigte Miniſter de Navenne nicht die Ver-
tretung des Botſchafters Niſard übernehme. Am
Tage ſeiner Abreiſe teilte der Botſchafter dem
Kardinal-Staatsſekretär mit, daß „in den nächſten
Tagen“ der gerade auf Urlaub befindliche Bot-
ſchaftsrat de Navenne zu ſeiner Vertretung ein-
treffen werde. Da der Entſchluß der franzöſiſchen
Regierung, den Botſchaftsrat in Paris zu be-
laſſen, dem Vatikan nicht amtlich mitgeteilt wurde,
ſo nimmt man im päpſtlichen Staatsſekretariate
noch heute „offiziell“ an, daß de Navenne
jeden Tag die Geſchäfte übernehmen werde.
Der jetzige Chargé d’ affaire, Herr
de Courcel, iſt erſt anfangs der dreißiger Jahre
und war bis vor kurzem in der Umgebung des
Miniſters Delcaſſé beſchäftigt. Nach Beendigung
des Konklaves kam er an die Botſchaft in Rom.
Herr de Courcel, welcher durch die beſonderen
Verhältniſſe mit einem Mal vom dritten und
letzten Sekretär zum Chef der Botſchaft avanziert
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