Reichspost. Nr. 283, Wien, 10.12.1895.Wien, Dienstag Reichspost 10. December 1895 283 [Spaltenumbruch] Volkswirthschaftlicher Theil. Die Mißwirthschaft bei der "Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Unterstützungs-Casse in Wien". II. Fch. In dem Jahresberichte der allgemeinen "Ein System der Zerfahrenheit und Gedanken- Die "Genossen Kanzleiproletarier" entblödeten sich Man darf aber nicht glauben, daß die neue Ver- Der ziffermäßige Nachweis der Höhe der De- Es herrschten also in der allgemeinen Arbeiter- Bezeichnend für die Entlohnung, wie sie von den "Man mußte sich sagen, daß zum Theil die Wir bitten die Leser, diesen Passus im Gedächtniß Unter der neuen Verwaltung wurden die Löhne Heute ist die Leitung dieses Institutes, welches Dürfte es da nicht eines schönen Tages passiren, Herr Walecka ist Secretär. Sein Jahres- Wir wollen nicht untersuchen, wie es kommt, daß Freilich die angestellten Beamten, die "Unteren", Diese "Provisionen" spielen bei der Vergleichung Die Vorstehung des gewerblichen Bezirksver- bandes Braunau am Inn hat im Einverständniß mit Die Bankfrage. Wie man aus Budapest meldet, Eine sociale That. Die im deutschen Reiche von Reichswegen ein- Die natürliche Folge dieser Erkenntniß war, daß [Spaltenumbruch] Die goldene Hoffnung. 65. Fort[s]etzung. (Nachdruck verboten.) Agathe lauschte dem Erzähler mit einer Art kind- "Vor allen Dingen suchten wir dann nach Wasser "Ich weiß, wo," unterbrach ihn Stein. "Es "Ja," fuhr Arendt fort. "Später merkten wir Wir fanden auch einige Cocosnüsse, sowie Krebse, Als sie jetzt ihren Namen hörte, blickte Agathe [Spaltenumbruch] "Was es für eine Insel sein konnte, davon hatten [Spaltenumbruch] Sie wollte bemerkt haben, daß er sie stets in "Trotzdem aber nahm ich mir vor, scharf aufzu- Er hielt inne und blickte auf sie, als ob er er- Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283 [Spaltenumbruch] Volkswirthſchaftlicher Theil. Die Mißwirthſchaft bei der „Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Unterſtützungs-Caſſe in Wien“. II. Fch. In dem Jahresberichte der allgemeinen „Ein Syſtem der Zerfahrenheit und Gedanken- Die „Genoſſen Kanzleiproletarier“ entblödeten ſich Man darf aber nicht glauben, daß die neue Ver- Der ziffermäßige Nachweis der Höhe der De- Es herrſchten alſo in der allgemeinen Arbeiter- Bezeichnend für die Entlohnung, wie ſie von den „Man mußte ſich ſagen, daß zum Theil die Wir bitten die Leſer, dieſen Paſſus im Gedächtniß Unter der neuen Verwaltung wurden die Löhne Heute iſt die Leitung dieſes Inſtitutes, welches Dürfte es da nicht eines ſchönen Tages paſſiren, Herr Walecka iſt Secretär. Sein Jahres- Wir wollen nicht unterſuchen, wie es kommt, daß Freilich die angeſtellten Beamten, die „Unteren“, Dieſe „Proviſionen“ ſpielen bei der Vergleichung Die Vorſtehung des gewerblichen Bezirksver- bandes Braunau am Inn hat im Einverſtändniß mit Die Bankfrage. Wie man aus Budapeſt meldet, Eine ſociale That. Die im deutſchen Reiche von Reichswegen ein- Die natürliche Folge dieſer Erkenntniß war, daß [Spaltenumbruch] Die goldene Hoffnung. 65. Fort[ſ]etzung. (Nachdruck verboten.) Agathe lauſchte dem Erzähler mit einer Art kind- „Vor allen Dingen ſuchten wir dann nach Waſſer „Ich weiß, wo,“ unterbrach ihn Stein. „Es „Ja,“ fuhr Arendt fort. „Später merkten wir Wir fanden auch einige Cocosnüſſe, ſowie Krebſe, Als ſie jetzt ihren Namen hörte, blickte Agathe [Spaltenumbruch] „Was es für eine Inſel ſein konnte, davon hatten [Spaltenumbruch] Sie wollte bemerkt haben, daß er ſie ſtets in „Trotzdem aber nahm ich mir vor, ſcharf aufzu- Er hielt inne und blickte auf ſie, als ob er er- <TEI> <text> <body> <div type="jAnnouncements" n="1"> <div type="jAn" n="2"> <pb facs="#f0004" n="4"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. 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Dazu wird bemerkt,<lb/> daß wegen <hi rendition="#g">Vernichtung</hi> älterer Belege, zu der<lb/><hi rendition="#g">Niemand</hi> den Auftrag ertheilt haben will, über<lb/> das Jahr 1893 zurück die Ausgaben nicht verfolgt<lb/> werden können. Im Einſchreibeort Kaiſermühlen<lb/> wurde ein theilweiſe bereits gedeckter Abgang von<lb/> fl. 210·45 entdeckt. Außerdem ſoll auf ein ſchon früher<lb/> feſtgeſtelltes Manco im Betrage von fl. 999·61 ein<lb/> Theilbetrag hereingebracht worden ſein. Ueber eine<lb/> von einem Genoſſen Pamelzig entwendete Summe,<lb/> ſowie über noch andere ſoll der 1895er Bericht Auf-<lb/> ſchluß geben.</p><lb/> <p>Es herrſchten alſo in der allgemeinen Arbeiter-<lb/> kranken- und Unterſtützungscaſſe Zuſtände, die erſt ſeit<lb/> dem wohl etwas verſpäteten Einſchreiten des Staats-<lb/> anwaltes der Sanirung zugeführt wurden.</p><lb/> <p>Bezeichnend für die Entlohnung, wie ſie von den<lb/> ſocialdemokratiſchen Arbeitsgebern bei der Caſſe ihren<lb/> Beamten gewährt wurde, iſt das Eingeſtändniß im<lb/> Jahresberichte:</p><lb/> <p>„Man mußte ſich ſagen, daß zum Theil die<lb/> Möglichkeit von Defraudationen durch die bis dahin<lb/><hi rendition="#g">jammervolle</hi> Beſoldung geſchaffen wurde“.</p><lb/> <p>Wir bitten die Leſer, dieſen Paſſus im Gedächtniß<lb/> zu behalten, denn wir werden ſpäter von den Ge-<lb/> hältern der Leiter ſprechen, wie wir im letzten Auf-<lb/> ſatze von den „Wochenlöhnen“ der Führer geſprochen<lb/> haben. Die bei der Caſſe proviſoriſch Angeſtellten<lb/> hatten 45 fl., die deſinitiv Angeſtellten 50 fl.<lb/><hi rendition="#g">Monatsgehalt.</hi> Herr <hi rendition="#g">Reumann,</hi> Herr<lb/><cb/> <hi rendition="#g">Schumeier</hi> und Herr <hi rendition="#g">Walecka</hi> aber beziehen<lb/> dieſelbe Summe als <hi rendition="#g">„Wochenlohn“.</hi> </p><lb/> <p>Unter der neuen Verwaltung wurden die Löhne<lb/> gebeſſert. Dieſes Capitel der Gehalte und der Ver-<lb/> waltungsauslagen überhaupt, wird ſeparat nach<lb/> „caſſen“-ämtlichen Quellen behandelt werden. Dann<lb/> ſoll auch die Verwaltung einer Kritik unterzogen<lb/> werden. Dieſes letztere, in der oft genannten Broſchüre<lb/> „Die Corruption in der öſterreichiſchen Social-<lb/> demokratie“ (Verlag der „Volkswehr“, <hi rendition="#aq">V</hi>/2) leider<lb/> nicht ausführlich genug behandelte Thema, dürfte unter<lb/> unſerer Behandlung manchen nicht ganz verbohrten<lb/> „Genoſſen“ die Augen öffnen und die Behörden noch-<lb/> mals zu dem Verſuch der Vornahme einer Ueber-<lb/> prüfung der Geſchäftsgebahrung, im Intereſſe der<lb/> Mitglieder veranlaſſen. Im Zeitalter der „eiſernen<lb/> Hand“ dürften auch unſere Behörden den Muth, der<lb/> ſie ſchon ſo oft wirthſchaftlichen von Socialdemokraten<lb/> geleiteten Inſtitvtionen gegenüber verlaſſen hat wieder<lb/> finden. Und nun geben wir wieder dem Broſchüren-<lb/> ſchreiber das Wort. Er ſagt:</p><lb/> <p>Heute iſt die Leitung dieſes Inſtitutes, welches<lb/> von Arbeiterkreuzern und Fabrikanterſpenden, ſowie<lb/> von Landes- und Sparcaſſen-Subventionen aufgebaut<lb/> wurde, in ſocialdemokratiſchen Führerhänden. Leute,<lb/> wie Herr Schumeier z. B., die vom Vereinsgelde<lb/> (wozu ja auch die capitaliſtiſchen Spenden gehören)<lb/> jährliche Pfründen, <hi rendition="#aq">pardon</hi> Functionärsgehalte, be-<lb/> ziehen, die halten wüthende Brandreden gegen die<lb/> Capitaliſten, gegen die Regierung, die den Verein<lb/> ſubventionirt und ſomit in die Lage verſetzt, daß Herr<lb/> Schumeier eine jährliche Pfründe von 400 fl. als<lb/> Obmann bezahlt erhalten kann, trotzdem er ohnehin<lb/> 50 fl. Wochenlohn hat von der Partei.</p><lb/> <p>Dürfte es da nicht eines ſchönen Tages paſſiren,<lb/> daß man dem Verein, deſſen Obmann doch ſo<lb/> „wüthend“ gegen Capital und Regierung donnert, die<lb/> Subvention entzieht mit der Motivirung: „Wenn das<lb/> Vereinshaupt gegen uns, werden auch die Glieder<lb/> gegen uns ſein. Was ſollen wir da geben?“ Würde<lb/> das dem Vereine nicht rieſigen Schaden bringen?</p><lb/> <p>Herr <hi rendition="#g">Walecka</hi> iſt Secretär. Sein Jahres-<lb/> gehalt iſt 2400 fl. Alſo beinahe 7 fl. per Tag, gerade<lb/> ſo viel als ein mittlerer Arbeiter in Wien per Woche<lb/> Lohn erhält. In der Caſſe ſind 69 „Beamte“ angeſtellt<lb/> ſammt drei Diener 72 Perſonen mithin, die zuſammen<lb/> einen jährlichen Gehalt von über <hi rendition="#g">Achtundſech-<lb/> zigtauſend Gulden</hi> beziehen. An Proviſionen<lb/> aber werden nebenbei über <hi rendition="#g">Sechzehntauſend</hi><lb/> Gulden ausbezahlt. Für <hi rendition="#g">Reiſeſpeſen</hi> entfallen<lb/> 1700 fl.</p><lb/> <p>Wir wollen nicht unterſuchen, wie es kommt, daß<lb/> neben den Löhnen noch ſo viele „Proviſionen“, die<lb/> man füglich Trinkgelder nennen könnte, ausgezahlt<lb/> werden. 16.000 fl. Trinkgelder per Jahr verabreichen,<lb/> das iſt doch ein bischen ſtark.</p><lb/> <p>Freilich die angeſtellten Beamten, die „Unteren“,<lb/> die participiren am wenigſten an dieſen Trinkgeldern,<lb/> denn die <hi rendition="#g">„Proviſionen“</hi> erhalten meiſt die in<lb/> den auswärtigen Ortsgruppen <hi rendition="#g">Nichtange-<lb/> ſtellten</hi> „Ortsgruppenleiter“, welche zugleich die<lb/> politiſchen Agitatoren für die Socialdemokratie ſind.<lb/> Die Socialdemokratie iſt doch ſonſt gegen die Verab-<lb/> reichung und ebenſo gegen die Trinkgelder-Annahme?<lb/> Wie kommen da die „Proviſionen“ „in die Social-<lb/> demokratie?“</p><lb/> <p>Dieſe „Proviſionen“ ſpielen bei der Vergleichung<lb/> der Ausgaben für die humanen Zwecke der Caſſe und<lb/><cb/> jenen für Verwaltung eine ganz entſcheidende Rolle.<lb/> Wir wollen darüber ebenfalls in einem nächſten Artikel<lb/> ſchreiben und auch eines Memorandums gedenken, da<lb/> die Beamten des „ſocialdemokratiſchen Muſterſtaates“<lb/> an ihre zum Theile aus den verſchiedenen „Maſtfonds“<lb/> ſchöpfenden „Brotgeber“ richteten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Vorſtehung des gewerblichen Bezirksver-<lb/> bandes Braunau am Inn</hi> </head> <p>hat im Einverſtändniß mit<lb/> ſämmtlichen gewerblichen Bezirksverbänden Cisleithaniens<lb/> an den Abgeordneten des W<supplied>a</supplied>hlbezirkes, Herrn <hi rendition="#g">Eduard<lb/> Kyrle</hi> in Schärding ein Schreiben gerichtet, worin es<lb/> heißt: Der Gewerbeſtand verlangt in entſchiedener Weiſe<lb/> die en<supplied>d</supplied>liche Durchführung der zu ſeinem Beſtande noth-<lb/> wendigen Reform des Gewerbegeſetzes und die Erfüllung<lb/> ſeiner Forderungen. Der Gewerbeſtand Oeſterreichs hat in<lb/> ſeinen im Verlaufe der letzten Zeit ſtattgeſundenen Ver-<lb/> ſammlungen, bei welchen insgeſammt über 300.000 Ge-<lb/> werbetreibende waren, einſtimmig nachſtehende Kundmachung<lb/> an die Regierung ergehen zu laſſen beſchloſſen: „Die Ge-<lb/> werbepartei hält hinſichtlich der Abänderung des Gewerbe-<lb/> geſetzes an den Beſchlüſſen der Gewerbe Congreſſe von<lb/> Graz und Reichenberg feſt und fordert die ſchleunigſte Ein-<lb/> bringung der von der hohen Regierung bereits fertig ge-<lb/> ſtellten, im hohen Hauſe einſtimmig als dringlich erkannten<lb/> Gewerbegeſetznovelle. Die Gewerbepartei beharrt auf der For-<lb/> derung der Bildung einer Wahlcurie, in welcher die Mitglieder<lb/> alle Gewerbe-Genoſſenſchaften ohne Unterſchied des Steuer-<lb/> ſatzes inbegriffen ſind, verwahrt ſich jedoch, mit den Arbeitern<lb/> in eine Wahlcurie einverleibt zu werden.“ Der Abge-<lb/> ordnete wird dann erſucht, in der nächſten Reichsrathsſeſſion<lb/> auf die ſchleunigſte Vorlage der bereits von der hohen Re-<lb/> gierung ausgearbeiteten Gewerbegeſetznovelle mit allem<lb/> Nachdrucke zu drängen, ſowie bei Berathung derſelben ſich<lb/> für die bereits landläufig gewordenen Wünſche und For-<lb/> derungen des Gewerbeſtandes Oeſterreichs einzuſetzen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Bankfrage.</hi> </head> <p>Wie man aus Budapeſt meldet,<lb/> ſoll in den beiderſertigen Regierungskreiſen die Abſicht be-<lb/> ſiehen, alsbald nach Beginn der parlamentariſchen Weih-<lb/> nachtsferien der Bankſrage näher zu treten. Ob dies noch<lb/> in dieſem Jahre, oder erſt zu Beginn des Jänner der Fall<lb/> ſein werde, ſoll noch nicht endgiltig feſtgeſtellt ſein, doch ſoll<lb/> es als zweifellos gelten, daß dieſe Frage im Lauſe der<lb/> nächſten Wochen actuell werden wird.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="that1" next="#that2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine ſociale That.</hi> </head><lb/> <p>Die im deutſchen Reiche von Reichswegen ein-<lb/> geführte Krankenverſicherung hat ſich im Laufe der<lb/> Jahre immer mehr als unzulänglich erwieſen. Die<lb/> geſetzlichen Gemeinde-, Orts- oder Betriebs-Kranken-<lb/> caſſen leiſten nicht im Entfernteſten das Höchſtmaß<lb/> deſſen, was ſie zu leiſten im Stande wären, ſondern<lb/> ſie beſchränken ſich auf die im Geſetze angegebene<lb/> Mindeſtleiſtung und erfüllen dadurch ihren ſocialen<lb/> Zweck in durchaus ungenügendem Maße. Dieſer<lb/> Einſicht haben ſich weder die Arbeiter noch die arbeiter-<lb/> freundlichen Socialpolitiker entziehen können.</p><lb/> <p>Die natürliche Folge dieſer Erkenntniß war, daß<lb/> zunächſt die Arbeiter ſelbſt ſich um einen Erſatz um-<lb/> ſahen; es ſind denn auch ſchon mehr als eine Million<lb/> Arbeiter bei anderen Krankencaſſen, alſo doppelt,<lb/> verſichert, und zwar meiſtens in ſogenannten Zuſchuß-<lb/> caſſen, welche faſt alle unter ſocialdemokratiſcher und<lb/> antikatholiſcher Leitung ſtehen und ſomit eine Gefahr<lb/> für die bei ihnen verſicherten katholiſchen Arbeiter<lb/> bilden. Dieſe, beſonders ſoweit ſie Mitglieder katho-<lb/> liſcher Vereine ſind, vor materiellem und ſittlichem<lb/> Schaden zu bewahren, wurde allſeits als Pflicht der<lb/> katholiſchen Arbeiterfreunde erkannt, und dieſe Er-<lb/> kenntniß wurde, entſprechend der rühmenswerthen<lb/> Thatkraft der katholiſchen Partei Deutſchlands, ent-</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die goldene Hoffnung.<lb/></hi> </head> <byline> <hi rendition="#b">Roman <supplied>von</supplied> W. Clark Ruſſel.</hi> </byline><lb/> <p> <ref>65. Fort<supplied>ſ</supplied>etzung.</ref> <hi rendition="#et">(Nachdruck verboten.)</hi> </p><lb/> <p>Agathe lauſchte dem Erzähler mit einer Art kind-<lb/> licher Theilnahme. Nur Forsberg ließ ſeinen Blick auf<lb/> ihr ruhen, während die Anderen unverwandt auf<lb/> auf Arendt blickten, als ob er die einzige außer ihnen<lb/> in der Cajüte anweſende Perſon wäre.</p><lb/> <p>„Vor allen Dingen ſuchten wir dann nach Waſſer<lb/> und fanden es auch.“</p><lb/> <p>„Ich weiß, wo,“ unterbrach ihn Stein. „Es<lb/> war lauwarm und ſchmeckte, als ob Schwefelhölzer<lb/> darin abgekocht worden wären.“</p><lb/> <p>„Ja,“ fuhr Arendt fort. „Später merkten wir<lb/> jedoch, daß der Schwefelgeſchmack ſich verlor, wenn<lb/> wir das Waſſer einige Zeit ſtehen ließen.</p><lb/> <p>Wir fanden auch einige Cocosnüſſe, ſowie Krebſe,<lb/> und davon bereiteten wir uns eine Mahlzeit, zu der<lb/> wir die Krebſe einfach auf einem Feuer röſteten, zu<lb/> dem ich etwas trockenes Buſchwerk zuſammengetragen<lb/> und es mit Hilfe eines Brennglaſes angezündet hatte.<lb/> Letzteres hatte ich vom Schiff mitgebracht, wo ich es<lb/> zum Anzünden meiner Pfeife benutzt hatte. Unſere<lb/> Kleider ließen wir an der Sonne trocknen, und dann<lb/> machte ich mich auf, die Inſel zu durchforſchen. Ich<lb/> fand mehrere Höhlen, in die ich Gras und Laub zu-<lb/> ſammentrug, damit Fräulein Fuchs doch wenigſtens<lb/> eine Art von Lager und Obdach hätte.“</p><lb/> <p>Als ſie jetzt ihren Namen hörte, blickte Agathe<lb/> lächelnd auf Forsberg, und alle hielten geſpannt den<lb/> Athem an in der Erwartung, daß ſich vielleicht ſchon<lb/> etwas in ihrer Erinnerung regte; aber das Lächeln<lb/> erſtarb bald wieder auf ihren Lippen, und wiederum<lb/> ſtützte ſie — ſtill zuhorchend — den Kopf auf ihre<lb/> Hände.</p><lb/> <cb/> <p>„Was es für eine Inſel ſein konnte, davon hatten<lb/> wir keine Ahnung, waren wir doch 14 Tage lang auf<lb/> dem offenen Meer umhergetrieben, ohne irgend welche<lb/> Berechnungen oder Muthmaßungen über unſere<lb/> Richtung anſtellen zu können. Von dem Gipfel des<lb/> Hügels aus war nichts zu ſehen, uns umgab die leere<lb/> Oede des Weltmeeres, und während der ganzen neun<lb/> Monate, die wir auf dieſer Inſel zubrachten, habe<lb/> ich auch nicht ein einziges Mal ein Segel entdeckt.<lb/> Anfangs machten wir jeden Morgen ein großes Rauch-<lb/> feuer und hielten es den Tag über an; dabei ver-<lb/> brauchten wir den Vorrath an trockenem Holz ſehr<lb/> ſchnell und beſchloſſen daher, unſere Feuerung nicht<lb/> ferner zu vergeuden, ſondern zu ſammeln und auf-<lb/> zuſtapeln und ſcharfen Auslug zu halten, das auf-<lb/> geſpeicherte Holz aber nur noch zum Kochen — oder<lb/> richtiger zum Röſten der Schildkröten, Krebſe und<lb/> anderen Thieren zu verwenden, die wir fingen und<lb/> mit Hilfe eines aus harten Zweigen und Grasfaſern<lb/> hergeſtellten ſcheerenförmigen Roſtes zur Nahrung<lb/> zubereiteten. Die Dame grämte ſich ſchrecklich.<lb/> Lange bemühte ſie ſich, muthig ihr Schickſal zu<lb/> tragen, ruhig und zuverſichtlich zu bleiben, aber<lb/> ihre Lage — ſo allein mit drei Matroſen auf<lb/> einer verlaſſenen Inſel — und dann die immer<lb/> wieder getäuſchten Hoffnungen, als Tag auf Tag ver-<lb/> floß, ohne uns irgend eine Möglichkeit oder Ausſicht<lb/> auf Rettung zu bringen — darunter erlag ſchließlich<lb/> ihre Kraft. Sie verzehrte ſich in Gram und ſchwand<lb/> förmlich dahin. Oft nahm ſie auch einen ganzen Tag<lb/> über keinen einzigen Biſſen Nahrung zu ſich. Dabei<lb/> wurde ſie auch in ihrem Weſen ſehr zurückhaltend und<lb/> wollte nicht mehr mit uns ſprechen, ſo daß ich ſchon<lb/> zu fürchten begann, ſie möchte den Verſtand verlieren.<lb/> Eines Morgens — ich glaube, es war gegen das<lb/> Ende der ſechſten Woche nach unſer Ankunft auf der<lb/> Inſel — theilte ſie mir mit, daß ſie vor dem einen der<lb/> Matroſen ſich ängſtige.</p><lb/> <cb/> <p>Sie wollte bemerkt haben, daß er ſie ſtets in<lb/> einer Weiſe anſchaue, die ſie in Schrecken ſetze, und in<lb/> der letzten Nacht habe ſie im Licht des Mondes deutlich<lb/> ſeine Geſtalt vor dem Eingang der Höhle, in der ſie<lb/> ſchlief, ſich hin- und herbewegen ſehen. Sie fügte<lb/> hinzu, daß ſie nicht gewagt habe, um Hilfe zu rufen,<lb/> aus Furcht, daß er ſie auf losſtürzen würde. Da ich aber<lb/> ſelber noch nichts Verdächtiges bemerkt hatte — beide<lb/> Matroſen ſchienen mir ſehr höflich gegen ſie zu ſein —<lb/> ſo hielt ich ihre Angſt für den Ausfluß ihrer be-<lb/> ginnenden Geiſtesverwirrung, denn ich habe immer ge-<lb/> hört, das erſte Symptom eintretenden Irrſinns beſtehe<lb/> darin, daß die Erkrankten ſich vor Anderen fürchteten<lb/> und ſich von ihnen bedroht glaubten.</p><lb/> <p>„Trotzdem aber nahm ich mir vor, ſcharf aufzu-<lb/> paſſen, denn von Anfang an hatte ich mir ſelber das<lb/> Gelübde gethan, der jungen Dame, möge auch kommen,<lb/> was da wolle, treu zur Seite zu ſtehen, nicht nur<lb/> um ihrer ſelbſt willen, — obgleich mir nie eine beſſere,<lb/> liebenswürdigere Dame begegnet iſt, — noch auch<lb/> wegen der ſchrecklichen Lage, in der ſie ſich befand,<lb/> ſondern auch um meiner eigenen Gattin willen daheim<lb/> und meiner Tochter willen, eines Mädchens von zwölf<lb/> Jahren, und darin habe ich auch redlich mein Gelübde<lb/> gehalten, Herr Doctor, und jene Zuneigung, die ſie<lb/> für mich zu empfinden ſcheint, rührt nur daher, daß ſie<lb/> in dem Zeitraum, über den hinaus ihr Gedächtniß<lb/> nicht mehr zurückreicht, mich allein um ſich hatte, daß<lb/> ich inzwiſchen ihr alleiniger Gefährte und treuer Be-<lb/> ſchützer war. Das iſt der einzige Grund ihrer Zu-<lb/> neigung zu mir.“</p><lb/> <p>Er hielt inne und blickte auf ſie, als ob er er-<lb/> warte, ſie möchte ſeine Worte beſtätigen; aber ſie<lb/> ſaß jetzt, in Gedanken verſunken, mit niedergeſchlagenen<lb/> Augen da, ohne ihm die geringſte Beachtung zu<lb/> ſchenken. Forsberg hingegen erhob ſich, um mit<lb/> dankbarer Wärme dem Hochbootsmann die Hand zu<lb/> drücken. <space dim="horizontal"/> <ref>(Fortſ. folgt.)</ref> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0004]
Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283
Volkswirthſchaftlicher Theil.
Die Mißwirthſchaft bei der
„Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und
Unterſtützungs-Caſſe in Wien“.
II.
Fch. In dem Jahresberichte der allgemeinen
Arbeiterkranken-Unterſtützungscaſſe für 1894; deſſen
Ausfolgung, ſo nebenbei geſagt, der Redaction der
„Reichspoſt“ ſchon einmal verweigert worden war,
findet ſich auf der erſten Seite folgende Stelle:
„Ein Syſtem der Zerfahrenheit und Gedanken-
loſigkeit durchſetzt mit Corruption war ſoeben
zuſammengebrochen. Fünf Beamte in Vertrauens-
ſtellung mußten dem Strafgerichte ausge-
liefert, andere müſſen entlaſſen werden.“ „Von
Arbeit konnte man viel weniger, als von dem Be-
mühen, die Arbeitsſtunden todtzuſchlagen, reden.“
Die „Genoſſen Kanzleiproletarier“ entblödeten ſich
alſo nicht, ſich an den Kreuzern ihrer „arbeitenden“
Genoſſen zu vergreifen, beziehungsweiſe auf deren
Koſten ein Faullenzerleben zu führen.
Man darf aber nicht glauben, daß die neue Ver-
waltung in einem Momente ſittlicher Entrüſtung dieſe
Gebahrungsweiſe feſtnagelte. O nein! Seit die regie-
renden Socialdemokraten genöthigt waren, allen ſocial-
demokratiſchen Principien zum Hohn, einige Genoſſen
dem Staatsanwalt auszuliefern, ſeit der Zeit ſprach
man in Genoſſenkreiſen und darüber hinaus allerlei,
was die Caſſenleitung zwang, Farbe zu bekennen und
Sündenböcke zu ſuchen.
Der ziffermäßige Nachweis der Höhe der De-
fraudationen ſtellt feſt, daß die erwähnten
fünf Genoſſen fl. 17.601·09 defraudirten, hiezn
kommt noch ein in den Ortsgruppen Atzgersdorf,
Brunn und Pottendorf veruntreuter Betrag
von fl. 444·75, ſo daß ſich insgeſammt ein Manco
von fl. 18.045·84 ergeben hat. Dazu wird bemerkt,
daß wegen Vernichtung älterer Belege, zu der
Niemand den Auftrag ertheilt haben will, über
das Jahr 1893 zurück die Ausgaben nicht verfolgt
werden können. Im Einſchreibeort Kaiſermühlen
wurde ein theilweiſe bereits gedeckter Abgang von
fl. 210·45 entdeckt. Außerdem ſoll auf ein ſchon früher
feſtgeſtelltes Manco im Betrage von fl. 999·61 ein
Theilbetrag hereingebracht worden ſein. Ueber eine
von einem Genoſſen Pamelzig entwendete Summe,
ſowie über noch andere ſoll der 1895er Bericht Auf-
ſchluß geben.
Es herrſchten alſo in der allgemeinen Arbeiter-
kranken- und Unterſtützungscaſſe Zuſtände, die erſt ſeit
dem wohl etwas verſpäteten Einſchreiten des Staats-
anwaltes der Sanirung zugeführt wurden.
Bezeichnend für die Entlohnung, wie ſie von den
ſocialdemokratiſchen Arbeitsgebern bei der Caſſe ihren
Beamten gewährt wurde, iſt das Eingeſtändniß im
Jahresberichte:
„Man mußte ſich ſagen, daß zum Theil die
Möglichkeit von Defraudationen durch die bis dahin
jammervolle Beſoldung geſchaffen wurde“.
Wir bitten die Leſer, dieſen Paſſus im Gedächtniß
zu behalten, denn wir werden ſpäter von den Ge-
hältern der Leiter ſprechen, wie wir im letzten Auf-
ſatze von den „Wochenlöhnen“ der Führer geſprochen
haben. Die bei der Caſſe proviſoriſch Angeſtellten
hatten 45 fl., die deſinitiv Angeſtellten 50 fl.
Monatsgehalt. Herr Reumann, Herr
Schumeier und Herr Walecka aber beziehen
dieſelbe Summe als „Wochenlohn“.
Unter der neuen Verwaltung wurden die Löhne
gebeſſert. Dieſes Capitel der Gehalte und der Ver-
waltungsauslagen überhaupt, wird ſeparat nach
„caſſen“-ämtlichen Quellen behandelt werden. Dann
ſoll auch die Verwaltung einer Kritik unterzogen
werden. Dieſes letztere, in der oft genannten Broſchüre
„Die Corruption in der öſterreichiſchen Social-
demokratie“ (Verlag der „Volkswehr“, V/2) leider
nicht ausführlich genug behandelte Thema, dürfte unter
unſerer Behandlung manchen nicht ganz verbohrten
„Genoſſen“ die Augen öffnen und die Behörden noch-
mals zu dem Verſuch der Vornahme einer Ueber-
prüfung der Geſchäftsgebahrung, im Intereſſe der
Mitglieder veranlaſſen. Im Zeitalter der „eiſernen
Hand“ dürften auch unſere Behörden den Muth, der
ſie ſchon ſo oft wirthſchaftlichen von Socialdemokraten
geleiteten Inſtitvtionen gegenüber verlaſſen hat wieder
finden. Und nun geben wir wieder dem Broſchüren-
ſchreiber das Wort. Er ſagt:
Heute iſt die Leitung dieſes Inſtitutes, welches
von Arbeiterkreuzern und Fabrikanterſpenden, ſowie
von Landes- und Sparcaſſen-Subventionen aufgebaut
wurde, in ſocialdemokratiſchen Führerhänden. Leute,
wie Herr Schumeier z. B., die vom Vereinsgelde
(wozu ja auch die capitaliſtiſchen Spenden gehören)
jährliche Pfründen, pardon Functionärsgehalte, be-
ziehen, die halten wüthende Brandreden gegen die
Capitaliſten, gegen die Regierung, die den Verein
ſubventionirt und ſomit in die Lage verſetzt, daß Herr
Schumeier eine jährliche Pfründe von 400 fl. als
Obmann bezahlt erhalten kann, trotzdem er ohnehin
50 fl. Wochenlohn hat von der Partei.
Dürfte es da nicht eines ſchönen Tages paſſiren,
daß man dem Verein, deſſen Obmann doch ſo
„wüthend“ gegen Capital und Regierung donnert, die
Subvention entzieht mit der Motivirung: „Wenn das
Vereinshaupt gegen uns, werden auch die Glieder
gegen uns ſein. Was ſollen wir da geben?“ Würde
das dem Vereine nicht rieſigen Schaden bringen?
Herr Walecka iſt Secretär. Sein Jahres-
gehalt iſt 2400 fl. Alſo beinahe 7 fl. per Tag, gerade
ſo viel als ein mittlerer Arbeiter in Wien per Woche
Lohn erhält. In der Caſſe ſind 69 „Beamte“ angeſtellt
ſammt drei Diener 72 Perſonen mithin, die zuſammen
einen jährlichen Gehalt von über Achtundſech-
zigtauſend Gulden beziehen. An Proviſionen
aber werden nebenbei über Sechzehntauſend
Gulden ausbezahlt. Für Reiſeſpeſen entfallen
1700 fl.
Wir wollen nicht unterſuchen, wie es kommt, daß
neben den Löhnen noch ſo viele „Proviſionen“, die
man füglich Trinkgelder nennen könnte, ausgezahlt
werden. 16.000 fl. Trinkgelder per Jahr verabreichen,
das iſt doch ein bischen ſtark.
Freilich die angeſtellten Beamten, die „Unteren“,
die participiren am wenigſten an dieſen Trinkgeldern,
denn die „Proviſionen“ erhalten meiſt die in
den auswärtigen Ortsgruppen Nichtange-
ſtellten „Ortsgruppenleiter“, welche zugleich die
politiſchen Agitatoren für die Socialdemokratie ſind.
Die Socialdemokratie iſt doch ſonſt gegen die Verab-
reichung und ebenſo gegen die Trinkgelder-Annahme?
Wie kommen da die „Proviſionen“ „in die Social-
demokratie?“
Dieſe „Proviſionen“ ſpielen bei der Vergleichung
der Ausgaben für die humanen Zwecke der Caſſe und
jenen für Verwaltung eine ganz entſcheidende Rolle.
Wir wollen darüber ebenfalls in einem nächſten Artikel
ſchreiben und auch eines Memorandums gedenken, da
die Beamten des „ſocialdemokratiſchen Muſterſtaates“
an ihre zum Theile aus den verſchiedenen „Maſtfonds“
ſchöpfenden „Brotgeber“ richteten.
Die Vorſtehung des gewerblichen Bezirksver-
bandes Braunau am Inn hat im Einverſtändniß mit
ſämmtlichen gewerblichen Bezirksverbänden Cisleithaniens
an den Abgeordneten des Wahlbezirkes, Herrn Eduard
Kyrle in Schärding ein Schreiben gerichtet, worin es
heißt: Der Gewerbeſtand verlangt in entſchiedener Weiſe
die endliche Durchführung der zu ſeinem Beſtande noth-
wendigen Reform des Gewerbegeſetzes und die Erfüllung
ſeiner Forderungen. Der Gewerbeſtand Oeſterreichs hat in
ſeinen im Verlaufe der letzten Zeit ſtattgeſundenen Ver-
ſammlungen, bei welchen insgeſammt über 300.000 Ge-
werbetreibende waren, einſtimmig nachſtehende Kundmachung
an die Regierung ergehen zu laſſen beſchloſſen: „Die Ge-
werbepartei hält hinſichtlich der Abänderung des Gewerbe-
geſetzes an den Beſchlüſſen der Gewerbe Congreſſe von
Graz und Reichenberg feſt und fordert die ſchleunigſte Ein-
bringung der von der hohen Regierung bereits fertig ge-
ſtellten, im hohen Hauſe einſtimmig als dringlich erkannten
Gewerbegeſetznovelle. Die Gewerbepartei beharrt auf der For-
derung der Bildung einer Wahlcurie, in welcher die Mitglieder
alle Gewerbe-Genoſſenſchaften ohne Unterſchied des Steuer-
ſatzes inbegriffen ſind, verwahrt ſich jedoch, mit den Arbeitern
in eine Wahlcurie einverleibt zu werden.“ Der Abge-
ordnete wird dann erſucht, in der nächſten Reichsrathsſeſſion
auf die ſchleunigſte Vorlage der bereits von der hohen Re-
gierung ausgearbeiteten Gewerbegeſetznovelle mit allem
Nachdrucke zu drängen, ſowie bei Berathung derſelben ſich
für die bereits landläufig gewordenen Wünſche und For-
derungen des Gewerbeſtandes Oeſterreichs einzuſetzen.
Die Bankfrage. Wie man aus Budapeſt meldet,
ſoll in den beiderſertigen Regierungskreiſen die Abſicht be-
ſiehen, alsbald nach Beginn der parlamentariſchen Weih-
nachtsferien der Bankſrage näher zu treten. Ob dies noch
in dieſem Jahre, oder erſt zu Beginn des Jänner der Fall
ſein werde, ſoll noch nicht endgiltig feſtgeſtellt ſein, doch ſoll
es als zweifellos gelten, daß dieſe Frage im Lauſe der
nächſten Wochen actuell werden wird.
Eine ſociale That.
Die im deutſchen Reiche von Reichswegen ein-
geführte Krankenverſicherung hat ſich im Laufe der
Jahre immer mehr als unzulänglich erwieſen. Die
geſetzlichen Gemeinde-, Orts- oder Betriebs-Kranken-
caſſen leiſten nicht im Entfernteſten das Höchſtmaß
deſſen, was ſie zu leiſten im Stande wären, ſondern
ſie beſchränken ſich auf die im Geſetze angegebene
Mindeſtleiſtung und erfüllen dadurch ihren ſocialen
Zweck in durchaus ungenügendem Maße. Dieſer
Einſicht haben ſich weder die Arbeiter noch die arbeiter-
freundlichen Socialpolitiker entziehen können.
Die natürliche Folge dieſer Erkenntniß war, daß
zunächſt die Arbeiter ſelbſt ſich um einen Erſatz um-
ſahen; es ſind denn auch ſchon mehr als eine Million
Arbeiter bei anderen Krankencaſſen, alſo doppelt,
verſichert, und zwar meiſtens in ſogenannten Zuſchuß-
caſſen, welche faſt alle unter ſocialdemokratiſcher und
antikatholiſcher Leitung ſtehen und ſomit eine Gefahr
für die bei ihnen verſicherten katholiſchen Arbeiter
bilden. Dieſe, beſonders ſoweit ſie Mitglieder katho-
liſcher Vereine ſind, vor materiellem und ſittlichem
Schaden zu bewahren, wurde allſeits als Pflicht der
katholiſchen Arbeiterfreunde erkannt, und dieſe Er-
kenntniß wurde, entſprechend der rühmenswerthen
Thatkraft der katholiſchen Partei Deutſchlands, ent-
Die goldene Hoffnung.
Roman von W. Clark Ruſſel.
65. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.)
Agathe lauſchte dem Erzähler mit einer Art kind-
licher Theilnahme. Nur Forsberg ließ ſeinen Blick auf
ihr ruhen, während die Anderen unverwandt auf
auf Arendt blickten, als ob er die einzige außer ihnen
in der Cajüte anweſende Perſon wäre.
„Vor allen Dingen ſuchten wir dann nach Waſſer
und fanden es auch.“
„Ich weiß, wo,“ unterbrach ihn Stein. „Es
war lauwarm und ſchmeckte, als ob Schwefelhölzer
darin abgekocht worden wären.“
„Ja,“ fuhr Arendt fort. „Später merkten wir
jedoch, daß der Schwefelgeſchmack ſich verlor, wenn
wir das Waſſer einige Zeit ſtehen ließen.
Wir fanden auch einige Cocosnüſſe, ſowie Krebſe,
und davon bereiteten wir uns eine Mahlzeit, zu der
wir die Krebſe einfach auf einem Feuer röſteten, zu
dem ich etwas trockenes Buſchwerk zuſammengetragen
und es mit Hilfe eines Brennglaſes angezündet hatte.
Letzteres hatte ich vom Schiff mitgebracht, wo ich es
zum Anzünden meiner Pfeife benutzt hatte. Unſere
Kleider ließen wir an der Sonne trocknen, und dann
machte ich mich auf, die Inſel zu durchforſchen. Ich
fand mehrere Höhlen, in die ich Gras und Laub zu-
ſammentrug, damit Fräulein Fuchs doch wenigſtens
eine Art von Lager und Obdach hätte.“
Als ſie jetzt ihren Namen hörte, blickte Agathe
lächelnd auf Forsberg, und alle hielten geſpannt den
Athem an in der Erwartung, daß ſich vielleicht ſchon
etwas in ihrer Erinnerung regte; aber das Lächeln
erſtarb bald wieder auf ihren Lippen, und wiederum
ſtützte ſie — ſtill zuhorchend — den Kopf auf ihre
Hände.
„Was es für eine Inſel ſein konnte, davon hatten
wir keine Ahnung, waren wir doch 14 Tage lang auf
dem offenen Meer umhergetrieben, ohne irgend welche
Berechnungen oder Muthmaßungen über unſere
Richtung anſtellen zu können. Von dem Gipfel des
Hügels aus war nichts zu ſehen, uns umgab die leere
Oede des Weltmeeres, und während der ganzen neun
Monate, die wir auf dieſer Inſel zubrachten, habe
ich auch nicht ein einziges Mal ein Segel entdeckt.
Anfangs machten wir jeden Morgen ein großes Rauch-
feuer und hielten es den Tag über an; dabei ver-
brauchten wir den Vorrath an trockenem Holz ſehr
ſchnell und beſchloſſen daher, unſere Feuerung nicht
ferner zu vergeuden, ſondern zu ſammeln und auf-
zuſtapeln und ſcharfen Auslug zu halten, das auf-
geſpeicherte Holz aber nur noch zum Kochen — oder
richtiger zum Röſten der Schildkröten, Krebſe und
anderen Thieren zu verwenden, die wir fingen und
mit Hilfe eines aus harten Zweigen und Grasfaſern
hergeſtellten ſcheerenförmigen Roſtes zur Nahrung
zubereiteten. Die Dame grämte ſich ſchrecklich.
Lange bemühte ſie ſich, muthig ihr Schickſal zu
tragen, ruhig und zuverſichtlich zu bleiben, aber
ihre Lage — ſo allein mit drei Matroſen auf
einer verlaſſenen Inſel — und dann die immer
wieder getäuſchten Hoffnungen, als Tag auf Tag ver-
floß, ohne uns irgend eine Möglichkeit oder Ausſicht
auf Rettung zu bringen — darunter erlag ſchließlich
ihre Kraft. Sie verzehrte ſich in Gram und ſchwand
förmlich dahin. Oft nahm ſie auch einen ganzen Tag
über keinen einzigen Biſſen Nahrung zu ſich. Dabei
wurde ſie auch in ihrem Weſen ſehr zurückhaltend und
wollte nicht mehr mit uns ſprechen, ſo daß ich ſchon
zu fürchten begann, ſie möchte den Verſtand verlieren.
Eines Morgens — ich glaube, es war gegen das
Ende der ſechſten Woche nach unſer Ankunft auf der
Inſel — theilte ſie mir mit, daß ſie vor dem einen der
Matroſen ſich ängſtige.
Sie wollte bemerkt haben, daß er ſie ſtets in
einer Weiſe anſchaue, die ſie in Schrecken ſetze, und in
der letzten Nacht habe ſie im Licht des Mondes deutlich
ſeine Geſtalt vor dem Eingang der Höhle, in der ſie
ſchlief, ſich hin- und herbewegen ſehen. Sie fügte
hinzu, daß ſie nicht gewagt habe, um Hilfe zu rufen,
aus Furcht, daß er ſie auf losſtürzen würde. Da ich aber
ſelber noch nichts Verdächtiges bemerkt hatte — beide
Matroſen ſchienen mir ſehr höflich gegen ſie zu ſein —
ſo hielt ich ihre Angſt für den Ausfluß ihrer be-
ginnenden Geiſtesverwirrung, denn ich habe immer ge-
hört, das erſte Symptom eintretenden Irrſinns beſtehe
darin, daß die Erkrankten ſich vor Anderen fürchteten
und ſich von ihnen bedroht glaubten.
„Trotzdem aber nahm ich mir vor, ſcharf aufzu-
paſſen, denn von Anfang an hatte ich mir ſelber das
Gelübde gethan, der jungen Dame, möge auch kommen,
was da wolle, treu zur Seite zu ſtehen, nicht nur
um ihrer ſelbſt willen, — obgleich mir nie eine beſſere,
liebenswürdigere Dame begegnet iſt, — noch auch
wegen der ſchrecklichen Lage, in der ſie ſich befand,
ſondern auch um meiner eigenen Gattin willen daheim
und meiner Tochter willen, eines Mädchens von zwölf
Jahren, und darin habe ich auch redlich mein Gelübde
gehalten, Herr Doctor, und jene Zuneigung, die ſie
für mich zu empfinden ſcheint, rührt nur daher, daß ſie
in dem Zeitraum, über den hinaus ihr Gedächtniß
nicht mehr zurückreicht, mich allein um ſich hatte, daß
ich inzwiſchen ihr alleiniger Gefährte und treuer Be-
ſchützer war. Das iſt der einzige Grund ihrer Zu-
neigung zu mir.“
Er hielt inne und blickte auf ſie, als ob er er-
warte, ſie möchte ſeine Worte beſtätigen; aber ſie
ſaß jetzt, in Gedanken verſunken, mit niedergeſchlagenen
Augen da, ohne ihm die geringſte Beachtung zu
ſchenken. Forsberg hingegen erhob ſich, um mit
dankbarer Wärme dem Hochbootsmann die Hand zu
drücken. (Fortſ. folgt.)
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