Reichspost. Nr. 273, Wien, 11.11.1907.273 Wien, Montag Reichspost 11. November 1907 [Spaltenumbruch] * Grazer Frauen gegen sozialdemokratische Religionsverhöhnung. Aus Graz, 8. d., wird der * Sozialdemokraten und Deutschradikale in Salzburg. Am 8. d. fand im großen Mödlhamer-Saale * Die Präsidentschaft des Katholikentages. Als Präsident des nächsten Samstag beginnenden * Von einem Automobil überfahren. Am * Verrat militärischer Geheimnisse. Der Ber- * Kaiser Wilhelm II. auf Corfu. Aus Athen * Ein Schiller-Denkmal in Czernowitz. Man * Selbstmord eines Lord. Man meldet aus * Die Vorfälle in der Perchtoldsdorfer Ge- meindestube. Aus Perchtoldsdorf wird uns berichtet: * Die Rheinregulierung. Das österreichische * Die Anleihe der Stadt Reichenberg. Der * Die Elberegulierung. Amtlich wird uns heute * Ein gefäh[r]detes Regulierungsprojekt. Dem * Auch ein Selbstmordmotiv. Der 17jährige * Ein Riesenbuch. Ein Buch, das 362 Kilo wiegt, * Eine pietätvolle Witwe. Aus Graz wird uns * Der "Tiroler" -- konfisziert. Die letzte Nummer * Gegen die Schwimmsandeinbrüche. Amtlich * Die letzte Fahrt eines wackeren Wiener Fiakers. Das gestern nachmittags stattgefundene Leichen- * Die Folgen des übermäßigen Alkoholge- nusses. Wie der Polizeibericht der Residenzstadt * Die Amme für das Fürstenkind. Die eben 273 Wien, Montag Reichspoſt 11. November 1907 [Spaltenumbruch] * Grazer Frauen gegen ſozialdemokratiſche Religionsverhöhnung. Aus Graz, 8. d., wird der * Sozialdemokraten und Deutſchradikale in Salzburg. Am 8. d. fand im großen Mödlhamer-Saale * Die Präſidentſchaft des Katholikentages. Als Präſident des nächſten Samstag beginnenden * Von einem Automobil überfahren. Am * Verrat militäriſcher Geheimniſſe. Der Ber- * Kaiſer Wilhelm II. auf Corfu. Aus Athen * Ein Schiller-Denkmal in Czernowitz. Man * Selbſtmord eines Lord. Man meldet aus * Die Vorfälle in der Perchtoldsdorfer Ge- meindeſtube. Aus Perchtoldsdorf wird uns berichtet: * Die Rheinregulierung. Das öſterreichiſche * Die Anleihe der Stadt Reichenberg. Der * Die Elberegulierung. Amtlich wird uns heute * Ein gefäh[r]detes Regulierungsprojekt. Dem * Auch ein Selbſtmordmotiv. Der 17jährige * Ein Rieſenbuch. Ein Buch, das 362 Kilo wiegt, * Eine pietätvolle Witwe. Aus Graz wird uns * Der „Tiroler“ — konfisziert. Die letzte Nummer * Gegen die Schwimmſandeinbrüche. Amtlich * Die letzte Fahrt eines wackeren Wiener Fiakers. Das geſtern nachmittags ſtattgefundene Leichen- * Die Folgen des übermäßigen Alkoholge- nuſſes. Wie der Polizeibericht der Reſidenzſtadt * Die Amme für das Fürſtenkind. Die eben <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0005" n="5"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">273 Wien, Montag <hi rendition="#g">Reichspoſt</hi> 11. November 1907</hi> </fw><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Grazer Frauen gegen ſozialdemokratiſche<lb/> Religionsverhöhnung.</hi> </head> <p>Aus <hi rendition="#g">Graz,</hi> 8. d., wird der<lb/> „Reichspoſt“ geſchrieben: Die Grazer katholiſchen Frauen<lb/> werden gegen die ſcheußliche Verhöhnung der Menſch-<lb/> werdung Chriſti zuerſt öffentlich proteſtieren. Die katho-<lb/> liſche Frauenorganiſation für Steiermark hat den Beſchluß<lb/> gefaßt, am Mittwoch, den 13. November, in Graz eine<lb/> große Proteſtverſammlung abzuhalten und ladet dazu<lb/> ſoeben mit einem Aufrufe ein, in dem es heißt:<lb/> „Katholiſche Frauen und Jungfrauen! Eine unerhörte<lb/> Beleidigung iſt unſerer heiligen Religion widerfahren,<lb/> indem eine religionsfeindliche Zeitung in Graz das von<lb/> jedem Chriſten in Ehrfurcht verehrte heilige Geheimnis<lb/> der Menſchwerdung unſeres Herrn und Heilandes<lb/> Jeſus Chriſtus mit den Vorgängen bei der Züchtung<lb/> eines Tieres in Verbindung gebracht und ſo nicht nur<lb/> das Gefühl jedes gläubigen Katholiken, ſondern das<lb/> Gefühl jedes anſtändigen Menſchen aufs tiefſte verletzt<lb/> wurde.“ An anderer Stelle heißt es: Wir wollen und<lb/> dürfen nicht dulden, daß dieſer Frevel um ſich greift und<lb/> vielleicht gar in unſere Familien eindringt. Denkt an<lb/> Eure lieben Angehörigen, denkt an die Kinder .....“<lb/> Die Einladungen werden in Graz maſſenhaft verbreitet.<lb/> Es wäre wünſchenswert, wenn dieſes wachere Beiſpiel<lb/> der katholiſchen Frauen von Graz auch andernorts bei<lb/> ähnlichen Anläſſen nachgeahmt würde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Sozialdemokraten und Deutſchradikale in<lb/> Salzburg.</hi> </head> <p>Am 8. d. fand im großen Mödlhamer-Saale<lb/> in Salzburg eine vom „Deutſchnationalen Handlungs-<lb/> gehilfen-Verbande“ einberufene Verſammlung ſtatt. Die-<lb/> ſelbe war ſehr gut beſucht, allerdings meiſt von Sozial-<lb/> demokraten, welche mit Hausknechten, Packern und aller-<lb/> hand raufluſtigen Leuten gekommen waren, die es von<lb/> allem Anfang an darauf abgeſehen hatten, einen ruhigen<lb/> Verlauf der Verſammlung zu verhindern. „Gauvorſteher“<lb/> Gründahl hielt ſeine Rede; wurde aber oft unterbrochen<lb/> und ſchießlich erhoben die „Genoſſen“ ein lautes Gejohle.<lb/> Ein ohrenbetäubender Lärm und Tumult entſtand, ſo<lb/> daß der Regierungsvertreter, Dr. Mark, ſich ver-<lb/> anlaßt ſah, die Verſammlung aufzulöſen und die Ver-<lb/> ſammlungsteilnehmer aufzufordern, das Lokal zu ver-<lb/> laſſen. Dieſe Anordnung des Regierungsvertreters<lb/> wurde anfangs gar nicht beachtet. Erſt als eine größere<lb/> Abordnung von Sicherheitswachmännern im Saale er-<lb/> ſchien und nach zweimaliger erfolgloſer Aufforderung,<lb/> das Lokal zu räumen, Gewaltanwendung angedroht<lb/> wurde, leerte ſich langſam der Saal. So werden die<lb/> Deutſchradikalen von den Genoſſen behandelt; ob ſie ſich<lb/> die erhaltenen Prügel merken werden?</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Präſidentſchaft des Katholikentages.</hi> </head><lb/> <p>Als Präſident des nächſten Samstag beginnenden<lb/><hi rendition="#aq">IV.</hi> allgemeinen öſterreichiſchen Katholikentages war<lb/> Landeshauptmann Dr. <hi rendition="#g">Ebenhoch</hi> auserſehen ge-<lb/> weſen. — Wie das „Linzer Völksblatt“ mitteilt, ver-<lb/> hindern der Amtsantritt und die damit verbundenen<lb/> Arbeiten den neuen Miniſter, die Präſidentſchaft zu<lb/> übernehmen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Von einem Automobil überfahren.</hi> </head> <p>Am<lb/> Sonntag um Mitternacht wurde der kleine Blumen-<lb/> verkäufer Friedrich Ottawa auf dem Graben vom Auto-<lb/> mobil <hi rendition="#aq">A</hi> 490 niedergeſtoßen. Er erlitt eine Gehirnerſchüt-<lb/> terung und eine Quetſchung im rechten Hüftgelenk und<lb/> wurde von der Rettungsgeſellſchaft ins Leopoldſtädter<lb/> Kinderſpital gebracht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Verrat militäriſcher Geheimniſſe.</hi> </head> <p>Der Ber-<lb/> liner „Lokalanzeiger“ meldet aus Warſchau: Die Ge-<lb/> heimpolizei entdeckte den Verrat militäriſcher Geheim-<lb/> niſſe. Die Affäre wird noch ſtrenge geheimgehalten.<lb/> Mehrere höhere Offiziere ſind in die Affäre verwickelt.<lb/> Es handelt ſich <hi rendition="#g">um eine Anzahl von Be-<lb/> feſtigungsplänen,</hi> welche <hi rendition="#g">an Oeſterreich<lb/> ausgeliefert worden</hi> ſein ſollen. Die Polizei<lb/> nahm in dieſer Affäre mehrere Verhaftungen vor. Weitere<lb/> Verhaftungen ſtehen bevor.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Kaiſer Wilhelm <hi rendition="#aq">II.</hi> auf Corfu.</hi> </head> <p>Aus Athen<lb/> wird uns gemeldet: Wie die hieſigen Blätter melden,<lb/> wird das Schloß Achilleion auf Corfu für Kaiſer<lb/> Wilhelm <hi rendition="#aq">II.,</hi> der daſelbſt von Ende Jänner n. J. bis<lb/> Ende April 1908 zu verweilen gedenkt, adaptiert.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein Schiller-Denkmal in Czernowitz.</hi> </head> <p>Man<lb/> ſchreibt uns aus <hi rendition="#g">Czernowitz</hi> vom 10. d.: Heute<lb/> fand hier in Anweſenheit des Landespräſidenten Ritter<lb/> v. Bleyleben, des Bürgermeiſters Freiherrn v. Fürth, der<lb/> Mitglieder des Gemeinderates und den Spitzen der Be-<lb/> hörden die feierliche Enthüllung des vor dem Stadttheater<lb/> errichteten Schiller-Denkmals ſtatt. Der Schöpfer des<lb/> Denkmals iſt der Wiener Bildhauer Georg Leiſek.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Selbſtmord eines Lord.</hi> </head> <p>Man meldet aus<lb/> Paris vom 9. d.: Lord Francis William Kilmaine, Pair<lb/> von Irland, der vorübergehend hier weilte, hat ſich in<lb/> einem Anfalle von Neuraſthenie aus dem Fenſter geſtürzt<lb/> und blieb ſofort tot.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Vorfälle in der Perchtoldsdorfer Ge-<lb/> meindeſtube.</hi> </head> <p>Aus Perchtoldsdorf wird uns berichtet:<lb/> Aus Anlaß der behördlichen Auflöſnng der Gemeinde-<lb/> verwaltung von Perchtoldsdorf berief die ſozialdemokra-<lb/> tiſche Partei für geſtern eine Volksverſammlung ein, die<lb/> eine Proteſtkundgebung gegen dieſe Verfügung zum Zweck<lb/> hatte. Das Aufgebot der Arbeiterſchaft war ein außer-<lb/> ordentlich großes; doch hatten ſich auch chriſtlichſoziale<lb/> Wähler eingefunden, die mit der erwähnten Maßnahme<lb/> ſich einverſtanden erklärten, wodurch die Verſammlung<lb/> ſtellenweiſe einen ſtürmiſchen Charakter annahm. Der<lb/> ſozialdemokratiſche Hauptredner Korzinek ſtellte die Auf-<lb/> löſung der Gemeindeverwaltung als einen Racheakt der<lb/><cb/> Chriſtlichſozialen dar, die damit den ihnen mißliebigen<lb/> Bgm. Greiner treffen wollten, weil derſelbe als angeblicher<lb/> Chriſtlichſozialer gegen den offiziellen chriſtlichſozialen<lb/> Reichsratskandidaten aufgetreten iſt. Als nach weiteren<lb/> heftigen Angriffen der folgenden ſozialdemokratiſchen<lb/> Redner der Beirat Bayerl namens der chriſtlichſozialen<lb/> Wähler das Wort ergriff, kam es zu ſtürmiſchen Szenen<lb/> und Auseinanderſetzungen zwiſchen beiden Parteien. Der<lb/> genannte Sprecher der Chriſtlichſozialen wies darauf<lb/> hin, daß die Gemeinde vor wenigen Jahren überhaupt<lb/> keine Schulden hatte und jetzt mit über eine Million<lb/> Kronen belaſtet iſt und vor der Erhöhung der Gemeinde-<lb/> umlagen ſteht. Die Mehrheit der Verſammlung beſchloß<lb/> einen Proteſt gegen die Auflöſung der Gemeindever-<lb/> waltung.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Rheinregulierung.</hi> </head> <p>Das öſterreichiſche<lb/> Budget für 1908 ſieht für das Land Vorarlberg als<lb/> einen der Poſten den Betrag von 656.880 Kronen zur<lb/> Rheinregulierung vor.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Anleihe der Stadt Reichenberg.</hi> </head> <p>Der<lb/> Kaiſer hat dem vom Landtage des Königreichs Böhmen<lb/> beſchloſſenen Entwurfe eines Geſetzes, womit der Stadt-<lb/> gemeinde Reichenberg die Bewilligung zur Aufnahme<lb/> eines Darlehens von 3,400.000 Kronen erteilt wird, die<lb/> Sanktion erteilt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Elberegulierung.</hi> </head> <p>Amtlich wird uns heute<lb/> berichtet: Das Handelsminiſterium hat dem von der<lb/> Direktion für den Bau der Waſſerſtraßen ausgearbeiteten<lb/> Projekte für die Regulierung und Kanaliſierung der<lb/> Elbe im Stadtgebiete von Kolin die Genehmigung erteilt.<lb/> Die Statthalterei in Prag wurde bereits angewieſen, die<lb/> erforderlichen Einleitungen wegen eheſter Durchführung<lb/> der politiſchen Begehung und Enteignungsverhandlung<lb/> mit aller Beſchleunigung zu treffen, um die baldige<lb/> Inangriffnahme dieſer Arbeiten zu ermöglichen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein gefäh<supplied>r</supplied>detes Regulierungsprojekt.</hi> </head> <p>Dem<lb/> Vernehmen nach haben ſich der Durchführung des be-<lb/> kannten Projektes betreffend Herſtellung eines Straßen-<lb/> zuges <hi rendition="#g">Akademieſtraße—Laurenzerberg</hi><lb/> bedeutende Schwierigkeiten entgegengeſtellt. Die koſt-<lb/> ſpieligen Häuſereinlöſungen, die erforderlich wären,<lb/> ſtünden demzufolge in keinem Verhältnis zu dem Effekt,<lb/> der einer Parallelſtraße des Parkringes gleichkäme. Da-<lb/> für wendet ſich neueſtens verſtärktes Intereſſe dem Pro-<lb/> jekte einer Durchquerung <hi rendition="#g">Stubentor—Schotten-<lb/> tor</hi> zu, die einem intenſiven Verkehrsbedürfniſſe ent-<lb/> ſpräche. Man gedenkt, bei der Demolierung des alten<lb/><hi rendition="#g">Kriegsgebäudes</hi> die Eventualität eines Straßen-<lb/> zuges <hi rendition="#aq">via</hi> Bognergaſſe in Betracht zu ziehen. Es iſt<lb/> auch ſchon erörtert worden, die Straßenfront des<lb/><hi rendition="#g">Mölkerhofes</hi> durch einen <hi rendition="#g">Arkadengang</hi> zu<lb/> durchbrechen, um das Trottoir der Schottengaſſe zur Er-<lb/> weiterung der Fahrſtraße zu verwenden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Auch ein Selbſtmordmotiv.</hi> </head> <p>Der 17jährige<lb/> Eisverkäufer Joſef Z. ſprang am 10. d. nachts aus<lb/> einem Mezzaninfenſter in den Hofraum. Er fiel zunächſt<lb/> auf ein Glasdach auf, durchſchlug dasſelbe und glitt<lb/> dann zu Boden. Der Burſche, welcher mehrere Schnitt-<lb/> wunden am linken Unterſchenkel erlitten hat, wurde vom<lb/> Inſpektionsarzte der Freiwilligen Rettungsgeſellſchaft<lb/> verbunden und in das Spital der Barmherzigen Brüder<lb/> gebracht. Als Motiv der Tat gab er Kränkung darüber<lb/> an, <hi rendition="#g">daß ſein Vater ihm das Nauchen<lb/> noch nicht geſtattet,</hi> während alle ſeine<lb/> Kameraden dies ſchon tun dürfen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Ein Rieſenbuch.</hi> </head> <p>Ein Buch, das 362 Kilo wiegt,<lb/> beſitzt das britiſche Muſeum. Es iſt ein geographiſcher<lb/> Atlas von gewaltigem Umfange, der alle Karten von<lb/> Holland in wunderbarer Zeichnung enthält. Dieſes Buch<lb/> ruht in einem rieſigen Umſchlage, den nur drei Mann<lb/> zuſammen fortzuſchaffen vermögen. Der in Leder ge-<lb/> bundene und reich mit Gold gezierte Rieſenband hat<lb/> eine Höhe von etwa 2·15 Meter. Er wurde 1660 dem<lb/> König Karl <hi rendition="#aq">II.</hi> geſchenkt, als er ſich in Holland ein-<lb/> ſchiffte, um nach London zurückzukehren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Eine pietätvolle Witwe.</hi> </head> <p>Aus <hi rendition="#g">Graz</hi> wird uns<lb/> folgendes nettes Geſchichtchen mitgeteilt: Eine den beſten<lb/> Ständen angehörige Frau lebte viele Jahre glücklich mit<lb/> ihrem freigewählten Manne, dem ſie ſogar durch manches<lb/> Krankheitsjahr eine ſorgſame Pflegerin war. Der Mann<lb/> ſtarb, die junge Witwe ſetzte ihrem „Unvergeßlichen“<lb/> einen ſchönen Leichenſtein auf dem St. Leonhard-Fried-<lb/> hofe — und heiratete in kurzer Friſt zum zweiten Male.<lb/> Auch dieſer Mann ſtarb unerwartet früh. Die zum<lb/> zweiten Male Witwe gewordene Frau ließ nun den<lb/> ſchönen Leichenſtein vom Grabe ihres erſten Gatten holen,<lb/> ihn abſchleifen und, mit neuer „unvergeßlicher“ Inſchrift<lb/> verſehen, am Grabe des zweiten, „leider viel zu früh<lb/> verſtorbenen“ Gatten aufſtellen. Ob wohl der Leichenſtein<lb/> noch einmal als „Gabe treuer Erinnerung“ wandern<lb/> wird?</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Der „Tiroler“ — konfisziert.</hi> </head> <p>Die letzte Nummer<lb/> des in Bozen erſcheinenden „Tiroler“ wurde konfisziert.<lb/> Die Redaktion des genannten Blattes teilt ihren Leſern<lb/> folgendes mit: „Wer die konfiszierte Notiz leſen will,<lb/> der leſe <hi rendition="#g">das amtliche Blatt</hi> „Bote für Tirol und<lb/> Vorarlberg“, und zwar die Donnerstagausgabe! Auch<lb/> in vielen Wiener und Provinzblättern ſteht die Notiz.<lb/> So handhabt ein aus dem vorigen Jahrhundert ſtammen-<lb/> der Staatsanwalt in Bozen ein aus dem vorigen Jahr-<lb/> hundert ſtammendes Geſetz. Heute muß in Bozen die<lb/> Polizei den „Tiroler“ konfiszieren, damit die Leſer dieſe<lb/> Notiz nicht leſen können. Der <hi rendition="#g">amtliche „Bote für<lb/> Tirol und Vorarlberg“</hi> und ſo manche andere<lb/> Zeitung liegt mit der gleichen Notiz im gleichen Kaffee-<lb/><cb/> oder Gaſthaus auf und der Staatsanwalt weiß es.<lb/> Wenigſtens, daß die Notiz im „Bote für Tirol und Vor-<lb/> arlberg“ ſtand, hätte er wiſſen ſollen — als k. k. Beamter.<lb/><hi rendition="#g">„Oderleſen auch die Beamten die Amts-<lb/> blätter nicht?“</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Gegen die Schwimmſandeinbrüche.</hi> </head> <p>Amtlich<lb/> wird uns berichtet: Aus Anlaß der an zwei Stellen des<lb/> nordweſtböhmiſchen Braunkohlenrevieres vorgefallenen<lb/> Schwimmſandeinbrüche hat das Ackerbauminiſterium an-<lb/> geordnet, daß bei allen Bergwerksbetrieben im Amts-<lb/> gebiete der Berghauptmannſchaft in Prag, in welchen die<lb/> Gefahr von Schwimmſand- oder Schlammeinbrüchen<lb/> beſteht, von den Bergbehörden unter Berückſichtigung der<lb/> Erfahrungen, die bei den letzten Einbrüchen gewonnen<lb/> wurden, die für den Fall und zur Verhütung ſolcher Er-<lb/> eigniſſe beſtehenden Maßnahmen überprüft und die nach<lb/> dem Ergebniſſe der bezüglichen Erhebungen etwa not-<lb/> wendigen weiteren Schutzvorkehrungen <hi rendition="#g">ohne Auf-<lb/> ſchub</hi> getroffen werden. Das Ackerbauminiſterium hat<lb/> ferner verfügt, daß ſich die Erhebungen vornehmlich auch<lb/> darauf erſtrecken ſollen, ob die getroffenen Schutzvor-<lb/> kehrungen die Belegſchaft der Grube gegen die Folgen<lb/> des Einbruchs in ausreichendem Maße zu verſichern ver-<lb/> mögen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die letzte Fahrt eines wackeren Wiener<lb/> Fiakers.</hi> </head> <p>Das geſtern nachmittags ſtattgefundene Leichen-<lb/> begängnis des Vorſtehers der Wiener Fiakergenoſſenſchaft,<lb/> Handelskammerrates Franz <hi rendition="#g">Himmelmayer</hi> gab einen<lb/> Beweis, welch großer Beliebtheit ſich der Verſtorbene<lb/> erfreute. Mehr als zweitauſend Leidtragende waren trotz<lb/> des ſchlechten Wetters im Trauerhauſe, 18. Bezirk,<lb/> Martinsſtraße Nr. 96, erſchienen, um dem beliebten<lb/> Manne die letzte Ehre zu erweiſen. Unter den vielen<lb/> Trauergäſten ſah man u. a.: <hi rendition="#aq">P.</hi> Abel, die Handels-<lb/> kammerräte Kitſchelt und Zeſewitz, Rabg. Genoſſenſchafts-<lb/> inſtruktor Pabſt, Bezirksvorſteher Abg. Baumann, die<lb/> Gemeinderäte Obriſt, Dechant, Hütter, viele Bezirksräte,<lb/> Volksdichter Merkt, Polizeikommiſſär Dr. Köllner, die<lb/> Genoſſenſchaftsvorſtehung der Einſpänner mit Herrn Pollak<lb/> an der Spitze. die Genoſſenſchaft der Fiaker mit dem<lb/> Stellvertreter Herrn Rößner und ſämtlichen Ausſchüſſen,<lb/> Beamten ꝛc. mit umflortem Genoſſenſchaftsbanner, die<lb/> Vorſtehung der Lohnfuhrwerksbeſitzer und der Kleinfuhr-<lb/> leute mit den Vorſtehern Reuter und Hafner, die<lb/> Gehilfenvertretung der Fiaker und Einſpänner mit den<lb/> Obmännern Hawelka und Streit und dem Obmann<lb/> der Gehilfen Stark, Handelskammerrat Scholz,<lb/> der Obmann der Dienſtmännergenoſſenſchaft <hi rendition="#g">Schlatz-<lb/> müller,</hi> der ehemalige Vorſteher <hi rendition="#g">Kiſelak,</hi> viele<lb/> Vorſteher anderer Genoſſenſchaften, die Fiakerſchule mit<lb/> dem Direktor ꝛc., die bekannten Fiakereigentümer<lb/><hi rendition="#g">Beck, Seidl, Wollner, Hoffmann, Engl,<lb/> Schneider, Kaltenbaumer, Kandl, Schmidt,<lb/> Fuchs, Kreipl, Waſſerburger, Hausmann,<lb/> Konrad, Krempl, Nowak, Kretſchmayer,<lb/> Jungreithmayer, Schöll,</hi> die Grabenfiaker<lb/><hi rendition="#g">Hirſchmann</hi> und <hi rendition="#g">Brandl,</hi> ferner der Deutſchmeiſter-<lb/> Franz, der Reſtaurateur <hi rendition="#g">Krantſtoffel,</hi> viele Fiaker-<lb/> und Einſpännerkutſcher, Wirte, Reſtaurateure, Cafetiere<lb/> mehrere Wohltätigkeitsvereine, Mitglieder der Bürger-<lb/> vereinigung, des chriſtlichen Frauenbnndes, der Unter-<lb/> ſtützungsvereine der Fuhrwerker ꝛc. Die in einem Metall-<lb/> ſarg ruhende Leiche wurde in der Währinger Pfarrkirche<lb/> „zum heiligen Laurenz und Gertrud“ von Pfarrer<lb/><hi rendition="#g">Treml</hi> unter geiſtlicher Aſſiſtenz feierlich eingeſegnet<lb/> und ſodann mittels vierſpännigen Galaleichenwagens der<lb/><hi rendition="#g">„Pietät“</hi> auf den Pötzleinsdorfer Friedhof überführt,<lb/> wo die Beiſetzung im Familiengrabe erfolgte. Zwei<lb/> Blumenwagen bargen 70 prachtvolle Kranzſpenden und<lb/> eine große Anzahl Blumenbuketts.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Folgen des übermäßigen Alkoholge-<lb/> nuſſes.</hi> </head> <p>Wie der Polizeibericht der Reſidenzſtadt<lb/> München kürzlich mitteilte, tranken in einer dortigen<lb/> Wirtſchaft ein 28jähriger Maler aus Nieder bayern<lb/> und ein 24jähriger Geſchäftsreiſender in Münche-n<lb/><hi rendition="#g">je zwanzig Liter Bier.</hi> Bei dieſer Gelegen-<lb/> heit verkaufte der Geſchäftsreiſende infolge Geldmangels<lb/> in der Wirtſchaft Hut, Rock, Weſte, ſeine Schuhe und<lb/> ſeinen Ruckſack. Dann ging er nachts gegen 2 Uhr mit<lb/> ſeinem Freunde zur Polizei, um ein Obdach zu erbitten.<lb/> Dort machten ſich aber plötzlich die Wirkungen des<lb/> Alkohols bemerkbar; denn die anfängliche feucht-fröhliche<lb/> Stimmung der beiden Zechkumpane verwandelte ſich in<lb/> eine exzeſſive. Sie gingen dem dienſttuenden Beamten<lb/> zu Leibe, während deſſen Kollege ſich ſoeben in einem<lb/> anſtoßenden Raum zur Ruhe begeben hatte. Dem<lb/> ſofortigen Eingreifen herbeieileuder Schutzleute, gelang<lb/> es, den Beamten vor Verletzungen zu ſchützen. Der<lb/> Maler, der in einen tobſuchtähnlichen Zuſtand verfiel,<lb/> mußte in die Pſychiatriſche Klinik geſchafft werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">* Die Amme für das Fürſtenkind.</hi> </head> <p>Die eben<lb/> erfolgte Geburt eines zweiten Sohnes des deutſchen<lb/> Kronprinzenpaares wird von den Berliner Blättern als<lb/> Anlaß genommen, das Zeremoniell des Hofes jetzt und<lb/> einſt zu beſprechen. Man zitiert da auch die Rohrſche<lb/> „Zeremonialwiſſenſchaft“, in der es heißt: <hi rendition="#g">„Viel Not<lb/> machte das Finden einer Amme,</hi> die ge-<lb/> wöhnlich die Sorge für die Ernährung des Kindleins<lb/> übernehmen mußte. Schon zu Ende des Mittelalters war<lb/> von ariſtokratiſch geſinnten Schriftſtellern die Anſicht aus-<lb/> geſprochen worden, daß <hi rendition="#g">die Ammen aus den<lb/> höchſten Geſchlechtern</hi> ausgewählt werden<lb/> müßten, damit das vornehme Geblüt keinen Schaden<lb/> erleide, ein Königskind alſo dürfe nur von einer Herzogin<lb/> ein Herzogskind nur von einer Gräfin uſw. geſäugt<lb/> werden. Doch dieſe Anſchauungen drangen an den<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0005]
273 Wien, Montag Reichspoſt 11. November 1907
* Grazer Frauen gegen ſozialdemokratiſche
Religionsverhöhnung. Aus Graz, 8. d., wird der
„Reichspoſt“ geſchrieben: Die Grazer katholiſchen Frauen
werden gegen die ſcheußliche Verhöhnung der Menſch-
werdung Chriſti zuerſt öffentlich proteſtieren. Die katho-
liſche Frauenorganiſation für Steiermark hat den Beſchluß
gefaßt, am Mittwoch, den 13. November, in Graz eine
große Proteſtverſammlung abzuhalten und ladet dazu
ſoeben mit einem Aufrufe ein, in dem es heißt:
„Katholiſche Frauen und Jungfrauen! Eine unerhörte
Beleidigung iſt unſerer heiligen Religion widerfahren,
indem eine religionsfeindliche Zeitung in Graz das von
jedem Chriſten in Ehrfurcht verehrte heilige Geheimnis
der Menſchwerdung unſeres Herrn und Heilandes
Jeſus Chriſtus mit den Vorgängen bei der Züchtung
eines Tieres in Verbindung gebracht und ſo nicht nur
das Gefühl jedes gläubigen Katholiken, ſondern das
Gefühl jedes anſtändigen Menſchen aufs tiefſte verletzt
wurde.“ An anderer Stelle heißt es: Wir wollen und
dürfen nicht dulden, daß dieſer Frevel um ſich greift und
vielleicht gar in unſere Familien eindringt. Denkt an
Eure lieben Angehörigen, denkt an die Kinder .....“
Die Einladungen werden in Graz maſſenhaft verbreitet.
Es wäre wünſchenswert, wenn dieſes wachere Beiſpiel
der katholiſchen Frauen von Graz auch andernorts bei
ähnlichen Anläſſen nachgeahmt würde.
* Sozialdemokraten und Deutſchradikale in
Salzburg. Am 8. d. fand im großen Mödlhamer-Saale
in Salzburg eine vom „Deutſchnationalen Handlungs-
gehilfen-Verbande“ einberufene Verſammlung ſtatt. Die-
ſelbe war ſehr gut beſucht, allerdings meiſt von Sozial-
demokraten, welche mit Hausknechten, Packern und aller-
hand raufluſtigen Leuten gekommen waren, die es von
allem Anfang an darauf abgeſehen hatten, einen ruhigen
Verlauf der Verſammlung zu verhindern. „Gauvorſteher“
Gründahl hielt ſeine Rede; wurde aber oft unterbrochen
und ſchießlich erhoben die „Genoſſen“ ein lautes Gejohle.
Ein ohrenbetäubender Lärm und Tumult entſtand, ſo
daß der Regierungsvertreter, Dr. Mark, ſich ver-
anlaßt ſah, die Verſammlung aufzulöſen und die Ver-
ſammlungsteilnehmer aufzufordern, das Lokal zu ver-
laſſen. Dieſe Anordnung des Regierungsvertreters
wurde anfangs gar nicht beachtet. Erſt als eine größere
Abordnung von Sicherheitswachmännern im Saale er-
ſchien und nach zweimaliger erfolgloſer Aufforderung,
das Lokal zu räumen, Gewaltanwendung angedroht
wurde, leerte ſich langſam der Saal. So werden die
Deutſchradikalen von den Genoſſen behandelt; ob ſie ſich
die erhaltenen Prügel merken werden?
* Die Präſidentſchaft des Katholikentages.
Als Präſident des nächſten Samstag beginnenden
IV. allgemeinen öſterreichiſchen Katholikentages war
Landeshauptmann Dr. Ebenhoch auserſehen ge-
weſen. — Wie das „Linzer Völksblatt“ mitteilt, ver-
hindern der Amtsantritt und die damit verbundenen
Arbeiten den neuen Miniſter, die Präſidentſchaft zu
übernehmen.
* Von einem Automobil überfahren. Am
Sonntag um Mitternacht wurde der kleine Blumen-
verkäufer Friedrich Ottawa auf dem Graben vom Auto-
mobil A 490 niedergeſtoßen. Er erlitt eine Gehirnerſchüt-
terung und eine Quetſchung im rechten Hüftgelenk und
wurde von der Rettungsgeſellſchaft ins Leopoldſtädter
Kinderſpital gebracht.
* Verrat militäriſcher Geheimniſſe. Der Ber-
liner „Lokalanzeiger“ meldet aus Warſchau: Die Ge-
heimpolizei entdeckte den Verrat militäriſcher Geheim-
niſſe. Die Affäre wird noch ſtrenge geheimgehalten.
Mehrere höhere Offiziere ſind in die Affäre verwickelt.
Es handelt ſich um eine Anzahl von Be-
feſtigungsplänen, welche an Oeſterreich
ausgeliefert worden ſein ſollen. Die Polizei
nahm in dieſer Affäre mehrere Verhaftungen vor. Weitere
Verhaftungen ſtehen bevor.
* Kaiſer Wilhelm II. auf Corfu. Aus Athen
wird uns gemeldet: Wie die hieſigen Blätter melden,
wird das Schloß Achilleion auf Corfu für Kaiſer
Wilhelm II., der daſelbſt von Ende Jänner n. J. bis
Ende April 1908 zu verweilen gedenkt, adaptiert.
* Ein Schiller-Denkmal in Czernowitz. Man
ſchreibt uns aus Czernowitz vom 10. d.: Heute
fand hier in Anweſenheit des Landespräſidenten Ritter
v. Bleyleben, des Bürgermeiſters Freiherrn v. Fürth, der
Mitglieder des Gemeinderates und den Spitzen der Be-
hörden die feierliche Enthüllung des vor dem Stadttheater
errichteten Schiller-Denkmals ſtatt. Der Schöpfer des
Denkmals iſt der Wiener Bildhauer Georg Leiſek.
* Selbſtmord eines Lord. Man meldet aus
Paris vom 9. d.: Lord Francis William Kilmaine, Pair
von Irland, der vorübergehend hier weilte, hat ſich in
einem Anfalle von Neuraſthenie aus dem Fenſter geſtürzt
und blieb ſofort tot.
* Die Vorfälle in der Perchtoldsdorfer Ge-
meindeſtube. Aus Perchtoldsdorf wird uns berichtet:
Aus Anlaß der behördlichen Auflöſnng der Gemeinde-
verwaltung von Perchtoldsdorf berief die ſozialdemokra-
tiſche Partei für geſtern eine Volksverſammlung ein, die
eine Proteſtkundgebung gegen dieſe Verfügung zum Zweck
hatte. Das Aufgebot der Arbeiterſchaft war ein außer-
ordentlich großes; doch hatten ſich auch chriſtlichſoziale
Wähler eingefunden, die mit der erwähnten Maßnahme
ſich einverſtanden erklärten, wodurch die Verſammlung
ſtellenweiſe einen ſtürmiſchen Charakter annahm. Der
ſozialdemokratiſche Hauptredner Korzinek ſtellte die Auf-
löſung der Gemeindeverwaltung als einen Racheakt der
Chriſtlichſozialen dar, die damit den ihnen mißliebigen
Bgm. Greiner treffen wollten, weil derſelbe als angeblicher
Chriſtlichſozialer gegen den offiziellen chriſtlichſozialen
Reichsratskandidaten aufgetreten iſt. Als nach weiteren
heftigen Angriffen der folgenden ſozialdemokratiſchen
Redner der Beirat Bayerl namens der chriſtlichſozialen
Wähler das Wort ergriff, kam es zu ſtürmiſchen Szenen
und Auseinanderſetzungen zwiſchen beiden Parteien. Der
genannte Sprecher der Chriſtlichſozialen wies darauf
hin, daß die Gemeinde vor wenigen Jahren überhaupt
keine Schulden hatte und jetzt mit über eine Million
Kronen belaſtet iſt und vor der Erhöhung der Gemeinde-
umlagen ſteht. Die Mehrheit der Verſammlung beſchloß
einen Proteſt gegen die Auflöſung der Gemeindever-
waltung.
* Die Rheinregulierung. Das öſterreichiſche
Budget für 1908 ſieht für das Land Vorarlberg als
einen der Poſten den Betrag von 656.880 Kronen zur
Rheinregulierung vor.
* Die Anleihe der Stadt Reichenberg. Der
Kaiſer hat dem vom Landtage des Königreichs Böhmen
beſchloſſenen Entwurfe eines Geſetzes, womit der Stadt-
gemeinde Reichenberg die Bewilligung zur Aufnahme
eines Darlehens von 3,400.000 Kronen erteilt wird, die
Sanktion erteilt.
* Die Elberegulierung. Amtlich wird uns heute
berichtet: Das Handelsminiſterium hat dem von der
Direktion für den Bau der Waſſerſtraßen ausgearbeiteten
Projekte für die Regulierung und Kanaliſierung der
Elbe im Stadtgebiete von Kolin die Genehmigung erteilt.
Die Statthalterei in Prag wurde bereits angewieſen, die
erforderlichen Einleitungen wegen eheſter Durchführung
der politiſchen Begehung und Enteignungsverhandlung
mit aller Beſchleunigung zu treffen, um die baldige
Inangriffnahme dieſer Arbeiten zu ermöglichen.
* Ein gefährdetes Regulierungsprojekt. Dem
Vernehmen nach haben ſich der Durchführung des be-
kannten Projektes betreffend Herſtellung eines Straßen-
zuges Akademieſtraße—Laurenzerberg
bedeutende Schwierigkeiten entgegengeſtellt. Die koſt-
ſpieligen Häuſereinlöſungen, die erforderlich wären,
ſtünden demzufolge in keinem Verhältnis zu dem Effekt,
der einer Parallelſtraße des Parkringes gleichkäme. Da-
für wendet ſich neueſtens verſtärktes Intereſſe dem Pro-
jekte einer Durchquerung Stubentor—Schotten-
tor zu, die einem intenſiven Verkehrsbedürfniſſe ent-
ſpräche. Man gedenkt, bei der Demolierung des alten
Kriegsgebäudes die Eventualität eines Straßen-
zuges via Bognergaſſe in Betracht zu ziehen. Es iſt
auch ſchon erörtert worden, die Straßenfront des
Mölkerhofes durch einen Arkadengang zu
durchbrechen, um das Trottoir der Schottengaſſe zur Er-
weiterung der Fahrſtraße zu verwenden.
* Auch ein Selbſtmordmotiv. Der 17jährige
Eisverkäufer Joſef Z. ſprang am 10. d. nachts aus
einem Mezzaninfenſter in den Hofraum. Er fiel zunächſt
auf ein Glasdach auf, durchſchlug dasſelbe und glitt
dann zu Boden. Der Burſche, welcher mehrere Schnitt-
wunden am linken Unterſchenkel erlitten hat, wurde vom
Inſpektionsarzte der Freiwilligen Rettungsgeſellſchaft
verbunden und in das Spital der Barmherzigen Brüder
gebracht. Als Motiv der Tat gab er Kränkung darüber
an, daß ſein Vater ihm das Nauchen
noch nicht geſtattet, während alle ſeine
Kameraden dies ſchon tun dürfen.
* Ein Rieſenbuch. Ein Buch, das 362 Kilo wiegt,
beſitzt das britiſche Muſeum. Es iſt ein geographiſcher
Atlas von gewaltigem Umfange, der alle Karten von
Holland in wunderbarer Zeichnung enthält. Dieſes Buch
ruht in einem rieſigen Umſchlage, den nur drei Mann
zuſammen fortzuſchaffen vermögen. Der in Leder ge-
bundene und reich mit Gold gezierte Rieſenband hat
eine Höhe von etwa 2·15 Meter. Er wurde 1660 dem
König Karl II. geſchenkt, als er ſich in Holland ein-
ſchiffte, um nach London zurückzukehren.
* Eine pietätvolle Witwe. Aus Graz wird uns
folgendes nettes Geſchichtchen mitgeteilt: Eine den beſten
Ständen angehörige Frau lebte viele Jahre glücklich mit
ihrem freigewählten Manne, dem ſie ſogar durch manches
Krankheitsjahr eine ſorgſame Pflegerin war. Der Mann
ſtarb, die junge Witwe ſetzte ihrem „Unvergeßlichen“
einen ſchönen Leichenſtein auf dem St. Leonhard-Fried-
hofe — und heiratete in kurzer Friſt zum zweiten Male.
Auch dieſer Mann ſtarb unerwartet früh. Die zum
zweiten Male Witwe gewordene Frau ließ nun den
ſchönen Leichenſtein vom Grabe ihres erſten Gatten holen,
ihn abſchleifen und, mit neuer „unvergeßlicher“ Inſchrift
verſehen, am Grabe des zweiten, „leider viel zu früh
verſtorbenen“ Gatten aufſtellen. Ob wohl der Leichenſtein
noch einmal als „Gabe treuer Erinnerung“ wandern
wird?
* Der „Tiroler“ — konfisziert. Die letzte Nummer
des in Bozen erſcheinenden „Tiroler“ wurde konfisziert.
Die Redaktion des genannten Blattes teilt ihren Leſern
folgendes mit: „Wer die konfiszierte Notiz leſen will,
der leſe das amtliche Blatt „Bote für Tirol und
Vorarlberg“, und zwar die Donnerstagausgabe! Auch
in vielen Wiener und Provinzblättern ſteht die Notiz.
So handhabt ein aus dem vorigen Jahrhundert ſtammen-
der Staatsanwalt in Bozen ein aus dem vorigen Jahr-
hundert ſtammendes Geſetz. Heute muß in Bozen die
Polizei den „Tiroler“ konfiszieren, damit die Leſer dieſe
Notiz nicht leſen können. Der amtliche „Bote für
Tirol und Vorarlberg“ und ſo manche andere
Zeitung liegt mit der gleichen Notiz im gleichen Kaffee-
oder Gaſthaus auf und der Staatsanwalt weiß es.
Wenigſtens, daß die Notiz im „Bote für Tirol und Vor-
arlberg“ ſtand, hätte er wiſſen ſollen — als k. k. Beamter.
„Oderleſen auch die Beamten die Amts-
blätter nicht?“
* Gegen die Schwimmſandeinbrüche. Amtlich
wird uns berichtet: Aus Anlaß der an zwei Stellen des
nordweſtböhmiſchen Braunkohlenrevieres vorgefallenen
Schwimmſandeinbrüche hat das Ackerbauminiſterium an-
geordnet, daß bei allen Bergwerksbetrieben im Amts-
gebiete der Berghauptmannſchaft in Prag, in welchen die
Gefahr von Schwimmſand- oder Schlammeinbrüchen
beſteht, von den Bergbehörden unter Berückſichtigung der
Erfahrungen, die bei den letzten Einbrüchen gewonnen
wurden, die für den Fall und zur Verhütung ſolcher Er-
eigniſſe beſtehenden Maßnahmen überprüft und die nach
dem Ergebniſſe der bezüglichen Erhebungen etwa not-
wendigen weiteren Schutzvorkehrungen ohne Auf-
ſchub getroffen werden. Das Ackerbauminiſterium hat
ferner verfügt, daß ſich die Erhebungen vornehmlich auch
darauf erſtrecken ſollen, ob die getroffenen Schutzvor-
kehrungen die Belegſchaft der Grube gegen die Folgen
des Einbruchs in ausreichendem Maße zu verſichern ver-
mögen.
* Die letzte Fahrt eines wackeren Wiener
Fiakers. Das geſtern nachmittags ſtattgefundene Leichen-
begängnis des Vorſtehers der Wiener Fiakergenoſſenſchaft,
Handelskammerrates Franz Himmelmayer gab einen
Beweis, welch großer Beliebtheit ſich der Verſtorbene
erfreute. Mehr als zweitauſend Leidtragende waren trotz
des ſchlechten Wetters im Trauerhauſe, 18. Bezirk,
Martinsſtraße Nr. 96, erſchienen, um dem beliebten
Manne die letzte Ehre zu erweiſen. Unter den vielen
Trauergäſten ſah man u. a.: P. Abel, die Handels-
kammerräte Kitſchelt und Zeſewitz, Rabg. Genoſſenſchafts-
inſtruktor Pabſt, Bezirksvorſteher Abg. Baumann, die
Gemeinderäte Obriſt, Dechant, Hütter, viele Bezirksräte,
Volksdichter Merkt, Polizeikommiſſär Dr. Köllner, die
Genoſſenſchaftsvorſtehung der Einſpänner mit Herrn Pollak
an der Spitze. die Genoſſenſchaft der Fiaker mit dem
Stellvertreter Herrn Rößner und ſämtlichen Ausſchüſſen,
Beamten ꝛc. mit umflortem Genoſſenſchaftsbanner, die
Vorſtehung der Lohnfuhrwerksbeſitzer und der Kleinfuhr-
leute mit den Vorſtehern Reuter und Hafner, die
Gehilfenvertretung der Fiaker und Einſpänner mit den
Obmännern Hawelka und Streit und dem Obmann
der Gehilfen Stark, Handelskammerrat Scholz,
der Obmann der Dienſtmännergenoſſenſchaft Schlatz-
müller, der ehemalige Vorſteher Kiſelak, viele
Vorſteher anderer Genoſſenſchaften, die Fiakerſchule mit
dem Direktor ꝛc., die bekannten Fiakereigentümer
Beck, Seidl, Wollner, Hoffmann, Engl,
Schneider, Kaltenbaumer, Kandl, Schmidt,
Fuchs, Kreipl, Waſſerburger, Hausmann,
Konrad, Krempl, Nowak, Kretſchmayer,
Jungreithmayer, Schöll, die Grabenfiaker
Hirſchmann und Brandl, ferner der Deutſchmeiſter-
Franz, der Reſtaurateur Krantſtoffel, viele Fiaker-
und Einſpännerkutſcher, Wirte, Reſtaurateure, Cafetiere
mehrere Wohltätigkeitsvereine, Mitglieder der Bürger-
vereinigung, des chriſtlichen Frauenbnndes, der Unter-
ſtützungsvereine der Fuhrwerker ꝛc. Die in einem Metall-
ſarg ruhende Leiche wurde in der Währinger Pfarrkirche
„zum heiligen Laurenz und Gertrud“ von Pfarrer
Treml unter geiſtlicher Aſſiſtenz feierlich eingeſegnet
und ſodann mittels vierſpännigen Galaleichenwagens der
„Pietät“ auf den Pötzleinsdorfer Friedhof überführt,
wo die Beiſetzung im Familiengrabe erfolgte. Zwei
Blumenwagen bargen 70 prachtvolle Kranzſpenden und
eine große Anzahl Blumenbuketts.
* Die Folgen des übermäßigen Alkoholge-
nuſſes. Wie der Polizeibericht der Reſidenzſtadt
München kürzlich mitteilte, tranken in einer dortigen
Wirtſchaft ein 28jähriger Maler aus Nieder bayern
und ein 24jähriger Geſchäftsreiſender in Münche-n
je zwanzig Liter Bier. Bei dieſer Gelegen-
heit verkaufte der Geſchäftsreiſende infolge Geldmangels
in der Wirtſchaft Hut, Rock, Weſte, ſeine Schuhe und
ſeinen Ruckſack. Dann ging er nachts gegen 2 Uhr mit
ſeinem Freunde zur Polizei, um ein Obdach zu erbitten.
Dort machten ſich aber plötzlich die Wirkungen des
Alkohols bemerkbar; denn die anfängliche feucht-fröhliche
Stimmung der beiden Zechkumpane verwandelte ſich in
eine exzeſſive. Sie gingen dem dienſttuenden Beamten
zu Leibe, während deſſen Kollege ſich ſoeben in einem
anſtoßenden Raum zur Ruhe begeben hatte. Dem
ſofortigen Eingreifen herbeieileuder Schutzleute, gelang
es, den Beamten vor Verletzungen zu ſchützen. Der
Maler, der in einen tobſuchtähnlichen Zuſtand verfiel,
mußte in die Pſychiatriſche Klinik geſchafft werden.
* Die Amme für das Fürſtenkind. Die eben
erfolgte Geburt eines zweiten Sohnes des deutſchen
Kronprinzenpaares wird von den Berliner Blättern als
Anlaß genommen, das Zeremoniell des Hofes jetzt und
einſt zu beſprechen. Man zitiert da auch die Rohrſche
„Zeremonialwiſſenſchaft“, in der es heißt: „Viel Not
machte das Finden einer Amme, die ge-
wöhnlich die Sorge für die Ernährung des Kindleins
übernehmen mußte. Schon zu Ende des Mittelalters war
von ariſtokratiſch geſinnten Schriftſtellern die Anſicht aus-
geſprochen worden, daß die Ammen aus den
höchſten Geſchlechtern ausgewählt werden
müßten, damit das vornehme Geblüt keinen Schaden
erleide, ein Königskind alſo dürfe nur von einer Herzogin
ein Herzogskind nur von einer Gräfin uſw. geſäugt
werden. Doch dieſe Anſchauungen drangen an den
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