Reichspost. Nr. 284, Wien, 14.12.1898.[Spaltenumbruch]
Preis 4 kr. Redartion, Administration, Stadterpedition I., Wollzeile 15. Unfrankirte Briefe werden nicht an- Inserate Abonnement[e] werden ange- Erscheint täglich, 6 Uhr Nach- [Spaltenumbruch] Reichspost. Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich-Ungarns. [Spaltenumbruch] Preis 4 kr. Bezug[spreis]e: Einzelne Nummern 4 kr., per Post Bei Abholung in unserer Administra- Für: Oesterreich-Ungarn: Für Deutschland: Länder des Weltpostvereines: Telephon 1828. V. Jahrgang. Wien, Mittwoch, den 14. December 1898. Nr. 284. [Spaltenumbruch] Die ungarische Krise. Baron Banffy hat zwar hocherhobenen Aber abgesehen davon darf nicht übersehen Wenn man nun weiter in Erwägung zieht, In der Tisza-Clique scheint man nun die Der Tiroler Getreide-Landesaufschlag. Der Ausgleichsausschuß erledigte Wir berichteten gestern bereits, wie der Tiroler Interessant war die Abstimmung: Der in [Spaltenumbruch] Feuilleton. Das jüdische Elend in Galizien. Lemberg, 8. December. Der Rabbi Dr. Bloch beschäftigt sich in seiner Es ist richtig, daß die Propination noch immer Desgleichen hat die Landesregierung den Salz- Aber das Elend der Juden in Galizien hat ganz Ist das nicht Tyrannei, wenn ein armer Ein anderer Grund für das galizische jüdische Ist das nicht Tyrannei, Herr Dr. Bloch, [Abbildung] Die heutige Nummer ist 10 Seiten stark. [Abbildung] [Spaltenumbruch]
Preis 4 kr. Redartion, Adminiſtration, Stadterpedition I., Wollzeile 15. Unfrankirte Briefe werden nicht an- Inſerate Abonnement[e] werden ange- Erſcheint täglich, 6 Uhr Nach- [Spaltenumbruch] Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns. [Spaltenumbruch] Preis 4 kr. Bezug[ſpreiſ]e: Einzelne Nummern 4 kr., per Poſt Bei Abholung in unſerer Adminiſtra- Für: Oeſterreich-Ungarn: Für Deutſchland: Länder des Weltpoſtvereines: Telephon 1828. V. Jahrgang. Wien, Mittwoch, den 14. December 1898. Nr. 284. [Spaltenumbruch] Die ungariſche Kriſe. Baron Banffy hat zwar hocherhobenen Aber abgeſehen davon darf nicht überſehen Wenn man nun weiter in Erwägung zieht, In der Tisza-Clique ſcheint man nun die Der Tiroler Getreide-Landesaufſchlag. Der Ausgleichsausſchuß erledigte Wir berichteten geſtern bereits, wie der Tiroler Intereſſant war die Abſtimmung: Der in [Spaltenumbruch] Feuilleton. Das jüdiſche Elend in Galizien. Lemberg, 8. December. Der Rabbi Dr. Bloch beſchäftigt ſich in ſeiner Es iſt richtig, daß die Propination noch immer Desgleichen hat die Landesregierung den Salz- Aber das Elend der Juden in Galizien hat ganz Iſt das nicht Tyrannei, wenn ein armer Ein anderer Grund für das galiziſche jüdiſche Iſt das nicht Tyrannei, Herr Dr. Bloch, [Abbildung] Die heutige Nummer iſt 10 Seiten ſtark. [Abbildung] <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jExpedition"> <head> <hi rendition="#b">Preis 4 kr.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p><hi rendition="#b">Redartion, Adminiſtration,<lb/> Expedition</hi> und <hi rendition="#b">Druckerei:</hi><lb/><hi rendition="#aq">VIII.,</hi> <hi rendition="#g">Strozzigaſſe</hi> 41.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p><hi rendition="#b">Stadterpedition</hi><hi rendition="#aq">I.,</hi> Wollzeile 15.<lb/> Zeitungsbureau <hi rendition="#b">Weis.</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Unfrankirte Briefe werden nicht an-<lb/> genommen; Manuſtripte werden<lb/> nicht zurückgeſtellt. 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Man<lb/> ſieht ſchon jetzt die große <hi rendition="#g">liberale</hi><lb/> Majorität, die mehr als Zweidrittel-Mehrheit, die<lb/> ſich Banffy mit Geld und Panduren gemacht<lb/> hatte, arg erſchüttert. Die 40 Kroaten haben die<lb/> „<hi rendition="#aq">Lex</hi> Tisza“ nicht unterſchrieben, mehrere bereits<lb/> unterfertigte ungarländiſche Abgeordnete haben ihre<lb/> Unterſchrift wieder zurückgezogen. Die vom unga-<lb/> riſchen Correſpondenzbureau verlautbarten Zahlen<lb/> der auf dem Antrage Tisza vorhandenen Unter-<lb/> ſchriften ſtellten ſich raſch als unrichtig heraus, es<lb/> iſt Thatſache, daß derzeit die Unterſchriebenen nicht<lb/> die ziffermäßige Majorität des Hauſes darſtellen.</p><lb/> <p>Aber abgeſehen davon darf nicht überſehen<lb/> werden, wer aus der Partei ausgetreten<lb/> iſt, wer darin verblieb. Unter den nahe-<lb/> zu drei Dutzend Diſſidenten befinden<lb/> ſich ziemlich durchwegs wirkliche Magyaren, die in<lb/> der liberalen Partei zahlreich vorhandenen<lb/> Magyaren im Allgemeinen und Juden im<lb/> Beſonderen ſind dem Banffy verblieben. Man muß<lb/> weiter berückſichtigen, daß die Ausgetretenen gerade<lb/> die <hi rendition="#g">gewählten</hi> Abgeordneten ſind, daß ſie<lb/> ihre Wahl nicht dem Gelde und der Gewalt der<lb/> Regierung verdanken, darum konnten ſie eben<lb/> diſſentiren, während die Panduren- und Beſtechungs-<lb/> parlamentarier <hi rendition="#aq">nolens volens</hi> bei der gerade am<lb/> Ruder befindlichen Regierung aushalten müſſen,<lb/> weil dieſe ihre parlamentariſche und politiſche<lb/><cb/> Exiſtenz durch Auflöſung des Hauſes und ent-<lb/> ſprechende Maßnahmen für die Neuwahlen mit<lb/> einem Schlage auslöſchen kann.</p><lb/> <p>Wenn man nun weiter in Erwägung zieht,<lb/> daß in Ungarn ein großer Theil der Admini-<lb/> ſtration noch in den Händen der Comitate liegt,<lb/> daß es ohne dieſe keine Steuereintreibung und<lb/> Recrutenaushebung gibt, kann man ſich beiläufig<lb/> vorſtellen, welche Complicationen der <hi rendition="#aq">Ex lex</hi>-Zu-<lb/> ſtand noch hervorrufen kann. Die Oppoſitions-<lb/> parteien werden natürlich, wenn am Montag die<lb/> Lage noch unverändert iſt, es an der nöthigen<lb/> Agitation im Lande nicht fehlen laſſen, man kann<lb/> es ſehr leicht erleben, daß in den Comitaten<lb/> mit oppoſitioneller Vertretung die Steuerver-<lb/> weigerung, die Vereitelung der Recrutenaus-<lb/> hebung in ausgedehntem Maße auftritt. Ja,<lb/> es könnte gegen die betreffenden Perſonen und<lb/> Aemter nicht einmal gut eingeſchritten werden,<lb/> weil die ungariſche Verfaſſung den Widerſtand<lb/> gegen ungeſetzliche Regierungsmaßnahmen ausdrück-<lb/> lich erlaubt.</p><lb/> <p>In der Tisza-Clique ſcheint man nun die<lb/> Gefahr der Lage bereits zu erkennen, darum läßt<lb/> man auch die Candidatur Stefan Tisza’s für<lb/> das Präſidium des Abgeordnetenhauſes fallen,<lb/> weil man die Erbitterung der Oppoſition nicht<lb/> noch ſteigern will. Man verſucht es auch mit ver-<lb/> ſchiedenen Ausgleichsanerbietungen hinter den<lb/> Couliſſen, man möchte in irgend einer Weiſe über<lb/> die <hi rendition="#aq">lex</hi> Tisza wieder hinwegkommen und wird ſchließ-<lb/> lich auch vor der Opferung Banffy’s nicht zurück-<lb/> ſchrecken, wenn man nur die eigene Cliquenherr-<lb/> ſchaft aufrecht erhalten kann. Mag aber nun die<lb/> jetzige Kriſe enden wie immer, mögen die Tisza-<lb/> Leute ſiegen oder die vereinigte Oppoſition, oder<lb/> mag man wieder das Mittel finden, um dieſe<lb/> Vereinigung auseinanderzutreiben, die eine oder<lb/> andere Fraction zu beſchwichtigen, Eines ſteht<lb/> zweifellos feſt, daß ſich die Verhältniſſe jenſeits<lb/> der Leitha im bisherigen Zuſtande nicht mehr<lb/><cb/> lange erhalten laſſen. Ein anderes Wahlſyſtem<lb/> und als natürliche Folge ein anderes Regierungs-<lb/> ſyſtem werden ſich aus den Kriſen in Ungarn mit<lb/> Naturnothwendigkeit herausentwickeln müſſen, je<lb/> raſcher und entſchiedener dieſe Entwicklung vor ſich<lb/> geht, deſto beſſer für Ungarn; je länger der<lb/> Widerſtand, der ſich um die Macht zankenden<lb/> Cliquen dauert, deſto radicaler und rückſichtsloſer<lb/> wird mit ihnen aufgeräumt werden.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="aufschlag1" next="#aufschlag2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Tiroler Getreide-Landesaufſchlag.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Der Ausgleichsausſchuß</hi> erledigte<lb/> geſtern den Artikel <hi rendition="#aq">XII</hi> auch in Bezug auf den Tiroler<lb/> Getreide-Landesaufſchlag.</p><lb/> <p>Wir berichteten geſtern bereits, wie der Tiroler<lb/> Abgeordnete <hi rendition="#g">Tollinger</hi> von der Katholiſchen<lb/> Volkspartei erklärt hatte, er werde jetzt für die Vorlage<lb/> ſtimmen, könne aber in der zweiten Leſung der Aus-<lb/> gleichsvorlagen nur dann <hi rendition="#g">für</hi> das Zoll- und Handels-<lb/> bündniß eintreten, wenn ein <hi rendition="#g">Einvernehmen</hi> be-<lb/> züglich des Tiroler Getreide-Landesaufſchlages zwiſchen<lb/> Regierung und Tiroler Landtag <hi rendition="#g">perfect</hi> geworden<lb/> ſei. Von Seiten der Minorität war dringend davor<lb/> gewarnt worden, ein altes Landesrecht durch ein Reichs-<lb/> rathsgeſetz zu brechen und das Land Tirol um ein<lb/> jährliches Einkommen von nahezu einer halben Million<lb/> zu bringen und es wurde darauf hingewieſen, wie alle<lb/> Berufungen auf eine Uebereinſtimmung der Regierung<lb/> mit dem Landtage gegenſtandslos ſeien, ſolange man<lb/> keinen ernſtlichen Willen zeige, die ſchädlichen Be-<lb/> ſtimmungen abzuändern und ſolange man immer <hi rendition="#g">für</hi><lb/> dieſelben ſtimmt. Abg. <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> betonte im weiteren<lb/> Verlaufe der Verhandlung ganz richtig, daß ſich die<lb/> Abgeordneten Tirols mit der angekündigten Zuſtimmung<lb/> zu Artikel <hi rendition="#aq">XII</hi> im Gegenſatze <hi rendition="#g">zu einem ein-<lb/> ſtimmigen Beſchluſſe des Tiroler<lb/> Landtages</hi> befinden.</p><lb/> <p>Intereſſant war die <hi rendition="#g">Abſtimmung:</hi> Der in<lb/> Verhandlung geſtandene Theil des Artikels <hi rendition="#aq">XII,</hi> be-<lb/> treffend die Aufhebung des Tiroler Getreide-Aufſchlages,<lb/> wurde unter Ablehnung der geſtellten Abänderungs-<lb/> anträge <hi rendition="#g">unverändertangenommen.</hi> Der<lb/> Antrag des Abg. Dr. <hi rendition="#g">Lecher,</hi> dahingehend, daß<lb/> die Aufhebung des Getreide-Aufſchlages <hi rendition="#g">nur</hi> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Feuilleton.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="galizien1" next="#galizien2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das jüdiſche Elend in Galizien.</hi> </head><lb/> <dateline>Lemberg, 8. December.</dateline><lb/> <p>Der Rabbi Dr. Bloch beſchäftigt ſich in ſeiner<lb/> deutſchen Wochenſchrift wiederum mit dem jüdiſchen<lb/> Elend in Galizien. Veranlaſſung dazu bietet ihm die<lb/> Ablöſung der Propination, der Uebergang des Salz-<lb/> monopols an die Landesregierung, die Gründung länd-<lb/> licher Conſumvereine und die hervorgerufene Abneigung<lb/> der Chriſten, bei den Juden fernerhin zu kaufen.</p><lb/> <p>Es iſt richtig, daß die Propination noch immer<lb/> beſteht, daß ſie ſtatt von den Gutsbeſitzern und Schenk-<lb/> juden jetzt an eine Art Generalpächter verpachtet wird,<lb/> der die Schenken wiederum ſeinen Leuten, den meiſt-<lb/> bietenden kleineren Juden überläßt und die früheren<lb/> Pächter brotlos macht. Aber daran ſind doch nur die<lb/> jüdiſchen Hauptpächter ſchuld, und warum wendet ſich<lb/> Dr. Bloch nicht direct an ſeine vermögenden Glaubens-<lb/> genoſſen, etwas humaner mit den ärmeren Juden um-<lb/> zugehen?</p><lb/> <p>Desgleichen hat die Landesregierung den Salz-<lb/> verſchleiß in ihre Hände genommen und handhabt den-<lb/> ſelben zum Nutzen des Landes. Billiger iſt das Salz<lb/> allerdings nicht geworden, doch das Einkommen fließt<lb/> dem Landesfonds zu — und das mag wohl im Inter-<lb/> eſſe Einzelner, aber nicht der Geſammtheit zu bedauern<lb/> ſein. Conſumvereine bilden ſich nur dann, wenn das<lb/> Publikum zu ſehr übervortheilt oder ausgebeutet wird,<lb/> und die Abneigung gegen den Einkauf bei Juden greift<lb/> nur dann Platz, wenn das gewöhnliche Volk ſieht, daß<lb/> man anderweitig reeller bedient wird.</p><lb/> <p>Aber das Elend der Juden in Galizien hat ganz<lb/> andere Gründe, die eben die Herren Rabbis nicht ſehen<lb/> wollen. Die jüdiſchen Blätter ſchreien ſehr oft über die<lb/> Bevormundung der Chriſten durch ihre Geiſtlichkeit,<lb/><cb/> aber die Herrſchaft der Rabbis über ihre Glaubens-<lb/> genoſſen grenzt an Tyrannei. Das Koſchergeſetz, durch<lb/> welches die jüdiſche Geiſtlichkeit erhalten wird, trägt<lb/> ſehr viel zur Verarmung der kleinen Juden<lb/> und Erzeugung einer Menge von Krankheiten<lb/> bei. Gerade die ärmeren Juden beobachten<lb/> die rituellen Geſetze am gewiſſenhafteſten und ſind<lb/> meiſtens nicht im Stande, für andere Tage als für den<lb/> Sabbath ſich das Fleiſch koſcher machen zu laſſen, denn<lb/> das jüdiſche Fleiſch iſt theuer, das Koſchern koſtet auch<lb/> Geld — und billigeres anderes Fleiſch iſt ihnen zu<lb/> eſſen verboten. Die Folge dieſes rituellen Zwanges iſt<lb/> hauptſächlich die Schwächlichkeit des jüdiſchen Volkes;<lb/> denn Kaffee und ſaure Bohnen, höchſtens noch ein<lb/> Stück Brod geben keine Kräfte. Damit aber noch nicht<lb/> genug! Wenn ein ſogenannter orthodoxer Jude ſich auf<lb/> Geſchäftsreiſen begibt, und in Gegenden, wo nur chriſt-<lb/> liche Gaſthäuſer ſind, nimmt er ſich koſcheres Fleiſch<lb/> mit, ißt Freitag Abend nur etwas Warmes beim Rabbi,<lb/> den er natürlich im Intereſſe der Kundenerwerbung gut<lb/> bezahlt, und ſetzt am nächſten Sonntag mit einer<lb/> neuen koſcheren Fleiſchladung bepackt, ſeine Reiſe<lb/> fort. Thee bereitet er ſich ſelbſt in den<lb/> jüdiſchen Herbergen, ein paar Eier kauft<lb/> er ſich gelegentlich, und ſo lebt er, bis<lb/> er wieder bei der Mamme eintrifft und wie ein alter<lb/> Phönizier von den Wunderdingen erzählt, die er auf<lb/> ſeiner koſcheren Fahrt erlebt hat. Nun, Herr Doctor<lb/> Bloch, iſt das wahr oder nicht?</p><lb/> <p>Iſt das nicht Tyrannei, wenn ein armer<lb/> Jude nicht einmal eſſen darf, was der liebe Herrgott<lb/> geſchaffen hat — und nicht einmal auf der Reiſe?<lb/> Und auf welche Weiſe wird dann der gegenſeitige Ver-<lb/> kehr gefördert? Was haben die Fuhrleute und Gaſt-<lb/> häuſer von einem ſolchen Reiſenden, der an der Grenze<lb/> ſeinen ſchmutzigen Kaftan in den Koffer packt, ſich<lb/> einen kurzen Rock anzieht, und dieſes Experiment um-<lb/> gekehrt wiederholt, wenn er zurückkehrt? Käme er in<lb/><cb/> einem kurzen Rocke zu ſeiner Rebekka, ſo wäre dieſes<lb/> die größte Sünde.</p><lb/> <p>Ein anderer Grund für das galiziſche jüdiſche<lb/> Elend ſind die frühen Heiraten. Kaum der Schule ent-<lb/> wachſen, werden zwei <hi rendition="#g">junge Perſonen,<lb/> nachdem der Schacher abgemacht,</hi><lb/> und ſie ſich einige Male <hi rendition="#aq">par distance</hi> begrüßt, nach<lb/> jüdiſchem Ritus getraut. Dieſes iſt eine Art Probe-<lb/> heirat; die Nothcivilehe tritt erſt nach der <hi rendition="#g">Geburt</hi><lb/> eines Kindes, in der Regel erſt, wenn ein <hi rendition="#g">Knabe</hi><lb/> geboren, ein. Iſt dieſes nun manchmal nicht der Fall,<lb/> ſo hat das arme weibliche Weſen ein ziemliches<lb/> Märtyrerthum durchzumachen. Zuerſt wird der be-<lb/> ſondere Segen des einen oder anderen Rabbis erbeten<lb/> — dieſer koſtet auch Geld — dann werden die Aerzte<lb/> und allerhand Quackſalbereien in Anſpruch genommen,<lb/> damit der jüdiſche Herrgott helfen ſoll. Nützt auch<lb/> dieſes nichts, ſo bleibt die Jüdin nach der Lehre des<lb/> Talmud eine minderwerthige Perſon und fällt nach<lb/> dem Tode des Mannes ſeinem Bruder anheim, von<lb/> welchem ſie ſich unter verſchiedenen Ceremonien in<lb/> Gegenwart des Rabbis durch Werfen eines <hi rendition="#g">Schuhs,</hi><lb/> Auflöſen eines verwickelten Knotens und natürlich —<lb/> durch eine Geldzahlung an den Bruder des verſtorbenen<lb/> Mannes loskaufen muß.</p><lb/> <p>Iſt das nicht Tyrannei, Herr Dr. Bloch,<lb/> und iſt dieſes in unſerer aufgeklärten Zeit<lb/> menſchlich recht und nicht der größte Mißbrauch der<lb/> perſönlichen Freiheit? Dieſes nebenbei; doch die Sache<lb/> liegt in der Regel ganz anders. In den meiſten Fällen<lb/> gibt es eine Menge Kinder, die armen Eltern können<lb/> die vielen Kinder dann nicht ernähren, betrügeriſche<lb/> Bankerotte, Wechſelfälſchungen, gewöhnlicher Betrug<lb/> u. ſ. w. müſſen aushelfen; denn zur Erhaltung der<lb/> Familie iſt ja alles erlaubt; der Ruin, der Tod oder<lb/> die Flucht nach Amerika ſind gar oft das Ende. Be-<lb/> kannt iſt auch die große Zahl unehelicher Kinder in<lb/> Galizien.</p> </div> </div><lb/> <note> <ref> <hi rendition="#c"> <figure/> <hi rendition="#b">Die heutige Nummer iſt 10 Seiten ſtark.</hi> <figure/> </hi> </ref> </note><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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Telephon 1828.
V. Jahrgang. Wien, Mittwoch, den 14. December 1898. Nr. 284.
Die ungariſche Kriſe.
Baron Banffy hat zwar hocherhobenen
Hauptes die Hofburg verlaſſen, er hat ſogar recht
viel zu erzählen gewußt vom unerſchütterten Ver-
trauen der Krone, von Mahnungen zum Aus-
harren, zu Geduld und Ausdauer, aber ſo manche
Thatſachen ſtehen in einem eigenthümlichen Con-
traſt zu der zur Schau getragenen Siegeszuverſicht.
Das Vertrauen der Krone wird Baron Banffy
unter den gegebenen außerordentlichen Verhältniſſen
nicht vor dem Sturze ſchützen, wenn im Parla-
ment und im Lande ſelbſt gegen ihn
das Verfaſſungsrecht mobiliſirt wird. Man
ſieht ſchon jetzt die große liberale
Majorität, die mehr als Zweidrittel-Mehrheit, die
ſich Banffy mit Geld und Panduren gemacht
hatte, arg erſchüttert. Die 40 Kroaten haben die
„Lex Tisza“ nicht unterſchrieben, mehrere bereits
unterfertigte ungarländiſche Abgeordnete haben ihre
Unterſchrift wieder zurückgezogen. Die vom unga-
riſchen Correſpondenzbureau verlautbarten Zahlen
der auf dem Antrage Tisza vorhandenen Unter-
ſchriften ſtellten ſich raſch als unrichtig heraus, es
iſt Thatſache, daß derzeit die Unterſchriebenen nicht
die ziffermäßige Majorität des Hauſes darſtellen.
Aber abgeſehen davon darf nicht überſehen
werden, wer aus der Partei ausgetreten
iſt, wer darin verblieb. Unter den nahe-
zu drei Dutzend Diſſidenten befinden
ſich ziemlich durchwegs wirkliche Magyaren, die in
der liberalen Partei zahlreich vorhandenen
Magyaren im Allgemeinen und Juden im
Beſonderen ſind dem Banffy verblieben. Man muß
weiter berückſichtigen, daß die Ausgetretenen gerade
die gewählten Abgeordneten ſind, daß ſie
ihre Wahl nicht dem Gelde und der Gewalt der
Regierung verdanken, darum konnten ſie eben
diſſentiren, während die Panduren- und Beſtechungs-
parlamentarier nolens volens bei der gerade am
Ruder befindlichen Regierung aushalten müſſen,
weil dieſe ihre parlamentariſche und politiſche
Exiſtenz durch Auflöſung des Hauſes und ent-
ſprechende Maßnahmen für die Neuwahlen mit
einem Schlage auslöſchen kann.
Wenn man nun weiter in Erwägung zieht,
daß in Ungarn ein großer Theil der Admini-
ſtration noch in den Händen der Comitate liegt,
daß es ohne dieſe keine Steuereintreibung und
Recrutenaushebung gibt, kann man ſich beiläufig
vorſtellen, welche Complicationen der Ex lex-Zu-
ſtand noch hervorrufen kann. Die Oppoſitions-
parteien werden natürlich, wenn am Montag die
Lage noch unverändert iſt, es an der nöthigen
Agitation im Lande nicht fehlen laſſen, man kann
es ſehr leicht erleben, daß in den Comitaten
mit oppoſitioneller Vertretung die Steuerver-
weigerung, die Vereitelung der Recrutenaus-
hebung in ausgedehntem Maße auftritt. Ja,
es könnte gegen die betreffenden Perſonen und
Aemter nicht einmal gut eingeſchritten werden,
weil die ungariſche Verfaſſung den Widerſtand
gegen ungeſetzliche Regierungsmaßnahmen ausdrück-
lich erlaubt.
In der Tisza-Clique ſcheint man nun die
Gefahr der Lage bereits zu erkennen, darum läßt
man auch die Candidatur Stefan Tisza’s für
das Präſidium des Abgeordnetenhauſes fallen,
weil man die Erbitterung der Oppoſition nicht
noch ſteigern will. Man verſucht es auch mit ver-
ſchiedenen Ausgleichsanerbietungen hinter den
Couliſſen, man möchte in irgend einer Weiſe über
die lex Tisza wieder hinwegkommen und wird ſchließ-
lich auch vor der Opferung Banffy’s nicht zurück-
ſchrecken, wenn man nur die eigene Cliquenherr-
ſchaft aufrecht erhalten kann. Mag aber nun die
jetzige Kriſe enden wie immer, mögen die Tisza-
Leute ſiegen oder die vereinigte Oppoſition, oder
mag man wieder das Mittel finden, um dieſe
Vereinigung auseinanderzutreiben, die eine oder
andere Fraction zu beſchwichtigen, Eines ſteht
zweifellos feſt, daß ſich die Verhältniſſe jenſeits
der Leitha im bisherigen Zuſtande nicht mehr
lange erhalten laſſen. Ein anderes Wahlſyſtem
und als natürliche Folge ein anderes Regierungs-
ſyſtem werden ſich aus den Kriſen in Ungarn mit
Naturnothwendigkeit herausentwickeln müſſen, je
raſcher und entſchiedener dieſe Entwicklung vor ſich
geht, deſto beſſer für Ungarn; je länger der
Widerſtand, der ſich um die Macht zankenden
Cliquen dauert, deſto radicaler und rückſichtsloſer
wird mit ihnen aufgeräumt werden.
Der Tiroler Getreide-Landesaufſchlag.
Der Ausgleichsausſchuß erledigte
geſtern den Artikel XII auch in Bezug auf den Tiroler
Getreide-Landesaufſchlag.
Wir berichteten geſtern bereits, wie der Tiroler
Abgeordnete Tollinger von der Katholiſchen
Volkspartei erklärt hatte, er werde jetzt für die Vorlage
ſtimmen, könne aber in der zweiten Leſung der Aus-
gleichsvorlagen nur dann für das Zoll- und Handels-
bündniß eintreten, wenn ein Einvernehmen be-
züglich des Tiroler Getreide-Landesaufſchlages zwiſchen
Regierung und Tiroler Landtag perfect geworden
ſei. Von Seiten der Minorität war dringend davor
gewarnt worden, ein altes Landesrecht durch ein Reichs-
rathsgeſetz zu brechen und das Land Tirol um ein
jährliches Einkommen von nahezu einer halben Million
zu bringen und es wurde darauf hingewieſen, wie alle
Berufungen auf eine Uebereinſtimmung der Regierung
mit dem Landtage gegenſtandslos ſeien, ſolange man
keinen ernſtlichen Willen zeige, die ſchädlichen Be-
ſtimmungen abzuändern und ſolange man immer für
dieſelben ſtimmt. Abg. Kaiſer betonte im weiteren
Verlaufe der Verhandlung ganz richtig, daß ſich die
Abgeordneten Tirols mit der angekündigten Zuſtimmung
zu Artikel XII im Gegenſatze zu einem ein-
ſtimmigen Beſchluſſe des Tiroler
Landtages befinden.
Intereſſant war die Abſtimmung: Der in
Verhandlung geſtandene Theil des Artikels XII, be-
treffend die Aufhebung des Tiroler Getreide-Aufſchlages,
wurde unter Ablehnung der geſtellten Abänderungs-
anträge unverändertangenommen. Der
Antrag des Abg. Dr. Lecher, dahingehend, daß
die Aufhebung des Getreide-Aufſchlages nur
Feuilleton.
Das jüdiſche Elend in Galizien.
Lemberg, 8. December.
Der Rabbi Dr. Bloch beſchäftigt ſich in ſeiner
deutſchen Wochenſchrift wiederum mit dem jüdiſchen
Elend in Galizien. Veranlaſſung dazu bietet ihm die
Ablöſung der Propination, der Uebergang des Salz-
monopols an die Landesregierung, die Gründung länd-
licher Conſumvereine und die hervorgerufene Abneigung
der Chriſten, bei den Juden fernerhin zu kaufen.
Es iſt richtig, daß die Propination noch immer
beſteht, daß ſie ſtatt von den Gutsbeſitzern und Schenk-
juden jetzt an eine Art Generalpächter verpachtet wird,
der die Schenken wiederum ſeinen Leuten, den meiſt-
bietenden kleineren Juden überläßt und die früheren
Pächter brotlos macht. Aber daran ſind doch nur die
jüdiſchen Hauptpächter ſchuld, und warum wendet ſich
Dr. Bloch nicht direct an ſeine vermögenden Glaubens-
genoſſen, etwas humaner mit den ärmeren Juden um-
zugehen?
Desgleichen hat die Landesregierung den Salz-
verſchleiß in ihre Hände genommen und handhabt den-
ſelben zum Nutzen des Landes. Billiger iſt das Salz
allerdings nicht geworden, doch das Einkommen fließt
dem Landesfonds zu — und das mag wohl im Inter-
eſſe Einzelner, aber nicht der Geſammtheit zu bedauern
ſein. Conſumvereine bilden ſich nur dann, wenn das
Publikum zu ſehr übervortheilt oder ausgebeutet wird,
und die Abneigung gegen den Einkauf bei Juden greift
nur dann Platz, wenn das gewöhnliche Volk ſieht, daß
man anderweitig reeller bedient wird.
Aber das Elend der Juden in Galizien hat ganz
andere Gründe, die eben die Herren Rabbis nicht ſehen
wollen. Die jüdiſchen Blätter ſchreien ſehr oft über die
Bevormundung der Chriſten durch ihre Geiſtlichkeit,
aber die Herrſchaft der Rabbis über ihre Glaubens-
genoſſen grenzt an Tyrannei. Das Koſchergeſetz, durch
welches die jüdiſche Geiſtlichkeit erhalten wird, trägt
ſehr viel zur Verarmung der kleinen Juden
und Erzeugung einer Menge von Krankheiten
bei. Gerade die ärmeren Juden beobachten
die rituellen Geſetze am gewiſſenhafteſten und ſind
meiſtens nicht im Stande, für andere Tage als für den
Sabbath ſich das Fleiſch koſcher machen zu laſſen, denn
das jüdiſche Fleiſch iſt theuer, das Koſchern koſtet auch
Geld — und billigeres anderes Fleiſch iſt ihnen zu
eſſen verboten. Die Folge dieſes rituellen Zwanges iſt
hauptſächlich die Schwächlichkeit des jüdiſchen Volkes;
denn Kaffee und ſaure Bohnen, höchſtens noch ein
Stück Brod geben keine Kräfte. Damit aber noch nicht
genug! Wenn ein ſogenannter orthodoxer Jude ſich auf
Geſchäftsreiſen begibt, und in Gegenden, wo nur chriſt-
liche Gaſthäuſer ſind, nimmt er ſich koſcheres Fleiſch
mit, ißt Freitag Abend nur etwas Warmes beim Rabbi,
den er natürlich im Intereſſe der Kundenerwerbung gut
bezahlt, und ſetzt am nächſten Sonntag mit einer
neuen koſcheren Fleiſchladung bepackt, ſeine Reiſe
fort. Thee bereitet er ſich ſelbſt in den
jüdiſchen Herbergen, ein paar Eier kauft
er ſich gelegentlich, und ſo lebt er, bis
er wieder bei der Mamme eintrifft und wie ein alter
Phönizier von den Wunderdingen erzählt, die er auf
ſeiner koſcheren Fahrt erlebt hat. Nun, Herr Doctor
Bloch, iſt das wahr oder nicht?
Iſt das nicht Tyrannei, wenn ein armer
Jude nicht einmal eſſen darf, was der liebe Herrgott
geſchaffen hat — und nicht einmal auf der Reiſe?
Und auf welche Weiſe wird dann der gegenſeitige Ver-
kehr gefördert? Was haben die Fuhrleute und Gaſt-
häuſer von einem ſolchen Reiſenden, der an der Grenze
ſeinen ſchmutzigen Kaftan in den Koffer packt, ſich
einen kurzen Rock anzieht, und dieſes Experiment um-
gekehrt wiederholt, wenn er zurückkehrt? Käme er in
einem kurzen Rocke zu ſeiner Rebekka, ſo wäre dieſes
die größte Sünde.
Ein anderer Grund für das galiziſche jüdiſche
Elend ſind die frühen Heiraten. Kaum der Schule ent-
wachſen, werden zwei junge Perſonen,
nachdem der Schacher abgemacht,
und ſie ſich einige Male par distance begrüßt, nach
jüdiſchem Ritus getraut. Dieſes iſt eine Art Probe-
heirat; die Nothcivilehe tritt erſt nach der Geburt
eines Kindes, in der Regel erſt, wenn ein Knabe
geboren, ein. Iſt dieſes nun manchmal nicht der Fall,
ſo hat das arme weibliche Weſen ein ziemliches
Märtyrerthum durchzumachen. Zuerſt wird der be-
ſondere Segen des einen oder anderen Rabbis erbeten
— dieſer koſtet auch Geld — dann werden die Aerzte
und allerhand Quackſalbereien in Anſpruch genommen,
damit der jüdiſche Herrgott helfen ſoll. Nützt auch
dieſes nichts, ſo bleibt die Jüdin nach der Lehre des
Talmud eine minderwerthige Perſon und fällt nach
dem Tode des Mannes ſeinem Bruder anheim, von
welchem ſie ſich unter verſchiedenen Ceremonien in
Gegenwart des Rabbis durch Werfen eines Schuhs,
Auflöſen eines verwickelten Knotens und natürlich —
durch eine Geldzahlung an den Bruder des verſtorbenen
Mannes loskaufen muß.
Iſt das nicht Tyrannei, Herr Dr. Bloch,
und iſt dieſes in unſerer aufgeklärten Zeit
menſchlich recht und nicht der größte Mißbrauch der
perſönlichen Freiheit? Dieſes nebenbei; doch die Sache
liegt in der Regel ganz anders. In den meiſten Fällen
gibt es eine Menge Kinder, die armen Eltern können
die vielen Kinder dann nicht ernähren, betrügeriſche
Bankerotte, Wechſelfälſchungen, gewöhnlicher Betrug
u. ſ. w. müſſen aushelfen; denn zur Erhaltung der
Familie iſt ja alles erlaubt; der Ruin, der Tod oder
die Flucht nach Amerika ſind gar oft das Ende. Be-
kannt iſt auch die große Zahl unehelicher Kinder in
Galizien.
[Abbildung]
Die heutige Nummer iſt 10 Seiten ſtark.
[Abbildung]
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