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Reichspost. Nr. 219, Wien, 26.09.1899.

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219 Wien Dienstag Reichspost 26. September 1899

[Spaltenumbruch]
Streiflichter.
Ein Kaiserwort und seine praktische An-
wendung.

Der Kaiser hat anläßlich seiner Reise nach
Tirol wiederholt die Katholischen Arbeitervereine,
welche in Abordnungen und theilweise mit ihren
Fahnen erschienen sind, mit Anreden ausgezeichnet.
So informirte er sich zum Beispiel beim Ob-
mann des Katholischen Arbeiter-
vereines in Franzensfeste
über den
Mitgliederstand und äußerte seine Freude, als er
erfuhr, daß diesem Vereine 115 Mitglieder, d. i.
nahezu alle Arbeiter des Ortes, angehören. Seine
Majestät fügte dem Hinweise auf die stramme
katholische Gesinnung der Arbeiter noch die Worte
hinzu: "Und recht patriotisch sind
die katholischen Arbeiter auch!"

Die Judenpresse verzeichnet sonst mit Fleiß jeden
Ausspruch des Kaisers, wenn er z. B. irgend einem
jüdischen Fabrikanten oder Kaufmann bei einer
Ausstellung und Vorstellung desselben ein paar
huldvoll-höfliche Worte sagt, namentlich dann,
wenn der betreffe de Kaufmann dafür --
zahlt. Wir haben obigen Ausspruch aber
in einem Judenblatte bisher nicht gelesen.
Nicht bloß stramm katholisch, sagte also
der Kaiser, sondern "recht patriotisch sind die
katholischen Arbeiter auch." Es ist das nicht blos
ein Ehrenzengniß für unsere christlichen Arbeiter
und Arbeitervereine, in welchen solche stramme
katholische und kaisertreue Arbeiter herangezogen
werden, sondern ein Hinweis ganz allgemeiner
politischer Natur. Im Katholicismus
liegt die Bürgschaft auch für die Kaiser-
treue
der Arbeiter und demgemäß auch nicht
blos der Arbeiter, sondern der ganzen Be-
völkerung. Wenn wir die Elemente in Oesterreich
uns anschauen, welche augenblicklich das schmach-
volle Bild des Gegentheils von dynastischer
Kaisertreue darbieten, so wird man auch
nicht Einen dieser Sorte finden, der sich auch
nur selbst als gut katholisch bezeichnen würde. Ist
das nicht ein -- Fingerzeig, nein, ein Wink mit
dem Zaunpfahl? Und möchte man es in Oester-
reich nicht doch einmal versuchen, die Politik
der Monarchie überhaupt auf erklärt
christliche, katholische Grundlage
zu stellen?




Was die Socialdemokratie am meisten
fürchtet.

Schon die Eröffnung des gestern in Brünn
begonnenen Parteitages der öster-
reichischen Socialdemokratie
bot
ein interessantes Factum. Dr. Adler, das "geistige"
Haupt der österreichischen Socialdemokratie, und
der führende "Geist" der "Arbeiter-Zeitung"
referirte über die politische Lage. Während nach
ihm selbst zwei "Obergenossen", nämlich Abg.
Daszynski und Berner, es in ihrer Rede tadelten,
daß die Socialdemokraten gegenüber dem Grafen
Thun eine zu laue und lahme Taktik verfolgt
hätten, erklärte Dr. Adler: "daß nach den letzten
Nachrichten ein clericales Ministerium
bevorstehe, einem solchen gegenüber werde die
Socialdemokratie in die schärfste Opposi-
tion
treten." Da haben wir's: selbst
einem Ministerium Thun ließ die Socialdemo-
kratie eine auffällige Nachsicht und Duldung
zu Theil werden, offenbar eben deshalb, weil es
ein katholisches Ministerium nicht war und vor
Allem, weil solange das Ministerium Thun am
Ruder war, die Juden Schonzeit hatten
und der Antisemitismus gegenüber dem nationalen
Hader in den Hintergrund gedrängt wurde.
Kaum aber erscheint nur die Möglicheit eines
christlicher Politik zugeneigten Ministeriums auf
der Bildfläche, so wird die Socialdemokratie mobil,
der Adler reckt die Flügel und die Juden der Partei-
leitung werden oppositionsscharf. Vorher so zahm,
und lahm, daß man sogar von der k. k. Social-
demokratie zu sprechen Anlaß hatte, sind sie auf
einmal, kampfestoll. Man sieht, was die Social-
demokratie und ihre Juden am meisten fürchten.
Sollte darin nicht das Heil für Oesterreich ge-
legen sein?




Ein "köstlicher" Diamant.

Die beiden Chefs einer Budapester Kürschner-
waaren-Firma sind eben zu k. u. k. Hofkürschnern
und zu Hoflieferanten des Erzherzogs Josef ernannt
worden. Daran ist nun nicht Besonderes. Aber
das "Köstliche" liegt darin, daß die beiden
[Spaltenumbruch] Brüder-Chefs auf den Namen "Diamant"
hören. Das ist schon "interessanter." Noch
interessanter aber ist, daß, wie der "Pester Lloyd"
wörtlich mittheilt, "aus diesem Anlasse
die Chefs der genannten Firma, die Herren
Leon und Victor Diamant, ihren Familien-
namen auf -- Dan magyarisirt haben." Nun
fragt es sich, ob sie den "Diamant"
vor der neuen Ernennung mit dem Dan ver-
tauscht haben (vielleicht auf einen höheren Wink
hin) oder ob sie es nachher thaten, da sie
selbst einsahen, daß sich "Diamant" mit dem
"k. und k." nicht gut vertrug? Die naheliegendste
Erklärung wird sein, daß die beiden Chefs ihrer
ungarischen Nation damit eine Ehre anthun
wollten; denn also schließt triumphirend der jüdische
"Pester Lloyd" seine Reclamenotiz für den Juden
Diamant: "Es geschah zum ersten Male, daß
Se. Majestät einen ungarischen(!) Kürschner
zu seinem Hofkürschner ernannt hat." Zu dem
Ende mußte der Diamant freilich "ungarisch"
werden. So wurde der Diamant zum Dan.
Nicht wahr, ein "köstlicher" Diamant?




Tumnltscenen bei einer Gehilfenwahl.

Nachdem vor circa 11/2 Jahren die Wahl des Gehilfen-
ausschusses der Kleinfuhrwerker-Genossenschaft wegen ver-
schiedener Wahlunregelmäßigkeiten seiiens der Behörde annu-
lirt wurde, fand dieselbe gestern in der Volkshalle des
neuen Rathhauses neuerdings statt. Die Gehilfenschaft der
Kleinfuhrwerker theilt sich in zwei Gruppen, nämlich in
"Unparteiische" und in "Socialdemokraten". Letztere gehören
dem Fachverein der Kleinfuhrwerkskutscher an. Beide Par-
teien entwickelten eine überaus eifrige Agitation, denn eine
jede hatte ihre eigenen Candidaten aufgestellt. Es kam schon
vor Beginn des Wahlganges zu Reibereien wegen der allzu
eifrigen Agitation des Fachvereines. Beim Wahlgange selbst
kam es mehrmals zu fürchterlichen Lärmscenen, welche
schließlich in einen großen Tumult ausarteten. Ursache des-
selben war, daß die Mehrzahl der Wähler keine Wahllegi-
timation hatten und einige von ihnen sich dies dazu aus-
nützten, mehrmals bei der Wahlurne ihre Stimme abzu-
geben. Als dies vermuthet, bezw. constatirt wurde, legte ein
Mitglied des Wahlcomite's dagegen Verwahrung ein, wo-
rauf der Tumult entstand und sich der gewerbebehördliche
Vertreter Dr. Fuhrmann veranlaßt sah, die Ver-
ammlung aufzulösen.




Gewerbe.
Großcapital gegen Kleingewerbe.

Aus
Amerika kam kürzlich die Nachricht, daß dort eine
Gesellschaft von Geldleuten in Bildung begriffen sei,
welche mit einem Capital von angeblich 100 Millionen
Dollars überall in größeren und kleinen Städten kauf-
männische Geschäfte für Rechnung der Gesellschaft be-
gründen sollte. Natürlich würden durch dieses Vorgehen
die bisher an den betreffenden Orten ansässigen selbst-
ständigen Firmen sehr bald ebenso zu Grunde gerichtet
werden, wie die selbständigen Schlächter dort durch
den Großschlächterring. Aehnliches, wenn auch in
kleinerem Maßstabe, erleben wir, so schr eibt die Cor-
respondenz des "B. d. L.", ja bei uns in den mit
ihren Polypenarmen überall hin vordringenden Waaren-
häusern und auch die kürzlich mit 3 Millionen Mark
Passiven in Concurs gerathene Kleiderstoff-Engrosfirma
Isidor Behrendt in Berlin bildete ein solches von der
Großfinanz zum Verderben der selbständigen kleineren
Kaufleute unterstütztes Unternehmen. Nach dem
"Deutschen Gewerbe- und Handels-Blatt" wurde
der genannten Firma von verschiedenen Banken ein
Credit von 1 Million Mark und seitens seiner
Lieferanten ein Credit von 1 1/3 Million Mark
eingeräumt. Mit diesem Gelde errichtete Behrendt
überall Filialen, im Ganzen circa 60 und in diesen
verkaufte er nun in "Rester" zerschnitten die von ihm
in großen Partien eingekauften Stoffe. Ist in diesem
einen Fall nun auch die Gründung von nichts weniger
als einwandfreien Detailgeschäften, für die Finanzmächte
und Fabrikanten die einem Manne Millionen zur Verfü-
gung stellten, mißglückt, so wird doch der reelle Kaufmann-
stand durch unzählige andere, wie Pilze aus der Erde
schießende "Warenhäuser" und die Unzahl ihrer Filial-
geschäfte auf das schwerste geschädigt und vielfach in
seiner Existenz bedroht. Diesem drohenden Unheil für
den selbständigen, gewerblichen Mittelstand kann nur
durch eine kräftige Sonderbesteuerung der Waren-
häuser und Filialgeschäfte entgegengearbeitet werden,
als deren geeign te Form sich eine progressiv wirkende
Umsatzsteuer empfiehlt.

Gegen die amerikanische Fleischconcurrenz.

Der "Deutschen Tagesztg." zufolge will der Gesammt-
vorstand des deutschen Fleischerverbandes demnächst zu-
sammentreten, um sich schlüssig zu machen über die Ein-
berufung eines gegen die amerikanische
Concurrenz
gerichteten europäischen
Fleischercongresses.

Weihe einer Genossenschafts-Standarte.

Die
Genossenschaft der concessionirten Gas- und Wasserleitungs-
Installateure feierte gestern das Fest der Weihe der neuen
prachtvollen Genossenschafts-Standarte. Um 11 Uhr Vor-
mittags bewegte sich der festliche Zug in einer langen Reihe
vom Rathhause zur Votivkirche. In der Kirche hatten sich
Bürgermeister Dr. Lueger und Landtags-Abgeordneter
Professor Sturm eingefunden. Die feierliche Weihe der
Standarte nahm Prälat Marschall unter zahlreicher
[Spaltenumbruch] geistlicher Assistenz vor. Abends fand im Cursalon der
Stadt Wien ein Festabend mit Baukett statt.

Achtung.

In Wien existirt ein Verein
zur Hebung der Gewerbe.
Dieser Verein
hat seinen letzten Jahresbericht in 24 Exemplaren an
das Präsidium der Wiener israelitischen Cultus-
gemeinde entsendet, um die Vorstehung über die
Fortschritte des jüdischen Gewerbestan des
im Laufenden zu erhalten Wenn man also künftighin
den Namen dieses Vereines hören wird, wird man
wissen, daß er eine jüdische Vereinigung ist, die eine
Förderung von christlicher Seite nicht erfahren darf.




Arbeiterbewegung.

Der Generalstreik der Bergarbeiter
im Plauenschen Kohlenrevier hat, wie aus
Leipzig berichtet wird, mit einer vollständigen
Niederlage der Arbeiter geendet. Sämmtliche
Ausständige haben wegen Aussichtslosigkeit des
Streiks heute die Arbeit wieder aufgenommen.

Der Generalstreik in Creuzot. Nach den
letzteingelaufenen Nachrichten aus Le Creuzot hat eine
Einigung zwischen dem Werksbesitzer und den
Streikenden noch nicht stattgefunden, da Ersterer sich
weigert, den Secretär des nicht zu den Bergwerken
gehörigen Arbeitersyndicates zu empfangen. Der
Streik wird also fortgesetzt.




Kirche Staat und Schule.
-- Msgr. Locatelli und Prinz Croy.

Der
Uditore der hiesigen Nuntiatur, Msgr. Locatelli,
welcher seit ungejähr sieben Jahren hier fungirt, verläßt
Wien im nächsten Monat. Er wird vom Papste zum
Inter-Nuntius ernannt werden. An seiner
Stelle trifft aus Rom Prinz Ferdinand Croy hier
ein, gegenwärtig dienstthuender Geheimkämmerer des
heil. Vaters in Rom. Prinz Croy, der neue Uditore,
ist ein Vetter der Erzherzogin Isabella, Gemalin
des Erzherzogs Friedrich.

-- Ordensjubiläen.

Heute, 26. September,
feiern drei Mitglieder des österreichischen Piaristen-
Ordens
das fünfzigjährige Jubiläum ihres Ein-
trittes in den Orden. Es sind dies der gegenwärtige
Ordensprovincial P. Anton Brendler, zuletzt
Religionsprofessor am Communal-Real- und Ober-
gymnasium im 2. Bezirke und als solcher pensionirt;
der noch als Religionsprofessor am hiesigen Franz
Josephs-Gymnasium in Activität stehende P. Karl
Sonnberger und der pensionirte Militär-Akademie-
Professor Schulrath P. Andreas Rungger. Alle
Drei wurden am 26. September 1849 in Krems als
Novizen eingekleidet, sind gebürtige Wiener und durch
langjährige pädagogische Thätigkeit in den weitesten
Kreisen bekannt.

-- Justallation.

Am 21. d. M. wurde in
Olmütz die Installation des hochw. Herrn Residential-
canonicus Ritter v. Mayer vom Domdechanten
Prälaten Dr. Joseph Hanel vorgenommen.

-- Todesfall.

Am 21. d. M. verschied der
f.-e. geistl. Rath und Ehrencanonicus des Collegiat-
stiftes Mattsee, Dechant Sebastian Rußegger.
Derselbe ist zu Grödig am 23. Jänner 1826 geboren,
Priester seit 18. Juli 1850. Seit October 1878 war
er Dechant und Pfarrer von Thalgau. In diese
Zeit fällt die Wirksamkeit als Landtagsabgeordneter
des Großgrundbesitzes. 1884 schied er wieder aus
dem Landtage. Ende 1893 resignirte er in Folge
von Kränklichkeit auf die Pfarre und zog in die
Stadt. Das Leichenbegängniß fand am Samstag um
3 Uhr Nachmittags statt.




Theater, Kunst und Musik.
-- Kaiserjubiläums-Stadttheater.

Morgen Dienstag
wird die Novität "August der Glückliche" zum
vierten Male mit Herrn Rauch in der Titelrolle gegebe[n]
und übermorgen Mittwoch geht als volksthümliche Classiker-
vorstellung Schiller's "Turandot" bei ermäßigten
Preisen in Scene.

-- Deutsches Volkstheater.

Samstag den 30. d.
findet die erste Aufführung des Wiener Schwankes "Der
kleine Mann"
von C. Karlweis statt.

-- Raimund Theater.

Die nächsten Novitäten dieser
Bühne sind: "Baron Mucki", Schwank in drei Acten
von Eugen Burg und Ernst Grund, welcher Dienstag in
der bereits gemeldeten Besetzung zum ersten Male in Scene
geht. Hierauf folgt am Samstag den 30. d. Anzengruber's
"Der Meineidbauer" mit Carl Langkammer in
der Titelrolle; die übrigen Hauptrollen haben die Damen
Reingruber, Hetsey, Lichten, Anatour und die Herren Thaller,
Straßmeyer, Balajthy, Lackner, Popp, Göstl und Goßmann
inne. In Vorbereitung ist "Carriere", Comödie in
fünf Aufzügen von Abel Hermant mit Frl. Petri in der
Hauptrolle. Frl. Adele Sandrock beginnt ihr "Hamlet"-
Gastspiel hereits am 7. October und wird dasselbe am 9.
und 10. October fortsetzen. Vormerkungen für dieses Gast-
spiel werden bereits ab morgen Montag an den Tages-
cassen und Verkaufsstellen entgegengenommen. -- Montag
den 2. October Abends findet die dritte Arbeiter-
vorstellung
bei bedeutend ermäßigten Preisen statt;
zur Aufführung kommt "Der Meineidbauer".
Für diese Vorstellung ist das Vorverkaufsrecht der Gründer
für ihre reservirten Sitze aufgehoben.

-- Jantsch-Theater.

Morgen Dienstag ist erster
Opernabend.
Zur Aufführung kommt die beliebte
komische Oper "Der Waffenschmied" von Albert
Lortzing. In den Hauptparthien sind beschäftigt die Damen

219 Wien Dienſtag Reichspoſt 26. September 1899

[Spaltenumbruch]
Streiflichter.
Ein Kaiſerwort und ſeine praktiſche An-
wendung.

Der Kaiſer hat anläßlich ſeiner Reiſe nach
Tirol wiederholt die Katholiſchen Arbeitervereine,
welche in Abordnungen und theilweiſe mit ihren
Fahnen erſchienen ſind, mit Anreden ausgezeichnet.
So informirte er ſich zum Beiſpiel beim Ob-
mann des Katholiſchen Arbeiter-
vereines in Franzensfeſte
über den
Mitgliederſtand und äußerte ſeine Freude, als er
erfuhr, daß dieſem Vereine 115 Mitglieder, d. i.
nahezu alle Arbeiter des Ortes, angehören. Seine
Majeſtät fügte dem Hinweiſe auf die ſtramme
katholiſche Geſinnung der Arbeiter noch die Worte
hinzu: „Und recht patriotiſch ſind
die katholiſchen Arbeiter auch!“

Die Judenpreſſe verzeichnet ſonſt mit Fleiß jeden
Ausſpruch des Kaiſers, wenn er z. B. irgend einem
jüdiſchen Fabrikanten oder Kaufmann bei einer
Ausſtellung und Vorſtellung desſelben ein paar
huldvoll-höfliche Worte ſagt, namentlich dann,
wenn der betreffe de Kaufmann dafür —
zahlt. Wir haben obigen Ausſpruch aber
in einem Judenblatte bisher nicht geleſen.
Nicht bloß ſtramm katholiſch, ſagte alſo
der Kaiſer, ſondern „recht patriotiſch ſind die
katholiſchen Arbeiter auch.“ Es iſt das nicht blos
ein Ehrenzengniß für unſere chriſtlichen Arbeiter
und Arbeitervereine, in welchen ſolche ſtramme
katholiſche und kaiſertreue Arbeiter herangezogen
werden, ſondern ein Hinweis ganz allgemeiner
politiſcher Natur. Im Katholicismus
liegt die Bürgſchaft auch für die Kaiſer-
treue
der Arbeiter und demgemäß auch nicht
blos der Arbeiter, ſondern der ganzen Be-
völkerung. Wenn wir die Elemente in Oeſterreich
uns anſchauen, welche augenblicklich das ſchmach-
volle Bild des Gegentheils von dynaſtiſcher
Kaiſertreue darbieten, ſo wird man auch
nicht Einen dieſer Sorte finden, der ſich auch
nur ſelbſt als gut katholiſch bezeichnen würde. Iſt
das nicht ein — Fingerzeig, nein, ein Wink mit
dem Zaunpfahl? Und möchte man es in Oeſter-
reich nicht doch einmal verſuchen, die Politik
der Monarchie überhaupt auf erklärt
chriſtliche, katholiſche Grundlage
zu ſtellen?




Was die Socialdemokratie am meiſten
fürchtet.

Schon die Eröffnung des geſtern in Brünn
begonnenen Parteitages der öſter-
reichiſchen Socialdemokratie
bot
ein intereſſantes Factum. Dr. Adler, das „geiſtige“
Haupt der öſterreichiſchen Socialdemokratie, und
der führende „Geiſt“ der „Arbeiter-Zeitung“
referirte über die politiſche Lage. Während nach
ihm ſelbſt zwei „Obergenoſſen“, nämlich Abg.
Daszynski und Berner, es in ihrer Rede tadelten,
daß die Socialdemokraten gegenüber dem Grafen
Thun eine zu laue und lahme Taktik verfolgt
hätten, erklärte Dr. Adler: „daß nach den letzten
Nachrichten ein clericales Miniſterium
bevorſtehe, einem ſolchen gegenüber werde die
Socialdemokratie in die ſchärfſte Oppoſi-
tion
treten.“ Da haben wir’s: ſelbſt
einem Miniſterium Thun ließ die Socialdemo-
kratie eine auffällige Nachſicht und Duldung
zu Theil werden, offenbar eben deshalb, weil es
ein katholiſches Miniſterium nicht war und vor
Allem, weil ſolange das Miniſterium Thun am
Ruder war, die Juden Schonzeit hatten
und der Antiſemitismus gegenüber dem nationalen
Hader in den Hintergrund gedrängt wurde.
Kaum aber erſcheint nur die Möglicheit eines
chriſtlicher Politik zugeneigten Miniſteriums auf
der Bildfläche, ſo wird die Socialdemokratie mobil,
der Adler reckt die Flügel und die Juden der Partei-
leitung werden oppoſitionsſcharf. Vorher ſo zahm,
und lahm, daß man ſogar von der k. k. Social-
demokratie zu ſprechen Anlaß hatte, ſind ſie auf
einmal, kampfestoll. Man ſieht, was die Social-
demokratie und ihre Juden am meiſten fürchten.
Sollte darin nicht das Heil für Oeſterreich ge-
legen ſein?




Ein „köſtlicher“ Diamant.

Die beiden Chefs einer Budapeſter Kürſchner-
waaren-Firma ſind eben zu k. u. k. Hofkürſchnern
und zu Hoflieferanten des Erzherzogs Joſef ernannt
worden. Daran iſt nun nicht Beſonderes. Aber
das „Köſtliche“ liegt darin, daß die beiden
[Spaltenumbruch] Brüder-Chefs auf den Namen „Diamant“
hören. Das iſt ſchon „intereſſanter.“ Noch
intereſſanter aber iſt, daß, wie der „Peſter Lloyd“
wörtlich mittheilt, „aus dieſem Anlaſſe
die Chefs der genannten Firma, die Herren
Leon und Victor Diamant, ihren Familien-
namen auf — Dán magyariſirt haben.“ Nun
fragt es ſich, ob ſie den „Diamant“
vor der neuen Ernennung mit dem Dán ver-
tauſcht haben (vielleicht auf einen höheren Wink
hin) oder ob ſie es nachher thaten, da ſie
ſelbſt einſahen, daß ſich „Diamant“ mit dem
„k. und k.“ nicht gut vertrug? Die naheliegendſte
Erklärung wird ſein, daß die beiden Chefs ihrer
ungariſchen Nation damit eine Ehre anthun
wollten; denn alſo ſchließt triumphirend der jüdiſche
„Peſter Lloyd“ ſeine Reclamenotiz für den Juden
Diamant: „Es geſchah zum erſten Male, daß
Se. Majeſtät einen ungariſchen(!) Kürſchner
zu ſeinem Hofkürſchner ernannt hat.“ Zu dem
Ende mußte der Diamant freilich „ungariſch“
werden. So wurde der Diamant zum Dán.
Nicht wahr, ein „köſtlicher“ Diamant?




Tumnltſcenen bei einer Gehilfenwahl.

Nachdem vor circa 1½ Jahren die Wahl des Gehilfen-
ausſchuſſes der Kleinfuhrwerker-Genoſſenſchaft wegen ver-
ſchiedener Wahlunregelmäßigkeiten ſeiiens der Behörde annu-
lirt wurde, fand dieſelbe geſtern in der Volkshalle des
neuen Rathhauſes neuerdings ſtatt. Die Gehilfenſchaft der
Kleinfuhrwerker theilt ſich in zwei Gruppen, nämlich in
„Unparteiiſche“ und in „Socialdemokraten“. Letztere gehören
dem Fachverein der Kleinfuhrwerkskutſcher an. Beide Par-
teien entwickelten eine überaus eifrige Agitation, denn eine
jede hatte ihre eigenen Candidaten aufgeſtellt. Es kam ſchon
vor Beginn des Wahlganges zu Reibereien wegen der allzu
eifrigen Agitation des Fachvereines. Beim Wahlgange ſelbſt
kam es mehrmals zu fürchterlichen Lärmſcenen, welche
ſchließlich in einen großen Tumult ausarteten. Urſache des-
ſelben war, daß die Mehrzahl der Wähler keine Wahllegi-
timation hatten und einige von ihnen ſich dies dazu aus-
nützten, mehrmals bei der Wahlurne ihre Stimme abzu-
geben. Als dies vermuthet, bezw. conſtatirt wurde, legte ein
Mitglied des Wahlcomité’s dagegen Verwahrung ein, wo-
rauf der Tumult entſtand und ſich der gewerbebehördliche
Vertreter Dr. Fuhrmann veranlaßt ſah, die Ver-
ammlung aufzulöſen.




Gewerbe.
Großcapital gegen Kleingewerbe.

Aus
Amerika kam kürzlich die Nachricht, daß dort eine
Geſellſchaft von Geldleuten in Bildung begriffen ſei,
welche mit einem Capital von angeblich 100 Millionen
Dollars überall in größeren und kleinen Städten kauf-
männiſche Geſchäfte für Rechnung der Geſellſchaft be-
gründen ſollte. Natürlich würden durch dieſes Vorgehen
die bisher an den betreffenden Orten anſäſſigen ſelbſt-
ſtändigen Firmen ſehr bald ebenſo zu Grunde gerichtet
werden, wie die ſelbſtändigen Schlächter dort durch
den Großſchlächterring. Aehnliches, wenn auch in
kleinerem Maßſtabe, erleben wir, ſo ſchr eibt die Cor-
reſpondenz des „B. d. L.“, ja bei uns in den mit
ihren Polypenarmen überall hin vordringenden Waaren-
häuſern und auch die kürzlich mit 3 Millionen Mark
Paſſiven in Concurs gerathene Kleiderſtoff-Engrosfirma
Iſidor Behrendt in Berlin bildete ein ſolches von der
Großfinanz zum Verderben der ſelbſtändigen kleineren
Kaufleute unterſtütztes Unternehmen. Nach dem
„Deutſchen Gewerbe- und Handels-Blatt“ wurde
der genannten Firma von verſchiedenen Banken ein
Credit von 1 Million Mark und ſeitens ſeiner
Lieferanten ein Credit von 1⅓ Million Mark
eingeräumt. Mit dieſem Gelde errichtete Behrendt
überall Filialen, im Ganzen circa 60 und in dieſen
verkaufte er nun in „Reſter“ zerſchnitten die von ihm
in großen Partien eingekauften Stoffe. Iſt in dieſem
einen Fall nun auch die Gründung von nichts weniger
als einwandfreien Detailgeſchäften, für die Finanzmächte
und Fabrikanten die einem Manne Millionen zur Verfü-
gung ſtellten, mißglückt, ſo wird doch der reelle Kaufmann-
ſtand durch unzählige andere, wie Pilze aus der Erde
ſchießende „Warenhäuſer“ und die Unzahl ihrer Filial-
geſchäfte auf das ſchwerſte geſchädigt und vielfach in
ſeiner Exiſtenz bedroht. Dieſem drohenden Unheil für
den ſelbſtändigen, gewerblichen Mittelſtand kann nur
durch eine kräftige Sonderbeſteuerung der Waren-
häuſer und Filialgeſchäfte entgegengearbeitet werden,
als deren geeign te Form ſich eine progreſſiv wirkende
Umſatzſteuer empfiehlt.

Gegen die amerikaniſche Fleiſchconcurrenz.

Der „Deutſchen Tagesztg.“ zufolge will der Geſammt-
vorſtand des deutſchen Fleiſcherverbandes demnächſt zu-
ſammentreten, um ſich ſchlüſſig zu machen über die Ein-
berufung eines gegen die amerikaniſche
Concurrenz
gerichteten europäiſchen
Fleiſchercongreſſes.

Weihe einer Genoſſenſchafts-Standarte.

Die
Genoſſenſchaft der conceſſionirten Gas- und Waſſerleitungs-
Inſtallateure feierte geſtern das Feſt der Weihe der neuen
prachtvollen Genoſſenſchafts-Standarte. Um 11 Uhr Vor-
mittags bewegte ſich der feſtliche Zug in einer langen Reihe
vom Rathhauſe zur Votivkirche. In der Kirche hatten ſich
Bürgermeiſter Dr. Lueger und Landtags-Abgeordneter
Profeſſor Sturm eingefunden. Die feierliche Weihe der
Standarte nahm Prälat Marſchall unter zahlreicher
[Spaltenumbruch] geiſtlicher Aſſiſtenz vor. Abends fand im Curſalon der
Stadt Wien ein Feſtabend mit Baukett ſtatt.

Achtung.

In Wien exiſtirt ein Verein
zur Hebung der Gewerbe.
Dieſer Verein
hat ſeinen letzten Jahresbericht in 24 Exemplaren an
das Präſidium der Wiener iſraelitiſchen Cultus-
gemeinde entſendet, um die Vorſtehung über die
Fortſchritte des jüdiſchen Gewerbeſtan des
im Laufenden zu erhalten Wenn man alſo künftighin
den Namen dieſes Vereines hören wird, wird man
wiſſen, daß er eine jüdiſche Vereinigung iſt, die eine
Förderung von chriſtlicher Seite nicht erfahren darf.




Arbeiterbewegung.

Der Generalſtreik der Bergarbeiter
im Plauenſchen Kohlenrevier hat, wie aus
Leipzig berichtet wird, mit einer vollſtändigen
Niederlage der Arbeiter geendet. Sämmtliche
Ausſtändige haben wegen Ausſichtsloſigkeit des
Streiks heute die Arbeit wieder aufgenommen.

Der Generalſtreik in Creuzot. Nach den
letzteingelaufenen Nachrichten aus Le Creuzot hat eine
Einigung zwiſchen dem Werksbeſitzer und den
Streikenden noch nicht ſtattgefunden, da Erſterer ſich
weigert, den Secretär des nicht zu den Bergwerken
gehörigen Arbeiterſyndicates zu empfangen. Der
Streik wird alſo fortgeſetzt.




Kirche Staat und Schule.
— Mſgr. Locatelli und Prinz Croy.

Der
Uditore der hieſigen Nuntiatur, Mſgr. Locatelli,
welcher ſeit ungejähr ſieben Jahren hier fungirt, verläßt
Wien im nächſten Monat. Er wird vom Papſte zum
Inter-Nuntius ernannt werden. An ſeiner
Stelle trifft aus Rom Prinz Ferdinand Croy hier
ein, gegenwärtig dienſtthuender Geheimkämmerer des
heil. Vaters in Rom. Prinz Croy, der neue Uditore,
iſt ein Vetter der Erzherzogin Iſabella, Gemalin
des Erzherzogs Friedrich.

— Ordensjubiläen.

Heute, 26. September,
feiern drei Mitglieder des öſterreichiſchen Piariſten-
Ordens
das fünfzigjährige Jubiläum ihres Ein-
trittes in den Orden. Es ſind dies der gegenwärtige
Ordensprovincial P. Anton Brendler, zuletzt
Religionsprofeſſor am Communal-Real- und Ober-
gymnaſium im 2. Bezirke und als ſolcher penſionirt;
der noch als Religionsprofeſſor am hieſigen Franz
Joſephs-Gymnaſium in Activität ſtehende P. Karl
Sonnberger und der penſionirte Militär-Akademie-
Profeſſor Schulrath P. Andreas Rungger. Alle
Drei wurden am 26. September 1849 in Krems als
Novizen eingekleidet, ſind gebürtige Wiener und durch
langjährige pädagogiſche Thätigkeit in den weiteſten
Kreiſen bekannt.

— Juſtallation.

Am 21. d. M. wurde in
Olmütz die Inſtallation des hochw. Herrn Reſidential-
canonicus Ritter v. Mayer vom Domdechanten
Prälaten Dr. Joſeph Hanel vorgenommen.

— Todesfall.

Am 21. d. M. verſchied der
f.-e. geiſtl. Rath und Ehrencanonicus des Collegiat-
ſtiftes Mattſee, Dechant Sebaſtian Rußegger.
Derſelbe iſt zu Grödig am 23. Jänner 1826 geboren,
Prieſter ſeit 18. Juli 1850. Seit October 1878 war
er Dechant und Pfarrer von Thalgau. In dieſe
Zeit fällt die Wirkſamkeit als Landtagsabgeordneter
des Großgrundbeſitzes. 1884 ſchied er wieder aus
dem Landtage. Ende 1893 reſignirte er in Folge
von Kränklichkeit auf die Pfarre und zog in die
Stadt. Das Leichenbegängniß fand am Samſtag um
3 Uhr Nachmittags ſtatt.




Theater, Kunſt und Muſik.
— Kaiſerjubiläums-Stadttheater.

Morgen Dienſtag
wird die Novität „Auguſt der Glückliche“ zum
vierten Male mit Herrn Rauch in der Titelrolle gegebe[n]
und übermorgen Mittwoch geht als volksthümliche Claſſiker-
vorſtellung Schiller’s „Turandot“ bei ermäßigten
Preiſen in Scene.

— Deutſches Volkstheater.

Samſtag den 30. d.
findet die erſte Aufführung des Wiener Schwankes „Der
kleine Mann“
von C. Karlweis ſtatt.

— Raimund Theater.

Die nächſten Novitäten dieſer
Bühne ſind: „Baron Mucki“, Schwank in drei Acten
von Eugen Burg und Ernſt Grund, welcher Dienſtag in
der bereits gemeldeten Beſetzung zum erſten Male in Scene
geht. Hierauf folgt am Samſtag den 30. d. Anzengruber’s
„Der Meineidbauer“ mit Carl Langkammer in
der Titelrolle; die übrigen Hauptrollen haben die Damen
Reingruber, Hetſey, Lichten, Anatour und die Herren Thaller,
Straßmeyer, Balajthy, Lackner, Popp, Göſtl und Goßmann
inne. In Vorbereitung iſt „Carriére“, Comödie in
fünf Aufzügen von Abel Hermant mit Frl. Petri in der
Hauptrolle. Frl. Adele Sandrock beginnt ihr „Hamlet“-
Gaſtſpiel hereits am 7. October und wird dasſelbe am 9.
und 10. October fortſetzen. Vormerkungen für dieſes Gaſt-
ſpiel werden bereits ab morgen Montag an den Tages-
caſſen und Verkaufsſtellen entgegengenommen. — Montag
den 2. October Abends findet die dritte Arbeiter-
vorſtellung
bei bedeutend ermäßigten Preiſen ſtatt;
zur Aufführung kommt „Der Meineidbauer“.
Für dieſe Vorſtellung iſt das Vorverkaufsrecht der Gründer
für ihre reſervirten Sitze aufgehoben.

— Jantſch-Theater.

Morgen Dienſtag iſt erſter
Opernabend.
Zur Aufführung kommt die beliebte
komiſche Oper „Der Waffenſchmied“ von Albert
Lortzing. In den Hauptparthien ſind beſchäftigt die Damen

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[9/0009] 219 Wien Dienſtag Reichspoſt 26. September 1899 Streiflichter. Ein Kaiſerwort und ſeine praktiſche An- wendung. Der Kaiſer hat anläßlich ſeiner Reiſe nach Tirol wiederholt die Katholiſchen Arbeitervereine, welche in Abordnungen und theilweiſe mit ihren Fahnen erſchienen ſind, mit Anreden ausgezeichnet. So informirte er ſich zum Beiſpiel beim Ob- mann des Katholiſchen Arbeiter- vereines in Franzensfeſte über den Mitgliederſtand und äußerte ſeine Freude, als er erfuhr, daß dieſem Vereine 115 Mitglieder, d. i. nahezu alle Arbeiter des Ortes, angehören. Seine Majeſtät fügte dem Hinweiſe auf die ſtramme katholiſche Geſinnung der Arbeiter noch die Worte hinzu: „Und recht patriotiſch ſind die katholiſchen Arbeiter auch!“ Die Judenpreſſe verzeichnet ſonſt mit Fleiß jeden Ausſpruch des Kaiſers, wenn er z. B. irgend einem jüdiſchen Fabrikanten oder Kaufmann bei einer Ausſtellung und Vorſtellung desſelben ein paar huldvoll-höfliche Worte ſagt, namentlich dann, wenn der betreffe de Kaufmann dafür — zahlt. Wir haben obigen Ausſpruch aber in einem Judenblatte bisher nicht geleſen. Nicht bloß ſtramm katholiſch, ſagte alſo der Kaiſer, ſondern „recht patriotiſch ſind die katholiſchen Arbeiter auch.“ Es iſt das nicht blos ein Ehrenzengniß für unſere chriſtlichen Arbeiter und Arbeitervereine, in welchen ſolche ſtramme katholiſche und kaiſertreue Arbeiter herangezogen werden, ſondern ein Hinweis ganz allgemeiner politiſcher Natur. Im Katholicismus liegt die Bürgſchaft auch für die Kaiſer- treue der Arbeiter und demgemäß auch nicht blos der Arbeiter, ſondern der ganzen Be- völkerung. Wenn wir die Elemente in Oeſterreich uns anſchauen, welche augenblicklich das ſchmach- volle Bild des Gegentheils von dynaſtiſcher Kaiſertreue darbieten, ſo wird man auch nicht Einen dieſer Sorte finden, der ſich auch nur ſelbſt als gut katholiſch bezeichnen würde. Iſt das nicht ein — Fingerzeig, nein, ein Wink mit dem Zaunpfahl? Und möchte man es in Oeſter- reich nicht doch einmal verſuchen, die Politik der Monarchie überhaupt auf erklärt chriſtliche, katholiſche Grundlage zu ſtellen? Was die Socialdemokratie am meiſten fürchtet. Schon die Eröffnung des geſtern in Brünn begonnenen Parteitages der öſter- reichiſchen Socialdemokratie bot ein intereſſantes Factum. Dr. Adler, das „geiſtige“ Haupt der öſterreichiſchen Socialdemokratie, und der führende „Geiſt“ der „Arbeiter-Zeitung“ referirte über die politiſche Lage. Während nach ihm ſelbſt zwei „Obergenoſſen“, nämlich Abg. Daszynski und Berner, es in ihrer Rede tadelten, daß die Socialdemokraten gegenüber dem Grafen Thun eine zu laue und lahme Taktik verfolgt hätten, erklärte Dr. Adler: „daß nach den letzten Nachrichten ein clericales Miniſterium bevorſtehe, einem ſolchen gegenüber werde die Socialdemokratie in die ſchärfſte Oppoſi- tion treten.“ Da haben wir’s: ſelbſt einem Miniſterium Thun ließ die Socialdemo- kratie eine auffällige Nachſicht und Duldung zu Theil werden, offenbar eben deshalb, weil es ein katholiſches Miniſterium nicht war und vor Allem, weil ſolange das Miniſterium Thun am Ruder war, die Juden Schonzeit hatten und der Antiſemitismus gegenüber dem nationalen Hader in den Hintergrund gedrängt wurde. Kaum aber erſcheint nur die Möglicheit eines chriſtlicher Politik zugeneigten Miniſteriums auf der Bildfläche, ſo wird die Socialdemokratie mobil, der Adler reckt die Flügel und die Juden der Partei- leitung werden oppoſitionsſcharf. Vorher ſo zahm, und lahm, daß man ſogar von der k. k. Social- demokratie zu ſprechen Anlaß hatte, ſind ſie auf einmal, kampfestoll. Man ſieht, was die Social- demokratie und ihre Juden am meiſten fürchten. Sollte darin nicht das Heil für Oeſterreich ge- legen ſein? Ein „köſtlicher“ Diamant. Die beiden Chefs einer Budapeſter Kürſchner- waaren-Firma ſind eben zu k. u. k. Hofkürſchnern und zu Hoflieferanten des Erzherzogs Joſef ernannt worden. Daran iſt nun nicht Beſonderes. Aber das „Köſtliche“ liegt darin, daß die beiden Brüder-Chefs auf den Namen „Diamant“ hören. Das iſt ſchon „intereſſanter.“ Noch intereſſanter aber iſt, daß, wie der „Peſter Lloyd“ wörtlich mittheilt, „aus dieſem Anlaſſe die Chefs der genannten Firma, die Herren Leon und Victor Diamant, ihren Familien- namen auf — Dán magyariſirt haben.“ Nun fragt es ſich, ob ſie den „Diamant“ vor der neuen Ernennung mit dem Dán ver- tauſcht haben (vielleicht auf einen höheren Wink hin) oder ob ſie es nachher thaten, da ſie ſelbſt einſahen, daß ſich „Diamant“ mit dem „k. und k.“ nicht gut vertrug? Die naheliegendſte Erklärung wird ſein, daß die beiden Chefs ihrer ungariſchen Nation damit eine Ehre anthun wollten; denn alſo ſchließt triumphirend der jüdiſche „Peſter Lloyd“ ſeine Reclamenotiz für den Juden Diamant: „Es geſchah zum erſten Male, daß Se. Majeſtät einen ungariſchen(!) Kürſchner zu ſeinem Hofkürſchner ernannt hat.“ Zu dem Ende mußte der Diamant freilich „ungariſch“ werden. So wurde der Diamant zum Dán. Nicht wahr, ein „köſtlicher“ Diamant? Tumnltſcenen bei einer Gehilfenwahl. Nachdem vor circa 1½ Jahren die Wahl des Gehilfen- ausſchuſſes der Kleinfuhrwerker-Genoſſenſchaft wegen ver- ſchiedener Wahlunregelmäßigkeiten ſeiiens der Behörde annu- lirt wurde, fand dieſelbe geſtern in der Volkshalle des neuen Rathhauſes neuerdings ſtatt. Die Gehilfenſchaft der Kleinfuhrwerker theilt ſich in zwei Gruppen, nämlich in „Unparteiiſche“ und in „Socialdemokraten“. Letztere gehören dem Fachverein der Kleinfuhrwerkskutſcher an. Beide Par- teien entwickelten eine überaus eifrige Agitation, denn eine jede hatte ihre eigenen Candidaten aufgeſtellt. Es kam ſchon vor Beginn des Wahlganges zu Reibereien wegen der allzu eifrigen Agitation des Fachvereines. Beim Wahlgange ſelbſt kam es mehrmals zu fürchterlichen Lärmſcenen, welche ſchließlich in einen großen Tumult ausarteten. Urſache des- ſelben war, daß die Mehrzahl der Wähler keine Wahllegi- timation hatten und einige von ihnen ſich dies dazu aus- nützten, mehrmals bei der Wahlurne ihre Stimme abzu- geben. Als dies vermuthet, bezw. conſtatirt wurde, legte ein Mitglied des Wahlcomité’s dagegen Verwahrung ein, wo- rauf der Tumult entſtand und ſich der gewerbebehördliche Vertreter Dr. Fuhrmann veranlaßt ſah, die Ver- ammlung aufzulöſen. Gewerbe. Großcapital gegen Kleingewerbe. Aus Amerika kam kürzlich die Nachricht, daß dort eine Geſellſchaft von Geldleuten in Bildung begriffen ſei, welche mit einem Capital von angeblich 100 Millionen Dollars überall in größeren und kleinen Städten kauf- männiſche Geſchäfte für Rechnung der Geſellſchaft be- gründen ſollte. Natürlich würden durch dieſes Vorgehen die bisher an den betreffenden Orten anſäſſigen ſelbſt- ſtändigen Firmen ſehr bald ebenſo zu Grunde gerichtet werden, wie die ſelbſtändigen Schlächter dort durch den Großſchlächterring. Aehnliches, wenn auch in kleinerem Maßſtabe, erleben wir, ſo ſchr eibt die Cor- reſpondenz des „B. d. L.“, ja bei uns in den mit ihren Polypenarmen überall hin vordringenden Waaren- häuſern und auch die kürzlich mit 3 Millionen Mark Paſſiven in Concurs gerathene Kleiderſtoff-Engrosfirma Iſidor Behrendt in Berlin bildete ein ſolches von der Großfinanz zum Verderben der ſelbſtändigen kleineren Kaufleute unterſtütztes Unternehmen. Nach dem „Deutſchen Gewerbe- und Handels-Blatt“ wurde der genannten Firma von verſchiedenen Banken ein Credit von 1 Million Mark und ſeitens ſeiner Lieferanten ein Credit von 1⅓ Million Mark eingeräumt. Mit dieſem Gelde errichtete Behrendt überall Filialen, im Ganzen circa 60 und in dieſen verkaufte er nun in „Reſter“ zerſchnitten die von ihm in großen Partien eingekauften Stoffe. Iſt in dieſem einen Fall nun auch die Gründung von nichts weniger als einwandfreien Detailgeſchäften, für die Finanzmächte und Fabrikanten die einem Manne Millionen zur Verfü- gung ſtellten, mißglückt, ſo wird doch der reelle Kaufmann- ſtand durch unzählige andere, wie Pilze aus der Erde ſchießende „Warenhäuſer“ und die Unzahl ihrer Filial- geſchäfte auf das ſchwerſte geſchädigt und vielfach in ſeiner Exiſtenz bedroht. Dieſem drohenden Unheil für den ſelbſtändigen, gewerblichen Mittelſtand kann nur durch eine kräftige Sonderbeſteuerung der Waren- häuſer und Filialgeſchäfte entgegengearbeitet werden, als deren geeign te Form ſich eine progreſſiv wirkende Umſatzſteuer empfiehlt. Gegen die amerikaniſche Fleiſchconcurrenz. Der „Deutſchen Tagesztg.“ zufolge will der Geſammt- vorſtand des deutſchen Fleiſcherverbandes demnächſt zu- ſammentreten, um ſich ſchlüſſig zu machen über die Ein- berufung eines gegen die amerikaniſche Concurrenz gerichteten europäiſchen Fleiſchercongreſſes. Weihe einer Genoſſenſchafts-Standarte. Die Genoſſenſchaft der conceſſionirten Gas- und Waſſerleitungs- Inſtallateure feierte geſtern das Feſt der Weihe der neuen prachtvollen Genoſſenſchafts-Standarte. Um 11 Uhr Vor- mittags bewegte ſich der feſtliche Zug in einer langen Reihe vom Rathhauſe zur Votivkirche. In der Kirche hatten ſich Bürgermeiſter Dr. Lueger und Landtags-Abgeordneter Profeſſor Sturm eingefunden. Die feierliche Weihe der Standarte nahm Prälat Marſchall unter zahlreicher geiſtlicher Aſſiſtenz vor. Abends fand im Curſalon der Stadt Wien ein Feſtabend mit Baukett ſtatt. Achtung. In Wien exiſtirt ein Verein zur Hebung der Gewerbe. Dieſer Verein hat ſeinen letzten Jahresbericht in 24 Exemplaren an das Präſidium der Wiener iſraelitiſchen Cultus- gemeinde entſendet, um die Vorſtehung über die Fortſchritte des jüdiſchen Gewerbeſtan des im Laufenden zu erhalten Wenn man alſo künftighin den Namen dieſes Vereines hören wird, wird man wiſſen, daß er eine jüdiſche Vereinigung iſt, die eine Förderung von chriſtlicher Seite nicht erfahren darf. Arbeiterbewegung. Der Generalſtreik der Bergarbeiter im Plauenſchen Kohlenrevier hat, wie aus Leipzig berichtet wird, mit einer vollſtändigen Niederlage der Arbeiter geendet. Sämmtliche Ausſtändige haben wegen Ausſichtsloſigkeit des Streiks heute die Arbeit wieder aufgenommen. Der Generalſtreik in Creuzot. Nach den letzteingelaufenen Nachrichten aus Le Creuzot hat eine Einigung zwiſchen dem Werksbeſitzer und den Streikenden noch nicht ſtattgefunden, da Erſterer ſich weigert, den Secretär des nicht zu den Bergwerken gehörigen Arbeiterſyndicates zu empfangen. Der Streik wird alſo fortgeſetzt. Kirche Staat und Schule. — Mſgr. Locatelli und Prinz Croy. Der Uditore der hieſigen Nuntiatur, Mſgr. Locatelli, welcher ſeit ungejähr ſieben Jahren hier fungirt, verläßt Wien im nächſten Monat. Er wird vom Papſte zum Inter-Nuntius ernannt werden. An ſeiner Stelle trifft aus Rom Prinz Ferdinand Croy hier ein, gegenwärtig dienſtthuender Geheimkämmerer des heil. Vaters in Rom. Prinz Croy, der neue Uditore, iſt ein Vetter der Erzherzogin Iſabella, Gemalin des Erzherzogs Friedrich. — Ordensjubiläen. Heute, 26. September, feiern drei Mitglieder des öſterreichiſchen Piariſten- Ordens das fünfzigjährige Jubiläum ihres Ein- trittes in den Orden. Es ſind dies der gegenwärtige Ordensprovincial P. Anton Brendler, zuletzt Religionsprofeſſor am Communal-Real- und Ober- gymnaſium im 2. Bezirke und als ſolcher penſionirt; der noch als Religionsprofeſſor am hieſigen Franz Joſephs-Gymnaſium in Activität ſtehende P. Karl Sonnberger und der penſionirte Militär-Akademie- Profeſſor Schulrath P. Andreas Rungger. Alle Drei wurden am 26. September 1849 in Krems als Novizen eingekleidet, ſind gebürtige Wiener und durch langjährige pädagogiſche Thätigkeit in den weiteſten Kreiſen bekannt. — Juſtallation. Am 21. d. M. wurde in Olmütz die Inſtallation des hochw. Herrn Reſidential- canonicus Ritter v. Mayer vom Domdechanten Prälaten Dr. Joſeph Hanel vorgenommen. — Todesfall. Am 21. d. M. verſchied der f.-e. geiſtl. Rath und Ehrencanonicus des Collegiat- ſtiftes Mattſee, Dechant Sebaſtian Rußegger. Derſelbe iſt zu Grödig am 23. Jänner 1826 geboren, Prieſter ſeit 18. Juli 1850. Seit October 1878 war er Dechant und Pfarrer von Thalgau. In dieſe Zeit fällt die Wirkſamkeit als Landtagsabgeordneter des Großgrundbeſitzes. 1884 ſchied er wieder aus dem Landtage. Ende 1893 reſignirte er in Folge von Kränklichkeit auf die Pfarre und zog in die Stadt. Das Leichenbegängniß fand am Samſtag um 3 Uhr Nachmittags ſtatt. Theater, Kunſt und Muſik. — Kaiſerjubiläums-Stadttheater. Morgen Dienſtag wird die Novität „Auguſt der Glückliche“ zum vierten Male mit Herrn Rauch in der Titelrolle gegeben und übermorgen Mittwoch geht als volksthümliche Claſſiker- vorſtellung Schiller’s „Turandot“ bei ermäßigten Preiſen in Scene. — Deutſches Volkstheater. Samſtag den 30. d. findet die erſte Aufführung des Wiener Schwankes „Der kleine Mann“ von C. Karlweis ſtatt. — Raimund Theater. Die nächſten Novitäten dieſer Bühne ſind: „Baron Mucki“, Schwank in drei Acten von Eugen Burg und Ernſt Grund, welcher Dienſtag in der bereits gemeldeten Beſetzung zum erſten Male in Scene geht. Hierauf folgt am Samſtag den 30. d. Anzengruber’s „Der Meineidbauer“ mit Carl Langkammer in der Titelrolle; die übrigen Hauptrollen haben die Damen Reingruber, Hetſey, Lichten, Anatour und die Herren Thaller, Straßmeyer, Balajthy, Lackner, Popp, Göſtl und Goßmann inne. In Vorbereitung iſt „Carriére“, Comödie in fünf Aufzügen von Abel Hermant mit Frl. Petri in der Hauptrolle. Frl. Adele Sandrock beginnt ihr „Hamlet“- Gaſtſpiel hereits am 7. October und wird dasſelbe am 9. und 10. October fortſetzen. Vormerkungen für dieſes Gaſt- ſpiel werden bereits ab morgen Montag an den Tages- caſſen und Verkaufsſtellen entgegengenommen. — Montag den 2. October Abends findet die dritte Arbeiter- vorſtellung bei bedeutend ermäßigten Preiſen ſtatt; zur Aufführung kommt „Der Meineidbauer“. Für dieſe Vorſtellung iſt das Vorverkaufsrecht der Gründer für ihre reſervirten Sitze aufgehoben. — Jantſch-Theater. Morgen Dienſtag iſt erſter Opernabend. Zur Aufführung kommt die beliebte komiſche Oper „Der Waffenſchmied“ von Albert Lortzing. In den Hauptparthien ſind beſchäftigt die Damen

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 219, Wien, 26.09.1899, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost219_1899/9>, abgerufen am 21.11.2024.