Reichspost. Nr. 233, Wien, 12.10.1897.Reichspost Wien, Dienstag 12. October 1897 233 [Spaltenumbruch] in Frage zu stellen. Eine größere Abwehrmehrheit Was dem Hamburger Beschlusse aber die prin- Die Socialdemokratie in Deutschland ist nament- Die Arbeiter werden sich nicht mit den Phrasen [Spaltenumbruch] Politische Rundschau. Wien, 11. October 1897. Oesterreich. Der gemeinsame Ministerrath, der gestern Der Polenclub hat schon wieder Separat- Die Landtagsersatzwahl in dem früher von Die Landtagsersatzwahl im Wahlbezirke des Ein galizischer Städtetag findet demnächst in Zur Berufung des Prof. Dr. Hirn in das "Dr. Josef Hirn, Professor der Geschichte an der Inns- Ungarn. Abgeordnetenhaus. In der heutigen kurzen Serbischer Kirchencongreß. In Karlowitz fand Das österreichische Regulativ für die Ver- [Spaltenumbruch] tapserer, gescheidter und tüchtiger sei als sein Höherer, Am Tage der Hinrichtung ließ sich Fahrensbach, Schlag neun Uhr fuhr der Sünderwagen vor und Am Kornmarkt, wo die Enthauptung stattfinden Leichenfahl, keines Wortes mächtig, standen die so Obrist von Fahrensbach kniete sich nieder und rief In dem Augenblick, als das Schwert niedersauste, Bluttriefend sprang Fahrensbach auf und wollte Der berühmte Arzt Dr. Andreas Rulandus, der Da die Menge stürmisch die Freilassung des Der mitleidige Doctor Andreas Rulandus wurde, Ein Bürger meinte beim Nachhausegehen zu seinem "Ich glaube selbst, daß Fahrensbach unschuldig "Meinst Du, mein Sohn?" frug plötzlich der Dies geschah am 10. Mai 1633, am Jahrestage Das Volk ließ es sich nicht nehmen und behauptete Die zerstückelte Leiche Fahrensbach's wurde in Das Schicksal hat die drei Officiere, auf deren General Graf Cratz von Scharfenstein wurde an In der Schlacht bei Nördlingen am 7. September Wallenstein wurde, wie bekannt, am 25. Februar "Den 20. July 1634 kombt bösse Zeitung, daß So endeten die meineidigen Ankläger des un- Reichspoſt Wien, Dienſtag 12. October 1897 233 [Spaltenumbruch] in Frage zu ſtellen. Eine größere Abwehrmehrheit Was dem Hamburger Beſchluſſe aber die prin- Die Socialdemokratie in Deutſchland iſt nament- Die Arbeiter werden ſich nicht mit den Phraſen [Spaltenumbruch] Politiſche Rundſchau. Wien, 11. October 1897. Oeſterreich. Der gemeinſame Miniſterrath, der geſtern Der Polenclub hat ſchon wieder Separat- Die Landtagserſatzwahl in dem früher von Die Landtagserſatzwahl im Wahlbezirke des Ein galiziſcher Städtetag findet demnächſt in Zur Berufung des Prof. Dr. Hirn in das „Dr. Joſef Hirn, Profeſſor der Geſchichte an der Inns- Ungarn. Abgeordnetenhaus. In der heutigen kurzen Serbiſcher Kirchencongreß. In Karlowitz fand Das öſterreichiſche Regulativ für die Ver- [Spaltenumbruch] tapſerer, geſcheidter und tüchtiger ſei als ſein Höherer, Am Tage der Hinrichtung ließ ſich Fahrensbach, Schlag neun Uhr fuhr der Sünderwagen vor und Am Kornmarkt, wo die Enthauptung ſtattfinden Leichenfahl, keines Wortes mächtig, ſtanden die ſo Obriſt von Fahrensbach kniete ſich nieder und rief In dem Augenblick, als das Schwert niederſauſte, Bluttriefend ſprang Fahrensbach auf und wollte Der berühmte Arzt Dr. Andreas Rulandus, der Da die Menge ſtürmiſch die Freilaſſung des Der mitleidige Doctor Andreas Rulandus wurde, Ein Bürger meinte beim Nachhauſegehen zu ſeinem „Ich glaube ſelbſt, daß Fahrensbach unſchuldig „Meinſt Du, mein Sohn?“ frug plötzlich der Dies geſchah am 10. Mai 1633, am Jahrestage Das Volk ließ es ſich nicht nehmen und behauptete Die zerſtückelte Leiche Fahrensbach’s wurde in Das Schickſal hat die drei Officiere, auf deren General Graf Cratz von Scharfenſtein wurde an In der Schlacht bei Nördlingen am 7. September Wallenſtein wurde, wie bekannt, am 25. Februar „Den 20. July 1634 kombt böſſe Zeitung, daß So endeten die meineidigen Ankläger des un- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Reichspoſt Wien, Dienſtag 12. October 1897 233</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="landtagswahlen2" prev="#landtagswahlen1" type="jArticle" n="2"> <p>in Frage zu ſtellen. Eine größere Abwehrmehrheit<lb/> gegen gonvernemeniale Verſuche, die verfaſſungs-<lb/> mäßigen Volksrechte und Volksfreiheiten zu beſchränken,<lb/> dürfte davon auf jeden Fall zu erwarten ſein.</p><lb/> <p>Was dem Hamburger Beſchluſſe aber die <hi rendition="#g">prin-<lb/> cipielle</hi> Bedeutung verleiht, iſt der Umſtand, daß<lb/> die deutſche Socialdemokratie vom Boden der princi-<lb/> piellen Negation auf den Boden des Opportunismus<lb/> getreten iſt; daß ſie poſitiv mitzuwirken geſonnen iſt,<lb/> an der parlamentariſchen Arbeit, indem ſie im Intereſſe<lb/> des Schutzes der Volksrechte, zur Wahl auch bürger-<lb/> licher Parteimänner mitwirkt, wofern Letztere nur für<lb/> den Schutz der Volksfreiheiten geſonnen ſind. Die<lb/> deutſche Socialdemokratie hat auch verzichtet, gegen das<lb/> Dreiclaſſen-Wahlſyſtem durch Abſtinenz und Paſſivität<lb/> zu proteſtiren, ſie hat ſich vielmehr auf den Boden der<lb/> Windthorſt’ſchen Taktik geſtellt, der einſt im Parlamente<lb/> geſagt: Er gehe von dem Grundſatze aus, daß Abſti-<lb/> nenzpolitik ſtets ein Fehler ſei, daß man auf kein er-<lb/> laubtes Mittel verzichten darf, ſich parlamentariſch zur<lb/> Geltung zu bringen, mag man auch über Vergewalti-<lb/> gung noch ſo ſehr zu klagen haben.</p><lb/> <p>Die Socialdemokratie in Deutſchland iſt nament-<lb/> lich durch <hi rendition="#g">Bebel’s</hi> Einfluß immer <hi rendition="#g">praktiſcher,</hi><lb/> immer <hi rendition="#g">poſitiver,</hi> immer opportuniſtiſcher geworden.<lb/> Sie hat immer mehr die Alluren einer Nur-Neinſage-<lb/> Partei abgelegt, und dies beſonders, ſeitdem dank dem<lb/> allgemeinen Wahlrecht des Reichstages, immer mehr<lb/> ſocialiſtiſche Abgeordnete ins Parlament eingezogen und<lb/> dadurch zu poſitiver Arbeit verpflichtet worden ſind.<lb/> Auch die Aufhebung des Socialiſtengeſetzes hat dazu<lb/> mächtig beigetragen, und es erfüllt ſich da immer mehr<lb/> die Vorausſage Windthorſt’s, daß die Socialdemokratie<lb/> umſo ungefährlicher werden muß, je weniger man ſie<lb/> durch Ausnahmegeſetze zu Märtyrern ſtempelt und je<lb/> mehr man ſie zu poſitiver Arbeit heranzieht. Im An-<lb/> fange — wir ſehen das ja ſchon bei uns in Oeſterreich<lb/> — werden die ſocialiſtiſchen Abgeordneten ja in<lb/> Randal, Scandal, Oppoſition und Obſtruction genug<lb/> machen, aber immer mehr wird das Volk, werden die<lb/> Arbeiter auch von ihnen poſitive Thaten fordern.</p><lb/> <p>Die Arbeiter werden ſich nicht mit den Phraſen<lb/> vom „Zukunftsſtaat“ abſpeiſen laſſen, ſondern von den<lb/><hi rendition="#g">eigenen</hi> Abgeordneten geſetzliche Schutz- und För-<lb/> derungsarbeit verlangen, umſomehr, wenn es andere<lb/> Parteien gibt, die für <hi rendition="#g">ſociale Reformen zu<lb/> Gunſten des Arbeiterſtandes</hi> energiſch<lb/> eintreten und damit etwas erreichen für die gegen-<lb/> wärtige Noth, zur Abhilfe momentan drückender Zu-<lb/> ſtände. Iſt aber die Socialdemokratie einmal zu poſitiver<lb/> politiſcher Arbeit herangezogen, ſo verliert ſie immer<lb/> mehr den Charakter einer bloßen Umſturzpartei, ſie<lb/> wird gezwungen, eine <hi rendition="#g">ſociale Reformpartei<lb/> auf dem Boden der jetzigen Geſell-<lb/> ſchaftsordnung</hi> zu werden, das heißt ſie wird<lb/> mitwirken müſſen, die jetzige Geſellſchaftsordnung zu<lb/> reformiren, ſtatt ſie <hi rendition="#g">umzuſtürzen.</hi> Man begreift<lb/> darum, daß ſich in Hamburg eine ſo ſtarke Oppoſition<lb/> gegen die Bebel’ſchen Anträge entfaltet hat, und die<lb/> Gründe vom rein ſocialdemokratiſchen Parteiſtandpunkte<lb/> aus ſprachen jedenfalls gegen Bebel, vom <hi rendition="#g">Stand-<lb/> punkte des Volks- und Arbeiterinter-<lb/> eſſes</hi> aber für ihn und ſeinen Antrag. Daß letztere<lb/> ſiegten, muß jede Volkspartei begrüßen. In <hi rendition="#g">Oeſter-<lb/> reich</hi> hätten ſie wohl <hi rendition="#g">nicht</hi> geſiegt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Rundſchau.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 11. October 1897.</dateline><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der gemeinſame Miniſterrath,</hi> </head> <p>der geſtern<lb/> unter dem Vorſitze des Kaiſers abgehalten wurde, be-<lb/> ſchäftigte ſich mit der Feſtſtellung des gemeinſamen<lb/> Budgets und mit der endgiltigen Feſtſtellung des Aus-<lb/> gleichsproviſoriums. Die auf das letztere bezüglichen<lb/> Vorlagen ſollen dem Abgeordnetenhauſe ſchon in der<lb/> morgigen Sitzung zugehen. Von der Beſtimmung des<lb/> Termines zur Einberufung der Delegationen wurde<lb/> Abſtand genommen, weil die ungariſchen Miniſter daran<lb/> feſthalten, daß vor Einberufung der Delegationen das<lb/> Ausgleichsproviſorium parlamentariſch erledigt wer-<lb/> den muß.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Polenclub</hi> </head> <p>hat ſchon wieder Separat-<lb/> wünſche, die er in ſeiner letzten Sitzung verkündete.<lb/> Nach dem Beſchluſſe, den hervorragendſten Führern des<lb/> Polenclubs Ehrengaben, beſtehend aus Prachtalbums<lb/> mit den Photographien ſämmtlicher Abgeordneten, zu<lb/> überreichen, wurden mehrere den Nothſtand in verſchie-<lb/> denen Theilen Galiziens betreffende Petitionen, den pol-<lb/> niſchen Mitgliedern des Budgetausſchuſſes zur <hi rendition="#g">raſchen</hi><lb/> Erledigung überwieſen und weiters beſchloſſen, die<lb/> ungeſäumte Inangriffnahme des Baues der Localbahn<lb/> Przeworski—Rozwadow zu urgiren. Hierauf führten<lb/> zahlreiche Mitglieder, hauptſächlich die Agrarier, Klage<lb/> gegen den Gewerbe-Inſpector für Galizien. Derſelbe<lb/> hat nämlich in einem Circulare eine ſtricte Durch-<lb/> führung der Sonntagsruhe im Sinne des Gewerbe-<lb/> geſetzes in den galiziſchen Branntweinbrennereien ange-<lb/> ordnet. Die Mitglieder des Polenclubs ſehen nun in<lb/> dieſer Anordnung eine Sekkatur, eine Schädigung der<lb/> galiziſchen Induſtrie. Weder die Sonntagsruhe, noch die<lb/> Abkürzung der Arbeitszeit laſſen ſich in Galizien durch-<lb/> führen. Dies ſei gut in der Theorie, nicht aber in der Praxis.<lb/> Nur ein einziger Abgeordneter vertheidigte den Gewerbe-<lb/> inſpector und die Sonntagsruhe. Es wurde beſchloſſen,<lb/> beim Miniſterium die Zurückziehung der Verfügungen<lb/> des Gewerbeinſpectors anzuſtreben. Da hätten wir alſo<lb/> ſo einen Separatwunſch des Polenclubs. Der Club iſt<lb/> noch ſehr beſcheiden, er verlangt nur die Zurückziehung<lb/> der Verfügungen des Gewerbeinſpectors. Er hätte<hi rendition="#g">ja</hi><lb/> eben ſo gut das Verlangen erheben können, nach Ab-<lb/> berufung des Gewerbeinſpectors, der es wagte von den<lb/> polniſchen Schlachzizen und ihren jüdiſchen Pächtern<lb/> und induſtriellen Berufsgenoſſen die Einhaltung der<lb/> Sonntagsruhe zu fordern. Vielleicht würde der Wunſch<lb/> des Polenclubs Berückſichtigung gefunden haben, denn<lb/> man ſagt ſich, daß ſein Gönner im Miniſterium ein<lb/> großer Schätzer der Juden iſt. Intereſſant,<lb/> wenn auch nicht Neues bietend, wäre jeden-<lb/> falls die Darlegung der Urſachen, warum<lb/> weder die Sonntagsruhe noch die Verkürzung der<lb/> Arbeitszeit in Galizien durchführbar ſei. Ferner faßte<lb/> der Polenclub den Beſchluß, unter Feſthalten an den<lb/> Grundſätzen des Adreßentwurfes der Majorität, die<lb/> Regierung in aufrichtiger Weiſe zu unterſtützen und<lb/> mit den anderen Gruppen der Majorität loyal zu-<lb/> ſammenzugehen. Jedes ſchroffe oder aggreſſive Auftreten<lb/> gegen die Gruppen der Minorität will der Polenclub<lb/> möglichſt vermeiden und ſo zur Förderung der legis-<lb/> lativen Arbeiten und Geſundung der parlamentariſchen<lb/> Verhältniſſe beitragen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Landtagserſatzwahl</hi> </head> <p>in dem früher von<lb/> Ernſt Vergani vertretenen Bezirke iſt reſultatlos ge-<lb/> blieben. Es wurden nämlich 2063 giltige Stimmen ab-<lb/><cb/> gegeben. Davon erhielten der Chriſtlichſociale Vergani<lb/> 880, der Candidat der Deutſchnationalen, Riether, 753,<lb/> Hochedlinger 359 Stimmen, ſo daß eine Stichwahl<lb/> nöthig wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Landtagserſatzwahl</hi> </head> <p>im Wahlbezirke des<lb/><hi rendition="#g">Zolkiewer</hi> Grundbeſitzes wurde für den 11. No-<lb/> vember ausgeſchrieben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ein galiziſcher Städtetag</hi> </head> <p>findet demnächſt in<lb/><hi rendition="#g">Lemberg</hi> ſtatt, welcher ſich mit folgenden Fragen<lb/> beſchäftigen wird: Genaue Feſtſtellung der Agenden des<lb/> eigenen und des übertragenen Wirkungskreiſes der<lb/> Gemeinden und Entſchädigung der Letzteren für die<lb/> Beſorgung der Agenden im übertragenen Wirkungs-<lb/> kreiſe; Steuereinhebung durch die Gemeinden; Ver-<lb/> ſchonung der Perſonaleinkommenſteuer von ſämmtlichen<lb/> Zuſchlägen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Zur Berufung des Prof. Dr. Hirn</hi> </head> <p>in das<lb/> Miniſterium für Cultus und Unterricht, der eine ge-<lb/> wiſſe politiſche Bedeutung nicht abzuſprechen iſt, ſchreiben<lb/> die „Nar. Liſty“:</p><lb/> <p>„Dr. Joſef Hirn, Profeſſor der Geſchichte an der Inns-<lb/> brucker Univerſität, Mitglied des Landesſchulrathes und<lb/> hervorragender Anhänger der deutſchconſervativen Partei<lb/> iſt in das Miniſterium für Cultus und Unterricht berufen<lb/> und dem Departement für Volksſchulen zur Dienſtleiſtung zu-<lb/> getheilt worden. Die Berufung dieſes Univerſitätsprofeſſors<lb/> war bereits mehrere Jahre in Sicht und ſteht in gar<lb/> keinem Zuſammenhange mit den gegenwärtigen politiſchen<lb/> und parlamentariſchen Zuſtänden. Dieſelbe iſt einzig und<lb/> allein aus ſachlichen Motiven erfolgt. Prof. Dr. Hirn iſt<lb/> nämlich der einzige Univerſitätsprofeſſor in Oeſterreich, der<lb/> eine lange an einem <hi rendition="#g">Pädagogium</hi> abſolvirte Dienſt-<lb/> zeit aufweiſt. Dieſes Moment war das entſcheidende. Die<lb/> Thronrede hat bereits in Vorbereitung befindliche <hi rendition="#g">Reform<lb/> der Pädagogien</hi> angekündigt und Dr. Hirn iſt zum<lb/> zeitweiligen Dienſt nach Wien berufen worden, um vermöge<lb/> ſeiner Erfahrungen bei dieſer Reform mitzuwirken. Hirn<lb/> genießt als Hiſtoriker einen klangvollen Namen und ſeine<lb/> Tiroler Freunde verſichern, daß er ein edler Charakter von<lb/><hi rendition="#g">gemäßigt</hi> conſervativer Geſinnung iſt.“</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ungarn.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Abgeordnetenhaus.</hi> </head> <p>In der heutigen kurzen<lb/> Sitzung des Abgeordnetenhauſes widmete der Präſident<lb/> dem verſtorbenen Abgeordneten Ignaz Helfy einen<lb/> warmen Nachruf. Sodann wurde beſchloſſen, an dem<lb/> Sarge des Verſtorbenen einen Kranz niederzulegen.<lb/> Hierauf wurden einige <hi rendition="#g">Vicinalbahnvor-<lb/> lagen</hi> erledigt und die Sitzung geſchloſſen. In der<lb/> morgigen Sitzung wird der Miniſterpräſident die<lb/><hi rendition="#g">Interpellation</hi> des Abg. Koſſuth bezüglich<lb/> der <hi rendition="#g">griechiſch-türkiſchen Friedens-<lb/> verhandlungen</hi> beantworten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Serbiſcher Kirchencongreß.</hi> </head> <p>In Karlowitz fand<lb/> geſtern unter dem Vorſitze des Patriarchen Brankowics<lb/> eine Conferenz der Mitglieder des ſerbiſchen Kirchen-<lb/> congreſſes behufs Erzielung einer Einigung in der<lb/> Frage der ſerbiſchen Kirchenautonomie ſtatt, an welcher<lb/> außer den Vertretern des Episcopats die geiſtlichen und<lb/> weltlichen Vertreter der ſerbiſchen Kirchengemeinde theil-<lb/> nahmen. Ueber einige Fragen wurde ſchon in der Con-<lb/> ferenz eine Einigung erzielt, während zur Berathung<lb/> der reſtlichen Fragen ein Comité eingeſetzt wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das öſterreichiſche Regulativ</hi> </head> <p>für die Ver-<lb/> ſicherungsgeſellſchaften convenirt den ungariſchen Unter-<lb/> nehmungen, welche in Oeſterreich Verſicherungsgeſchäfte<lb/> betreiben nicht, und ſie haben den Abg. Dr. Armin<lb/><hi rendition="#g">Neumann</hi> beauftragt, im Abgeordnetenhauſe eine<lb/> bezügliche Interpellation an den Handelsminiſter zu<lb/> richten.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="gerichtet2" prev="#gerichtet1" type="jArticle" n="2"> <p>tapſerer, geſcheidter und tüchtiger ſei als ſein Höherer,<lb/> namentlich wenn derſelbe zufälligerweiſe ein Graf war.</p><lb/> <p>Am Tage der Hinrichtung ließ ſich Fahrensbach,<lb/> nachdem er gebeichtet und communicirt hatte, aus dem<lb/> Gaſthauſe „zum goldenen Kreuz“ ein ausgiebiges und<lb/> gutes Eſſen bringen.</p><lb/> <p>Schlag neun Uhr fuhr der Sünderwagen vor und<lb/> der Oberſt wurde auſgefordert, herauszugehen. An-<lb/> fänglich drohte er Jeden, der ſich ihm nähern würde,<lb/> mit dem Tiſchmeſſer zu erſtechen, ſchließlich ließ er ſich<lb/> jedoch bereden und beſtieg mit zwei Jeſuitenpatres den<lb/> Wagen.</p><lb/> <p>Am Kornmarkt, wo die Enthauptung ſtattfinden<lb/> ſollte, betheuerte der Oberſt nochmals ſeine Unſchuld<lb/> und ſprach mit lauter Stimme zum ſchauluſtigen Volke:<lb/> „Ich ſterbe ſo unſchuldig wie ein Kind, das erſt geboren<lb/> wurde! Ich weiß, warum man mich alten Mann des<lb/> Treubruchs und Verraths beinzichtigt, auch weiß ich,<lb/> wer es ſchurkiſcher Weiſe gethan! Ich muß ſterben!<lb/> Gut! Doch Dich Herzog von Friedland und Dich,<lb/> Aldringer, fordere ich, wegen Eueres Meineids, binnen<lb/> Jahr und Tag vor den Richterſtuhl Gottes, auf daß<lb/> Ihr Rechenſchaft ablegt. Dich aber, Graf von Scharfen-<lb/> ſtein, hole der Henker! Amen, Amen, Amen!“</p><lb/> <p>Leichenfahl, keines Wortes mächtig, ſtanden die ſo<lb/> ſchwer Beinzichtigten da.</p><lb/> <p>Obriſt von Fahrensbach kniete ſich nieder und rief<lb/> dem Henker zu: „Mache Deine Sache gut!“</p><lb/> <p>In dem Augenblick, als das Schwert niederſauſte,<lb/> rief Obriſt Aldringer dem Delinquenten das Wort<lb/> „Schurke“ zu. Fahrensbach wandte ſich auf dies hin<lb/> um, und die Klinge des Schwertes gieng über den<lb/> Kopf hinweg und verletzte den Obriſten an der Achſel.</p><lb/> <p>Bluttriefend ſprang Fahrensbach auf und wollte<lb/> einem Sergeanten die Wehr entreißen, um damit<lb/> Aldringer für das ihm Angeſichts des Todes zuge-<lb/> ſchleuderte Schimpfwort zu züchtigen. Die Zuſchauer<lb/><cb/> riefen „Fahrensbach hat ſein Urtheil ausgeſtanden, ihm<lb/> muß Gnade werden!“</p><lb/> <p>Der berühmte Arzt Dr. Andreas Rulandus, der<lb/> ſich ebenfalls unter den Zuſchauern befand, rief dem<lb/> Obriſten von Fahrensbach zu: „Steigen Sie herab,<lb/> ich will Sie in die Cur nehmen und vollkommen<lb/> heilen!“</p><lb/> <p>Da die Menge ſtürmiſch die Freilaſſung des<lb/> Oberſten begehrte und ſchon Anſtalten machte, denſelben<lb/> gewaltſam zu befreien, befahl General Graf Cratz den<lb/> vier Henkersknechten, den Obriſten von Fahrensbach<lb/> niederzuhauen, was auch in beſtialiſcher Weiſe geſchah.</p><lb/> <p>Der mitleidige Doctor Andreas Rulandus wurde,<lb/> von Soldaten halbtodt geſchlagen, auf die Stockwache<lb/> geführt, dort jedoch vom General Graf Cratz mit einem<lb/> ſtrengen Verweis wieder entlaſſen.</p><lb/> <p>Ein Bürger meinte beim Nachhauſegehen zu ſeinem<lb/> Nachbarn, es ſei empörend, daß man einen alten<lb/> Haudegen und tapferen Obriſten wie einen ſchweren<lb/> Verbrecher hingerichtet habe. Hierauf erwiderte ihm<lb/> der Nachbar:</p><lb/> <p>„Ich glaube ſelbſt, daß Fahrensbach unſchuldig<lb/> war, aber er hat im Laufe der Jahre ſolche Streiche<lb/> ausgeführt, daß er dafür allein ſchon zehnmal den Tod<lb/> verdient hätte.“</p><lb/> <p>„Meinſt Du, mein Sohn?“ frug plötzlich der<lb/> Beichtvater des gerichteten Oberſten, <hi rendition="#aq">P.</hi> Dyſſot, der<lb/> dieſes Zweigeſpräch mit angehört hatte, und ſagte<lb/> dann: „Mein Sohn, Du urtheilſt ſchlimm. Obriſt von<lb/> Fahrensbach iſt unſchuldig gerichtet worden.“</p><lb/> <p>Dies geſchah am 10. Mai 1633, am Jahrestage<lb/> der Erſtürmung Magdeburgs, bei welcher Obriſt von<lb/> Fahrensbach Wunder von Tapferkeit vollführt hatte.<lb/> Tags darauf, am 11. Mai, langte vom Hofe zu Wien<lb/> ein Courier mit dem kaiſerlichen Pardon ein.</p><lb/> <p>Das Volk ließ es ſich nicht nehmen und behauptete<lb/> ſteif und feſt, Graf Cratz habe um den Pardon ge-<lb/><cb/> wußt und nur aus <hi rendition="#g">„paſſionirtem Ge-<lb/> müthe“</hi> mit der Execution ſo geeilt.</p><lb/> <p>Die zerſtückelte Leiche Fahrensbach’s wurde in<lb/> einen Sarg gethan und in der Franciscanerkirche zu<lb/> Regensburg beigeſetzt.</p><lb/> <p>Das Schickſal hat die drei Officiere, auf deren<lb/> bewußte falſche Ausſagen hin Obriſt von Fahrensbach<lb/> verurtheilt und gerichtet wurde, ereilt.</p><lb/> <p>General Graf Cratz von Scharfenſtein wurde an<lb/> Stelle des gemordeten Fahrensbach, Commandant der<lb/> Feſtung Ingolſtadt. Er wurde verdächtigt, mit den<lb/> Schweden zu liebäugeln und ſollte in Unterſuchung ge-<lb/> zogen werden. Unter der Ausrede, er wolle einen Ritt<lb/> zur kaiſerlichen Majeſtät nach Wien machen, um ſich<lb/> vom Verdachte zu reinigen, ging er zu den Schweden<lb/> über.</p><lb/> <p>In der Schlacht bei Nördlingen am 7. September<lb/> 1634 wurde der verrätheriſche Graf gefangen, nach<lb/> Wien gebracht und daſelbſt im Jahre 1635 ent-<lb/> hauptet.</p><lb/> <p>Wallenſtein wurde, wie bekannt, am 25. Februar<lb/> 1634 ermordet. Aber auch Aldringer mußte noch in<lb/> dieſem Jahre vor den Richterſtuhl Gottes treten. Ueber<lb/> den Tod dieſes Mannes berichtet die Priorin von<lb/> Maria-Stein, Clara Staigerin, in ihrem Tagebuche<lb/> wie folgt:</p><lb/> <p>„Den 20. July 1634 kombt böſſe Zeitung, daß<lb/> der feindt Lanzhuet mit ſtürmeter Handt eingenommen,<lb/> vnd die Inwonenten übel tractirt habe, welches von<lb/> vnſerm Volckh gar wol hete kinden fürkommen werden,<lb/> wen der General Altringer nit mit falſcher practickh<lb/> dem feindt het luſſt gelaſſen, — der vrſachen er von<lb/> einem gemainen Soldaten erſchoſſen vnd darauff er-<lb/> ſoffen iſt, gott verzeih jm jn ewigkait!“</p><lb/> <p>So endeten die meineidigen Ankläger des un-<lb/> ſchuldig gerichteten tapferen Obriſten von Fahrensbach.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Reichspoſt Wien, Dienſtag 12. October 1897 233
in Frage zu ſtellen. Eine größere Abwehrmehrheit
gegen gonvernemeniale Verſuche, die verfaſſungs-
mäßigen Volksrechte und Volksfreiheiten zu beſchränken,
dürfte davon auf jeden Fall zu erwarten ſein.
Was dem Hamburger Beſchluſſe aber die prin-
cipielle Bedeutung verleiht, iſt der Umſtand, daß
die deutſche Socialdemokratie vom Boden der princi-
piellen Negation auf den Boden des Opportunismus
getreten iſt; daß ſie poſitiv mitzuwirken geſonnen iſt,
an der parlamentariſchen Arbeit, indem ſie im Intereſſe
des Schutzes der Volksrechte, zur Wahl auch bürger-
licher Parteimänner mitwirkt, wofern Letztere nur für
den Schutz der Volksfreiheiten geſonnen ſind. Die
deutſche Socialdemokratie hat auch verzichtet, gegen das
Dreiclaſſen-Wahlſyſtem durch Abſtinenz und Paſſivität
zu proteſtiren, ſie hat ſich vielmehr auf den Boden der
Windthorſt’ſchen Taktik geſtellt, der einſt im Parlamente
geſagt: Er gehe von dem Grundſatze aus, daß Abſti-
nenzpolitik ſtets ein Fehler ſei, daß man auf kein er-
laubtes Mittel verzichten darf, ſich parlamentariſch zur
Geltung zu bringen, mag man auch über Vergewalti-
gung noch ſo ſehr zu klagen haben.
Die Socialdemokratie in Deutſchland iſt nament-
lich durch Bebel’s Einfluß immer praktiſcher,
immer poſitiver, immer opportuniſtiſcher geworden.
Sie hat immer mehr die Alluren einer Nur-Neinſage-
Partei abgelegt, und dies beſonders, ſeitdem dank dem
allgemeinen Wahlrecht des Reichstages, immer mehr
ſocialiſtiſche Abgeordnete ins Parlament eingezogen und
dadurch zu poſitiver Arbeit verpflichtet worden ſind.
Auch die Aufhebung des Socialiſtengeſetzes hat dazu
mächtig beigetragen, und es erfüllt ſich da immer mehr
die Vorausſage Windthorſt’s, daß die Socialdemokratie
umſo ungefährlicher werden muß, je weniger man ſie
durch Ausnahmegeſetze zu Märtyrern ſtempelt und je
mehr man ſie zu poſitiver Arbeit heranzieht. Im An-
fange — wir ſehen das ja ſchon bei uns in Oeſterreich
— werden die ſocialiſtiſchen Abgeordneten ja in
Randal, Scandal, Oppoſition und Obſtruction genug
machen, aber immer mehr wird das Volk, werden die
Arbeiter auch von ihnen poſitive Thaten fordern.
Die Arbeiter werden ſich nicht mit den Phraſen
vom „Zukunftsſtaat“ abſpeiſen laſſen, ſondern von den
eigenen Abgeordneten geſetzliche Schutz- und För-
derungsarbeit verlangen, umſomehr, wenn es andere
Parteien gibt, die für ſociale Reformen zu
Gunſten des Arbeiterſtandes energiſch
eintreten und damit etwas erreichen für die gegen-
wärtige Noth, zur Abhilfe momentan drückender Zu-
ſtände. Iſt aber die Socialdemokratie einmal zu poſitiver
politiſcher Arbeit herangezogen, ſo verliert ſie immer
mehr den Charakter einer bloßen Umſturzpartei, ſie
wird gezwungen, eine ſociale Reformpartei
auf dem Boden der jetzigen Geſell-
ſchaftsordnung zu werden, das heißt ſie wird
mitwirken müſſen, die jetzige Geſellſchaftsordnung zu
reformiren, ſtatt ſie umzuſtürzen. Man begreift
darum, daß ſich in Hamburg eine ſo ſtarke Oppoſition
gegen die Bebel’ſchen Anträge entfaltet hat, und die
Gründe vom rein ſocialdemokratiſchen Parteiſtandpunkte
aus ſprachen jedenfalls gegen Bebel, vom Stand-
punkte des Volks- und Arbeiterinter-
eſſes aber für ihn und ſeinen Antrag. Daß letztere
ſiegten, muß jede Volkspartei begrüßen. In Oeſter-
reich hätten ſie wohl nicht geſiegt.
Politiſche Rundſchau.
Wien, 11. October 1897.
Oeſterreich.
Der gemeinſame Miniſterrath, der geſtern
unter dem Vorſitze des Kaiſers abgehalten wurde, be-
ſchäftigte ſich mit der Feſtſtellung des gemeinſamen
Budgets und mit der endgiltigen Feſtſtellung des Aus-
gleichsproviſoriums. Die auf das letztere bezüglichen
Vorlagen ſollen dem Abgeordnetenhauſe ſchon in der
morgigen Sitzung zugehen. Von der Beſtimmung des
Termines zur Einberufung der Delegationen wurde
Abſtand genommen, weil die ungariſchen Miniſter daran
feſthalten, daß vor Einberufung der Delegationen das
Ausgleichsproviſorium parlamentariſch erledigt wer-
den muß.
Der Polenclub hat ſchon wieder Separat-
wünſche, die er in ſeiner letzten Sitzung verkündete.
Nach dem Beſchluſſe, den hervorragendſten Führern des
Polenclubs Ehrengaben, beſtehend aus Prachtalbums
mit den Photographien ſämmtlicher Abgeordneten, zu
überreichen, wurden mehrere den Nothſtand in verſchie-
denen Theilen Galiziens betreffende Petitionen, den pol-
niſchen Mitgliedern des Budgetausſchuſſes zur raſchen
Erledigung überwieſen und weiters beſchloſſen, die
ungeſäumte Inangriffnahme des Baues der Localbahn
Przeworski—Rozwadow zu urgiren. Hierauf führten
zahlreiche Mitglieder, hauptſächlich die Agrarier, Klage
gegen den Gewerbe-Inſpector für Galizien. Derſelbe
hat nämlich in einem Circulare eine ſtricte Durch-
führung der Sonntagsruhe im Sinne des Gewerbe-
geſetzes in den galiziſchen Branntweinbrennereien ange-
ordnet. Die Mitglieder des Polenclubs ſehen nun in
dieſer Anordnung eine Sekkatur, eine Schädigung der
galiziſchen Induſtrie. Weder die Sonntagsruhe, noch die
Abkürzung der Arbeitszeit laſſen ſich in Galizien durch-
führen. Dies ſei gut in der Theorie, nicht aber in der Praxis.
Nur ein einziger Abgeordneter vertheidigte den Gewerbe-
inſpector und die Sonntagsruhe. Es wurde beſchloſſen,
beim Miniſterium die Zurückziehung der Verfügungen
des Gewerbeinſpectors anzuſtreben. Da hätten wir alſo
ſo einen Separatwunſch des Polenclubs. Der Club iſt
noch ſehr beſcheiden, er verlangt nur die Zurückziehung
der Verfügungen des Gewerbeinſpectors. Er hätteja
eben ſo gut das Verlangen erheben können, nach Ab-
berufung des Gewerbeinſpectors, der es wagte von den
polniſchen Schlachzizen und ihren jüdiſchen Pächtern
und induſtriellen Berufsgenoſſen die Einhaltung der
Sonntagsruhe zu fordern. Vielleicht würde der Wunſch
des Polenclubs Berückſichtigung gefunden haben, denn
man ſagt ſich, daß ſein Gönner im Miniſterium ein
großer Schätzer der Juden iſt. Intereſſant,
wenn auch nicht Neues bietend, wäre jeden-
falls die Darlegung der Urſachen, warum
weder die Sonntagsruhe noch die Verkürzung der
Arbeitszeit in Galizien durchführbar ſei. Ferner faßte
der Polenclub den Beſchluß, unter Feſthalten an den
Grundſätzen des Adreßentwurfes der Majorität, die
Regierung in aufrichtiger Weiſe zu unterſtützen und
mit den anderen Gruppen der Majorität loyal zu-
ſammenzugehen. Jedes ſchroffe oder aggreſſive Auftreten
gegen die Gruppen der Minorität will der Polenclub
möglichſt vermeiden und ſo zur Förderung der legis-
lativen Arbeiten und Geſundung der parlamentariſchen
Verhältniſſe beitragen.
Die Landtagserſatzwahl in dem früher von
Ernſt Vergani vertretenen Bezirke iſt reſultatlos ge-
blieben. Es wurden nämlich 2063 giltige Stimmen ab-
gegeben. Davon erhielten der Chriſtlichſociale Vergani
880, der Candidat der Deutſchnationalen, Riether, 753,
Hochedlinger 359 Stimmen, ſo daß eine Stichwahl
nöthig wurde.
Die Landtagserſatzwahl im Wahlbezirke des
Zolkiewer Grundbeſitzes wurde für den 11. No-
vember ausgeſchrieben.
Ein galiziſcher Städtetag findet demnächſt in
Lemberg ſtatt, welcher ſich mit folgenden Fragen
beſchäftigen wird: Genaue Feſtſtellung der Agenden des
eigenen und des übertragenen Wirkungskreiſes der
Gemeinden und Entſchädigung der Letzteren für die
Beſorgung der Agenden im übertragenen Wirkungs-
kreiſe; Steuereinhebung durch die Gemeinden; Ver-
ſchonung der Perſonaleinkommenſteuer von ſämmtlichen
Zuſchlägen.
Zur Berufung des Prof. Dr. Hirn in das
Miniſterium für Cultus und Unterricht, der eine ge-
wiſſe politiſche Bedeutung nicht abzuſprechen iſt, ſchreiben
die „Nar. Liſty“:
„Dr. Joſef Hirn, Profeſſor der Geſchichte an der Inns-
brucker Univerſität, Mitglied des Landesſchulrathes und
hervorragender Anhänger der deutſchconſervativen Partei
iſt in das Miniſterium für Cultus und Unterricht berufen
und dem Departement für Volksſchulen zur Dienſtleiſtung zu-
getheilt worden. Die Berufung dieſes Univerſitätsprofeſſors
war bereits mehrere Jahre in Sicht und ſteht in gar
keinem Zuſammenhange mit den gegenwärtigen politiſchen
und parlamentariſchen Zuſtänden. Dieſelbe iſt einzig und
allein aus ſachlichen Motiven erfolgt. Prof. Dr. Hirn iſt
nämlich der einzige Univerſitätsprofeſſor in Oeſterreich, der
eine lange an einem Pädagogium abſolvirte Dienſt-
zeit aufweiſt. Dieſes Moment war das entſcheidende. Die
Thronrede hat bereits in Vorbereitung befindliche Reform
der Pädagogien angekündigt und Dr. Hirn iſt zum
zeitweiligen Dienſt nach Wien berufen worden, um vermöge
ſeiner Erfahrungen bei dieſer Reform mitzuwirken. Hirn
genießt als Hiſtoriker einen klangvollen Namen und ſeine
Tiroler Freunde verſichern, daß er ein edler Charakter von
gemäßigt conſervativer Geſinnung iſt.“
Ungarn.
Abgeordnetenhaus. In der heutigen kurzen
Sitzung des Abgeordnetenhauſes widmete der Präſident
dem verſtorbenen Abgeordneten Ignaz Helfy einen
warmen Nachruf. Sodann wurde beſchloſſen, an dem
Sarge des Verſtorbenen einen Kranz niederzulegen.
Hierauf wurden einige Vicinalbahnvor-
lagen erledigt und die Sitzung geſchloſſen. In der
morgigen Sitzung wird der Miniſterpräſident die
Interpellation des Abg. Koſſuth bezüglich
der griechiſch-türkiſchen Friedens-
verhandlungen beantworten.
Serbiſcher Kirchencongreß. In Karlowitz fand
geſtern unter dem Vorſitze des Patriarchen Brankowics
eine Conferenz der Mitglieder des ſerbiſchen Kirchen-
congreſſes behufs Erzielung einer Einigung in der
Frage der ſerbiſchen Kirchenautonomie ſtatt, an welcher
außer den Vertretern des Episcopats die geiſtlichen und
weltlichen Vertreter der ſerbiſchen Kirchengemeinde theil-
nahmen. Ueber einige Fragen wurde ſchon in der Con-
ferenz eine Einigung erzielt, während zur Berathung
der reſtlichen Fragen ein Comité eingeſetzt wurde.
Das öſterreichiſche Regulativ für die Ver-
ſicherungsgeſellſchaften convenirt den ungariſchen Unter-
nehmungen, welche in Oeſterreich Verſicherungsgeſchäfte
betreiben nicht, und ſie haben den Abg. Dr. Armin
Neumann beauftragt, im Abgeordnetenhauſe eine
bezügliche Interpellation an den Handelsminiſter zu
richten.
tapſerer, geſcheidter und tüchtiger ſei als ſein Höherer,
namentlich wenn derſelbe zufälligerweiſe ein Graf war.
Am Tage der Hinrichtung ließ ſich Fahrensbach,
nachdem er gebeichtet und communicirt hatte, aus dem
Gaſthauſe „zum goldenen Kreuz“ ein ausgiebiges und
gutes Eſſen bringen.
Schlag neun Uhr fuhr der Sünderwagen vor und
der Oberſt wurde auſgefordert, herauszugehen. An-
fänglich drohte er Jeden, der ſich ihm nähern würde,
mit dem Tiſchmeſſer zu erſtechen, ſchließlich ließ er ſich
jedoch bereden und beſtieg mit zwei Jeſuitenpatres den
Wagen.
Am Kornmarkt, wo die Enthauptung ſtattfinden
ſollte, betheuerte der Oberſt nochmals ſeine Unſchuld
und ſprach mit lauter Stimme zum ſchauluſtigen Volke:
„Ich ſterbe ſo unſchuldig wie ein Kind, das erſt geboren
wurde! Ich weiß, warum man mich alten Mann des
Treubruchs und Verraths beinzichtigt, auch weiß ich,
wer es ſchurkiſcher Weiſe gethan! Ich muß ſterben!
Gut! Doch Dich Herzog von Friedland und Dich,
Aldringer, fordere ich, wegen Eueres Meineids, binnen
Jahr und Tag vor den Richterſtuhl Gottes, auf daß
Ihr Rechenſchaft ablegt. Dich aber, Graf von Scharfen-
ſtein, hole der Henker! Amen, Amen, Amen!“
Leichenfahl, keines Wortes mächtig, ſtanden die ſo
ſchwer Beinzichtigten da.
Obriſt von Fahrensbach kniete ſich nieder und rief
dem Henker zu: „Mache Deine Sache gut!“
In dem Augenblick, als das Schwert niederſauſte,
rief Obriſt Aldringer dem Delinquenten das Wort
„Schurke“ zu. Fahrensbach wandte ſich auf dies hin
um, und die Klinge des Schwertes gieng über den
Kopf hinweg und verletzte den Obriſten an der Achſel.
Bluttriefend ſprang Fahrensbach auf und wollte
einem Sergeanten die Wehr entreißen, um damit
Aldringer für das ihm Angeſichts des Todes zuge-
ſchleuderte Schimpfwort zu züchtigen. Die Zuſchauer
riefen „Fahrensbach hat ſein Urtheil ausgeſtanden, ihm
muß Gnade werden!“
Der berühmte Arzt Dr. Andreas Rulandus, der
ſich ebenfalls unter den Zuſchauern befand, rief dem
Obriſten von Fahrensbach zu: „Steigen Sie herab,
ich will Sie in die Cur nehmen und vollkommen
heilen!“
Da die Menge ſtürmiſch die Freilaſſung des
Oberſten begehrte und ſchon Anſtalten machte, denſelben
gewaltſam zu befreien, befahl General Graf Cratz den
vier Henkersknechten, den Obriſten von Fahrensbach
niederzuhauen, was auch in beſtialiſcher Weiſe geſchah.
Der mitleidige Doctor Andreas Rulandus wurde,
von Soldaten halbtodt geſchlagen, auf die Stockwache
geführt, dort jedoch vom General Graf Cratz mit einem
ſtrengen Verweis wieder entlaſſen.
Ein Bürger meinte beim Nachhauſegehen zu ſeinem
Nachbarn, es ſei empörend, daß man einen alten
Haudegen und tapferen Obriſten wie einen ſchweren
Verbrecher hingerichtet habe. Hierauf erwiderte ihm
der Nachbar:
„Ich glaube ſelbſt, daß Fahrensbach unſchuldig
war, aber er hat im Laufe der Jahre ſolche Streiche
ausgeführt, daß er dafür allein ſchon zehnmal den Tod
verdient hätte.“
„Meinſt Du, mein Sohn?“ frug plötzlich der
Beichtvater des gerichteten Oberſten, P. Dyſſot, der
dieſes Zweigeſpräch mit angehört hatte, und ſagte
dann: „Mein Sohn, Du urtheilſt ſchlimm. Obriſt von
Fahrensbach iſt unſchuldig gerichtet worden.“
Dies geſchah am 10. Mai 1633, am Jahrestage
der Erſtürmung Magdeburgs, bei welcher Obriſt von
Fahrensbach Wunder von Tapferkeit vollführt hatte.
Tags darauf, am 11. Mai, langte vom Hofe zu Wien
ein Courier mit dem kaiſerlichen Pardon ein.
Das Volk ließ es ſich nicht nehmen und behauptete
ſteif und feſt, Graf Cratz habe um den Pardon ge-
wußt und nur aus „paſſionirtem Ge-
müthe“ mit der Execution ſo geeilt.
Die zerſtückelte Leiche Fahrensbach’s wurde in
einen Sarg gethan und in der Franciscanerkirche zu
Regensburg beigeſetzt.
Das Schickſal hat die drei Officiere, auf deren
bewußte falſche Ausſagen hin Obriſt von Fahrensbach
verurtheilt und gerichtet wurde, ereilt.
General Graf Cratz von Scharfenſtein wurde an
Stelle des gemordeten Fahrensbach, Commandant der
Feſtung Ingolſtadt. Er wurde verdächtigt, mit den
Schweden zu liebäugeln und ſollte in Unterſuchung ge-
zogen werden. Unter der Ausrede, er wolle einen Ritt
zur kaiſerlichen Majeſtät nach Wien machen, um ſich
vom Verdachte zu reinigen, ging er zu den Schweden
über.
In der Schlacht bei Nördlingen am 7. September
1634 wurde der verrätheriſche Graf gefangen, nach
Wien gebracht und daſelbſt im Jahre 1635 ent-
hauptet.
Wallenſtein wurde, wie bekannt, am 25. Februar
1634 ermordet. Aber auch Aldringer mußte noch in
dieſem Jahre vor den Richterſtuhl Gottes treten. Ueber
den Tod dieſes Mannes berichtet die Priorin von
Maria-Stein, Clara Staigerin, in ihrem Tagebuche
wie folgt:
„Den 20. July 1634 kombt böſſe Zeitung, daß
der feindt Lanzhuet mit ſtürmeter Handt eingenommen,
vnd die Inwonenten übel tractirt habe, welches von
vnſerm Volckh gar wol hete kinden fürkommen werden,
wen der General Altringer nit mit falſcher practickh
dem feindt het luſſt gelaſſen, — der vrſachen er von
einem gemainen Soldaten erſchoſſen vnd darauff er-
ſoffen iſt, gott verzeih jm jn ewigkait!“
So endeten die meineidigen Ankläger des un-
ſchuldig gerichteten tapferen Obriſten von Fahrensbach.
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