Reichspost. Nr. 219, Wien, 26.09.1899.219 Wien Dienstag Reichspost 26. September 1899 [Spaltenumbruch] Streiflichter. Ein Kaiserwort und seine praktische An- wendung. Der Kaiser hat anläßlich seiner Reise nach Was die Socialdemokratie am meisten fürchtet. Schon die Eröffnung des gestern in Brünn Ein "köstlicher" Diamant. Die beiden Chefs einer Budapester Kürschner- Tumnltscenen bei einer Gehilfenwahl. Nachdem vor circa 11/2 Jahren die Wahl des Gehilfen- Gewerbe. Großcapital gegen Kleingewerbe. Aus Gegen die amerikanische Fleischconcurrenz. Der "Deutschen Tagesztg." zufolge will der Gesammt- Weihe einer Genossenschafts-Standarte. Die Achtung. In Wien existirt ein Verein Arbeiterbewegung. Der Generalstreik der Bergarbeiter Der Generalstreik in Creuzot. Nach den Kirche Staat und Schule. -- Msgr. Locatelli und Prinz Croy. Der -- Ordensjubiläen. Heute, 26. September, -- Justallation. Am 21. d. M. wurde in -- Todesfall. Am 21. d. M. verschied der Theater, Kunst und Musik. -- Kaiserjubiläums-Stadttheater. Morgen Dienstag -- Deutsches Volkstheater. Samstag den 30. d. -- Raimund Theater. Die nächsten Novitäten dieser -- Jantsch-Theater. Morgen Dienstag ist erster 219 Wien Dienſtag Reichspoſt 26. September 1899 [Spaltenumbruch] Streiflichter. Ein Kaiſerwort und ſeine praktiſche An- wendung. Der Kaiſer hat anläßlich ſeiner Reiſe nach Was die Socialdemokratie am meiſten fürchtet. Schon die Eröffnung des geſtern in Brünn Ein „köſtlicher“ Diamant. Die beiden Chefs einer Budapeſter Kürſchner- Tumnltſcenen bei einer Gehilfenwahl. Nachdem vor circa 1½ Jahren die Wahl des Gehilfen- Gewerbe. Großcapital gegen Kleingewerbe. Aus Gegen die amerikaniſche Fleiſchconcurrenz. Der „Deutſchen Tagesztg.“ zufolge will der Geſammt- Weihe einer Genoſſenſchafts-Standarte. Die Achtung. In Wien exiſtirt ein Verein Arbeiterbewegung. Der Generalſtreik der Bergarbeiter Der Generalſtreik in Creuzot. Nach den Kirche Staat und Schule. — Mſgr. Locatelli und Prinz Croy. Der — Ordensjubiläen. Heute, 26. September, — Juſtallation. Am 21. d. M. wurde in — Todesfall. Am 21. d. M. verſchied der Theater, Kunſt und Muſik. — Kaiſerjubiläums-Stadttheater. Morgen Dienſtag — Deutſches Volkstheater. Samſtag den 30. d. — Raimund Theater. Die nächſten Novitäten dieſer — Jantſch-Theater. Morgen Dienſtag iſt erſter <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="9"/> <fw place="top" type="header">219 Wien Dienſtag Reichspoſt 26. September 1899</fw><lb/> <cb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Streiflichter.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ein Kaiſerwort und ſeine praktiſche An-<lb/> wendung.</hi> </head><lb/> <p>Der Kaiſer hat anläßlich ſeiner Reiſe nach<lb/> Tirol wiederholt die Katholiſchen Arbeitervereine,<lb/> welche in Abordnungen und theilweiſe mit ihren<lb/> Fahnen erſchienen ſind, mit Anreden ausgezeichnet.<lb/> So informirte er ſich zum Beiſpiel beim Ob-<lb/> mann des <hi rendition="#g">Katholiſchen Arbeiter-<lb/> vereines in Franzensfeſte</hi> über den<lb/> Mitgliederſtand und äußerte ſeine Freude, als er<lb/> erfuhr, daß dieſem Vereine 115 Mitglieder, d. i.<lb/> nahezu alle Arbeiter des Ortes, angehören. Seine<lb/> Majeſtät fügte dem Hinweiſe auf die ſtramme<lb/> katholiſche Geſinnung der Arbeiter noch die Worte<lb/> hinzu: <hi rendition="#g">„Und recht patriotiſch ſind<lb/> die katholiſchen Arbeiter auch!“</hi><lb/> Die Judenpreſſe verzeichnet ſonſt mit Fleiß jeden<lb/> Ausſpruch des Kaiſers, wenn er z. B. irgend einem<lb/> jüdiſchen Fabrikanten oder Kaufmann bei einer<lb/> Ausſtellung und Vorſtellung desſelben ein paar<lb/> huldvoll-höfliche Worte ſagt, namentlich dann,<lb/> wenn der betreffe de Kaufmann dafür —<lb/><hi rendition="#g">zahlt.</hi> Wir haben obigen Ausſpruch aber<lb/> in einem Judenblatte bisher nicht geleſen.<lb/> Nicht bloß ſtramm katholiſch, ſagte alſo<lb/> der Kaiſer, ſondern „recht patriotiſch ſind die<lb/> katholiſchen Arbeiter auch.“ Es iſt das nicht blos<lb/> ein Ehrenzengniß für unſere chriſtlichen Arbeiter<lb/> und Arbeitervereine, in welchen ſolche ſtramme<lb/> katholiſche und kaiſertreue Arbeiter herangezogen<lb/> werden, ſondern ein Hinweis ganz allgemeiner<lb/> politiſcher Natur. Im <hi rendition="#g">Katholicismus</hi><lb/> liegt die Bürgſchaft auch für die <hi rendition="#g">Kaiſer-<lb/> treue</hi> der Arbeiter und demgemäß auch nicht<lb/><hi rendition="#g">blos</hi> der Arbeiter, ſondern der ganzen Be-<lb/> völkerung. Wenn wir <hi rendition="#g">die</hi> Elemente in Oeſterreich<lb/> uns anſchauen, welche augenblicklich das ſchmach-<lb/> volle Bild des Gegentheils von dynaſtiſcher<lb/> Kaiſertreue darbieten, ſo wird man auch<lb/><hi rendition="#g">nicht Einen</hi> dieſer Sorte finden, der ſich auch<lb/> nur ſelbſt als gut katholiſch bezeichnen würde. Iſt<lb/> das nicht ein — Fingerzeig, nein, ein Wink mit<lb/> dem Zaunpfahl? Und möchte man es in Oeſter-<lb/> reich nicht doch einmal verſuchen, <hi rendition="#g">die Politik</hi><lb/> der Monarchie <hi rendition="#g">überhaupt</hi> auf erklärt<lb/><hi rendition="#g">chriſtliche, katholiſche Grundlage</hi><lb/> zu ſtellen?</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Was die Socialdemokratie am meiſten<lb/> fürchtet.</hi> </head><lb/> <p>Schon die Eröffnung des geſtern in Brünn<lb/> begonnenen <hi rendition="#g">Parteitages der öſter-<lb/> reichiſchen Socialdemokratie</hi> bot<lb/> ein intereſſantes Factum. Dr. Adler, das „geiſtige“<lb/> Haupt der öſterreichiſchen Socialdemokratie, und<lb/> der führende „Geiſt“ der „Arbeiter-Zeitung“<lb/> referirte über die politiſche Lage. Während nach<lb/> ihm ſelbſt zwei „Obergenoſſen“, nämlich Abg.<lb/> Daszynski und Berner, es in ihrer Rede tadelten,<lb/> daß die Socialdemokraten gegenüber dem Grafen<lb/> Thun eine zu laue und lahme Taktik verfolgt<lb/> hätten, erklärte Dr. Adler: „daß nach den letzten<lb/> Nachrichten ein <hi rendition="#g">clericales Miniſterium</hi><lb/> bevorſtehe, einem ſolchen gegenüber werde die<lb/> Socialdemokratie in die <hi rendition="#g">ſchärfſte Oppoſi-<lb/> tion</hi> treten.“ Da haben wir’s: ſelbſt<lb/> einem Miniſterium Thun ließ die Socialdemo-<lb/> kratie eine auffällige Nachſicht und Duldung<lb/> zu Theil werden, offenbar eben deshalb, weil es<lb/> ein katholiſches Miniſterium nicht war und vor<lb/> Allem, weil ſolange das Miniſterium Thun am<lb/> Ruder war, die <hi rendition="#g">Juden Schonzeit</hi> hatten<lb/> und der Antiſemitismus gegenüber dem nationalen<lb/> Hader in den Hintergrund gedrängt wurde.<lb/> Kaum aber erſcheint nur die Möglicheit eines<lb/> chriſtlicher Politik zugeneigten Miniſteriums auf<lb/> der Bildfläche, ſo wird die Socialdemokratie mobil,<lb/> der Adler reckt die Flügel und die Juden der Partei-<lb/> leitung werden oppoſitionsſcharf. Vorher ſo zahm,<lb/> und lahm, daß man ſogar von der k. k. Social-<lb/> demokratie zu ſprechen Anlaß hatte, ſind ſie auf<lb/> einmal, kampfestoll. Man ſieht, <hi rendition="#g">was</hi> die Social-<lb/> demokratie und ihre Juden am meiſten fürchten.<lb/> Sollte <hi rendition="#g">darin</hi> nicht das Heil für Oeſterreich ge-<lb/> legen ſein?</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ein „köſtlicher“ Diamant.</hi> </head><lb/> <p>Die beiden Chefs einer Budapeſter Kürſchner-<lb/> waaren-Firma ſind eben zu k. u. k. Hofkürſchnern<lb/> und zu Hoflieferanten des Erzherzogs Joſef ernannt<lb/> worden. Daran iſt nun nicht Beſonderes. Aber<lb/> das „Köſtliche“ liegt darin, daß die beiden<lb/><cb/> Brüder-Chefs auf den Namen <hi rendition="#g">„Diamant“</hi><lb/> hören. Das iſt ſchon „intereſſanter.“ Noch<lb/> intereſſanter aber iſt, daß, wie der „Peſter Lloyd“<lb/> wörtlich mittheilt, „<hi rendition="#g">aus dieſem Anlaſſe</hi><lb/> die Chefs der genannten Firma, die Herren<lb/> Leon und Victor Diamant, ihren Familien-<lb/> namen auf — <hi rendition="#g">D<hi rendition="#aq">á</hi>n</hi> magyariſirt haben.“ Nun<lb/> fragt es ſich, ob ſie den „Diamant“<lb/><hi rendition="#g">vor</hi> der neuen Ernennung mit dem D<hi rendition="#aq">á</hi>n ver-<lb/> tauſcht haben (vielleicht auf einen höheren Wink<lb/> hin) oder ob ſie es <hi rendition="#g">nachher</hi> thaten, da ſie<lb/> ſelbſt einſahen, daß ſich „Diamant“ mit dem<lb/> „k. und k.“ nicht gut vertrug? Die naheliegendſte<lb/> Erklärung wird ſein, daß die beiden Chefs ihrer<lb/><hi rendition="#g">ungariſchen</hi> Nation damit eine Ehre anthun<lb/> wollten; denn alſo ſchließt triumphirend der jüdiſche<lb/> „Peſter Lloyd“ ſeine Reclamenotiz für den Juden<lb/> Diamant: „Es geſchah zum erſten Male, daß<lb/> Se. Majeſtät einen <hi rendition="#g">ungariſchen(!)</hi> Kürſchner<lb/> zu ſeinem Hofkürſchner ernannt hat.“ Zu dem<lb/> Ende mußte der Diamant freilich „ungariſch“<lb/><hi rendition="#g">werden. So</hi> wurde der Diamant zum D<hi rendition="#aq">á</hi>n.<lb/> Nicht wahr, ein „köſtlicher“ Diamant?</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Tumnltſcenen bei einer Gehilfenwahl.</hi> </head><lb/> <p>Nachdem vor circa 1½ Jahren die Wahl des Gehilfen-<lb/> ausſchuſſes der Kleinfuhrwerker-Genoſſenſchaft wegen ver-<lb/> ſchiedener Wahlunregelmäßigkeiten ſeiiens der Behörde annu-<lb/> lirt wurde, fand dieſelbe geſtern in der Volkshalle des<lb/> neuen Rathhauſes neuerdings ſtatt. Die Gehilfenſchaft der<lb/> Kleinfuhrwerker theilt ſich in zwei Gruppen, nämlich in<lb/> „Unparteiiſche“ und in „Socialdemokraten“. Letztere gehören<lb/> dem Fachverein der Kleinfuhrwerkskutſcher an. Beide Par-<lb/> teien entwickelten eine überaus eifrige Agitation, denn eine<lb/> jede hatte ihre eigenen Candidaten aufgeſtellt. Es kam ſchon<lb/> vor Beginn des Wahlganges zu Reibereien wegen der allzu<lb/> eifrigen Agitation des Fachvereines. Beim Wahlgange ſelbſt<lb/> kam es mehrmals zu fürchterlichen Lärmſcenen, welche<lb/> ſchließlich in einen großen Tumult ausarteten. Urſache des-<lb/> ſelben war, daß die Mehrzahl der Wähler keine Wahllegi-<lb/> timation hatten und einige von ihnen ſich dies dazu aus-<lb/> nützten, mehrmals bei der Wahlurne ihre Stimme abzu-<lb/> geben. Als dies vermuthet, bezw. conſtatirt wurde, legte ein<lb/> Mitglied des Wahlcomité’s dagegen Verwahrung ein, wo-<lb/> rauf der Tumult entſtand und ſich der gewerbebehördliche<lb/> Vertreter Dr. <hi rendition="#g">Fuhrmann</hi> veranlaßt ſah, die Ver-<lb/> ammlung <hi rendition="#g">aufzulöſen.</hi> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFinancialNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Gewerbe.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großcapital gegen Kleingewerbe.</hi> </head> <p>Aus<lb/> Amerika kam kürzlich die Nachricht, daß dort eine<lb/> Geſellſchaft von Geldleuten in Bildung begriffen ſei,<lb/> welche mit einem Capital von angeblich 100 Millionen<lb/> Dollars überall in größeren und kleinen Städten kauf-<lb/> männiſche Geſchäfte für Rechnung der Geſellſchaft be-<lb/> gründen ſollte. Natürlich würden durch dieſes Vorgehen<lb/> die bisher an den betreffenden Orten anſäſſigen ſelbſt-<lb/> ſtändigen Firmen ſehr bald ebenſo zu Grunde gerichtet<lb/> werden, wie die ſelbſtändigen Schlächter dort durch<lb/> den Großſchlächterring. Aehnliches, wenn auch in<lb/> kleinerem Maßſtabe, erleben wir, ſo ſchr eibt die Cor-<lb/> reſpondenz des „B. d. L.“, ja bei uns in den mit<lb/> ihren Polypenarmen überall hin vordringenden Waaren-<lb/> häuſern und auch die kürzlich mit 3 Millionen Mark<lb/> Paſſiven in Concurs gerathene Kleiderſtoff-Engrosfirma<lb/> Iſidor Behrendt in Berlin bildete ein ſolches von der<lb/> Großfinanz zum Verderben der ſelbſtändigen kleineren<lb/> Kaufleute unterſtütztes Unternehmen. Nach dem<lb/> „Deutſchen Gewerbe- und Handels-Blatt“ wurde<lb/> der genannten Firma von verſchiedenen Banken ein<lb/> Credit von 1 Million Mark und ſeitens ſeiner<lb/> Lieferanten ein Credit von 1⅓ Million Mark<lb/> eingeräumt. Mit dieſem Gelde errichtete <hi rendition="#g">Behrendt</hi><lb/> überall Filialen, im Ganzen circa 60 und in dieſen<lb/> verkaufte er nun in „Reſter“ zerſchnitten die von ihm<lb/> in großen Partien eingekauften Stoffe. Iſt in dieſem<lb/> einen Fall nun auch die Gründung von nichts weniger<lb/> als einwandfreien Detailgeſchäften, für die Finanzmächte<lb/> und Fabrikanten die einem Manne Millionen zur Verfü-<lb/> gung ſtellten, mißglückt, ſo wird doch der reelle Kaufmann-<lb/> ſtand durch unzählige andere, wie Pilze aus der Erde<lb/> ſchießende „Warenhäuſer“ und die Unzahl ihrer Filial-<lb/> geſchäfte auf das ſchwerſte geſchädigt und vielfach in<lb/> ſeiner Exiſtenz bedroht. Dieſem drohenden Unheil für<lb/> den ſelbſtändigen, gewerblichen Mittelſtand kann nur<lb/> durch eine kräftige Sonderbeſteuerung der Waren-<lb/> häuſer und Filialgeſchäfte entgegengearbeitet werden,<lb/> als deren geeign te Form ſich eine progreſſiv wirkende<lb/> Umſatzſteuer empfiehlt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Gegen die amerikaniſche Fleiſchconcurrenz.</hi> </head><lb/> <p>Der „Deutſchen Tagesztg.“ zufolge will der Geſammt-<lb/> vorſtand des deutſchen Fleiſcherverbandes demnächſt zu-<lb/> ſammentreten, um ſich ſchlüſſig zu machen über die Ein-<lb/> berufung eines <hi rendition="#g">gegen</hi> die <hi rendition="#g">amerikaniſche<lb/> Concurrenz</hi> gerichteten <hi rendition="#g">europäiſchen<lb/> Fleiſchercongreſſes.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Weihe einer Genoſſenſchafts-Standarte.</hi> </head> <p>Die<lb/> Genoſſenſchaft der conceſſionirten Gas- und Waſſerleitungs-<lb/> Inſtallateure feierte geſtern das Feſt der Weihe der neuen<lb/> prachtvollen Genoſſenſchafts-Standarte. Um 11 Uhr Vor-<lb/> mittags bewegte ſich der feſtliche Zug in einer langen Reihe<lb/> vom Rathhauſe zur Votivkirche. In der Kirche hatten ſich<lb/> Bürgermeiſter Dr. <hi rendition="#g">Lueger</hi> und Landtags-Abgeordneter<lb/> Profeſſor <hi rendition="#g">Sturm</hi> eingefunden. Die feierliche Weihe der<lb/> Standarte nahm Prälat <hi rendition="#g">Marſchall</hi> unter zahlreicher<lb/><cb/> geiſtlicher Aſſiſtenz vor. Abends fand im Curſalon der<lb/> Stadt Wien ein Feſtabend mit Baukett ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Achtung.</hi> </head> <p>In Wien exiſtirt ein <hi rendition="#g">Verein<lb/> zur Hebung der Gewerbe.</hi> Dieſer Verein<lb/> hat ſeinen letzten Jahresbericht in 24 Exemplaren an<lb/> das Präſidium der Wiener iſraelitiſchen Cultus-<lb/> gemeinde entſendet, um die Vorſtehung über die<lb/> Fortſchritte des <hi rendition="#g">jüdiſchen Gewerbeſtan des</hi><lb/> im Laufenden zu erhalten Wenn man alſo künftighin<lb/> den Namen dieſes Vereines hören wird, wird man<lb/> wiſſen, daß er eine jüdiſche Vereinigung iſt, die eine<lb/> Förderung von chriſtlicher Seite nicht erfahren darf.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Arbeiterbewegung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#b">Der Generalſtreik der Bergarbeiter</hi><lb/> im Plauenſchen Kohlenrevier hat, wie aus<lb/> Leipzig berichtet wird, mit einer vollſtändigen<lb/> Niederlage der Arbeiter geendet. Sämmtliche<lb/> Ausſtändige haben wegen Ausſichtsloſigkeit des<lb/> Streiks heute die Arbeit wieder aufgenommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#b">Der Generalſtreik in Creuzot.</hi> Nach den<lb/> letzteingelaufenen Nachrichten aus Le Creuzot hat eine<lb/> Einigung zwiſchen dem Werksbeſitzer und den<lb/> Streikenden noch nicht ſtattgefunden, da Erſterer ſich<lb/> weigert, den Secretär des nicht zu den Bergwerken<lb/> gehörigen Arbeiterſyndicates zu empfangen. Der<lb/> Streik wird alſo fortgeſetzt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Kirche Staat und Schule.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Mſgr. Locatelli und Prinz Croy.</hi> </head> <p>Der<lb/> Uditore der hieſigen Nuntiatur, Mſgr. <hi rendition="#g">Locatelli,</hi><lb/> welcher ſeit ungejähr ſieben Jahren hier fungirt, verläßt<lb/> Wien im nächſten Monat. Er wird vom Papſte zum<lb/><hi rendition="#g">Inter-Nuntius</hi> ernannt werden. An ſeiner<lb/> Stelle trifft aus Rom Prinz Ferdinand <hi rendition="#g">Croy</hi> hier<lb/> ein, gegenwärtig dienſtthuender Geheimkämmerer des<lb/> heil. Vaters in Rom. Prinz Croy, der neue Uditore,<lb/> iſt ein Vetter der Erzherzogin <hi rendition="#g">Iſabella,</hi> Gemalin<lb/> des Erzherzogs Friedrich.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Ordensjubiläen.</hi> </head> <p>Heute, 26. September,<lb/> feiern drei Mitglieder des öſterreichiſchen <hi rendition="#g">Piariſten-<lb/> Ordens</hi> das fünfzigjährige Jubiläum ihres Ein-<lb/> trittes in den Orden. Es ſind dies der gegenwärtige<lb/> Ordensprovincial <hi rendition="#aq">P.</hi> Anton <hi rendition="#g">Brendler,</hi> zuletzt<lb/> Religionsprofeſſor am Communal-Real- und Ober-<lb/> gymnaſium im 2. Bezirke und als ſolcher penſionirt;<lb/> der noch als Religionsprofeſſor am hieſigen Franz<lb/> Joſephs-Gymnaſium in Activität ſtehende <hi rendition="#aq">P.</hi> Karl<lb/><hi rendition="#g">Sonnberger</hi> und der penſionirte Militär-Akademie-<lb/> Profeſſor Schulrath <hi rendition="#aq">P.</hi> Andreas <hi rendition="#g">Rungger.</hi> Alle<lb/> Drei wurden am 26. September 1849 in Krems als<lb/> Novizen eingekleidet, ſind gebürtige Wiener und durch<lb/> langjährige pädagogiſche Thätigkeit in den weiteſten<lb/> Kreiſen bekannt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Juſtallation.</hi> </head> <p>Am 21. d. M. wurde in<lb/> Olmütz die Inſtallation des hochw. Herrn Reſidential-<lb/> canonicus Ritter v. <hi rendition="#g">Mayer</hi> vom Domdechanten<lb/> Prälaten Dr. Joſeph <hi rendition="#g">Hanel</hi> vorgenommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Todesfall.</hi> </head> <p>Am 21. d. M. verſchied der<lb/> f.-e. geiſtl. Rath und Ehrencanonicus des Collegiat-<lb/> ſtiftes <hi rendition="#g">Mattſee,</hi> Dechant Sebaſtian <hi rendition="#g">Rußegger.</hi><lb/> Derſelbe iſt zu Grödig am 23. Jänner 1826 geboren,<lb/> Prieſter ſeit 18. Juli 1850. Seit October 1878 war<lb/> er Dechant und Pfarrer von Thalgau. In dieſe<lb/> Zeit fällt die Wirkſamkeit als Landtagsabgeordneter<lb/> des Großgrundbeſitzes. 1884 ſchied er wieder aus<lb/> dem Landtage. Ende 1893 reſignirte er in Folge<lb/> von Kränklichkeit auf die Pfarre und zog in die<lb/> Stadt. Das Leichenbegängniß fand am Samſtag um<lb/> 3 Uhr Nachmittags ſtatt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jCulturalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Theater, Kunſt und Muſik.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Kaiſerjubiläums-Stadttheater.</hi> </head> <p>Morgen Dienſtag<lb/> wird die Novität <hi rendition="#g">„Auguſt der Glückliche“</hi> zum<lb/> vierten Male mit Herrn <hi rendition="#g">Rauch</hi> in der Titelrolle gegebe<supplied>n</supplied><lb/> und übermorgen Mittwoch geht als volksthümliche Claſſiker-<lb/> vorſtellung Schiller’s <hi rendition="#g">„Turandot“</hi> bei ermäßigten<lb/> Preiſen in Scene.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Deutſches Volkstheater.</hi> </head> <p>Samſtag den 30. d.<lb/> findet die <hi rendition="#g">erſte</hi> Aufführung des Wiener Schwankes <hi rendition="#g">„Der<lb/> kleine Mann“</hi> von C. <hi rendition="#g">Karlweis</hi> ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Raimund Theater.</hi> </head> <p>Die nächſten Novitäten dieſer<lb/> Bühne ſind: <hi rendition="#g">„Baron Mucki“,</hi> Schwank in drei Acten<lb/> von Eugen Burg und Ernſt Grund, welcher Dienſtag in<lb/> der bereits gemeldeten Beſetzung zum erſten Male in Scene<lb/> geht. Hierauf folgt am Samſtag den 30. d. Anzengruber’s<lb/><hi rendition="#g">„Der Meineidbauer“</hi> mit Carl Langkammer in<lb/> der Titelrolle; die übrigen Hauptrollen haben die Damen<lb/> Reingruber, Hetſey, Lichten, Anatour und die Herren Thaller,<lb/> Straßmeyer, Balajthy, Lackner, Popp, Göſtl und Goßmann<lb/> inne. In Vorbereitung iſt <hi rendition="#g">„Carriére“,</hi> Comödie in<lb/> fünf Aufzügen von Abel Hermant mit Frl. Petri in der<lb/> Hauptrolle. Frl. Adele <hi rendition="#g">Sandrock</hi> beginnt ihr „Hamlet“-<lb/> Gaſtſpiel hereits am 7. October und wird dasſelbe am 9.<lb/> und 10. October fortſetzen. Vormerkungen für dieſes Gaſt-<lb/> ſpiel werden bereits ab morgen Montag an den Tages-<lb/> caſſen und Verkaufsſtellen entgegengenommen. — Montag<lb/> den 2. October Abends findet die <hi rendition="#g">dritte Arbeiter-<lb/> vorſtellung</hi> bei bedeutend ermäßigten Preiſen ſtatt;<lb/> zur Aufführung kommt <hi rendition="#g">„Der Meineidbauer“.</hi><lb/> Für dieſe Vorſtellung iſt das Vorverkaufsrecht der Gründer<lb/> für ihre reſervirten Sitze aufgehoben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Jantſch-Theater.</hi> </head> <p>Morgen Dienſtag iſt <hi rendition="#g">erſter<lb/> Opernabend.</hi> Zur Aufführung kommt die beliebte<lb/> komiſche Oper <hi rendition="#g">„Der Waffenſchmied“</hi> von Albert<lb/> Lortzing. In den Hauptparthien ſind beſchäftigt die Damen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
219 Wien Dienſtag Reichspoſt 26. September 1899
Streiflichter.
Ein Kaiſerwort und ſeine praktiſche An-
wendung.
Der Kaiſer hat anläßlich ſeiner Reiſe nach
Tirol wiederholt die Katholiſchen Arbeitervereine,
welche in Abordnungen und theilweiſe mit ihren
Fahnen erſchienen ſind, mit Anreden ausgezeichnet.
So informirte er ſich zum Beiſpiel beim Ob-
mann des Katholiſchen Arbeiter-
vereines in Franzensfeſte über den
Mitgliederſtand und äußerte ſeine Freude, als er
erfuhr, daß dieſem Vereine 115 Mitglieder, d. i.
nahezu alle Arbeiter des Ortes, angehören. Seine
Majeſtät fügte dem Hinweiſe auf die ſtramme
katholiſche Geſinnung der Arbeiter noch die Worte
hinzu: „Und recht patriotiſch ſind
die katholiſchen Arbeiter auch!“
Die Judenpreſſe verzeichnet ſonſt mit Fleiß jeden
Ausſpruch des Kaiſers, wenn er z. B. irgend einem
jüdiſchen Fabrikanten oder Kaufmann bei einer
Ausſtellung und Vorſtellung desſelben ein paar
huldvoll-höfliche Worte ſagt, namentlich dann,
wenn der betreffe de Kaufmann dafür —
zahlt. Wir haben obigen Ausſpruch aber
in einem Judenblatte bisher nicht geleſen.
Nicht bloß ſtramm katholiſch, ſagte alſo
der Kaiſer, ſondern „recht patriotiſch ſind die
katholiſchen Arbeiter auch.“ Es iſt das nicht blos
ein Ehrenzengniß für unſere chriſtlichen Arbeiter
und Arbeitervereine, in welchen ſolche ſtramme
katholiſche und kaiſertreue Arbeiter herangezogen
werden, ſondern ein Hinweis ganz allgemeiner
politiſcher Natur. Im Katholicismus
liegt die Bürgſchaft auch für die Kaiſer-
treue der Arbeiter und demgemäß auch nicht
blos der Arbeiter, ſondern der ganzen Be-
völkerung. Wenn wir die Elemente in Oeſterreich
uns anſchauen, welche augenblicklich das ſchmach-
volle Bild des Gegentheils von dynaſtiſcher
Kaiſertreue darbieten, ſo wird man auch
nicht Einen dieſer Sorte finden, der ſich auch
nur ſelbſt als gut katholiſch bezeichnen würde. Iſt
das nicht ein — Fingerzeig, nein, ein Wink mit
dem Zaunpfahl? Und möchte man es in Oeſter-
reich nicht doch einmal verſuchen, die Politik
der Monarchie überhaupt auf erklärt
chriſtliche, katholiſche Grundlage
zu ſtellen?
Was die Socialdemokratie am meiſten
fürchtet.
Schon die Eröffnung des geſtern in Brünn
begonnenen Parteitages der öſter-
reichiſchen Socialdemokratie bot
ein intereſſantes Factum. Dr. Adler, das „geiſtige“
Haupt der öſterreichiſchen Socialdemokratie, und
der führende „Geiſt“ der „Arbeiter-Zeitung“
referirte über die politiſche Lage. Während nach
ihm ſelbſt zwei „Obergenoſſen“, nämlich Abg.
Daszynski und Berner, es in ihrer Rede tadelten,
daß die Socialdemokraten gegenüber dem Grafen
Thun eine zu laue und lahme Taktik verfolgt
hätten, erklärte Dr. Adler: „daß nach den letzten
Nachrichten ein clericales Miniſterium
bevorſtehe, einem ſolchen gegenüber werde die
Socialdemokratie in die ſchärfſte Oppoſi-
tion treten.“ Da haben wir’s: ſelbſt
einem Miniſterium Thun ließ die Socialdemo-
kratie eine auffällige Nachſicht und Duldung
zu Theil werden, offenbar eben deshalb, weil es
ein katholiſches Miniſterium nicht war und vor
Allem, weil ſolange das Miniſterium Thun am
Ruder war, die Juden Schonzeit hatten
und der Antiſemitismus gegenüber dem nationalen
Hader in den Hintergrund gedrängt wurde.
Kaum aber erſcheint nur die Möglicheit eines
chriſtlicher Politik zugeneigten Miniſteriums auf
der Bildfläche, ſo wird die Socialdemokratie mobil,
der Adler reckt die Flügel und die Juden der Partei-
leitung werden oppoſitionsſcharf. Vorher ſo zahm,
und lahm, daß man ſogar von der k. k. Social-
demokratie zu ſprechen Anlaß hatte, ſind ſie auf
einmal, kampfestoll. Man ſieht, was die Social-
demokratie und ihre Juden am meiſten fürchten.
Sollte darin nicht das Heil für Oeſterreich ge-
legen ſein?
Ein „köſtlicher“ Diamant.
Die beiden Chefs einer Budapeſter Kürſchner-
waaren-Firma ſind eben zu k. u. k. Hofkürſchnern
und zu Hoflieferanten des Erzherzogs Joſef ernannt
worden. Daran iſt nun nicht Beſonderes. Aber
das „Köſtliche“ liegt darin, daß die beiden
Brüder-Chefs auf den Namen „Diamant“
hören. Das iſt ſchon „intereſſanter.“ Noch
intereſſanter aber iſt, daß, wie der „Peſter Lloyd“
wörtlich mittheilt, „aus dieſem Anlaſſe
die Chefs der genannten Firma, die Herren
Leon und Victor Diamant, ihren Familien-
namen auf — Dán magyariſirt haben.“ Nun
fragt es ſich, ob ſie den „Diamant“
vor der neuen Ernennung mit dem Dán ver-
tauſcht haben (vielleicht auf einen höheren Wink
hin) oder ob ſie es nachher thaten, da ſie
ſelbſt einſahen, daß ſich „Diamant“ mit dem
„k. und k.“ nicht gut vertrug? Die naheliegendſte
Erklärung wird ſein, daß die beiden Chefs ihrer
ungariſchen Nation damit eine Ehre anthun
wollten; denn alſo ſchließt triumphirend der jüdiſche
„Peſter Lloyd“ ſeine Reclamenotiz für den Juden
Diamant: „Es geſchah zum erſten Male, daß
Se. Majeſtät einen ungariſchen(!) Kürſchner
zu ſeinem Hofkürſchner ernannt hat.“ Zu dem
Ende mußte der Diamant freilich „ungariſch“
werden. So wurde der Diamant zum Dán.
Nicht wahr, ein „köſtlicher“ Diamant?
Tumnltſcenen bei einer Gehilfenwahl.
Nachdem vor circa 1½ Jahren die Wahl des Gehilfen-
ausſchuſſes der Kleinfuhrwerker-Genoſſenſchaft wegen ver-
ſchiedener Wahlunregelmäßigkeiten ſeiiens der Behörde annu-
lirt wurde, fand dieſelbe geſtern in der Volkshalle des
neuen Rathhauſes neuerdings ſtatt. Die Gehilfenſchaft der
Kleinfuhrwerker theilt ſich in zwei Gruppen, nämlich in
„Unparteiiſche“ und in „Socialdemokraten“. Letztere gehören
dem Fachverein der Kleinfuhrwerkskutſcher an. Beide Par-
teien entwickelten eine überaus eifrige Agitation, denn eine
jede hatte ihre eigenen Candidaten aufgeſtellt. Es kam ſchon
vor Beginn des Wahlganges zu Reibereien wegen der allzu
eifrigen Agitation des Fachvereines. Beim Wahlgange ſelbſt
kam es mehrmals zu fürchterlichen Lärmſcenen, welche
ſchließlich in einen großen Tumult ausarteten. Urſache des-
ſelben war, daß die Mehrzahl der Wähler keine Wahllegi-
timation hatten und einige von ihnen ſich dies dazu aus-
nützten, mehrmals bei der Wahlurne ihre Stimme abzu-
geben. Als dies vermuthet, bezw. conſtatirt wurde, legte ein
Mitglied des Wahlcomité’s dagegen Verwahrung ein, wo-
rauf der Tumult entſtand und ſich der gewerbebehördliche
Vertreter Dr. Fuhrmann veranlaßt ſah, die Ver-
ammlung aufzulöſen.
Gewerbe.
Großcapital gegen Kleingewerbe. Aus
Amerika kam kürzlich die Nachricht, daß dort eine
Geſellſchaft von Geldleuten in Bildung begriffen ſei,
welche mit einem Capital von angeblich 100 Millionen
Dollars überall in größeren und kleinen Städten kauf-
männiſche Geſchäfte für Rechnung der Geſellſchaft be-
gründen ſollte. Natürlich würden durch dieſes Vorgehen
die bisher an den betreffenden Orten anſäſſigen ſelbſt-
ſtändigen Firmen ſehr bald ebenſo zu Grunde gerichtet
werden, wie die ſelbſtändigen Schlächter dort durch
den Großſchlächterring. Aehnliches, wenn auch in
kleinerem Maßſtabe, erleben wir, ſo ſchr eibt die Cor-
reſpondenz des „B. d. L.“, ja bei uns in den mit
ihren Polypenarmen überall hin vordringenden Waaren-
häuſern und auch die kürzlich mit 3 Millionen Mark
Paſſiven in Concurs gerathene Kleiderſtoff-Engrosfirma
Iſidor Behrendt in Berlin bildete ein ſolches von der
Großfinanz zum Verderben der ſelbſtändigen kleineren
Kaufleute unterſtütztes Unternehmen. Nach dem
„Deutſchen Gewerbe- und Handels-Blatt“ wurde
der genannten Firma von verſchiedenen Banken ein
Credit von 1 Million Mark und ſeitens ſeiner
Lieferanten ein Credit von 1⅓ Million Mark
eingeräumt. Mit dieſem Gelde errichtete Behrendt
überall Filialen, im Ganzen circa 60 und in dieſen
verkaufte er nun in „Reſter“ zerſchnitten die von ihm
in großen Partien eingekauften Stoffe. Iſt in dieſem
einen Fall nun auch die Gründung von nichts weniger
als einwandfreien Detailgeſchäften, für die Finanzmächte
und Fabrikanten die einem Manne Millionen zur Verfü-
gung ſtellten, mißglückt, ſo wird doch der reelle Kaufmann-
ſtand durch unzählige andere, wie Pilze aus der Erde
ſchießende „Warenhäuſer“ und die Unzahl ihrer Filial-
geſchäfte auf das ſchwerſte geſchädigt und vielfach in
ſeiner Exiſtenz bedroht. Dieſem drohenden Unheil für
den ſelbſtändigen, gewerblichen Mittelſtand kann nur
durch eine kräftige Sonderbeſteuerung der Waren-
häuſer und Filialgeſchäfte entgegengearbeitet werden,
als deren geeign te Form ſich eine progreſſiv wirkende
Umſatzſteuer empfiehlt.
Gegen die amerikaniſche Fleiſchconcurrenz.
Der „Deutſchen Tagesztg.“ zufolge will der Geſammt-
vorſtand des deutſchen Fleiſcherverbandes demnächſt zu-
ſammentreten, um ſich ſchlüſſig zu machen über die Ein-
berufung eines gegen die amerikaniſche
Concurrenz gerichteten europäiſchen
Fleiſchercongreſſes.
Weihe einer Genoſſenſchafts-Standarte. Die
Genoſſenſchaft der conceſſionirten Gas- und Waſſerleitungs-
Inſtallateure feierte geſtern das Feſt der Weihe der neuen
prachtvollen Genoſſenſchafts-Standarte. Um 11 Uhr Vor-
mittags bewegte ſich der feſtliche Zug in einer langen Reihe
vom Rathhauſe zur Votivkirche. In der Kirche hatten ſich
Bürgermeiſter Dr. Lueger und Landtags-Abgeordneter
Profeſſor Sturm eingefunden. Die feierliche Weihe der
Standarte nahm Prälat Marſchall unter zahlreicher
geiſtlicher Aſſiſtenz vor. Abends fand im Curſalon der
Stadt Wien ein Feſtabend mit Baukett ſtatt.
Achtung. In Wien exiſtirt ein Verein
zur Hebung der Gewerbe. Dieſer Verein
hat ſeinen letzten Jahresbericht in 24 Exemplaren an
das Präſidium der Wiener iſraelitiſchen Cultus-
gemeinde entſendet, um die Vorſtehung über die
Fortſchritte des jüdiſchen Gewerbeſtan des
im Laufenden zu erhalten Wenn man alſo künftighin
den Namen dieſes Vereines hören wird, wird man
wiſſen, daß er eine jüdiſche Vereinigung iſt, die eine
Förderung von chriſtlicher Seite nicht erfahren darf.
Arbeiterbewegung.
Der Generalſtreik der Bergarbeiter
im Plauenſchen Kohlenrevier hat, wie aus
Leipzig berichtet wird, mit einer vollſtändigen
Niederlage der Arbeiter geendet. Sämmtliche
Ausſtändige haben wegen Ausſichtsloſigkeit des
Streiks heute die Arbeit wieder aufgenommen.
Der Generalſtreik in Creuzot. Nach den
letzteingelaufenen Nachrichten aus Le Creuzot hat eine
Einigung zwiſchen dem Werksbeſitzer und den
Streikenden noch nicht ſtattgefunden, da Erſterer ſich
weigert, den Secretär des nicht zu den Bergwerken
gehörigen Arbeiterſyndicates zu empfangen. Der
Streik wird alſo fortgeſetzt.
Kirche Staat und Schule.
— Mſgr. Locatelli und Prinz Croy. Der
Uditore der hieſigen Nuntiatur, Mſgr. Locatelli,
welcher ſeit ungejähr ſieben Jahren hier fungirt, verläßt
Wien im nächſten Monat. Er wird vom Papſte zum
Inter-Nuntius ernannt werden. An ſeiner
Stelle trifft aus Rom Prinz Ferdinand Croy hier
ein, gegenwärtig dienſtthuender Geheimkämmerer des
heil. Vaters in Rom. Prinz Croy, der neue Uditore,
iſt ein Vetter der Erzherzogin Iſabella, Gemalin
des Erzherzogs Friedrich.
— Ordensjubiläen. Heute, 26. September,
feiern drei Mitglieder des öſterreichiſchen Piariſten-
Ordens das fünfzigjährige Jubiläum ihres Ein-
trittes in den Orden. Es ſind dies der gegenwärtige
Ordensprovincial P. Anton Brendler, zuletzt
Religionsprofeſſor am Communal-Real- und Ober-
gymnaſium im 2. Bezirke und als ſolcher penſionirt;
der noch als Religionsprofeſſor am hieſigen Franz
Joſephs-Gymnaſium in Activität ſtehende P. Karl
Sonnberger und der penſionirte Militär-Akademie-
Profeſſor Schulrath P. Andreas Rungger. Alle
Drei wurden am 26. September 1849 in Krems als
Novizen eingekleidet, ſind gebürtige Wiener und durch
langjährige pädagogiſche Thätigkeit in den weiteſten
Kreiſen bekannt.
— Juſtallation. Am 21. d. M. wurde in
Olmütz die Inſtallation des hochw. Herrn Reſidential-
canonicus Ritter v. Mayer vom Domdechanten
Prälaten Dr. Joſeph Hanel vorgenommen.
— Todesfall. Am 21. d. M. verſchied der
f.-e. geiſtl. Rath und Ehrencanonicus des Collegiat-
ſtiftes Mattſee, Dechant Sebaſtian Rußegger.
Derſelbe iſt zu Grödig am 23. Jänner 1826 geboren,
Prieſter ſeit 18. Juli 1850. Seit October 1878 war
er Dechant und Pfarrer von Thalgau. In dieſe
Zeit fällt die Wirkſamkeit als Landtagsabgeordneter
des Großgrundbeſitzes. 1884 ſchied er wieder aus
dem Landtage. Ende 1893 reſignirte er in Folge
von Kränklichkeit auf die Pfarre und zog in die
Stadt. Das Leichenbegängniß fand am Samſtag um
3 Uhr Nachmittags ſtatt.
Theater, Kunſt und Muſik.
— Kaiſerjubiläums-Stadttheater. Morgen Dienſtag
wird die Novität „Auguſt der Glückliche“ zum
vierten Male mit Herrn Rauch in der Titelrolle gegeben
und übermorgen Mittwoch geht als volksthümliche Claſſiker-
vorſtellung Schiller’s „Turandot“ bei ermäßigten
Preiſen in Scene.
— Deutſches Volkstheater. Samſtag den 30. d.
findet die erſte Aufführung des Wiener Schwankes „Der
kleine Mann“ von C. Karlweis ſtatt.
— Raimund Theater. Die nächſten Novitäten dieſer
Bühne ſind: „Baron Mucki“, Schwank in drei Acten
von Eugen Burg und Ernſt Grund, welcher Dienſtag in
der bereits gemeldeten Beſetzung zum erſten Male in Scene
geht. Hierauf folgt am Samſtag den 30. d. Anzengruber’s
„Der Meineidbauer“ mit Carl Langkammer in
der Titelrolle; die übrigen Hauptrollen haben die Damen
Reingruber, Hetſey, Lichten, Anatour und die Herren Thaller,
Straßmeyer, Balajthy, Lackner, Popp, Göſtl und Goßmann
inne. In Vorbereitung iſt „Carriére“, Comödie in
fünf Aufzügen von Abel Hermant mit Frl. Petri in der
Hauptrolle. Frl. Adele Sandrock beginnt ihr „Hamlet“-
Gaſtſpiel hereits am 7. October und wird dasſelbe am 9.
und 10. October fortſetzen. Vormerkungen für dieſes Gaſt-
ſpiel werden bereits ab morgen Montag an den Tages-
caſſen und Verkaufsſtellen entgegengenommen. — Montag
den 2. October Abends findet die dritte Arbeiter-
vorſtellung bei bedeutend ermäßigten Preiſen ſtatt;
zur Aufführung kommt „Der Meineidbauer“.
Für dieſe Vorſtellung iſt das Vorverkaufsrecht der Gründer
für ihre reſervirten Sitze aufgehoben.
— Jantſch-Theater. Morgen Dienſtag iſt erſter
Opernabend. Zur Aufführung kommt die beliebte
komiſche Oper „Der Waffenſchmied“ von Albert
Lortzing. In den Hauptparthien ſind beſchäftigt die Damen
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