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Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904.

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140 Wien, Dienstag Reichspost 21. Juni 1904

[Spaltenumbruch]
Streiflichter.
Priesterrechtsschutzverein.

Die Tätigkeit des Priesterrechtsschutzvereines
der Wiener Erzdiözese konnte im Jahre 1903/4
bereits eine geringere sein, und zwar infolge der
Abnahme der Los von Rom-Bewegung. Die Zahl
der Angriffe auf Kirche und Priester nahmen ab,
viele Blätter haben dieselben ganz ausgeschaltet.
Sie werden eben mit der Zeit -- langweilig und
werden, weil meistens nachher berichtigt, nicht
mehr recht geglaubt. Das ist aber, eine erste Frucht
des Wirkens des Priesterrechtsschutzvereins. Den-
noch war die Vereinstätigkeit eine rege und sie
darf nicht erlahmen. Wie Wächter müssen die
Mitglieder auf dem Posten stehen. Die Vereins-
tätigkeit gestaltete sich in folgender Weise:

Die Vereinsleitung hielt regelmäßig am
2. Donnerstag eines jeden Monats eine Aus-
schußsitzung ab. -- Von 21 Vereinslektoren wur-
den 26 gegnerische Blätter kontrolliert. Die Zahl
der erwirkten § 19 Berichtigungen beträgt
fünfzig. Leider waren aber so manche
Mitbrüder trotz Aufforderung und wieder-
holter Bitte nicht zu bewegen, Berichtigungen einzu-
senden. Mit dieser Scheu sollte umso mehr ge-
brochen werden, weil sie gegnerischer Seite nur zu
leicht schlecht gedeutet werden. könnte. Manche
Mitglieder haben es auch unterlassen, eine zweite
oder dritte Berichtigung einzusenden, wenn die
erste nicht sogleich gebracht wurde. Die Redaktionen
müssen aber beharrlich gezwungen werden, ihre
Lügenartikel zu berichtigen. In 13 christlichen
Blättern wurden durch das apologetische Bureau
117 aufklärende Artikel publiziert. Die Unter-
stützung des Vereins-Advokaten wurde in drei
Fällen in wirksamen Anspruch genommen. Am
5. Oktober 1903 wurde im Anschlusse an die
Generalversammlung ein Delegiertentag der öster-
reichischen Priesterrechtsschutzvereine abgehalten.
Von den bestehenden 10 Vereinen wurden sechs
durch Delegierte, zwei durch schriftliche Er-
klärungen vertreten. Die Beschlüsse des Dele-
giertentages wurden vom Wiener Verein
auch den durch Delegierte nicht vertretenen Ver-
einen zugesendet. Es wurde das Abonnement der
"Mitteilungen der katholischen Presse Deutsch-
lands" von Dr. Kaufmann ins Weismes sämt-
lichen Priesterrechtsschutzvereinen dringend emp-
fohlen. Fünf Vereine haben die "Mitteilungen .."
abonniert und stellen dieselben den Redaktionen
christlicher Blätter zum Nachdruck zur Verfügung.
Es wurde die Zentral-Auskunftsstelle der katho-
lischen Presse in Deutschland mit 100 Kronen
subventioniert. Der Verein versandte 1650 Druck-
sorten an seine Mitglieder, an auswärtige Ver-
eine und an Vertrauensmänner. Ueberdies be-
trug die Zahl der Geschäftsstücke rund 600 Der
[Spaltenumbruch] Verein unterhielt ein ganzjähriges Abonnement
des "Observer", Bureau für Zeitungsausschnitte,
und ein doppeltes Abonnement der "Mitteilungen
der katholischen Presse". Es wurden umfassende
Vorarbeiten für eine neue Flugschrift gemacht,
deren Herausgabe jedoch wegen finanzieller
Schwierigkeiten auf das nächste Vereinsjahr ver-
schoben werden mußte.




Theater, Kunst und Musik.
-- Deutsches Volkstheater.

Von allen
Gastspielen, die bisher das Volkstheater und die
Kritik heimsuchten, war das samstägige des
Fräuleins v. Runegg der kühnste und der zielge-
wisseste Wurf. Das Fräulein mit dem geheimnis-
vollen Ritterburgennamen ist auch im Palast der
Musen hoffähig. Sie hätte nicht gewagt, der
sommerlichen Genußsucht einen klassischen Abend
zuzumuten, wenn sie ihrer selbst nicht so völlig
sicher wäre. Ihre Vorzüge: Schönheit der Er-
scheinung, Klarheit und Deutlichkeit der
Sprache in der höchsten Sensation wie im
Pianissimo der intimsten Empfindung, Größe
der Geste und selbstverständliches Gefühl
für die Würde der klassischen Tragödin.
Ihre Mängel: zu geringe Beherrschung gewisser
stimmlicher Rückschläge im allgemeinen und als
Sappho zu viel weibliche Gereiztheit statt der --
wenn auch psychologisch minder berechtigten, aber
doch thematisch geforderten überwältigenden Größe
der siegreichen Diva. Dennoch gehört Fräulein
v. Runegg nicht aus Volkstheater -- sie ist burg-
theaterreif Fräulein Dewal war als Melitta
sehr reizend, Fräulein Hofteufel als Eucharis
hörenswert. R. E. P.

-- Raimund-Theater

Ein altbewährtes
Zug- und Kassenstück, Morres "'s Nullerl" ge-
langte am Samstag durch die bayrischen Bauern-
schauspieler zur Darstellung. Daß die dem Leben
eninommenen, scharf charakterisierten Rollen der
Akteure ihre Wirkung nicht versagten, braucht
nicht weiter erwähnt zu werden. Gespielt wurde sehr
flott, namentlich Anna und Michael Dengg
sowie Frl. Schweighofer fenden Anerkennung
bei den nicht sehr zahlreichen Besuchern.

-- Hofoperntheater.

Dienstag wird die Oper
"Der Troubadour" von G. Verdi mit den Damen
Elizza, Petru und Pohlner und den Herren Slezak,
Demuth, Stehmann, Pacal und Marian aufgeführt.
Den Beschluß macht das Ballett "Die Puppenfee".

-- Hofburgtheater.

Für die letzten zwei
Wochen der Spielzeit stehen noch Reprisen von
"Fuhrmann Henschel", "Hamlet", "Der Traum ein
Leben" und "König Lear" bevor.

-- Sommertheater "Venedig".

Von Diens-
tag an wird im Anschluß an die Wiederholungen der
Operette "An der schönen blauen Donau" das Ballett
"Was ein Frauenyerz begehrt" gegeben.


[Spaltenumbruch]
-- "Schubertbund".

Dessen Sommerliedertafel
findet Mittwoch den 22. d. M. im Dreher-Park (bei
schlechtem Wetter in der Katharinenhalle) unter
Leitung des Chormeisters Adolf Kirchl und unter
Mitwirkung der Wiener Radfahrerkapelle statt.

-- Jantschtheater.

Diese Woche wird an
sämtlichen Abenden "Der Onkel aus Amerika", mit
Herrn Blasel als Gast, gegeben.

-- Wiener Singakademie.

Unter den
Liedertafeln, die bereits heuer in Drehers Park
abgehalten wurden, ist, neben der ganz besonders
gelungenen des "Wiener Männergesang-
vereines,
das Sommerkonzert der Wiener
Singakademie
hervorzuheben. Dieselbe hat
unseres Wissens es zum erstenmale unternommen,
ein Konzert im Freien zu geben und es gelang
dies unter Mitwirkung der Radfahrerkapelle (Zit)
bei starkem Besuche vollkommen. Getreu seinem
Prinzipe, hatte der gemischte Chor volkstümliche
Lieder verschiedener Nationen gewählt, welche alle
unter des artistischen Direktors Lafite rühriger
Leitung sich einer äußerst sorgfältigen Wiedergabe
erfreuten und von denen die von Lafite selbst ge-
setzten, wie: "Finnland Wald", "es steht ein
Lind" und "das Fräulein und der Schäfer" (alt-
deutsche Volkslieder) besonderen Anklang fanden.
Desgleichen gefielen auch das reizende Pastorelle
von Reinecke, Essers bekannter Chor: "Wach auf,"
der innig gesungene Chor: "Wie ist die Erde doch
so schön" von Horn, "der Hirte": Schwedisches
Volkslied, die herrliche "Abendruhe" von Mozart
und der Schlußchor: "Wohin mit der Freud'"
von Herbeck. Das aus den Damen: Schmidt und
Raunegger, den Herren: Bagar und Gold be-
stehende Soloquartett machte sich in Schumanns
"Zigeunerleben" vorteilhaft bemerkbar.




Aus dem Gerichtssaale.
Der Freispruch des ungarischen Eisen-
bahnerkomitees.

Am 18. d. M. ist in Ofen-
Pest ein freisprechendes Urteil in der Streikange-
legenheit der Eisenbahner gefällt worden. Die
Kosten des Strafverfahrens wird mit Ausnahme
der Stenographengebühren, der Staat tragen. In
der Begründung des Urteiles heißt es: Der Ge-
richtshof befand sich in dem soeben verhandelten
Strafprozeß in einer schwierigen Situation. Seine
Aufgabe war eine sehr undankbare. Wir ver-
mochten unsere menschlichen Empfindungen mit
unserer richterlichen Ueberzeugung nicht in Ein-
klang zu bringen; denn die Mitglieder dieses
Gerichtes sind nicht bloß Richter, sondern auch
Bürger des Staates und treue Söhne des Vater-
landes. Auch unsere Herzen werden von den Prü-
fungen, welche das Vaterland heimsuchen, erfaßt.
Wie sollten unsere Herzen nicht erzittern, als
am 20. April jene verhängnisvollen Ereig-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Die Immakulata-Feier.

In Wirklichkeit: das ganze christliche Wien
hat gestern der "Unbefleckten" gehuldigt, gehuldigt
in einer Weise, wie es nur innige Glaubens-
überzeugung und wahrhafte Verehrung und Liebe
zu vollbringen vermag. Das ganze katholische
Wien war in den Vertretungen des gesamten
Klerus und des gesamten christlichen Volkes durch
seine 800 Kongregationen und Vereine, am
historischen Platze, rings um die Marien-Säule
Am Hof, vereinigt, singend, betend, sich, das
Vaterland und das Kaiserhaus Maria weihend,
der erhabenen Schutzfrau Oesterreichs und seiner
Dynastie. Es war ein Schauspiel, so großartig
und doch so anmutend, daß Rührung und Freude
sich aller bemächtigte. Die äußere Krönung des
Festes aber war die Teilnahme des greisen
Kaisers selber, der, umgeben von zahl-
reichen Mitgliedern des kaiserlichen Hauses und
den höchsten Würdenträgern des Staates, dem
erhabenen Akte mit sichtbarer Rührung beiwohnte.
Der tiefen Bedeutung und Erhabenheit des Aktes
entsprach die Würde und musterhafte Ordnung, in
welcher die ganze Feier, Aufmarsch, Aufstellung,
Haltung und Abzug der nach dreißig Tausend
zählenden Festversammlung sich vollzog.

Ohne die geringste Störung bewegte sich
Prozession an Prozession durch die reichbeflaggten
Straßen, über den Graben, Heidenschuß, die
Freyung und durch die Bognergasse. Der Kohl-
markt war für die Auffahrt des Allerhöchsten
Hofes reserviert und wie die ganze
Umgebung des Festplatzes beiderseits dicht vom
Publikum besetzt, das den kaiserlichen Herrschaften
[Spaltenumbruch] und vor allem dem Monarchen selber jubelnde
Begrüßung darbrachte. Der Platz Am Hof war
der glücklichste gewählte Rahmen für die Feier.
Niemand wandte sich ohne Rührung dem breiten
Balkon der Kirche "zu den neun Chören der
Engel" zu, auf dem vor fünfzig Jahren an der
Seite des Kaisers die jugendliche Kaiserin erschienen
war. Und wie viele mögen sich daran erinnert
haben, daß an dieser Stätte die erste Burg der
babenbergischen Herzoge von Oesterreich stand,
daß von hier aus das damals so kleine Land
seinen Aufstieg nahm zu der Weltmacht späterer
Tage. Und viele mögen des gewaltig tosenden
Unwetters gedacht haben, das im Revolutionsjahr
an dieser selben Stelle so gräßlich sich entlud
und dessen Wesen das Volk, das gestern dort
um seinen erhabenen Fürsten sich drängte,
kaum mehr zu verstehen vermag. Und an einem
Fenster des päpstlichen Gesandtschaftshotels lehnte
gestern ein protestantischer Monarch, der König
von Dänemark, dessen Staaten vor vierzig Jahren
unsere Armee mit Krieg überzog, und sah der
großen katholischen Kundgebung zu, ein Freund
unseres Kaisers und längst kein Widersacher unserer
Politik. So trug das Fest neben dem Charakter
höchster religiöser Weihe, auch den patriotischer
und friedlicher Erhebung und deutete die Mission
an, die dem Katholizismus und seinen Bekennern,
wie besonders dem katholischen Oesterreich, vor-
gezeichnet ist.

Der Balkon der Kirche trug das von zwei
mächtigen Adlern überragte Kaiserzelt, an dessen
rechter Seite den Hofstaaten, an dessen linker
den Ministern und obersten Behörden Plätze an-
gewiesen waren. Die Häuser hatten Flaggengala
angelegt, die Fassade der Kirche prächtig zu
schmücken, hatte der hochwürdige Pfarrer Kurz sich
[Spaltenumbruch] nicht nehmen lassen. Die Mariensäule prangte im
herrlichsten Festschmuck. Das Postament war bis
hoch hinan mit rotem Seidendamast bedeckt.
Reisigguirlanden mit Kunstblumen spannten sich
hoch hinan, ringsum bildeten schöne Zierpflanzen
Bosketts. Viel war die Lilie symbolisch verwendet.
Zwischen Säule und Kirche waren zwei Zelte für
die offiziellen Gäste errichtet.

Schon am Vormittag hatte auf dem großen
Platze lebhaftes Getriebe geherrscht. Die städtische
Feuerwehr wanderte großenteils von der Zentrale
aus, damit die Feuerbereitschaft in jedem Even-
tualfall freie Fahrt habe. Komplette Dampflösch-
trains mit Offiizieren fuhren vor Beginn der Feier
zur Filiale Leopoldstadt, zur Feuerwache Mar-
gareten und ins neue Rathaus, wo auch Feuer-
wehrkommandant Müller blieb. Bald nach 1 Uhr
wurde der weite Platz abgesperrt, damit nicht das
sich ansammelnde Publikum den Aufzug der Pro-
zessionen behindere. Von allen Bezirken Wiens,
von den äußersten Grenzpunkten des Stadtgebietes
zogen mit ihren Fahnen, Bannern und Emblemen
die katholischen Bezirksvereine zur Pfarrkirche ihres
Bezirkes. Alles war im Sonntagsstaat. Die
Fahnenjunker trugen großenteils altdeutsche
Tracht. Die geistlichen Orden versammelten sich
bei den Bezirkspfarren. Nur jene Vereine, deren
Wirken sich auf ganz Wien erstreckt, hatten den
Stefansdom als Versammlungsort. Die katho-
lischen Jünglingsvereine sammelten sich bei der
Kirche Maria Stiegen, weil dort der erste
Stammverein gegründet wurde. Gegen 2 Uhr be-
gann der Aufmarsch der Prozessionen auf dem
Hof. Sie kamen nur von zwei Seiten: von der
Bognergasse und von der Freyung her. Der größte
Zug war der von St. Stefan. Ihn eröffneten etwa
tausend Handwerker, Mitglieder der katholischen


140 Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904

[Spaltenumbruch]
Streiflichter.
Prieſterrechtsſchutzverein.

Die Tätigkeit des Prieſterrechtsſchutzvereines
der Wiener Erzdiözeſe konnte im Jahre 1903/4
bereits eine geringere ſein, und zwar infolge der
Abnahme der Los von Rom-Bewegung. Die Zahl
der Angriffe auf Kirche und Prieſter nahmen ab,
viele Blätter haben dieſelben ganz ausgeſchaltet.
Sie werden eben mit der Zeit — langweilig und
werden, weil meiſtens nachher berichtigt, nicht
mehr recht geglaubt. Das iſt aber, eine erſte Frucht
des Wirkens des Prieſterrechtsſchutzvereins. Den-
noch war die Vereinstätigkeit eine rege und ſie
darf nicht erlahmen. Wie Wächter müſſen die
Mitglieder auf dem Poſten ſtehen. Die Vereins-
tätigkeit geſtaltete ſich in folgender Weiſe:

Die Vereinsleitung hielt regelmäßig am
2. Donnerstag eines jeden Monats eine Aus-
ſchußſitzung ab. — Von 21 Vereinslektoren wur-
den 26 gegneriſche Blätter kontrolliert. Die Zahl
der erwirkten § 19 Berichtigungen beträgt
fünfzig. Leider waren aber ſo manche
Mitbrüder trotz Aufforderung und wieder-
holter Bitte nicht zu bewegen, Berichtigungen einzu-
ſenden. Mit dieſer Scheu ſollte umſo mehr ge-
brochen werden, weil ſie gegneriſcher Seite nur zu
leicht ſchlecht gedeutet werden. könnte. Manche
Mitglieder haben es auch unterlaſſen, eine zweite
oder dritte Berichtigung einzuſenden, wenn die
erſte nicht ſogleich gebracht wurde. Die Redaktionen
müſſen aber beharrlich gezwungen werden, ihre
Lügenartikel zu berichtigen. In 13 chriſtlichen
Blättern wurden durch das apologetiſche Bureau
117 aufklärende Artikel publiziert. Die Unter-
ſtützung des Vereins-Advokaten wurde in drei
Fällen in wirkſamen Anſpruch genommen. Am
5. Oktober 1903 wurde im Anſchluſſe an die
Generalverſammlung ein Delegiertentag der öſter-
reichiſchen Prieſterrechtsſchutzvereine abgehalten.
Von den beſtehenden 10 Vereinen wurden ſechs
durch Delegierte, zwei durch ſchriftliche Er-
klärungen vertreten. Die Beſchlüſſe des Dele-
giertentages wurden vom Wiener Verein
auch den durch Delegierte nicht vertretenen Ver-
einen zugeſendet. Es wurde das Abonnement der
„Mitteilungen der katholiſchen Preſſe Deutſch-
lands“ von Dr. Kaufmann ins Weismes ſämt-
lichen Prieſterrechtsſchutzvereinen dringend emp-
fohlen. Fünf Vereine haben die „Mitteilungen ..“
abonniert und ſtellen dieſelben den Redaktionen
chriſtlicher Blätter zum Nachdruck zur Verfügung.
Es wurde die Zentral-Auskunftsſtelle der katho-
liſchen Preſſe in Deutſchland mit 100 Kronen
ſubventioniert. Der Verein verſandte 1650 Druck-
ſorten an ſeine Mitglieder, an auswärtige Ver-
eine und an Vertrauensmänner. Ueberdies be-
trug die Zahl der Geſchäftsſtücke rund 600 Der
[Spaltenumbruch] Verein unterhielt ein ganzjähriges Abonnement
des „Obſerver“, Bureau für Zeitungsausſchnitte,
und ein doppeltes Abonnement der „Mitteilungen
der katholiſchen Preſſe“. Es wurden umfaſſende
Vorarbeiten für eine neue Flugſchrift gemacht,
deren Herausgabe jedoch wegen finanzieller
Schwierigkeiten auf das nächſte Vereinsjahr ver-
ſchoben werden mußte.




Theater, Kunſt und Muſik.
— Deutſches Volkstheater.

Von allen
Gaſtſpielen, die bisher das Volkstheater und die
Kritik heimſuchten, war das ſamstägige des
Fräuleins v. Runegg der kühnſte und der zielge-
wiſſeſte Wurf. Das Fräulein mit dem geheimnis-
vollen Ritterburgennamen iſt auch im Palaſt der
Muſen hoffähig. Sie hätte nicht gewagt, der
ſommerlichen Genußſucht einen klaſſiſchen Abend
zuzumuten, wenn ſie ihrer ſelbſt nicht ſo völlig
ſicher wäre. Ihre Vorzüge: Schönheit der Er-
ſcheinung, Klarheit und Deutlichkeit der
Sprache in der höchſten Senſation wie im
Pianiſſimo der intimſten Empfindung, Größe
der Geſte und ſelbſtverſtändliches Gefühl
für die Würde der klaſſiſchen Tragödin.
Ihre Mängel: zu geringe Beherrſchung gewiſſer
ſtimmlicher Rückſchläge im allgemeinen und als
Sappho zu viel weibliche Gereiztheit ſtatt der —
wenn auch pſychologiſch minder berechtigten, aber
doch thematiſch geforderten überwältigenden Größe
der ſiegreichen Diva. Dennoch gehört Fräulein
v. Runegg nicht aus Volkstheater — ſie iſt burg-
theaterreif Fräulein Dewal war als Melitta
ſehr reizend, Fräulein Hofteufel als Eucharis
hörenswert. R. E. P.

— Raimund-Theater

Ein altbewährtes
Zug- und Kaſſenſtück, Morres „’s Nullerl“ ge-
langte am Samstag durch die bayriſchen Bauern-
ſchauſpieler zur Darſtellung. Daß die dem Leben
eninommenen, ſcharf charakteriſierten Rollen der
Akteure ihre Wirkung nicht verſagten, braucht
nicht weiter erwähnt zu werden. Geſpielt wurde ſehr
flott, namentlich Anna und Michael Dengg
ſowie Frl. Schweighofer fenden Anerkennung
bei den nicht ſehr zahlreichen Beſuchern.

— Hofoperntheater.

Dienstag wird die Oper
„Der Troubadour“ von G. Verdi mit den Damen
Elizza, Petru und Pohlner und den Herren Slezak,
Demuth, Stehmann, Pacal und Marian aufgeführt.
Den Beſchluß macht das Ballett „Die Puppenfee“.

— Hofburgtheater.

Für die letzten zwei
Wochen der Spielzeit ſtehen noch Repriſen von
„Fuhrmann Henſchel“, „Hamlet“, „Der Traum ein
Leben“ und „König Lear“ bevor.

— Sommertheater „Venedig“.

Von Diens-
tag an wird im Anſchluß an die Wiederholungen der
Operette „An der ſchönen blauen Donau“ das Ballett
„Was ein Frauenyerz begehrt“ gegeben.


[Spaltenumbruch]
— „Schubertbund“.

Deſſen Sommerliedertafel
findet Mittwoch den 22. d. M. im Dreher-Park (bei
ſchlechtem Wetter in der Katharinenhalle) unter
Leitung des Chormeiſters Adolf Kirchl und unter
Mitwirkung der Wiener Radfahrerkapelle ſtatt.

— Jantſchtheater.

Dieſe Woche wird an
ſämtlichen Abenden „Der Onkel aus Amerika“, mit
Herrn Blaſel als Gaſt, gegeben.

— Wiener Singakademie.

Unter den
Liedertafeln, die bereits heuer in Drehers Park
abgehalten wurden, iſt, neben der ganz beſonders
gelungenen des „Wiener Männergeſang-
vereines,
das Sommerkonzert der Wiener
Singakademie
hervorzuheben. Dieſelbe hat
unſeres Wiſſens es zum erſtenmale unternommen,
ein Konzert im Freien zu geben und es gelang
dies unter Mitwirkung der Radfahrerkapelle (Zit)
bei ſtarkem Beſuche vollkommen. Getreu ſeinem
Prinzipe, hatte der gemiſchte Chor volkstümliche
Lieder verſchiedener Nationen gewählt, welche alle
unter des artiſtiſchen Direktors Lafite rühriger
Leitung ſich einer äußerſt ſorgfältigen Wiedergabe
erfreuten und von denen die von Lafite ſelbſt ge-
ſetzten, wie: „Finnland Wald“, „es ſteht ein
Lind“ und „das Fräulein und der Schäfer“ (alt-
deutſche Volkslieder) beſonderen Anklang fanden.
Desgleichen gefielen auch das reizende Paſtorelle
von Reinecke, Eſſers bekannter Chor: „Wach auf,“
der innig geſungene Chor: „Wie iſt die Erde doch
ſo ſchön“ von Horn, „der Hirte“: Schwediſches
Volkslied, die herrliche „Abendruhe“ von Mozart
und der Schlußchor: „Wohin mit der Freud’“
von Herbeck. Das aus den Damen: Schmidt und
Raunegger, den Herren: Bagar und Gold be-
ſtehende Soloquartett machte ſich in Schumanns
„Zigeunerleben“ vorteilhaft bemerkbar.




Aus dem Gerichtsſaale.
Der Freiſpruch des ungariſchen Eiſen-
bahnerkomitees.

Am 18. d. M. iſt in Ofen-
Peſt ein freiſprechendes Urteil in der Streikange-
legenheit der Eiſenbahner gefällt worden. Die
Koſten des Strafverfahrens wird mit Ausnahme
der Stenographengebühren, der Staat tragen. In
der Begründung des Urteiles heißt es: Der Ge-
richtshof befand ſich in dem ſoeben verhandelten
Strafprozeß in einer ſchwierigen Situation. Seine
Aufgabe war eine ſehr undankbare. Wir ver-
mochten unſere menſchlichen Empfindungen mit
unſerer richterlichen Ueberzeugung nicht in Ein-
klang zu bringen; denn die Mitglieder dieſes
Gerichtes ſind nicht bloß Richter, ſondern auch
Bürger des Staates und treue Söhne des Vater-
landes. Auch unſere Herzen werden von den Prü-
fungen, welche das Vaterland heimſuchen, erfaßt.
Wie ſollten unſere Herzen nicht erzittern, als
am 20. April jene verhängnisvollen Ereig-




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Die Immakulata-Feier.

In Wirklichkeit: das ganze chriſtliche Wien
hat geſtern der „Unbefleckten“ gehuldigt, gehuldigt
in einer Weiſe, wie es nur innige Glaubens-
überzeugung und wahrhafte Verehrung und Liebe
zu vollbringen vermag. Das ganze katholiſche
Wien war in den Vertretungen des geſamten
Klerus und des geſamten chriſtlichen Volkes durch
ſeine 800 Kongregationen und Vereine, am
hiſtoriſchen Platze, rings um die Marien-Säule
Am Hof, vereinigt, ſingend, betend, ſich, das
Vaterland und das Kaiſerhaus Maria weihend,
der erhabenen Schutzfrau Oeſterreichs und ſeiner
Dynaſtie. Es war ein Schauſpiel, ſo großartig
und doch ſo anmutend, daß Rührung und Freude
ſich aller bemächtigte. Die äußere Krönung des
Feſtes aber war die Teilnahme des greiſen
Kaiſers ſelber, der, umgeben von zahl-
reichen Mitgliedern des kaiſerlichen Hauſes und
den höchſten Würdenträgern des Staates, dem
erhabenen Akte mit ſichtbarer Rührung beiwohnte.
Der tiefen Bedeutung und Erhabenheit des Aktes
entſprach die Würde und muſterhafte Ordnung, in
welcher die ganze Feier, Aufmarſch, Aufſtellung,
Haltung und Abzug der nach dreißig Tauſend
zählenden Feſtverſammlung ſich vollzog.

Ohne die geringſte Störung bewegte ſich
Prozeſſion an Prozeſſion durch die reichbeflaggten
Straßen, über den Graben, Heidenſchuß, die
Freyung und durch die Bognergaſſe. Der Kohl-
markt war für die Auffahrt des Allerhöchſten
Hofes reſerviert und wie die ganze
Umgebung des Feſtplatzes beiderſeits dicht vom
Publikum beſetzt, das den kaiſerlichen Herrſchaften
[Spaltenumbruch] und vor allem dem Monarchen ſelber jubelnde
Begrüßung darbrachte. Der Platz Am Hof war
der glücklichſte gewählte Rahmen für die Feier.
Niemand wandte ſich ohne Rührung dem breiten
Balkon der Kirche „zu den neun Chören der
Engel“ zu, auf dem vor fünfzig Jahren an der
Seite des Kaiſers die jugendliche Kaiſerin erſchienen
war. Und wie viele mögen ſich daran erinnert
haben, daß an dieſer Stätte die erſte Burg der
babenbergiſchen Herzoge von Oeſterreich ſtand,
daß von hier aus das damals ſo kleine Land
ſeinen Aufſtieg nahm zu der Weltmacht ſpäterer
Tage. Und viele mögen des gewaltig toſenden
Unwetters gedacht haben, das im Revolutionsjahr
an dieſer ſelben Stelle ſo gräßlich ſich entlud
und deſſen Weſen das Volk, das geſtern dort
um ſeinen erhabenen Fürſten ſich drängte,
kaum mehr zu verſtehen vermag. Und an einem
Fenſter des päpſtlichen Geſandtſchaftshotels lehnte
geſtern ein proteſtantiſcher Monarch, der König
von Dänemark, deſſen Staaten vor vierzig Jahren
unſere Armee mit Krieg überzog, und ſah der
großen katholiſchen Kundgebung zu, ein Freund
unſeres Kaiſers und längſt kein Widerſacher unſerer
Politik. So trug das Feſt neben dem Charakter
höchſter religiöſer Weihe, auch den patriotiſcher
und friedlicher Erhebung und deutete die Miſſion
an, die dem Katholizismus und ſeinen Bekennern,
wie beſonders dem katholiſchen Oeſterreich, vor-
gezeichnet iſt.

Der Balkon der Kirche trug das von zwei
mächtigen Adlern überragte Kaiſerzelt, an deſſen
rechter Seite den Hofſtaaten, an deſſen linker
den Miniſtern und oberſten Behörden Plätze an-
gewieſen waren. Die Häuſer hatten Flaggengala
angelegt, die Faſſade der Kirche prächtig zu
ſchmücken, hatte der hochwürdige Pfarrer Kurz ſich
[Spaltenumbruch] nicht nehmen laſſen. Die Marienſäule prangte im
herrlichſten Feſtſchmuck. Das Poſtament war bis
hoch hinan mit rotem Seidendamaſt bedeckt.
Reiſigguirlanden mit Kunſtblumen ſpannten ſich
hoch hinan, ringsum bildeten ſchöne Zierpflanzen
Bosketts. Viel war die Lilie ſymboliſch verwendet.
Zwiſchen Säule und Kirche waren zwei Zelte für
die offiziellen Gäſte errichtet.

Schon am Vormittag hatte auf dem großen
Platze lebhaftes Getriebe geherrſcht. Die ſtädtiſche
Feuerwehr wanderte großenteils von der Zentrale
aus, damit die Feuerbereitſchaft in jedem Even-
tualfall freie Fahrt habe. Komplette Dampflöſch-
trains mit Offiizieren fuhren vor Beginn der Feier
zur Filiale Leopoldſtadt, zur Feuerwache Mar-
gareten und ins neue Rathaus, wo auch Feuer-
wehrkommandant Müller blieb. Bald nach 1 Uhr
wurde der weite Platz abgeſperrt, damit nicht das
ſich anſammelnde Publikum den Aufzug der Pro-
zeſſionen behindere. Von allen Bezirken Wiens,
von den äußerſten Grenzpunkten des Stadtgebietes
zogen mit ihren Fahnen, Bannern und Emblemen
die katholiſchen Bezirksvereine zur Pfarrkirche ihres
Bezirkes. Alles war im Sonntagsſtaat. Die
Fahnenjunker trugen großenteils altdeutſche
Tracht. Die geiſtlichen Orden verſammelten ſich
bei den Bezirkspfarren. Nur jene Vereine, deren
Wirken ſich auf ganz Wien erſtreckt, hatten den
Stefansdom als Verſammlungsort. Die katho-
liſchen Jünglingsvereine ſammelten ſich bei der
Kirche Maria Stiegen, weil dort der erſte
Stammverein gegründet wurde. Gegen 2 Uhr be-
gann der Aufmarſch der Prozeſſionen auf dem
Hof. Sie kamen nur von zwei Seiten: von der
Bognergaſſe und von der Freyung her. Der größte
Zug war der von St. Stefan. Ihn eröffneten etwa
tauſend Handwerker, Mitglieder der katholiſchen


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[9/0009] 140 Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904 Streiflichter. Prieſterrechtsſchutzverein. Die Tätigkeit des Prieſterrechtsſchutzvereines der Wiener Erzdiözeſe konnte im Jahre 1903/4 bereits eine geringere ſein, und zwar infolge der Abnahme der Los von Rom-Bewegung. Die Zahl der Angriffe auf Kirche und Prieſter nahmen ab, viele Blätter haben dieſelben ganz ausgeſchaltet. Sie werden eben mit der Zeit — langweilig und werden, weil meiſtens nachher berichtigt, nicht mehr recht geglaubt. Das iſt aber, eine erſte Frucht des Wirkens des Prieſterrechtsſchutzvereins. Den- noch war die Vereinstätigkeit eine rege und ſie darf nicht erlahmen. Wie Wächter müſſen die Mitglieder auf dem Poſten ſtehen. Die Vereins- tätigkeit geſtaltete ſich in folgender Weiſe: Die Vereinsleitung hielt regelmäßig am 2. Donnerstag eines jeden Monats eine Aus- ſchußſitzung ab. — Von 21 Vereinslektoren wur- den 26 gegneriſche Blätter kontrolliert. Die Zahl der erwirkten § 19 Berichtigungen beträgt fünfzig. Leider waren aber ſo manche Mitbrüder trotz Aufforderung und wieder- holter Bitte nicht zu bewegen, Berichtigungen einzu- ſenden. Mit dieſer Scheu ſollte umſo mehr ge- brochen werden, weil ſie gegneriſcher Seite nur zu leicht ſchlecht gedeutet werden. könnte. Manche Mitglieder haben es auch unterlaſſen, eine zweite oder dritte Berichtigung einzuſenden, wenn die erſte nicht ſogleich gebracht wurde. Die Redaktionen müſſen aber beharrlich gezwungen werden, ihre Lügenartikel zu berichtigen. In 13 chriſtlichen Blättern wurden durch das apologetiſche Bureau 117 aufklärende Artikel publiziert. Die Unter- ſtützung des Vereins-Advokaten wurde in drei Fällen in wirkſamen Anſpruch genommen. Am 5. Oktober 1903 wurde im Anſchluſſe an die Generalverſammlung ein Delegiertentag der öſter- reichiſchen Prieſterrechtsſchutzvereine abgehalten. Von den beſtehenden 10 Vereinen wurden ſechs durch Delegierte, zwei durch ſchriftliche Er- klärungen vertreten. Die Beſchlüſſe des Dele- giertentages wurden vom Wiener Verein auch den durch Delegierte nicht vertretenen Ver- einen zugeſendet. Es wurde das Abonnement der „Mitteilungen der katholiſchen Preſſe Deutſch- lands“ von Dr. Kaufmann ins Weismes ſämt- lichen Prieſterrechtsſchutzvereinen dringend emp- fohlen. Fünf Vereine haben die „Mitteilungen ..“ abonniert und ſtellen dieſelben den Redaktionen chriſtlicher Blätter zum Nachdruck zur Verfügung. Es wurde die Zentral-Auskunftsſtelle der katho- liſchen Preſſe in Deutſchland mit 100 Kronen ſubventioniert. Der Verein verſandte 1650 Druck- ſorten an ſeine Mitglieder, an auswärtige Ver- eine und an Vertrauensmänner. Ueberdies be- trug die Zahl der Geſchäftsſtücke rund 600 Der Verein unterhielt ein ganzjähriges Abonnement des „Obſerver“, Bureau für Zeitungsausſchnitte, und ein doppeltes Abonnement der „Mitteilungen der katholiſchen Preſſe“. Es wurden umfaſſende Vorarbeiten für eine neue Flugſchrift gemacht, deren Herausgabe jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten auf das nächſte Vereinsjahr ver- ſchoben werden mußte. Theater, Kunſt und Muſik. — Deutſches Volkstheater. Von allen Gaſtſpielen, die bisher das Volkstheater und die Kritik heimſuchten, war das ſamstägige des Fräuleins v. Runegg der kühnſte und der zielge- wiſſeſte Wurf. Das Fräulein mit dem geheimnis- vollen Ritterburgennamen iſt auch im Palaſt der Muſen hoffähig. Sie hätte nicht gewagt, der ſommerlichen Genußſucht einen klaſſiſchen Abend zuzumuten, wenn ſie ihrer ſelbſt nicht ſo völlig ſicher wäre. Ihre Vorzüge: Schönheit der Er- ſcheinung, Klarheit und Deutlichkeit der Sprache in der höchſten Senſation wie im Pianiſſimo der intimſten Empfindung, Größe der Geſte und ſelbſtverſtändliches Gefühl für die Würde der klaſſiſchen Tragödin. Ihre Mängel: zu geringe Beherrſchung gewiſſer ſtimmlicher Rückſchläge im allgemeinen und als Sappho zu viel weibliche Gereiztheit ſtatt der — wenn auch pſychologiſch minder berechtigten, aber doch thematiſch geforderten überwältigenden Größe der ſiegreichen Diva. Dennoch gehört Fräulein v. Runegg nicht aus Volkstheater — ſie iſt burg- theaterreif Fräulein Dewal war als Melitta ſehr reizend, Fräulein Hofteufel als Eucharis hörenswert. R. E. P. — Raimund-Theater Ein altbewährtes Zug- und Kaſſenſtück, Morres „’s Nullerl“ ge- langte am Samstag durch die bayriſchen Bauern- ſchauſpieler zur Darſtellung. Daß die dem Leben eninommenen, ſcharf charakteriſierten Rollen der Akteure ihre Wirkung nicht verſagten, braucht nicht weiter erwähnt zu werden. Geſpielt wurde ſehr flott, namentlich Anna und Michael Dengg ſowie Frl. Schweighofer fenden Anerkennung bei den nicht ſehr zahlreichen Beſuchern. — Hofoperntheater. Dienstag wird die Oper „Der Troubadour“ von G. Verdi mit den Damen Elizza, Petru und Pohlner und den Herren Slezak, Demuth, Stehmann, Pacal und Marian aufgeführt. Den Beſchluß macht das Ballett „Die Puppenfee“. — Hofburgtheater. Für die letzten zwei Wochen der Spielzeit ſtehen noch Repriſen von „Fuhrmann Henſchel“, „Hamlet“, „Der Traum ein Leben“ und „König Lear“ bevor. — Sommertheater „Venedig“. Von Diens- tag an wird im Anſchluß an die Wiederholungen der Operette „An der ſchönen blauen Donau“ das Ballett „Was ein Frauenyerz begehrt“ gegeben. — „Schubertbund“. Deſſen Sommerliedertafel findet Mittwoch den 22. d. M. im Dreher-Park (bei ſchlechtem Wetter in der Katharinenhalle) unter Leitung des Chormeiſters Adolf Kirchl und unter Mitwirkung der Wiener Radfahrerkapelle ſtatt. — Jantſchtheater. Dieſe Woche wird an ſämtlichen Abenden „Der Onkel aus Amerika“, mit Herrn Blaſel als Gaſt, gegeben. — Wiener Singakademie. Unter den Liedertafeln, die bereits heuer in Drehers Park abgehalten wurden, iſt, neben der ganz beſonders gelungenen des „Wiener Männergeſang- vereines, das Sommerkonzert der Wiener Singakademie hervorzuheben. Dieſelbe hat unſeres Wiſſens es zum erſtenmale unternommen, ein Konzert im Freien zu geben und es gelang dies unter Mitwirkung der Radfahrerkapelle (Zit) bei ſtarkem Beſuche vollkommen. Getreu ſeinem Prinzipe, hatte der gemiſchte Chor volkstümliche Lieder verſchiedener Nationen gewählt, welche alle unter des artiſtiſchen Direktors Lafite rühriger Leitung ſich einer äußerſt ſorgfältigen Wiedergabe erfreuten und von denen die von Lafite ſelbſt ge- ſetzten, wie: „Finnland Wald“, „es ſteht ein Lind“ und „das Fräulein und der Schäfer“ (alt- deutſche Volkslieder) beſonderen Anklang fanden. Desgleichen gefielen auch das reizende Paſtorelle von Reinecke, Eſſers bekannter Chor: „Wach auf,“ der innig geſungene Chor: „Wie iſt die Erde doch ſo ſchön“ von Horn, „der Hirte“: Schwediſches Volkslied, die herrliche „Abendruhe“ von Mozart und der Schlußchor: „Wohin mit der Freud’“ von Herbeck. Das aus den Damen: Schmidt und Raunegger, den Herren: Bagar und Gold be- ſtehende Soloquartett machte ſich in Schumanns „Zigeunerleben“ vorteilhaft bemerkbar. G. v. B. Aus dem Gerichtsſaale. Der Freiſpruch des ungariſchen Eiſen- bahnerkomitees. Am 18. d. M. iſt in Ofen- Peſt ein freiſprechendes Urteil in der Streikange- legenheit der Eiſenbahner gefällt worden. Die Koſten des Strafverfahrens wird mit Ausnahme der Stenographengebühren, der Staat tragen. In der Begründung des Urteiles heißt es: Der Ge- richtshof befand ſich in dem ſoeben verhandelten Strafprozeß in einer ſchwierigen Situation. Seine Aufgabe war eine ſehr undankbare. Wir ver- mochten unſere menſchlichen Empfindungen mit unſerer richterlichen Ueberzeugung nicht in Ein- klang zu bringen; denn die Mitglieder dieſes Gerichtes ſind nicht bloß Richter, ſondern auch Bürger des Staates und treue Söhne des Vater- landes. Auch unſere Herzen werden von den Prü- fungen, welche das Vaterland heimſuchen, erfaßt. Wie ſollten unſere Herzen nicht erzittern, als am 20. April jene verhängnisvollen Ereig- Feuilleton. Die Immakulata-Feier. In Wirklichkeit: das ganze chriſtliche Wien hat geſtern der „Unbefleckten“ gehuldigt, gehuldigt in einer Weiſe, wie es nur innige Glaubens- überzeugung und wahrhafte Verehrung und Liebe zu vollbringen vermag. Das ganze katholiſche Wien war in den Vertretungen des geſamten Klerus und des geſamten chriſtlichen Volkes durch ſeine 800 Kongregationen und Vereine, am hiſtoriſchen Platze, rings um die Marien-Säule Am Hof, vereinigt, ſingend, betend, ſich, das Vaterland und das Kaiſerhaus Maria weihend, der erhabenen Schutzfrau Oeſterreichs und ſeiner Dynaſtie. Es war ein Schauſpiel, ſo großartig und doch ſo anmutend, daß Rührung und Freude ſich aller bemächtigte. Die äußere Krönung des Feſtes aber war die Teilnahme des greiſen Kaiſers ſelber, der, umgeben von zahl- reichen Mitgliedern des kaiſerlichen Hauſes und den höchſten Würdenträgern des Staates, dem erhabenen Akte mit ſichtbarer Rührung beiwohnte. Der tiefen Bedeutung und Erhabenheit des Aktes entſprach die Würde und muſterhafte Ordnung, in welcher die ganze Feier, Aufmarſch, Aufſtellung, Haltung und Abzug der nach dreißig Tauſend zählenden Feſtverſammlung ſich vollzog. Ohne die geringſte Störung bewegte ſich Prozeſſion an Prozeſſion durch die reichbeflaggten Straßen, über den Graben, Heidenſchuß, die Freyung und durch die Bognergaſſe. Der Kohl- markt war für die Auffahrt des Allerhöchſten Hofes reſerviert und wie die ganze Umgebung des Feſtplatzes beiderſeits dicht vom Publikum beſetzt, das den kaiſerlichen Herrſchaften und vor allem dem Monarchen ſelber jubelnde Begrüßung darbrachte. Der Platz Am Hof war der glücklichſte gewählte Rahmen für die Feier. Niemand wandte ſich ohne Rührung dem breiten Balkon der Kirche „zu den neun Chören der Engel“ zu, auf dem vor fünfzig Jahren an der Seite des Kaiſers die jugendliche Kaiſerin erſchienen war. Und wie viele mögen ſich daran erinnert haben, daß an dieſer Stätte die erſte Burg der babenbergiſchen Herzoge von Oeſterreich ſtand, daß von hier aus das damals ſo kleine Land ſeinen Aufſtieg nahm zu der Weltmacht ſpäterer Tage. Und viele mögen des gewaltig toſenden Unwetters gedacht haben, das im Revolutionsjahr an dieſer ſelben Stelle ſo gräßlich ſich entlud und deſſen Weſen das Volk, das geſtern dort um ſeinen erhabenen Fürſten ſich drängte, kaum mehr zu verſtehen vermag. Und an einem Fenſter des päpſtlichen Geſandtſchaftshotels lehnte geſtern ein proteſtantiſcher Monarch, der König von Dänemark, deſſen Staaten vor vierzig Jahren unſere Armee mit Krieg überzog, und ſah der großen katholiſchen Kundgebung zu, ein Freund unſeres Kaiſers und längſt kein Widerſacher unſerer Politik. So trug das Feſt neben dem Charakter höchſter religiöſer Weihe, auch den patriotiſcher und friedlicher Erhebung und deutete die Miſſion an, die dem Katholizismus und ſeinen Bekennern, wie beſonders dem katholiſchen Oeſterreich, vor- gezeichnet iſt. Der Balkon der Kirche trug das von zwei mächtigen Adlern überragte Kaiſerzelt, an deſſen rechter Seite den Hofſtaaten, an deſſen linker den Miniſtern und oberſten Behörden Plätze an- gewieſen waren. Die Häuſer hatten Flaggengala angelegt, die Faſſade der Kirche prächtig zu ſchmücken, hatte der hochwürdige Pfarrer Kurz ſich nicht nehmen laſſen. Die Marienſäule prangte im herrlichſten Feſtſchmuck. Das Poſtament war bis hoch hinan mit rotem Seidendamaſt bedeckt. Reiſigguirlanden mit Kunſtblumen ſpannten ſich hoch hinan, ringsum bildeten ſchöne Zierpflanzen Bosketts. Viel war die Lilie ſymboliſch verwendet. Zwiſchen Säule und Kirche waren zwei Zelte für die offiziellen Gäſte errichtet. Schon am Vormittag hatte auf dem großen Platze lebhaftes Getriebe geherrſcht. Die ſtädtiſche Feuerwehr wanderte großenteils von der Zentrale aus, damit die Feuerbereitſchaft in jedem Even- tualfall freie Fahrt habe. Komplette Dampflöſch- trains mit Offiizieren fuhren vor Beginn der Feier zur Filiale Leopoldſtadt, zur Feuerwache Mar- gareten und ins neue Rathaus, wo auch Feuer- wehrkommandant Müller blieb. Bald nach 1 Uhr wurde der weite Platz abgeſperrt, damit nicht das ſich anſammelnde Publikum den Aufzug der Pro- zeſſionen behindere. Von allen Bezirken Wiens, von den äußerſten Grenzpunkten des Stadtgebietes zogen mit ihren Fahnen, Bannern und Emblemen die katholiſchen Bezirksvereine zur Pfarrkirche ihres Bezirkes. Alles war im Sonntagsſtaat. Die Fahnenjunker trugen großenteils altdeutſche Tracht. Die geiſtlichen Orden verſammelten ſich bei den Bezirkspfarren. Nur jene Vereine, deren Wirken ſich auf ganz Wien erſtreckt, hatten den Stefansdom als Verſammlungsort. Die katho- liſchen Jünglingsvereine ſammelten ſich bei der Kirche Maria Stiegen, weil dort der erſte Stammverein gegründet wurde. Gegen 2 Uhr be- gann der Aufmarſch der Prozeſſionen auf dem Hof. Sie kamen nur von zwei Seiten: von der Bognergaſſe und von der Freyung her. Der größte Zug war der von St. Stefan. Ihn eröffneten etwa tauſend Handwerker, Mitglieder der katholiſchen

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost140_1904/9>, abgerufen am 21.11.2024.