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Reichspost. Nr. 273, Wien, 11.11.1907.

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Wien, Montag Reichspost. 11. November 1907 273

[Spaltenumbruch] Fürstenhöfen nicht durch, so daß noch später ein Dichter
klagte, das wichtige Ammenamt werde aus Ersparnis-
rücksichten in vornehmen Häusern an niedere Dienerinnen
und Schäferinnen vergeben. Man sah also allgemein bei
der Amme weniger auf hohe Herkunft, als auf Gesundheit
und äußere Vorzüge."

* Das gestrige Sonntagswetter.

Die Tempe-
ratur hält sich zwischen 3 und 5 Grad, also
so ziemlich auf dem normalen Monatsmittel. Für die
Wiener Gastwirte, Cafetiers, Vergnügungsetablissements,
Theater u. s. w. war ein veritables, goldenes
Sonntagswetter. Auch die Heurigenschänken wurden stark
frequentiert. Der Sonntag abends eingefallene Nebel
verdichtete sich nachts in beträchtlichem Maße und ge-
staltete sich heute früh in der Stadt zu einem widerlichen,
den Atem beklemmenden Nauchnebel, der noch um 9 Uhr
vormittags so dicht war, daß die Straßenbahnen be-
leuchtet fuhren. Nach der allgemeinen Wetterlage ist eine
Wetterbesserung zu erwarten.




Die Jahrhundertfeier des Schotten-
gymnasiums.
Das Festbaukett.

An die so glanzvoll verlaufene Festfeier des Schotten-
gymnasiums, über die wir in unserer letzten Nummer
ausführlich berichtet haben, schloß sich am Samstag-
Abend ein im Festsaale des Hotels "Continental" abge-
haltenes Bankett, welches einen überaus erhebenden
Verlauf nahm. Mehr als 400 ehemalige Schüler des
jubilierenden Gymnasiums hatten sich eingefunden und
acht aufgestellte Tafeln vermochten kaum die Gäste zu
fassen. Im offiziellen Teil des Banketts sprachen Doktor
Wittek, der mitteilte, daß vom Kaiser auf die Huldigungs-
depesche vom Vormittage folgende Antwort eingetroffen
sei: "Seine k. u. k. Apostolische Majestät danken den
Teilnehmern an der heutigen erhebenden Jahrhundert-
feier allergnädigst für die dargebrachte Huldigung und
begleiten die weitere gedeihliche Entwicklung des unter
der erfolgreichen Leitung des Schottenstiftes stehenden
Gymnasiums mit den aufrichtigsten Wünschen. Im
Allerhöchsten Auftrage: Der Kabinettsdirektor Schießl."
Dr. v. Wittek schließt seine Rede mit einem begeistert
aufgenommenen Toast auf den Kaiser.

Dann sprachen noch Prälat Rost und Statthalter
Graf Kielmansegg. Dem offiziellen Teile folgte eine
flotte Exkneipe.

Sonntag vormittags feierten die gegenwärtigen
Frequentanten aller Klassen das Jubiläum. Unter ihnen
befand sich auch der jüngere Sohn weiland des Erz-
herzogs Otto, der im 13. Lebensjahr stehende Erz-
herzog Max.

Die Feier wurde in der Schottenkirche um halb 9 Uhr
vormittags mit einer vom Schottenpriester Dr. Philipp
Heberdey zelebrierten feierlichen Messe eingeleitet,
worauf sämtliche Schüler des Gymnasiums sich in den
Prälatensaal begaben.

Im Hintergrunde des Saales war ein mit der Büste
des Kaisers und mit Pflanzen und Blumen reich-
geschmücktes Podium errichtet. Klassenweise waren die
Schulen aufgestellt. Der Feier wohnten bei: der Abt des
Schottenstiftes P. Leopold Rost, der Landesschulinspektor
Stefan Kapp, der Direktor des Schottengymnasiums
Regierungsrat P. Anton Sauer mit sämtlichen Pro-
fessoren und andere Festgäste. Unter der Leitung des
Gymnasialprofessors P. Benedikt Losert wurde von einem
aus Schülern zusammengesetzten Chore in vortrefflicher
Weise der Chor "Die Ehre Gottes" zu Gehör gebracht.

Hierauf hielt Direktor Sauer die Festrede. Er
schloß: "So wollen wir denn noch zum Beweise unserer
tiefsten Verehrung und Ergebenheit die Feier in den Ruf
ausklingen lassen, "Unser allergnädigster Herr und Kaiser
Se. Majestät hoch, hoch, hoch!" Stürmische und be-
geisterte Hochrufe folgten dem Schlusse und der ober-
wähnte Chor stimmte hierauf die Volkshymne an. --
Hierauf hielt noch Landesschulinspektor Kapp eine An-
sprache, in welcher er in seiner Einleitung den Direktor
und den gesamten Lehrkörper in warmen Worten be-
glückwünschte.

An diese Feier schloß sich dann die "General-
probe"
zu der heute Montag, nachmittags 3 Uhr, im
Prälatensaale des Schottenstiftes von den Schülern dieses
Gymnasiums zu veranstaltenden Festakademie.




Große christlichsoziale Versammlungen in
Schlesien.

[Eigenbericht der "Reichspost".]


Samstag und Sonntag (9. und 10. November) fanden
im Markte Niklasdorf und der Stadt Zuckmantel
zwei massenhaft besuchte Versammlungen statt. In jeder
derselben waren ungefähr 400 Männer anwesend. In
Niklasdorf führte Herr GR. Gröger, in Zuck-
mantel
der Obmann des Christlichsozialen
Vereines Gerichtsadjunkt Dr. Bruckl den Vorsitz.
Rabg. Wohlmeyer entwickelte in längerer, oft von
Beifall unterbrochener Rede den Werdegang der öster-
reichischen Volkswirtschaft, besprach die Steuer- und
Schuldenmisere, das Kartellunwesen, die Handwerker-
frage, die Schäden der Unfallversicherung und
die allgemeine Altersversorgung. Besonderes Interesse
fanden seine Ausführungen über die Teuerung und den
Ausgleich mit Ungarn. Professor Habel entwickelte
[Spaltenumbruch] nun das Parteiprogramm und erörterte unter begeistertem
Beifall die Forderungen der christlichsozialen Partei für
Bauern- und Gewerbestand und für die Arbeiterschaft.
Hinweisend auf die bisherigen Leistungen der Partei in
Land und Stadt zeigte er die Forderungen der Zu-
kunft. Nachdem Redner noch die Lügen der Gegner über
die Partei zurückgewiesen hatte, wurde unter demostra-
tivem Beifall folgende Resolution einstimmig ange-
nommen:

"Die heute tagende Versammlung protestiert gegen
alle jene Bestrebungen, welche darauf gerichtet sind, die
materiellen Interessen des Volkes zu schädigen; sie
protestiert aber auch gegen jene Bestrebungen, die dem
christlichen Volke die idealen Güter zu rauben suchen, die
die christliche Familie zerstören, unsern Kindern das
Christentum aus den Herzen reißen wollen, und fordert
alle Abgeordneten auf, alle diese Bestrebungen
zu bekämpfen und begrüßt es aufs lebhafteste,
daß die christlichsoziale Partei den Kampf aufgenommen
und auch in einigen Kronländern siegreich durchgeführt
hat. Sie begrüßt es, daß diese Partei auch in Schlesien
das Volk aufzuklären sucht und wir jubeln ihr mit
freudigem Dank entgegen." Nachdem sich der Beifall
gelegt hatte, interpellierte ein Sozialdemokrat, wurde aber
von Professor Habel schneidig abgeführt. Mit Hoch-
und Heilrufen auf die Partei, auf Kaiser und Papst,
wurden diese imposanten Kundgebungen geschlossen.




Universitätskrawall.

Heute mittags fand in der Vorhalle der Universität
eine arge Rauferei statt. Die Italiener kamen in ge-
schlossenem Zuge und ein Redner beanspruchte
für die Italiener dieselben Rechte, wie sie die Deutschen
haben. Er wurde aber niedergeschrieen und im Nu sah man
Stöcke und Fäuste drohend erhoben. Die Italiener
wurden von allen deutschen Studenten hinausgetrieben,
wobei mehrere blutige Köpfe davontrugen. Das eiserne
Torgitter wurde geschlossen, worauf die Italiener noch
die Glasscheiben des Tores in Trümmer schlugen. Beide
Parteien schlossen ihre "Tätigkeit" mit nationalen
Liedern.




Eine Erdbebenkatastrophe.

Wir erhalten folgende Depesche:

Aus der Gegend
von Karatag kommt die Meldung über eine neuer-
lichefurchtbare Erdbebenkatastrophe,
welche alle um Karatag gelegenen
Ortschaften vernichtet
haben soll. Ebenso
sei das ganze Bekat Denau zerstört, wobei über
1000 Menschen ums Leben gekommen
wären.

Es ist demnach dieses von Nomadenvölkern bis-
her bewohnte Gebiet ein Erdbebenherd, von dessen
Gefährlichkeit man bisher fast nichts wußte. Karatag,
die sogenannte Hauptstadt, ist vor ganz kurzer Zeit
erst der Vernichtung geweiht worden. Soviel man der
vorliegenden Depesche entnimmt, hat das Erdbeben eine
Gegend betroffen, die so groß ist wie ein kleines Kron-
land unseres Reiches.




Eine Spionagegesellschaft.

Die Verhaftung des Schiffsfähnrichs Ullmo gab zu
einer eingehenden Nachforschung Anlaß, in deren Verlauf
man auf eine mit Ullmo allerdings nicht zusammen-
hängende Spionagegesellschaft stieß, die planmäßig und
als Geschäft die Ausspähung und den Verrat von mili-
tärischen Geheimnissen betrieb.

Ein aus Paris hier ein-
getroffener Sicherheitsinspektor hat über eine neue
Spionageaffäre die Untersuchung eingeleitet und vier
Verhaftungen
vorgenommen. Es handelt sich
um eine Spionagegesellschaft, die durch die
Untersuchungen in der Affäre Ullmo aufgedeckt worden
ist. Diese Untersuchungen haben zutage gefördert, daß
gewisse Individuen in Marseille, Toulon und Ventimiglia
ihre Tätigkeit entwickelt haben. Gleichwohl scheint Ullmo
mit dieser Gesellschaft nichts zu tun gehabt zu haben
und es ist nicht möglich, herauszubringen, ob ein
Zusammenhang zwischen diesen beiden Affären besteht.
Bis jetzt sind fünf Verhaftungen vorge-
nommen worden, und zwar eine in Toulon, die übrigen
in Marseille. Das in Toulon verhaftete Individuum
ist ein Franzose, der längere Zeit im Auslande ge-
lebt hat.




Ein verdächtiges Arsenal.
Das Waffenlager der revolutionären
Arbeiter in Italien.

Aus Rom wird uns vom 10. d. geschrieben:

In Porto maggiore wurde in den Lokalitäten
der dortigen Ortsgruppe des Feldarbeiter-
bundes
ein großes Waffendepot entdeckt.
-- "Popolo romano" schreibt hiezu: Die Entdeckung
ist eine derartige, daß sie die ernstesten Besorgnisse ein-
flössen müsse. Schon seit längerem ist es bekannt, daß
der Feldarbeiterbund unter dem Vorwande einer
wirtschaftlichen Organisation nichts anderes betreibt,
als eine Organisation für einen bewaffneten
[Spaltenumbruch] politischen Aufstand.
Hiefür sei die Ent-
deckung des Waffendepots der beste Beweis und eine
Hausdurchsuchung bei den anderen Ortsgruppen würde
ein ähnliches Resultat liefern. In der Kammer wurde
bereits eine Interpellation eingebracht, welche die
strengsten Maßregeln gegen die vom Feldarbeiterbunde
betriebene Vorbereitung eines bewaffneten
Aufstandes fordert.




Telegramme.
Zur Eröffnung der russischen Duma.

Um etwaigen Kund-
gebungen am Eröffnungstage der Duma vorzubeugen,
hat der Stadthauptmann eine Bekanntmachung er-
lassen, worin erklärt wird, daß keinerlei Versamm-
lungen, Umzüge oder sonstige Kundgebungen zuge-
lassen werden würden.

Bernfung im Prozeß Gurko.

Wie "Nowoje
Wremja" erfährt, hat der Verteidiger Gurkos
gegen dessen Verurteilung Berufung eingelegt.

Pest in Kleinasien.

In Beirut
wurde ein pestverdächtiger Erkrankungsfall
festgestellt.

Protest eines Konsularkorps gegen einen
französischen Konsul.

Aus Mogador wird be-
richtet, daß der Minister des Aeußern des Gegensultans
Muley Hafid den französischen Konsul Kuri in Mogador
für die anderen Konsuln bestimmte
Briefe
mit dem Ersuchen übersendete, sie seinem
Kollegen zu übermitteln. Der französische Konsul hielt
sich nicht für berufen, diesem Ersuchen zu entsprechen
und sandte die Briefe an den Gesandten Regnault mit der
Bitte um andere Weisungen. Die fremden Konsuln hielten
daraufhin eine Konferenz ab, in der besonders der
spanische und der englische Konsul ihren Un-
willen hierüber aussprachen
und in
welcher der Protest des Konsularkorps zu Protokoll
gegeben wurde.

Gianturco gestorben.

Der bisherige Minister
für öffentliche Arbeiten, Emanuele Gianturco, ist heute
nachmittags gestorben.

Die Verschwörer in Montenegro.

In Vassojevich wurde
heute der türkische Untertan Andrjia Vukajlow Panto-
vich verhaftet. In seinem Besitze wurden sechs
Bomben
gefunden. Er soll ein Genosse des nach
Belgrad ausgewanderten ehemaligen montenegrinischen
Deputierten Vasso Tschulasich gewesen sein.




Theater, Kunst und Musik.
-- Konzertkartenverkauf.

Das Vorbezugsrecht der
Stifter, Gründer und unterstützenden Mitglieder der Gesell-
schaft der Musikfreunde für das erste außerordentliche
Gesellschaftskonzert (Gustav Mahlers zweite Sinfonie)
kann vom 11. bis 13. d. M. an der Konzertkasse, 1. Bezirk,
Canovagasse 4, ausgeübt werden; der allgemeine Ver-
kauf
beginnt am 16. d. M. Die Preise der Plätze für
dieses Konzert, dessen Reinerträgnis dem Orgelfonds der
Gesellschaft der Musikfreunde zugeführt wird, sind mit 20,
16, 12, 10, 8, 6, 4 und 3 Kronen festgesetzt.




Sportnachrichten.
Kennen zu Wien.

Gestern fand die diesjährige Wiener Renn-
saison ihren Abschluß.
Leider verdarb das
schlechte Wetter den Abschied von der Rennbahn, die
aber immerhin recht gut besucht war. In mehreren
Kennen gab es Siege großer Außenseiter. Nachstehend
die Ergebnisse des Tages:

Maiden-Handicap der Zweijährigen. 3000 Kronen.
1100 Meter. Herrn Vonwillers br. H. Braeciano, 60 Kg.
(Pis) 1., Forfert 2., Validol 3. Bocaccio, Kellner, Ifjaß-
zony, Harnnakin, Vilja. Tot. 212 : 10 (73 : 5). Platz 97,
47, 39 : 20.

Verkaufsrennen. 2400 Kronen. 1600 Meter. Hetrn
Meichls 5jähr. br. St. Foglalo, 52·5 Kg. (Gulyas) 1.,
Janos vites 2, Nemes 3. Tot. 15 : 10 (8 : 5).

Jägerhausrennen. 4000 Kronen. 1800 Meter. Herrn
V. v. Mautners 6jähr. br. W. Bator, 56·5 Kg. (Heidt) I.,
Taltos 2., Bisamberg 3. Jeanette. Tot. 44 : 10 (26 : 5).
Platz 36, 25 : 20.

Schlußhandicap. 6500 Kronen. 900 Meter. Bar. Alf.
Rothschilds dbr. H. Armand, 51·5 Kg. (Cockeram) 1., Su-
perba 2., Pengot 3. Tilos, Bella, Sodoma, Stromboli,
Floridsdorf, Julietta, Edua, Dorca. Tot. 122 : 10 (55 : 5).
Platz 91, 72, 120 : 20.

Verkaufsrennen der Zweijährigen. 2400 Kronen[.]
1000 Meter. Bar. Uechtritz' FSt. Csilla, 46 Kg. (Gulyas)
1., Haluska 2., Flower seller 3. Glanure. Tot. 35 : 10
(17 : 5). Platz 33, 54 : 20.


Wien, Montag Reichspoſt. 11. November 1907 273

[Spaltenumbruch] Fürſtenhöfen nicht durch, ſo daß noch ſpäter ein Dichter
klagte, das wichtige Ammenamt werde aus Erſparnis-
rückſichten in vornehmen Häuſern an niedere Dienerinnen
und Schäferinnen vergeben. Man ſah alſo allgemein bei
der Amme weniger auf hohe Herkunft, als auf Geſundheit
und äußere Vorzüge.“

* Das geſtrige Sonntagswetter.

Die Tempe-
ratur hält ſich zwiſchen 3 und 5 Grad, alſo
ſo ziemlich auf dem normalen Monatsmittel. Für die
Wiener Gaſtwirte, Cafetiers, Vergnügungsetabliſſements,
Theater u. ſ. w. war ein veritables, goldenes
Sonntagswetter. Auch die Heurigenſchänken wurden ſtark
frequentiert. Der Sonntag abends eingefallene Nebel
verdichtete ſich nachts in beträchtlichem Maße und ge-
ſtaltete ſich heute früh in der Stadt zu einem widerlichen,
den Atem beklemmenden Nauchnebel, der noch um 9 Uhr
vormittags ſo dicht war, daß die Straßenbahnen be-
leuchtet fuhren. Nach der allgemeinen Wetterlage iſt eine
Wetterbeſſerung zu erwarten.




Die Jahrhundertfeier des Schotten-
gymnaſiums.
Das Feſtbaukett.

An die ſo glanzvoll verlaufene Feſtfeier des Schotten-
gymnaſiums, über die wir in unſerer letzten Nummer
ausführlich berichtet haben, ſchloß ſich am Samstag-
Abend ein im Feſtſaale des Hotels „Continental“ abge-
haltenes Bankett, welches einen überaus erhebenden
Verlauf nahm. Mehr als 400 ehemalige Schüler des
jubilierenden Gymnaſiums hatten ſich eingefunden und
acht aufgeſtellte Tafeln vermochten kaum die Gäſte zu
faſſen. Im offiziellen Teil des Banketts ſprachen Doktor
Wittek, der mitteilte, daß vom Kaiſer auf die Huldigungs-
depeſche vom Vormittage folgende Antwort eingetroffen
ſei: „Seine k. u. k. Apoſtoliſche Majeſtät danken den
Teilnehmern an der heutigen erhebenden Jahrhundert-
feier allergnädigſt für die dargebrachte Huldigung und
begleiten die weitere gedeihliche Entwicklung des unter
der erfolgreichen Leitung des Schottenſtiftes ſtehenden
Gymnaſiums mit den aufrichtigſten Wünſchen. Im
Allerhöchſten Auftrage: Der Kabinettsdirektor Schießl.“
Dr. v. Wittek ſchließt ſeine Rede mit einem begeiſtert
aufgenommenen Toaſt auf den Kaiſer.

Dann ſprachen noch Prälat Roſt und Statthalter
Graf Kielmansegg. Dem offiziellen Teile folgte eine
flotte Exkneipe.

Sonntag vormittags feierten die gegenwärtigen
Frequentanten aller Klaſſen das Jubiläum. Unter ihnen
befand ſich auch der jüngere Sohn weiland des Erz-
herzogs Otto, der im 13. Lebensjahr ſtehende Erz-
herzog Max.

Die Feier wurde in der Schottenkirche um halb 9 Uhr
vormittags mit einer vom Schottenprieſter Dr. Philipp
Heberdey zelebrierten feierlichen Meſſe eingeleitet,
worauf ſämtliche Schüler des Gymnaſiums ſich in den
Prälatenſaal begaben.

Im Hintergrunde des Saales war ein mit der Büſte
des Kaiſers und mit Pflanzen und Blumen reich-
geſchmücktes Podium errichtet. Klaſſenweiſe waren die
Schulen aufgeſtellt. Der Feier wohnten bei: der Abt des
Schottenſtiftes P. Leopold Roſt, der Landesſchulinſpektor
Stefan Kapp, der Direktor des Schottengymnaſiums
Regierungsrat P. Anton Sauer mit ſämtlichen Pro-
feſſoren und andere Feſtgäſte. Unter der Leitung des
Gymnaſialprofeſſors P. Benedikt Loſert wurde von einem
aus Schülern zuſammengeſetzten Chore in vortrefflicher
Weiſe der Chor „Die Ehre Gottes“ zu Gehör gebracht.

Hierauf hielt Direktor Sauer die Feſtrede. Er
ſchloß: „So wollen wir denn noch zum Beweiſe unſerer
tiefſten Verehrung und Ergebenheit die Feier in den Ruf
ausklingen laſſen, „Unſer allergnädigſter Herr und Kaiſer
Se. Majeſtät hoch, hoch, hoch!“ Stürmiſche und be-
geiſterte Hochrufe folgten dem Schluſſe und der ober-
wähnte Chor ſtimmte hierauf die Volkshymne an. —
Hierauf hielt noch Landesſchulinſpektor Kapp eine An-
ſprache, in welcher er in ſeiner Einleitung den Direktor
und den geſamten Lehrkörper in warmen Worten be-
glückwünſchte.

An dieſe Feier ſchloß ſich dann die „General-
probe“
zu der heute Montag, nachmittags 3 Uhr, im
Prälatenſaale des Schottenſtiftes von den Schülern dieſes
Gymnaſiums zu veranſtaltenden Feſtakademie.




Große chriſtlichſoziale Verſammlungen in
Schleſien.

[Eigenbericht der „Reichspoſt“.]


Samstag und Sonntag (9. und 10. November) fanden
im Markte Niklasdorf und der Stadt Zuckmantel
zwei maſſenhaft beſuchte Verſammlungen ſtatt. In jeder
derſelben waren ungefähr 400 Männer anweſend. In
Niklasdorf führte Herr GR. Gröger, in Zuck-
mantel
der Obmann des Chriſtlichſozialen
Vereines Gerichtsadjunkt Dr. Bruckl den Vorſitz.
Rabg. Wohlmeyer entwickelte in längerer, oft von
Beifall unterbrochener Rede den Werdegang der öſter-
reichiſchen Volkswirtſchaft, beſprach die Steuer- und
Schuldenmiſere, das Kartellunweſen, die Handwerker-
frage, die Schäden der Unfallverſicherung und
die allgemeine Altersverſorgung. Beſonderes Intereſſe
fanden ſeine Ausführungen über die Teuerung und den
Ausgleich mit Ungarn. Profeſſor Habel entwickelte
[Spaltenumbruch] nun das Parteiprogramm und erörterte unter begeiſtertem
Beifall die Forderungen der chriſtlichſozialen Partei für
Bauern- und Gewerbeſtand und für die Arbeiterſchaft.
Hinweiſend auf die bisherigen Leiſtungen der Partei in
Land und Stadt zeigte er die Forderungen der Zu-
kunft. Nachdem Redner noch die Lügen der Gegner über
die Partei zurückgewieſen hatte, wurde unter demoſtra-
tivem Beifall folgende Reſolution einſtimmig ange-
nommen:

„Die heute tagende Verſammlung proteſtiert gegen
alle jene Beſtrebungen, welche darauf gerichtet ſind, die
materiellen Intereſſen des Volkes zu ſchädigen; ſie
proteſtiert aber auch gegen jene Beſtrebungen, die dem
chriſtlichen Volke die idealen Güter zu rauben ſuchen, die
die chriſtliche Familie zerſtören, unſern Kindern das
Chriſtentum aus den Herzen reißen wollen, und fordert
alle Abgeordneten auf, alle dieſe Beſtrebungen
zu bekämpfen und begrüßt es aufs lebhafteſte,
daß die chriſtlichſoziale Partei den Kampf aufgenommen
und auch in einigen Kronländern ſiegreich durchgeführt
hat. Sie begrüßt es, daß dieſe Partei auch in Schleſien
das Volk aufzuklären ſucht und wir jubeln ihr mit
freudigem Dank entgegen.“ Nachdem ſich der Beifall
gelegt hatte, interpellierte ein Sozialdemokrat, wurde aber
von Profeſſor Habel ſchneidig abgeführt. Mit Hoch-
und Heilrufen auf die Partei, auf Kaiſer und Papſt,
wurden dieſe impoſanten Kundgebungen geſchloſſen.




Univerſitätskrawall.

Heute mittags fand in der Vorhalle der Univerſität
eine arge Rauferei ſtatt. Die Italiener kamen in ge-
ſchloſſenem Zuge und ein Redner beanſpruchte
für die Italiener dieſelben Rechte, wie ſie die Deutſchen
haben. Er wurde aber niedergeſchrieen und im Nu ſah man
Stöcke und Fäuſte drohend erhoben. Die Italiener
wurden von allen deutſchen Studenten hinausgetrieben,
wobei mehrere blutige Köpfe davontrugen. Das eiſerne
Torgitter wurde geſchloſſen, worauf die Italiener noch
die Glasſcheiben des Tores in Trümmer ſchlugen. Beide
Parteien ſchloſſen ihre „Tätigkeit“ mit nationalen
Liedern.




Eine Erdbebenkataſtrophe.

Wir erhalten folgende Depeſche:

Aus der Gegend
von Karatag kommt die Meldung über eine neuer-
lichefurchtbare Erdbebenkataſtrophe,
welche alle um Karatag gelegenen
Ortſchaften vernichtet
haben ſoll. Ebenſo
ſei das ganze Bekat Denau zerſtört, wobei über
1000 Menſchen ums Leben gekommen
wären.

Es iſt demnach dieſes von Nomadenvölkern bis-
her bewohnte Gebiet ein Erdbebenherd, von deſſen
Gefährlichkeit man bisher faſt nichts wußte. Karatag,
die ſogenannte Hauptſtadt, iſt vor ganz kurzer Zeit
erſt der Vernichtung geweiht worden. Soviel man der
vorliegenden Depeſche entnimmt, hat das Erdbeben eine
Gegend betroffen, die ſo groß iſt wie ein kleines Kron-
land unſeres Reiches.




Eine Spionagegeſellſchaft.

Die Verhaftung des Schiffsfähnrichs Ullmo gab zu
einer eingehenden Nachforſchung Anlaß, in deren Verlauf
man auf eine mit Ullmo allerdings nicht zuſammen-
hängende Spionagegeſellſchaft ſtieß, die planmäßig und
als Geſchäft die Ausſpähung und den Verrat von mili-
täriſchen Geheimniſſen betrieb.

Ein aus Paris hier ein-
getroffener Sicherheitsinſpektor hat über eine neue
Spionageaffäre die Unterſuchung eingeleitet und vier
Verhaftungen
vorgenommen. Es handelt ſich
um eine Spionagegeſellſchaft, die durch die
Unterſuchungen in der Affäre Ullmo aufgedeckt worden
iſt. Dieſe Unterſuchungen haben zutage gefördert, daß
gewiſſe Individuen in Marſeille, Toulon und Ventimiglia
ihre Tätigkeit entwickelt haben. Gleichwohl ſcheint Ullmo
mit dieſer Geſellſchaft nichts zu tun gehabt zu haben
und es iſt nicht möglich, herauszubringen, ob ein
Zuſammenhang zwiſchen dieſen beiden Affären beſteht.
Bis jetzt ſind fünf Verhaftungen vorge-
nommen worden, und zwar eine in Toulon, die übrigen
in Marſeille. Das in Toulon verhaftete Individuum
iſt ein Franzoſe, der längere Zeit im Auslande ge-
lebt hat.




Ein verdächtiges Arſenal.
Das Waffenlager der revolutionären
Arbeiter in Italien.

Aus Rom wird uns vom 10. d. geſchrieben:

In Porto maggiore wurde in den Lokalitäten
der dortigen Ortsgruppe des Feldarbeiter-
bundes
ein großes Waffendepot entdeckt.
— „Popolo romano“ ſchreibt hiezu: Die Entdeckung
iſt eine derartige, daß ſie die ernſteſten Beſorgniſſe ein-
flöſſen müſſe. Schon ſeit längerem iſt es bekannt, daß
der Feldarbeiterbund unter dem Vorwande einer
wirtſchaftlichen Organiſation nichts anderes betreibt,
als eine Organiſation für einen bewaffneten
[Spaltenumbruch] politiſchen Aufſtand.
Hiefür ſei die Ent-
deckung des Waffendepots der beſte Beweis und eine
Hausdurchſuchung bei den anderen Ortsgruppen würde
ein ähnliches Reſultat liefern. In der Kammer wurde
bereits eine Interpellation eingebracht, welche die
ſtrengſten Maßregeln gegen die vom Feldarbeiterbunde
betriebene Vorbereitung eines bewaffneten
Aufſtandes fordert.




Telegramme.
Zur Eröffnung der ruſſiſchen Duma.

Um etwaigen Kund-
gebungen am Eröffnungstage der Duma vorzubeugen,
hat der Stadthauptmann eine Bekanntmachung er-
laſſen, worin erklärt wird, daß keinerlei Verſamm-
lungen, Umzüge oder ſonſtige Kundgebungen zuge-
laſſen werden würden.

Bernfung im Prozeß Gurko.

Wie „Nowoje
Wremja“ erfährt, hat der Verteidiger Gurkos
gegen deſſen Verurteilung Berufung eingelegt.

Peſt in Kleinaſien.

In Beirut
wurde ein peſtverdächtiger Erkrankungsfall
feſtgeſtellt.

Proteſt eines Konſularkorps gegen einen
franzöſiſchen Konſul.

Aus Mogador wird be-
richtet, daß der Miniſter des Aeußern des Gegenſultans
Muley Hafid den franzöſiſchen Konſul Kuri in Mogador
für die anderen Konſuln beſtimmte
Briefe
mit dem Erſuchen überſendete, ſie ſeinem
Kollegen zu übermitteln. Der franzöſiſche Konſul hielt
ſich nicht für berufen, dieſem Erſuchen zu entſprechen
und ſandte die Briefe an den Geſandten Regnault mit der
Bitte um andere Weiſungen. Die fremden Konſuln hielten
daraufhin eine Konferenz ab, in der beſonders der
ſpaniſche und der engliſche Konſul ihren Un-
willen hierüber ausſprachen
und in
welcher der Proteſt des Konſularkorps zu Protokoll
gegeben wurde.

Gianturco geſtorben.

Der bisherige Miniſter
für öffentliche Arbeiten, Emanuele Gianturco, iſt heute
nachmittags geſtorben.

Die Verſchwörer in Montenegro.

In Vaſſojevich wurde
heute der türkiſche Untertan Andrjia Vukajlow Panto-
vich verhaftet. In ſeinem Beſitze wurden ſechs
Bomben
gefunden. Er ſoll ein Genoſſe des nach
Belgrad ausgewanderten ehemaligen montenegriniſchen
Deputierten Vaſſo Tſchulaſich geweſen ſein.




Theater, Kunſt und Muſik.
— Konzertkartenverkauf.

Das Vorbezugsrecht der
Stifter, Gründer und unterſtützenden Mitglieder der Geſell-
ſchaft der Muſikfreunde für das erſte außerordentliche
Geſellſchaftskonzert (Guſtav Mahlers zweite Sinfonie)
kann vom 11. bis 13. d. M. an der Konzertkaſſe, 1. Bezirk,
Canovagaſſe 4, ausgeübt werden; der allgemeine Ver-
kauf
beginnt am 16. d. M. Die Preiſe der Plätze für
dieſes Konzert, deſſen Reinerträgnis dem Orgelfonds der
Geſellſchaft der Muſikfreunde zugeführt wird, ſind mit 20,
16, 12, 10, 8, 6, 4 und 3 Kronen feſtgeſetzt.




Sportnachrichten.
Kennen zu Wien.

Geſtern fand die diesjährige Wiener Renn-
ſaiſon ihren Abſchluß.
Leider verdarb das
ſchlechte Wetter den Abſchied von der Rennbahn, die
aber immerhin recht gut beſucht war. In mehreren
Kennen gab es Siege großer Außenſeiter. Nachſtehend
die Ergebniſſe des Tages:

Maiden-Handicap der Zweijährigen. 3000 Kronen.
1100 Meter. Herrn Vonwillers br. H. Braeciano, 60 Kg.
(Pis) 1., Forfert 2., Validol 3. Bocaccio, Kellner, Ifjaß-
zony, Harnnakin, Vilja. Tot. 212 : 10 (73 : 5). Platz 97,
47, 39 : 20.

Verkaufsrennen. 2400 Kronen. 1600 Meter. Hetrn
Meichls 5jähr. br. St. Foglalo, 52·5 Kg. (Gulyas) 1.,
Janos vites 2, Nemes 3. Tot. 15 : 10 (8 : 5).

Jägerhausrennen. 4000 Kronen. 1800 Meter. Herrn
V. v. Mautners 6jähr. br. W. Bator, 56·5 Kg. (Heidt) I.,
Taltos 2., Biſamberg 3. Jeanette. Tot. 44 : 10 (26 : 5).
Platz 36, 25 : 20.

Schlußhandicap. 6500 Kronen. 900 Meter. Bar. Alf.
Rothſchilds dbr. H. Armand, 51·5 Kg. (Cockeram) 1., Su-
perba 2., Pengot 3. Tilos, Bella, Sodoma, Stromboli,
Floridsdorf, Julietta, Edua, Dorca. Tot. 122 : 10 (55 : 5).
Platz 91, 72, 120 : 20.

Verkaufsrennen der Zweijährigen. 2400 Kronen[.]
1000 Meter. Bar. Uechtritz’ FSt. Cſilla, 46 Kg. (Gulyas)
1., Haluska 2., Flower ſeller 3. Glanure. Tot. 35 : 10
(17 : 5). Platz 33, 54 : 20.


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[6/0006] Wien, Montag Reichspoſt. 11. November 1907 273 Fürſtenhöfen nicht durch, ſo daß noch ſpäter ein Dichter klagte, das wichtige Ammenamt werde aus Erſparnis- rückſichten in vornehmen Häuſern an niedere Dienerinnen und Schäferinnen vergeben. Man ſah alſo allgemein bei der Amme weniger auf hohe Herkunft, als auf Geſundheit und äußere Vorzüge.“ * Das geſtrige Sonntagswetter. Die Tempe- ratur hält ſich zwiſchen 3 und 5 Grad, alſo ſo ziemlich auf dem normalen Monatsmittel. Für die Wiener Gaſtwirte, Cafetiers, Vergnügungsetabliſſements, Theater u. ſ. w. war ein veritables, goldenes Sonntagswetter. Auch die Heurigenſchänken wurden ſtark frequentiert. Der Sonntag abends eingefallene Nebel verdichtete ſich nachts in beträchtlichem Maße und ge- ſtaltete ſich heute früh in der Stadt zu einem widerlichen, den Atem beklemmenden Nauchnebel, der noch um 9 Uhr vormittags ſo dicht war, daß die Straßenbahnen be- leuchtet fuhren. Nach der allgemeinen Wetterlage iſt eine Wetterbeſſerung zu erwarten. Die Jahrhundertfeier des Schotten- gymnaſiums. Das Feſtbaukett. An die ſo glanzvoll verlaufene Feſtfeier des Schotten- gymnaſiums, über die wir in unſerer letzten Nummer ausführlich berichtet haben, ſchloß ſich am Samstag- Abend ein im Feſtſaale des Hotels „Continental“ abge- haltenes Bankett, welches einen überaus erhebenden Verlauf nahm. Mehr als 400 ehemalige Schüler des jubilierenden Gymnaſiums hatten ſich eingefunden und acht aufgeſtellte Tafeln vermochten kaum die Gäſte zu faſſen. Im offiziellen Teil des Banketts ſprachen Doktor Wittek, der mitteilte, daß vom Kaiſer auf die Huldigungs- depeſche vom Vormittage folgende Antwort eingetroffen ſei: „Seine k. u. k. Apoſtoliſche Majeſtät danken den Teilnehmern an der heutigen erhebenden Jahrhundert- feier allergnädigſt für die dargebrachte Huldigung und begleiten die weitere gedeihliche Entwicklung des unter der erfolgreichen Leitung des Schottenſtiftes ſtehenden Gymnaſiums mit den aufrichtigſten Wünſchen. Im Allerhöchſten Auftrage: Der Kabinettsdirektor Schießl.“ Dr. v. Wittek ſchließt ſeine Rede mit einem begeiſtert aufgenommenen Toaſt auf den Kaiſer. Dann ſprachen noch Prälat Roſt und Statthalter Graf Kielmansegg. Dem offiziellen Teile folgte eine flotte Exkneipe. Sonntag vormittags feierten die gegenwärtigen Frequentanten aller Klaſſen das Jubiläum. Unter ihnen befand ſich auch der jüngere Sohn weiland des Erz- herzogs Otto, der im 13. Lebensjahr ſtehende Erz- herzog Max. Die Feier wurde in der Schottenkirche um halb 9 Uhr vormittags mit einer vom Schottenprieſter Dr. Philipp Heberdey zelebrierten feierlichen Meſſe eingeleitet, worauf ſämtliche Schüler des Gymnaſiums ſich in den Prälatenſaal begaben. Im Hintergrunde des Saales war ein mit der Büſte des Kaiſers und mit Pflanzen und Blumen reich- geſchmücktes Podium errichtet. Klaſſenweiſe waren die Schulen aufgeſtellt. Der Feier wohnten bei: der Abt des Schottenſtiftes P. Leopold Roſt, der Landesſchulinſpektor Stefan Kapp, der Direktor des Schottengymnaſiums Regierungsrat P. Anton Sauer mit ſämtlichen Pro- feſſoren und andere Feſtgäſte. Unter der Leitung des Gymnaſialprofeſſors P. Benedikt Loſert wurde von einem aus Schülern zuſammengeſetzten Chore in vortrefflicher Weiſe der Chor „Die Ehre Gottes“ zu Gehör gebracht. Hierauf hielt Direktor Sauer die Feſtrede. Er ſchloß: „So wollen wir denn noch zum Beweiſe unſerer tiefſten Verehrung und Ergebenheit die Feier in den Ruf ausklingen laſſen, „Unſer allergnädigſter Herr und Kaiſer Se. Majeſtät hoch, hoch, hoch!“ Stürmiſche und be- geiſterte Hochrufe folgten dem Schluſſe und der ober- wähnte Chor ſtimmte hierauf die Volkshymne an. — Hierauf hielt noch Landesſchulinſpektor Kapp eine An- ſprache, in welcher er in ſeiner Einleitung den Direktor und den geſamten Lehrkörper in warmen Worten be- glückwünſchte. An dieſe Feier ſchloß ſich dann die „General- probe“ zu der heute Montag, nachmittags 3 Uhr, im Prälatenſaale des Schottenſtiftes von den Schülern dieſes Gymnaſiums zu veranſtaltenden Feſtakademie. Große chriſtlichſoziale Verſammlungen in Schleſien. [Eigenbericht der „Reichspoſt“.] Zuckmantel, 10. November. Samstag und Sonntag (9. und 10. November) fanden im Markte Niklasdorf und der Stadt Zuckmantel zwei maſſenhaft beſuchte Verſammlungen ſtatt. In jeder derſelben waren ungefähr 400 Männer anweſend. In Niklasdorf führte Herr GR. Gröger, in Zuck- mantel der Obmann des Chriſtlichſozialen Vereines Gerichtsadjunkt Dr. Bruckl den Vorſitz. Rabg. Wohlmeyer entwickelte in längerer, oft von Beifall unterbrochener Rede den Werdegang der öſter- reichiſchen Volkswirtſchaft, beſprach die Steuer- und Schuldenmiſere, das Kartellunweſen, die Handwerker- frage, die Schäden der Unfallverſicherung und die allgemeine Altersverſorgung. Beſonderes Intereſſe fanden ſeine Ausführungen über die Teuerung und den Ausgleich mit Ungarn. Profeſſor Habel entwickelte nun das Parteiprogramm und erörterte unter begeiſtertem Beifall die Forderungen der chriſtlichſozialen Partei für Bauern- und Gewerbeſtand und für die Arbeiterſchaft. Hinweiſend auf die bisherigen Leiſtungen der Partei in Land und Stadt zeigte er die Forderungen der Zu- kunft. Nachdem Redner noch die Lügen der Gegner über die Partei zurückgewieſen hatte, wurde unter demoſtra- tivem Beifall folgende Reſolution einſtimmig ange- nommen: „Die heute tagende Verſammlung proteſtiert gegen alle jene Beſtrebungen, welche darauf gerichtet ſind, die materiellen Intereſſen des Volkes zu ſchädigen; ſie proteſtiert aber auch gegen jene Beſtrebungen, die dem chriſtlichen Volke die idealen Güter zu rauben ſuchen, die die chriſtliche Familie zerſtören, unſern Kindern das Chriſtentum aus den Herzen reißen wollen, und fordert alle Abgeordneten auf, alle dieſe Beſtrebungen zu bekämpfen und begrüßt es aufs lebhafteſte, daß die chriſtlichſoziale Partei den Kampf aufgenommen und auch in einigen Kronländern ſiegreich durchgeführt hat. Sie begrüßt es, daß dieſe Partei auch in Schleſien das Volk aufzuklären ſucht und wir jubeln ihr mit freudigem Dank entgegen.“ Nachdem ſich der Beifall gelegt hatte, interpellierte ein Sozialdemokrat, wurde aber von Profeſſor Habel ſchneidig abgeführt. Mit Hoch- und Heilrufen auf die Partei, auf Kaiſer und Papſt, wurden dieſe impoſanten Kundgebungen geſchloſſen. Univerſitätskrawall. Heute mittags fand in der Vorhalle der Univerſität eine arge Rauferei ſtatt. Die Italiener kamen in ge- ſchloſſenem Zuge und ein Redner beanſpruchte für die Italiener dieſelben Rechte, wie ſie die Deutſchen haben. Er wurde aber niedergeſchrieen und im Nu ſah man Stöcke und Fäuſte drohend erhoben. Die Italiener wurden von allen deutſchen Studenten hinausgetrieben, wobei mehrere blutige Köpfe davontrugen. Das eiſerne Torgitter wurde geſchloſſen, worauf die Italiener noch die Glasſcheiben des Tores in Trümmer ſchlugen. Beide Parteien ſchloſſen ihre „Tätigkeit“ mit nationalen Liedern. Eine Erdbebenkataſtrophe. Wir erhalten folgende Depeſche: Petersburg, 10. November. Aus der Gegend von Karatag kommt die Meldung über eine neuer- lichefurchtbare Erdbebenkataſtrophe, welche alle um Karatag gelegenen Ortſchaften vernichtet haben ſoll. Ebenſo ſei das ganze Bekat Denau zerſtört, wobei über 1000 Menſchen ums Leben gekommen wären. Es iſt demnach dieſes von Nomadenvölkern bis- her bewohnte Gebiet ein Erdbebenherd, von deſſen Gefährlichkeit man bisher faſt nichts wußte. Karatag, die ſogenannte Hauptſtadt, iſt vor ganz kurzer Zeit erſt der Vernichtung geweiht worden. Soviel man der vorliegenden Depeſche entnimmt, hat das Erdbeben eine Gegend betroffen, die ſo groß iſt wie ein kleines Kron- land unſeres Reiches. Eine Spionagegeſellſchaft. Die Verhaftung des Schiffsfähnrichs Ullmo gab zu einer eingehenden Nachforſchung Anlaß, in deren Verlauf man auf eine mit Ullmo allerdings nicht zuſammen- hängende Spionagegeſellſchaft ſtieß, die planmäßig und als Geſchäft die Ausſpähung und den Verrat von mili- täriſchen Geheimniſſen betrieb. Toulon, 10. November. Ein aus Paris hier ein- getroffener Sicherheitsinſpektor hat über eine neue Spionageaffäre die Unterſuchung eingeleitet und vier Verhaftungen vorgenommen. Es handelt ſich um eine Spionagegeſellſchaft, die durch die Unterſuchungen in der Affäre Ullmo aufgedeckt worden iſt. Dieſe Unterſuchungen haben zutage gefördert, daß gewiſſe Individuen in Marſeille, Toulon und Ventimiglia ihre Tätigkeit entwickelt haben. Gleichwohl ſcheint Ullmo mit dieſer Geſellſchaft nichts zu tun gehabt zu haben und es iſt nicht möglich, herauszubringen, ob ein Zuſammenhang zwiſchen dieſen beiden Affären beſteht. Bis jetzt ſind fünf Verhaftungen vorge- nommen worden, und zwar eine in Toulon, die übrigen in Marſeille. Das in Toulon verhaftete Individuum iſt ein Franzoſe, der längere Zeit im Auslande ge- lebt hat. Ein verdächtiges Arſenal. Das Waffenlager der revolutionären Arbeiter in Italien. Aus Rom wird uns vom 10. d. geſchrieben: In Porto maggiore wurde in den Lokalitäten der dortigen Ortsgruppe des Feldarbeiter- bundes ein großes Waffendepot entdeckt. — „Popolo romano“ ſchreibt hiezu: Die Entdeckung iſt eine derartige, daß ſie die ernſteſten Beſorgniſſe ein- flöſſen müſſe. Schon ſeit längerem iſt es bekannt, daß der Feldarbeiterbund unter dem Vorwande einer wirtſchaftlichen Organiſation nichts anderes betreibt, als eine Organiſation für einen bewaffneten politiſchen Aufſtand. Hiefür ſei die Ent- deckung des Waffendepots der beſte Beweis und eine Hausdurchſuchung bei den anderen Ortsgruppen würde ein ähnliches Reſultat liefern. In der Kammer wurde bereits eine Interpellation eingebracht, welche die ſtrengſten Maßregeln gegen die vom Feldarbeiterbunde betriebene Vorbereitung eines bewaffneten Aufſtandes fordert. Telegramme. Zur Eröffnung der ruſſiſchen Duma. Petersburg, 9. November. Um etwaigen Kund- gebungen am Eröffnungstage der Duma vorzubeugen, hat der Stadthauptmann eine Bekanntmachung er- laſſen, worin erklärt wird, daß keinerlei Verſamm- lungen, Umzüge oder ſonſtige Kundgebungen zuge- laſſen werden würden. Bernfung im Prozeß Gurko. Petersburg, 10. November. Wie „Nowoje Wremja“ erfährt, hat der Verteidiger Gurkos gegen deſſen Verurteilung Berufung eingelegt. Peſt in Kleinaſien. Konſtantinopel, 10. November. In Beirut wurde ein peſtverdächtiger Erkrankungsfall feſtgeſtellt. Proteſt eines Konſularkorps gegen einen franzöſiſchen Konſul. Paris, 10. November. Aus Mogador wird be- richtet, daß der Miniſter des Aeußern des Gegenſultans Muley Hafid den franzöſiſchen Konſul Kuri in Mogador für die anderen Konſuln beſtimmte Briefe mit dem Erſuchen überſendete, ſie ſeinem Kollegen zu übermitteln. Der franzöſiſche Konſul hielt ſich nicht für berufen, dieſem Erſuchen zu entſprechen und ſandte die Briefe an den Geſandten Regnault mit der Bitte um andere Weiſungen. Die fremden Konſuln hielten daraufhin eine Konferenz ab, in der beſonders der ſpaniſche und der engliſche Konſul ihren Un- willen hierüber ausſprachen und in welcher der Proteſt des Konſularkorps zu Protokoll gegeben wurde. Gianturco geſtorben. Neapel, 10. November. Der bisherige Miniſter für öffentliche Arbeiten, Emanuele Gianturco, iſt heute nachmittags geſtorben. Die Verſchwörer in Montenegro. Cetinje, 10. November. In Vaſſojevich wurde heute der türkiſche Untertan Andrjia Vukajlow Panto- vich verhaftet. In ſeinem Beſitze wurden ſechs Bomben gefunden. Er ſoll ein Genoſſe des nach Belgrad ausgewanderten ehemaligen montenegriniſchen Deputierten Vaſſo Tſchulaſich geweſen ſein. Theater, Kunſt und Muſik. — Konzertkartenverkauf. Das Vorbezugsrecht der Stifter, Gründer und unterſtützenden Mitglieder der Geſell- ſchaft der Muſikfreunde für das erſte außerordentliche Geſellſchaftskonzert (Guſtav Mahlers zweite Sinfonie) kann vom 11. bis 13. d. M. an der Konzertkaſſe, 1. Bezirk, Canovagaſſe 4, ausgeübt werden; der allgemeine Ver- kauf beginnt am 16. d. M. Die Preiſe der Plätze für dieſes Konzert, deſſen Reinerträgnis dem Orgelfonds der Geſellſchaft der Muſikfreunde zugeführt wird, ſind mit 20, 16, 12, 10, 8, 6, 4 und 3 Kronen feſtgeſetzt. Sportnachrichten. Kennen zu Wien. Geſtern fand die diesjährige Wiener Renn- ſaiſon ihren Abſchluß. Leider verdarb das ſchlechte Wetter den Abſchied von der Rennbahn, die aber immerhin recht gut beſucht war. In mehreren Kennen gab es Siege großer Außenſeiter. Nachſtehend die Ergebniſſe des Tages: Maiden-Handicap der Zweijährigen. 3000 Kronen. 1100 Meter. Herrn Vonwillers br. H. Braeciano, 60 Kg. (Pis) 1., Forfert 2., Validol 3. Bocaccio, Kellner, Ifjaß- zony, Harnnakin, Vilja. Tot. 212 : 10 (73 : 5). Platz 97, 47, 39 : 20. Verkaufsrennen. 2400 Kronen. 1600 Meter. Hetrn Meichls 5jähr. br. St. Foglalo, 52·5 Kg. (Gulyas) 1., Janos vites 2, Nemes 3. Tot. 15 : 10 (8 : 5). Jägerhausrennen. 4000 Kronen. 1800 Meter. Herrn V. v. Mautners 6jähr. br. W. Bator, 56·5 Kg. (Heidt) I., Taltos 2., Biſamberg 3. Jeanette. Tot. 44 : 10 (26 : 5). Platz 36, 25 : 20. Schlußhandicap. 6500 Kronen. 900 Meter. Bar. Alf. Rothſchilds dbr. H. Armand, 51·5 Kg. (Cockeram) 1., Su- perba 2., Pengot 3. Tilos, Bella, Sodoma, Stromboli, Floridsdorf, Julietta, Edua, Dorca. Tot. 122 : 10 (55 : 5). Platz 91, 72, 120 : 20. Verkaufsrennen der Zweijährigen. 2400 Kronen. 1000 Meter. Bar. Uechtritz’ FSt. Cſilla, 46 Kg. (Gulyas) 1., Haluska 2., Flower ſeller 3. Glanure. Tot. 35 : 10 (17 : 5). Platz 33, 54 : 20.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 273, Wien, 11.11.1907, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost273_1907/6>, abgerufen am 21.11.2024.