Reichspost. Nr. 284, Wien, 14.12.1898.Wien, Mittwoch Reichspost 14. December 1898 284 [Spaltenumbruch] mit Zustimmung des Tiroler Land- Dagegen stimmten: die Abg. Abraha- Es ergibt sich also eine Spaltung in der Abstim- Politische Rundschau. Wien, 13. December. Oesterreich-Ungarn. "Der Ausgleich mit Ungarn". In Linz ist Obstruction? Die jungezechischen Abgeordneten Ein dritter Grund ist nach unserer Ansicht das Wir sehen von der Großmannssucht, dem eigen- [Spaltenumbruch] ihre Vollmachten benützen, und sobald die Deutschen Ein "Manifest an die Nation" hat die ver- Italien. Kammer. Deputirter Santini interpellirt Senat. Im Laufe der Verhandlung über den Schweden. Conflict. Der König erklärte, daß er den Frankreich. In der Kammer interpellirt Pascal Grous- II. niederösterreichischer Katholikenlag. Dem Präsidenten des II. niederösterreichischen
Hochwohlgeborner Freiherr! Im Allerhöchsten Auftrage gebe ich dem Es wolle Euer Hochwohlgeboren gefällig Empfangen Euer Hochwohlgeboren die Ver- Wien, den 1. December 1898. Deutschland und die europäische Lage. In zwei Reden, von höchststehender und com- Kaiser Wilhelm II. hat das neugewählte Prä- Die Durchbringung der Militärvorlage war offen- Wien, Mittwoch Reichspoſt 14. December 1898 284 [Spaltenumbruch] mit Zuſtimmung des Tiroler Land- Dagegen ſtimmten: die Abg. Abraha- Es ergibt ſich alſo eine Spaltung in der Abſtim- Politiſche Rundſchau. Wien, 13. December. Oeſterreich-Ungarn. „Der Ausgleich mit Ungarn“. In Linz iſt Obſtruction? Die jungezechiſchen Abgeordneten Ein dritter Grund iſt nach unſerer Anſicht das Wir ſehen von der Großmannsſucht, dem eigen- [Spaltenumbruch] ihre Vollmachten benützen, und ſobald die Deutſchen Ein „Manifeſt an die Nation“ hat die ver- Italien. Kammer. Deputirter Santini interpellirt Senat. Im Laufe der Verhandlung über den Schweden. Conflict. Der König erklärte, daß er den Frankreich. In der Kammer interpellirt Pascal Grouſ- II. niederöſterreichiſcher Katholikenlag. Dem Präſidenten des II. niederöſterreichiſchen
Hochwohlgeborner Freiherr! Im Allerhöchſten Auftrage gebe ich dem Es wolle Euer Hochwohlgeboren gefällig Empfangen Euer Hochwohlgeboren die Ver- Wien, den 1. December 1898. Deutſchland und die europäiſche Lage. In zwei Reden, von höchſtſtehender und com- Kaiſer Wilhelm II. hat das neugewählte Prä- Die Durchbringung der Militärvorlage war offen- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Wien, Mittwoch Reichspoſt 14. December 1898 284</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="aufschlag2" prev="#aufschlag1" type="jArticle" n="2"> <p><hi rendition="#g">mit Zuſtimmung des Tiroler Land-<lb/> tages</hi> zu erfolgen habe, wurde in namentlicher<lb/> Abſtimmung mit 22 gegen 16 Stimmen <hi rendition="#g">abgelehnt.</hi><lb/> Es ſtimmten für den Antrag: die Abg. Axmann,<lb/> Chiari, Groß, Jax, Kaiſer, Lecher, Lorber, Mauthner,<lb/> Menger, Peſchka, Schleſinger, Schwegel, Spens, Stein-<lb/> wender, Stürgkh, <hi rendition="#g">Tollinger.</hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#g">Dagegen ſtimmten:</hi> die Abg. Abraha-<lb/> mowicz, Berks, Dzieduszycki, Gniewosz, <hi rendition="#g">Hagen-<lb/> hofer,</hi> Kaſtan, <hi rendition="#g">Kaltenegger,</hi> Karlik, <hi rendition="#g">Kern,</hi><lb/> König, Koliſcher, Kulp, Mettal, Milewski, Popovici,<lb/> Rutowski, Schwarz, Vukovic, Schuklje, Verkauf, Zedt-<lb/> witz, Wachnianyn.</p><lb/> <p>Es ergibt ſich alſo eine Spaltung in der Abſtim-<lb/> mung der <hi rendition="#g">Katholiſchen Volkspartei;</hi><lb/> die Majorität derſelben ſtimmte für den Bruch eines<lb/> altererbten Landesrechtes und es folgt als beab-<lb/> ſichtigte Conſequenz, daß Tirol einen Entgang von<lb/> ½ <hi rendition="#g">Million jährlicher</hi> Landeseinnahmen<lb/> haben oder das Reich für eine Ablöſung dieſes Rechtes<lb/> wird aufkommen ſollen, die in einer Höhe von circa<lb/><hi rendition="#b">10</hi> <hi rendition="#g">Millionen</hi> erfolgen müßte, um dem Capitals-<lb/> werth des Getreidelandesaufſchlags gleichzukommen. Die<lb/> Wahrſcheinlichkeit einer ſolchen Ablöſung iſt gleich<lb/> Null; wer an dieſelbe glauben wollte, müßte wegen<lb/> politiſcher Kindesunſchuld beſtaunt werden. — Somit<lb/> ergibt alſo aus der geſtrigen Abſtimmung,<lb/> eine zweiſelloſe Schädigung für das Land Tirol;<lb/> denn abgeſehen davon, daß in ſeine Landesrechte ein-<lb/> gegriffen wurde, wird es ſich mit großen finanziellen<lb/> Nachtheilen abzufinden haben. Daß die Katholiſche<lb/> Volkspartei den Abgeordneten <hi rendition="#g">Tollinger</hi> bei der<lb/> Vertretung ſeines Landesrechtes im Stich gelaſſen hat,<lb/> iſt für dieſelbe gerade keine parlamentariſche Em-<lb/> pfehlung. Der Herr Handelsminiſter Baron Dipauli,<lb/> der ſich als Tiroler ebenfalls <hi rendition="#g">gegen</hi> die Aufhebung<lb/> des Getreideaufſchlages verbürgt hat, ſollte aus dieſer<lb/> Abſtimmung ſeiner Geſinnungsgenoſſen aus Steier-<lb/> mark und Oberöſterreich die Conſequenzen ziehen. Wie<lb/> er es nun auch halten mag — es iſt nicht un-<lb/> wahrſcheinlich, daß die geſtrige Abſtimmung das Ver-<lb/> hältniß der Tiroler Abgeordneten zum Club der<lb/> Katholiſchen Volkspartei variirt; denn in einer feſt-<lb/> gefügten Partei dürfen derartige Differenzen nicht vor-<lb/> kommen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Rundſchau.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 13. December.</dateline><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">„Der Ausgleich mit Ungarn“.</hi> </head> <p>In Linz iſt<lb/> jetzt eine Flugſchriſt von Seite der Katholiſchen Volks-<lb/> partei erſchienen, deren Zweck iſt, darzuthun, der neue<lb/> Ausgleich ſei <hi rendition="#g">viel beſſer als ſein Ruf.</hi><lb/> Der Verfaſſer ſagt bezüglich der Abänderungsanträge:<lb/> „Die Anträge ſind <hi rendition="#g">nicht geeignet,</hi> den Aus-<lb/> gleich weſentlich zu verbeſſern, ſind nicht geeignet, den-<lb/> ſelben annehmbarer zu machen. Die Majorität hat,<lb/> um das Zuſtandekommen des Zoll- und Handels-<lb/> bündniſſes nicht zu verzögern, dieſe Abänderungs-<lb/> anträge der Linken <hi rendition="#g">nicht angenommen</hi>“<lb/> Uns iſt nur das eine unerfindlich, warum man von<lb/> Seite der Katholiſchen Volkspartet bisher immer ſo<lb/> gegen den Ausgleich gewettert hat; „Linzer Volks-<lb/> blatt“ und „Grazer Volksblatt“ haben ja zu wieder-<lb/> holten Malen erklärt, daß der Ausgleich in der gegen-<lb/> wärtigen Form nicht annehmbar ſei. Woher dieſer<lb/> Widerſpruch? Man darf es uns doch nicht übel-<lb/> nehmen, daß uns die plötzliche Entdeckung der Güte<lb/> dieſes Ausgleiches ein bitteres Lächeln koſtet.</p> </div><lb/> <div xml:id="obstruction1" next="#obstruction2" type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Obſtruction?</hi> </head> <p>Die jungezechiſchen Abgeordneten<lb/> freuen ſich wie Kinder, daß Deutſchliberale und Deutſch-<lb/> nationale ihnen und der Regierung jetzt aus der Sack-<lb/> gaſſe helfen, und beim Budget- und Ausgleichsprovi-<lb/> ſovium wieder die Radau-Obſtruction beginnen wollen.<lb/> Der Stimmungsmacher des Prager Jungczechenorgans<lb/> in Wien, der „kaiſerliche Rath“ Peni<hi rendition="#aq">ž</hi>ek, ein Jude,<lb/> meldet dieſem Blatte mit ſichtlicher Herzenserleichte-<lb/> rung: „Wie wir erfahren, wird die Regierung endlich</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="galizien2" prev="#galizien1" type="jArticle" n="2"> <p>Ein dritter Grund iſt nach unſerer Anſicht das<lb/> Talmudſtudium. Bei den meiſten jüdiſchen Familien<lb/> wird auf die Erlernung der hebräiſchen Sprache und<lb/> die Kenntniß des Talmud eine Unmaſſe von Zeit ver-<lb/> wendet. Auch die ärmeren Juden bringen einen großen<lb/> Theil ihres Lebens mit dieſer Beſchäftigung zu. Es<lb/> mag ja ſein, daß das Judenthum durch das<lb/> Studium des Talmud an Geiſtesſchärfe gewinnt und<lb/> ſich dieſe geſchäftliche Fähigkeit angeeignet hat, in<lb/> welcher es den Chriſten überlegen ſein will.<lb/> Aber für die ärmeren Juden wäre es gewiß beſſer,<lb/> ſtatt der Talmudſtudien ordentlich leſen und ſchreiben<lb/> zu lernen, bei einem Handwerker oder in ein Geſchaft<lb/> einzutreten, ein tüchtiger Arbeiter und gewiſſenhafter<lb/> Menſch zu werden. Dann dürfte der Eigendünkel bald<lb/> ſchwinden, der heute die Juden verächtlich macht, und<lb/> die Werthſchätzung platzgreifen, welche jeder recht-<lb/> ſchaffene Menſch und ehrliche Arbeiter zu fordern hat.</p><lb/> <p>Wir ſehen von der Großmannsſucht, dem eigen-<lb/> thümlichen wiegſamen Geiſte, um jedes Ziel zu er-<lb/> reichen, der geſchäftlichen Gewiſſenloſigkeit vieler<lb/> galiziſcher Juden ab — uns berühren nur die religiöſen<lb/> Hinderniſſe des Wohlſtandes — es ließen ſich darüber<lb/> Bücher ſchreiben — und wir wären ſehr zufrieden,<lb/> wenn wir durch dieſe kurzen Bemerkungen zur Löſung<lb/> des jüdiſchen Elends, ſo zu ſagen, <hi rendition="#g">von innen<lb/> heraus,</hi> etwas beigetragen hätten. Nun, verehrter<lb/> Herr Rabbi, haben wir nicht recht? U. A. w. g.</p> </div> </div><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div xml:id="obstruction2" prev="#obstruction1" type="jArticle" n="3"> <p>ihre Vollmachten benützen, und ſobald die Deutſchen<lb/> mit der Obſtruction beginnen, das Parlament vertagen<lb/> und auf Grund des § 14 das Proviſorium procla-<lb/> miren. Bis aber die Dinge auch in Ungarn ſo oder ſo<lb/> zur Löſung kommen, wird auf Grund desſelben § 14<lb/> das Ausgleichs- und Budgetproviſorium proclamirt<lb/> werden. Dann wird das Parlament wieder einberufen,<lb/> und wenn die Deutſchen Luſt haben werden, in<lb/> der Obſtruction fortzufahren, ſo wird es neuerlich<lb/> heimgeſchickt und es wird auf Grund § 14 weiter<lb/> regiert werden. Und ſo bis ins Unendliche? Die<lb/> Regierung möge ſich nicht täuſchen. Sie darf beiſpiels-<lb/> weiſe auf gewiſſe Imponderabilien im Staatsweſen nicht<lb/> vergeſſen, und wenn ſie glaubt, daß ſie ſich ohne eine<lb/> gründliche Reviſion der Verfaſſung und ohne Reviſion<lb/> des Verhältniſſes zu Ungarn behelfen wird, ſo wird<lb/> ſelbſt der § 14 eingehen. Von dem Augenblicke an,<lb/> da das Wiener Parlament nach Hauſe geſchickt wird<lb/> und der erwähnte Paragraph die Herrſchaft antritt,<lb/> muß das Loſungswort aller Parteien, welche es mit<lb/> dieſem Staate aufrichtig meinen, <hi rendition="#g">Reviſion</hi> der<lb/><hi rendition="#g">Verfaſſung</hi> ſein.“ — Die Herren juckt der<lb/><hi rendition="#g">czechiſche Nationalſtaat.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ein „Manifeſt an die Nation“</hi> </head> <p>hat die ver-<lb/> einigte Oppoſition des ungariſchen Abgeordnetenhauſes<lb/> ſoeben erlaſſen, das gegen Banffy’s geplanten Verfaſſungs-<lb/> bruch in den <hi rendition="#g">ſchärfſten Ausdrücken,</hi> als<lb/> gegen ein verbrecheriſches Attentat wider die ungariſche<lb/> Nation, Stellung nimmt. Dieſe Oppoſition vereinigt die<lb/><hi rendition="#g">conſervative</hi> Nationalpartei Apponyi’s, dann<lb/> Koſſuths radicale Unabhängigkeitspartei und endlich die<lb/> vom Abt Molnar geführte <hi rendition="#g">Katholiſche</hi> Volks-<lb/> partei. Die Oppoſition fordert bedingungslos <hi rendition="#g">Banffy’s<lb/> Sturz,</hi> der ſich jetzt auf dem Miniſterſtuhle ſogar durch<lb/> Unterdrückung der verfaſſungsmäßigen Volks- und<lb/> Parlamentsrechte und durch Einführung eines geſetz-<lb/> loſen Abſolutismus nach Neujahr zu halten ſucht.<lb/> Den Plan dazu lieferte der alte Calviner und Ex-<lb/> miniſter <hi rendition="#g">Koloman Tisza</hi> durch eine geſetzähnliche<lb/> Vorlage, welche mittelſt Unterſchreibung der liberalen<lb/> Regierungspartei dem Miniſterium Banffy <hi rendition="#g">außer-<lb/> parlamentariſch</hi> die Befugniß verfaſſungs-<lb/> widriger Herrſchaft zuſichern ſoll. Abt Molnar nannte<lb/> dies Wagniß Banffy’s bei Berathung des „Manifeſtes“ im<lb/> Namen der „kath. Volkspartei“ eine „Verläugnung des<lb/> legislatoriſchen Princips“, einen „Fauſtſchlag gegen die<lb/> miniſterielle Verantwortlichkeit“, und eine „Vernichtung<lb/> und Exarticulirung der ungariſchen Verfaſſung“. Und<lb/> doch ſtehen von Bauffy’s liberalen Abgeordneten, die<lb/> bekanntlich durch Stimmenkauf und ſchmähliche Wahl-<lb/> fälſchung unter Leitung des Premiers auf die Stühle der<lb/> Geſetzgebung gekommen ſind, nur 237 zurechnungsfähige<lb/> Leute unter Tisza’s <hi rendition="#aq">Ex-lex</hi>-Entwurfe, während mehr<lb/> als 220 freie Abgeordnete davon nichts wiſſen<lb/> wollen. Das „Manifeſt“ iſt ein Sturmruf an<lb/> das ungariſche Volk gegen die jetzige Willkür-<lb/> herrſchaft. Darin heißt es unter Anderem:<lb/> „Es iſt ein freches Attentat verſucht worden, welches,<lb/> wenn es gelingt, unſere Verfaſſung in ihren Grundfeſten<lb/> erſchüttert und zur vollſtändigen Auflöſung des Ver-<lb/> faſſungslebens führt. Dieſer Weg iſt ſchon deßhalb ſo<lb/> gefahrbringend, weil er den Angriff auf das Verfaſſungs-<lb/> leben, die unſtatthafte, geſetzwidrige Einhebung der<lb/> Steuern und Rekrutenaushebung ohne deren legislatori-<lb/> ſche Votirung, und jede zu begehende Sünde des unge-<lb/> ſetzlichen Regierens in den <hi rendition="#g">Schein</hi> der Geſetzlichkeit<lb/> hüllen und damit einen Fingerzeig für alle zukünftigen<lb/> Zeiten Denjenigen geben will, die bereit ſind, das ver-<lb/> faſſungsmäßige Leben unſeres Vaterlandes zu vernichten,<lb/> gleichzeitig aber einen Vorwand dafür ſuchen, den Schein<lb/> der Rechtmäßigkeit als Deckmantel zu benützen“ — Die<lb/> Führer der Oppoſition verweigern Banffy jede perſönliche<lb/> Auseinanderſetzung. Selbſt im Schoße der Regierung<lb/> regen ſich bereits Bedenken, und ſpeciell Honved-<lb/> miniſter Baron Fejervary hat Banffy’s neueſtes Wag-<lb/> niß bereits mißbilligt. Am nächſten Samſtag geht<lb/> der Kaiſer nach Budapeſt. Wir zweiſeln kaum mehr,<lb/> daß <hi rendition="#g">Banffy</hi> trotz aller Hartnäckigkeit den <hi rendition="#g">Weg<lb/> Badeni’s</hi> wird antreten müſſen. Auffällig iſt, daß<lb/> das Wiener „Vaterland“, obſchon Ungarns „Katholiſche<lb/> Volkspartei“ ſo entſchieden in der Oppoſition ſteht, in<lb/> dieſem Falle für die calviniſche Tisza- und Banffy-<lb/> Clique und für die liberale Partei wie auf Ordre eintritt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Kammer.</hi> </head> <p>Deputirter <hi rendition="#g">Santini</hi> interpellirt<lb/> über die Maßregeln zur Hintanhaltung unbefugter Aus-<lb/> übung der mediciniſchen Praxis ſeitens der Ausländer.<lb/> Miniſterpräſident <hi rendition="#g">Pelloux</hi> antwortet, er habe die<lb/> Präfecten aufgefordert, darüber zu wachen, ob die aus-<lb/> ländiſchen Aerzte, deren Anzahl ſich nun auf 108 be-<lb/> läuft, den geſetzlichen Beſtimmungen gemäß ihre Praxis<lb/> ausüben. Miniſter des Aeußern <hi rendition="#g">Canevaro</hi> betont,<lb/> das Princip der Reciprocität liege im Intereſſe Italiens<lb/> da die Anzahl der italieniſchen Aerzte im Auslande<lb/> größer ſei, als die der ausländiſchen in Italien.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Senat.</hi> </head> <p>Im Laufe der Verhandlung über den<lb/> Vorſchuß von einer Million für Kreta führt der italie-<lb/> niſche Botſchafter am Wiener Hof, Graf <hi rendition="#g">Nigra,</hi><lb/> aus, die Intervention auf Kreta habe die Beziehungen<lb/> der Mächte weder beeinträchtigt noch verändert. — Die<lb/> Vorlage wurde mit 71 gegen 9 Stimmen angenommen.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweden.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Conflict.</hi> </head> <p>Der König erklärte, daß er den<lb/> Beſchluß des Storthing, betreffend die <hi rendition="#g">Einführung<lb/> der rein norwegiſchen Flagge nicht<lb/><cb/> ſanctioniren</hi> werde. Gleichwohl muß der Be-<lb/> ſchluß auf Grund des Artikels 79 der Verfaſſung als<lb/> Geſetz veröffentlicht werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">In der Kammer</hi> </head> <p>interpellirt Pascal <hi rendition="#g">Grouſ-<lb/> ſet</hi> über die ſeitens des Generalſtabes in der Dreyfus-<lb/> Affaire begangenen Indiscretionen und verlieſt unter<lb/> heftigem Tumult mehrere Journalartikel, welche er als<lb/> vom Generalſtabe ausgehend bezeichnete. Mehrere De-<lb/> putirte gerathen in einen erregten Wortwechſel, wobei<lb/> es zu Thätlichkeiten kommt, ſo daß der Präſident<lb/> mehrere Deputirte zur Ordnung ruft. Deputirter De<lb/><hi rendition="#g">Mun</hi> verlangt, daß die Kammer befragt werde, ob<lb/> dieſe Debatte fortgeſetzt werden könne. Miniſterpräſident<lb/> Dupuy erklärt, daß es dem Redner freiſtehe, zu ſprechen,<lb/> doch proteſtire er als Chef der Regierung mit größtem<lb/> Nachdrucke gegen eine Sprache, deren Tragweite der<lb/> Redner nicht ermeſſen habe. Kriegsminiſter <hi rendition="#g">Frey-<lb/> cinet</hi> ſagt, wenn er hätte vermuthen können, was<lb/> den Gegenſtand der Interpellation bilden werde, würde<lb/> er eine Verſchiebung derſelben auf einen Monat ver-<lb/> langt haben. Die Kammer nahm die einfache Tages-<lb/> ordnung mit 483 gegen 78 Stimmen an.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <div type="jAn" n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> niederöſterreichiſcher Katholikenlag.</hi> </head><lb/> <p>Dem Präſidenten des <hi rendition="#aq">II.</hi> niederöſterreichiſchen<lb/> Katholikentages Herrn Franz Freiherrn von<lb/> Walterskirchen iſt vom Herrn Statthalter folgen-<lb/> der Brief zugekommen:</p><lb/> <p> <formula notation="TeX">\frac{Z. 7816}{Pr.}</formula> </p><lb/> <p> <hi rendition="#c">Hochwohlgeborner Freiherr!</hi> </p><lb/> <p>Im Allerhöchſten Auftrage gebe ich dem<lb/><hi rendition="#aq">II.</hi> niederöſterreichiſchen Katholiketnage in Wien<lb/> für das durch Euer Hochwohlgeboren als Präſi-<lb/> denten dieſer Verſammlung an Seine k. und k.<lb/> Apoſtoliſche Majeſtät gerichtete Huldigungstele-<lb/> gramm den Allerhöchſten Dank bekannt.</p><lb/> <p>Es wolle Euer Hochwohlgeboren gefällig<lb/> ſein, dieſe Allerhöchſte Kundgebung den geehrten<lb/> Theilnehmern des <hi rendition="#aq">II.</hi> niederöſterreichiſchen Katho-<lb/> likentages in geeigneter Weiſe zur Kenntniß zu<lb/> bringen.</p><lb/> <p>Empfangen Euer Hochwohlgeboren die Ver-<lb/> ſicherung meiner vollkommenſten Hochachtung.</p><lb/> <dateline>Wien, den 1. December 1898.</dateline><lb/> <byline> <hi rendition="#g">Kielmansegg.</hi> </byline> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſchland und die europäiſche Lage.</hi> </head><lb/> <p>In zwei Reden, von höchſtſtehender und com-<lb/> petenteſter deutſcher Seite, iſt geſtern die europäiſche<lb/> Lage geſtreift worden. Einerſeits war es der <hi rendition="#g">Kaiſer<lb/> Wilhelm</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> ſelbſt, der auf die ungewiſſe Zukunft<lb/> hinwies, anderſeits der eigentliche Träger der aus-<lb/> wärtigen Politik Deutſchlands, Staatsſecretär <hi rendition="#g">von<lb/> Bülow,</hi> der dieſer dunkeln Folie die charakteriſtiſchen<lb/> Contouren abgewann und nicht verſäumte, auch etwas<lb/> und zwar ziemlich viel Licht in das Zukunftsbild zu<lb/> bringen.</p><lb/> <p>Kaiſer <hi rendition="#g">Wilhelm</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> hat das neugewählte Prä-<lb/> ſidium des Deutſchen Reichstages in faſt drei Viertel-<lb/> ſtunden dauernder Audienz empfangen, deren Charakter<lb/> ganz zwanglos war. Der Kaiſer wies auf eine<lb/> vor ihm ausgebreitete Landkarte hin und wies<lb/> an der Hand derſelben nach, wie vielfach<lb/> ſich die Verhältniſſe mehrerer Großmächte in letzter Zeit<lb/> geändert hätten, wie beſtimmte Intereſſengegenſätze ſich<lb/> mehr als zuvor bemerkbar machten, und er hob hervor,<lb/> daß dieſe Gegenſätze unter Umſtänden zu einer Ent-<lb/> ſcheidung führen könnten. Das alles hatte offenbar den<lb/> Zweck, das Präſidium für die neuen Militärvorlagen<lb/> zu ſtimmen, und an der Landkarte legte der Kaiſer<lb/> ausdrücklich dar, welche Truppendislocationen angeſichts<lb/> der Lage nothwendig ſeien, und er ſprach die Zuverſicht<lb/> aus, daß der Reichstag der neuen Militärvorlage keine<lb/> Schwierigkeiten bereiten werde. Die Vermehrung des<lb/> Präſenzſtandes und die vorgeſchlagene Neuorganiſation<lb/> ſei nothwendig, weil die auswärtige Lage trotz der<lb/> freundſchaftlichen Beziehungen, in denen Deutſchland zu<lb/> allen Mächten ſtehe, Möglichkeiten enthalte, denen gegen-<lb/> über es erforderlich ſei, ſich für die Zukunft vor-<lb/> zubereiten.</p><lb/> <p>Die Durchbringung der Militärvorlage war offen-<lb/> bar der Hauptzweck der kaiſerlichen Darlegungen.<lb/> Intereſſante Momente derſelben waren im Einzelnen<lb/> der Hinweis auf die <hi rendition="#g">Faſchoda-Frage,</hi> wobei<lb/> er den Erfolg hervorhob, den das kraftvolle Auftreten<lb/> der engliſchen Diplomatie davongetragen habe, während<lb/> anderſeits jedoch nicht die Sicherheit beſtehe, daß die<lb/><hi rendition="#g">engliſch-franzöſiſchen Differenzen</hi><lb/> mit der Erledigung dieſer Specialfrage bereits voll-<lb/> ſtändig beglichen ſeien. <hi rendition="#g">Deutſchland ſtehe mit<lb/> England auf gutem Fuße,</hi> unbeſchadet der<lb/> vortrefflichen Beziehungen, die es auch nach der Seite<lb/> anderer Mächte hin unterhalte. Der <hi rendition="#g">deutſch-<lb/> engliſche Colonialvertrag</hi> ſei durch<lb/> freundliches Entgegenkommen von beiden Seiten<lb/> zu Stande gekommen. Derſelbe verfolge eine<lb/><hi rendition="#g">Politik des Friedens</hi> und der<lb/> Wahrung der eigenen Intereſſen. Bezüglich <hi rendition="#g">Ruß-</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Wien, Mittwoch Reichspoſt 14. December 1898 284
mit Zuſtimmung des Tiroler Land-
tages zu erfolgen habe, wurde in namentlicher
Abſtimmung mit 22 gegen 16 Stimmen abgelehnt.
Es ſtimmten für den Antrag: die Abg. Axmann,
Chiari, Groß, Jax, Kaiſer, Lecher, Lorber, Mauthner,
Menger, Peſchka, Schleſinger, Schwegel, Spens, Stein-
wender, Stürgkh, Tollinger.
Dagegen ſtimmten: die Abg. Abraha-
mowicz, Berks, Dzieduszycki, Gniewosz, Hagen-
hofer, Kaſtan, Kaltenegger, Karlik, Kern,
König, Koliſcher, Kulp, Mettal, Milewski, Popovici,
Rutowski, Schwarz, Vukovic, Schuklje, Verkauf, Zedt-
witz, Wachnianyn.
Es ergibt ſich alſo eine Spaltung in der Abſtim-
mung der Katholiſchen Volkspartei;
die Majorität derſelben ſtimmte für den Bruch eines
altererbten Landesrechtes und es folgt als beab-
ſichtigte Conſequenz, daß Tirol einen Entgang von
½ Million jährlicher Landeseinnahmen
haben oder das Reich für eine Ablöſung dieſes Rechtes
wird aufkommen ſollen, die in einer Höhe von circa
10 Millionen erfolgen müßte, um dem Capitals-
werth des Getreidelandesaufſchlags gleichzukommen. Die
Wahrſcheinlichkeit einer ſolchen Ablöſung iſt gleich
Null; wer an dieſelbe glauben wollte, müßte wegen
politiſcher Kindesunſchuld beſtaunt werden. — Somit
ergibt alſo aus der geſtrigen Abſtimmung,
eine zweiſelloſe Schädigung für das Land Tirol;
denn abgeſehen davon, daß in ſeine Landesrechte ein-
gegriffen wurde, wird es ſich mit großen finanziellen
Nachtheilen abzufinden haben. Daß die Katholiſche
Volkspartei den Abgeordneten Tollinger bei der
Vertretung ſeines Landesrechtes im Stich gelaſſen hat,
iſt für dieſelbe gerade keine parlamentariſche Em-
pfehlung. Der Herr Handelsminiſter Baron Dipauli,
der ſich als Tiroler ebenfalls gegen die Aufhebung
des Getreideaufſchlages verbürgt hat, ſollte aus dieſer
Abſtimmung ſeiner Geſinnungsgenoſſen aus Steier-
mark und Oberöſterreich die Conſequenzen ziehen. Wie
er es nun auch halten mag — es iſt nicht un-
wahrſcheinlich, daß die geſtrige Abſtimmung das Ver-
hältniß der Tiroler Abgeordneten zum Club der
Katholiſchen Volkspartei variirt; denn in einer feſt-
gefügten Partei dürfen derartige Differenzen nicht vor-
kommen.
Politiſche Rundſchau.
Wien, 13. December.
Oeſterreich-Ungarn.
„Der Ausgleich mit Ungarn“. In Linz iſt
jetzt eine Flugſchriſt von Seite der Katholiſchen Volks-
partei erſchienen, deren Zweck iſt, darzuthun, der neue
Ausgleich ſei viel beſſer als ſein Ruf.
Der Verfaſſer ſagt bezüglich der Abänderungsanträge:
„Die Anträge ſind nicht geeignet, den Aus-
gleich weſentlich zu verbeſſern, ſind nicht geeignet, den-
ſelben annehmbarer zu machen. Die Majorität hat,
um das Zuſtandekommen des Zoll- und Handels-
bündniſſes nicht zu verzögern, dieſe Abänderungs-
anträge der Linken nicht angenommen“
Uns iſt nur das eine unerfindlich, warum man von
Seite der Katholiſchen Volkspartet bisher immer ſo
gegen den Ausgleich gewettert hat; „Linzer Volks-
blatt“ und „Grazer Volksblatt“ haben ja zu wieder-
holten Malen erklärt, daß der Ausgleich in der gegen-
wärtigen Form nicht annehmbar ſei. Woher dieſer
Widerſpruch? Man darf es uns doch nicht übel-
nehmen, daß uns die plötzliche Entdeckung der Güte
dieſes Ausgleiches ein bitteres Lächeln koſtet.
Obſtruction? Die jungezechiſchen Abgeordneten
freuen ſich wie Kinder, daß Deutſchliberale und Deutſch-
nationale ihnen und der Regierung jetzt aus der Sack-
gaſſe helfen, und beim Budget- und Ausgleichsprovi-
ſovium wieder die Radau-Obſtruction beginnen wollen.
Der Stimmungsmacher des Prager Jungczechenorgans
in Wien, der „kaiſerliche Rath“ Penižek, ein Jude,
meldet dieſem Blatte mit ſichtlicher Herzenserleichte-
rung: „Wie wir erfahren, wird die Regierung endlich
Ein dritter Grund iſt nach unſerer Anſicht das
Talmudſtudium. Bei den meiſten jüdiſchen Familien
wird auf die Erlernung der hebräiſchen Sprache und
die Kenntniß des Talmud eine Unmaſſe von Zeit ver-
wendet. Auch die ärmeren Juden bringen einen großen
Theil ihres Lebens mit dieſer Beſchäftigung zu. Es
mag ja ſein, daß das Judenthum durch das
Studium des Talmud an Geiſtesſchärfe gewinnt und
ſich dieſe geſchäftliche Fähigkeit angeeignet hat, in
welcher es den Chriſten überlegen ſein will.
Aber für die ärmeren Juden wäre es gewiß beſſer,
ſtatt der Talmudſtudien ordentlich leſen und ſchreiben
zu lernen, bei einem Handwerker oder in ein Geſchaft
einzutreten, ein tüchtiger Arbeiter und gewiſſenhafter
Menſch zu werden. Dann dürfte der Eigendünkel bald
ſchwinden, der heute die Juden verächtlich macht, und
die Werthſchätzung platzgreifen, welche jeder recht-
ſchaffene Menſch und ehrliche Arbeiter zu fordern hat.
Wir ſehen von der Großmannsſucht, dem eigen-
thümlichen wiegſamen Geiſte, um jedes Ziel zu er-
reichen, der geſchäftlichen Gewiſſenloſigkeit vieler
galiziſcher Juden ab — uns berühren nur die religiöſen
Hinderniſſe des Wohlſtandes — es ließen ſich darüber
Bücher ſchreiben — und wir wären ſehr zufrieden,
wenn wir durch dieſe kurzen Bemerkungen zur Löſung
des jüdiſchen Elends, ſo zu ſagen, von innen
heraus, etwas beigetragen hätten. Nun, verehrter
Herr Rabbi, haben wir nicht recht? U. A. w. g.
ihre Vollmachten benützen, und ſobald die Deutſchen
mit der Obſtruction beginnen, das Parlament vertagen
und auf Grund des § 14 das Proviſorium procla-
miren. Bis aber die Dinge auch in Ungarn ſo oder ſo
zur Löſung kommen, wird auf Grund desſelben § 14
das Ausgleichs- und Budgetproviſorium proclamirt
werden. Dann wird das Parlament wieder einberufen,
und wenn die Deutſchen Luſt haben werden, in
der Obſtruction fortzufahren, ſo wird es neuerlich
heimgeſchickt und es wird auf Grund § 14 weiter
regiert werden. Und ſo bis ins Unendliche? Die
Regierung möge ſich nicht täuſchen. Sie darf beiſpiels-
weiſe auf gewiſſe Imponderabilien im Staatsweſen nicht
vergeſſen, und wenn ſie glaubt, daß ſie ſich ohne eine
gründliche Reviſion der Verfaſſung und ohne Reviſion
des Verhältniſſes zu Ungarn behelfen wird, ſo wird
ſelbſt der § 14 eingehen. Von dem Augenblicke an,
da das Wiener Parlament nach Hauſe geſchickt wird
und der erwähnte Paragraph die Herrſchaft antritt,
muß das Loſungswort aller Parteien, welche es mit
dieſem Staate aufrichtig meinen, Reviſion der
Verfaſſung ſein.“ — Die Herren juckt der
czechiſche Nationalſtaat.
Ein „Manifeſt an die Nation“ hat die ver-
einigte Oppoſition des ungariſchen Abgeordnetenhauſes
ſoeben erlaſſen, das gegen Banffy’s geplanten Verfaſſungs-
bruch in den ſchärfſten Ausdrücken, als
gegen ein verbrecheriſches Attentat wider die ungariſche
Nation, Stellung nimmt. Dieſe Oppoſition vereinigt die
conſervative Nationalpartei Apponyi’s, dann
Koſſuths radicale Unabhängigkeitspartei und endlich die
vom Abt Molnar geführte Katholiſche Volks-
partei. Die Oppoſition fordert bedingungslos Banffy’s
Sturz, der ſich jetzt auf dem Miniſterſtuhle ſogar durch
Unterdrückung der verfaſſungsmäßigen Volks- und
Parlamentsrechte und durch Einführung eines geſetz-
loſen Abſolutismus nach Neujahr zu halten ſucht.
Den Plan dazu lieferte der alte Calviner und Ex-
miniſter Koloman Tisza durch eine geſetzähnliche
Vorlage, welche mittelſt Unterſchreibung der liberalen
Regierungspartei dem Miniſterium Banffy außer-
parlamentariſch die Befugniß verfaſſungs-
widriger Herrſchaft zuſichern ſoll. Abt Molnar nannte
dies Wagniß Banffy’s bei Berathung des „Manifeſtes“ im
Namen der „kath. Volkspartei“ eine „Verläugnung des
legislatoriſchen Princips“, einen „Fauſtſchlag gegen die
miniſterielle Verantwortlichkeit“, und eine „Vernichtung
und Exarticulirung der ungariſchen Verfaſſung“. Und
doch ſtehen von Bauffy’s liberalen Abgeordneten, die
bekanntlich durch Stimmenkauf und ſchmähliche Wahl-
fälſchung unter Leitung des Premiers auf die Stühle der
Geſetzgebung gekommen ſind, nur 237 zurechnungsfähige
Leute unter Tisza’s Ex-lex-Entwurfe, während mehr
als 220 freie Abgeordnete davon nichts wiſſen
wollen. Das „Manifeſt“ iſt ein Sturmruf an
das ungariſche Volk gegen die jetzige Willkür-
herrſchaft. Darin heißt es unter Anderem:
„Es iſt ein freches Attentat verſucht worden, welches,
wenn es gelingt, unſere Verfaſſung in ihren Grundfeſten
erſchüttert und zur vollſtändigen Auflöſung des Ver-
faſſungslebens führt. Dieſer Weg iſt ſchon deßhalb ſo
gefahrbringend, weil er den Angriff auf das Verfaſſungs-
leben, die unſtatthafte, geſetzwidrige Einhebung der
Steuern und Rekrutenaushebung ohne deren legislatori-
ſche Votirung, und jede zu begehende Sünde des unge-
ſetzlichen Regierens in den Schein der Geſetzlichkeit
hüllen und damit einen Fingerzeig für alle zukünftigen
Zeiten Denjenigen geben will, die bereit ſind, das ver-
faſſungsmäßige Leben unſeres Vaterlandes zu vernichten,
gleichzeitig aber einen Vorwand dafür ſuchen, den Schein
der Rechtmäßigkeit als Deckmantel zu benützen“ — Die
Führer der Oppoſition verweigern Banffy jede perſönliche
Auseinanderſetzung. Selbſt im Schoße der Regierung
regen ſich bereits Bedenken, und ſpeciell Honved-
miniſter Baron Fejervary hat Banffy’s neueſtes Wag-
niß bereits mißbilligt. Am nächſten Samſtag geht
der Kaiſer nach Budapeſt. Wir zweiſeln kaum mehr,
daß Banffy trotz aller Hartnäckigkeit den Weg
Badeni’s wird antreten müſſen. Auffällig iſt, daß
das Wiener „Vaterland“, obſchon Ungarns „Katholiſche
Volkspartei“ ſo entſchieden in der Oppoſition ſteht, in
dieſem Falle für die calviniſche Tisza- und Banffy-
Clique und für die liberale Partei wie auf Ordre eintritt.
Italien.
Kammer. Deputirter Santini interpellirt
über die Maßregeln zur Hintanhaltung unbefugter Aus-
übung der mediciniſchen Praxis ſeitens der Ausländer.
Miniſterpräſident Pelloux antwortet, er habe die
Präfecten aufgefordert, darüber zu wachen, ob die aus-
ländiſchen Aerzte, deren Anzahl ſich nun auf 108 be-
läuft, den geſetzlichen Beſtimmungen gemäß ihre Praxis
ausüben. Miniſter des Aeußern Canevaro betont,
das Princip der Reciprocität liege im Intereſſe Italiens
da die Anzahl der italieniſchen Aerzte im Auslande
größer ſei, als die der ausländiſchen in Italien.
Senat. Im Laufe der Verhandlung über den
Vorſchuß von einer Million für Kreta führt der italie-
niſche Botſchafter am Wiener Hof, Graf Nigra,
aus, die Intervention auf Kreta habe die Beziehungen
der Mächte weder beeinträchtigt noch verändert. — Die
Vorlage wurde mit 71 gegen 9 Stimmen angenommen.
Schweden.
Conflict. Der König erklärte, daß er den
Beſchluß des Storthing, betreffend die Einführung
der rein norwegiſchen Flagge nicht
ſanctioniren werde. Gleichwohl muß der Be-
ſchluß auf Grund des Artikels 79 der Verfaſſung als
Geſetz veröffentlicht werden.
Frankreich.
In der Kammer interpellirt Pascal Grouſ-
ſet über die ſeitens des Generalſtabes in der Dreyfus-
Affaire begangenen Indiscretionen und verlieſt unter
heftigem Tumult mehrere Journalartikel, welche er als
vom Generalſtabe ausgehend bezeichnete. Mehrere De-
putirte gerathen in einen erregten Wortwechſel, wobei
es zu Thätlichkeiten kommt, ſo daß der Präſident
mehrere Deputirte zur Ordnung ruft. Deputirter De
Mun verlangt, daß die Kammer befragt werde, ob
dieſe Debatte fortgeſetzt werden könne. Miniſterpräſident
Dupuy erklärt, daß es dem Redner freiſtehe, zu ſprechen,
doch proteſtire er als Chef der Regierung mit größtem
Nachdrucke gegen eine Sprache, deren Tragweite der
Redner nicht ermeſſen habe. Kriegsminiſter Frey-
cinet ſagt, wenn er hätte vermuthen können, was
den Gegenſtand der Interpellation bilden werde, würde
er eine Verſchiebung derſelben auf einen Monat ver-
langt haben. Die Kammer nahm die einfache Tages-
ordnung mit 483 gegen 78 Stimmen an.
II. niederöſterreichiſcher Katholikenlag.
Dem Präſidenten des II. niederöſterreichiſchen
Katholikentages Herrn Franz Freiherrn von
Walterskirchen iſt vom Herrn Statthalter folgen-
der Brief zugekommen:
[FORMEL]
Hochwohlgeborner Freiherr!
Im Allerhöchſten Auftrage gebe ich dem
II. niederöſterreichiſchen Katholiketnage in Wien
für das durch Euer Hochwohlgeboren als Präſi-
denten dieſer Verſammlung an Seine k. und k.
Apoſtoliſche Majeſtät gerichtete Huldigungstele-
gramm den Allerhöchſten Dank bekannt.
Es wolle Euer Hochwohlgeboren gefällig
ſein, dieſe Allerhöchſte Kundgebung den geehrten
Theilnehmern des II. niederöſterreichiſchen Katho-
likentages in geeigneter Weiſe zur Kenntniß zu
bringen.
Empfangen Euer Hochwohlgeboren die Ver-
ſicherung meiner vollkommenſten Hochachtung.
Wien, den 1. December 1898.
Kielmansegg.
Deutſchland und die europäiſche Lage.
In zwei Reden, von höchſtſtehender und com-
petenteſter deutſcher Seite, iſt geſtern die europäiſche
Lage geſtreift worden. Einerſeits war es der Kaiſer
Wilhelm II. ſelbſt, der auf die ungewiſſe Zukunft
hinwies, anderſeits der eigentliche Träger der aus-
wärtigen Politik Deutſchlands, Staatsſecretär von
Bülow, der dieſer dunkeln Folie die charakteriſtiſchen
Contouren abgewann und nicht verſäumte, auch etwas
und zwar ziemlich viel Licht in das Zukunftsbild zu
bringen.
Kaiſer Wilhelm II. hat das neugewählte Prä-
ſidium des Deutſchen Reichstages in faſt drei Viertel-
ſtunden dauernder Audienz empfangen, deren Charakter
ganz zwanglos war. Der Kaiſer wies auf eine
vor ihm ausgebreitete Landkarte hin und wies
an der Hand derſelben nach, wie vielfach
ſich die Verhältniſſe mehrerer Großmächte in letzter Zeit
geändert hätten, wie beſtimmte Intereſſengegenſätze ſich
mehr als zuvor bemerkbar machten, und er hob hervor,
daß dieſe Gegenſätze unter Umſtänden zu einer Ent-
ſcheidung führen könnten. Das alles hatte offenbar den
Zweck, das Präſidium für die neuen Militärvorlagen
zu ſtimmen, und an der Landkarte legte der Kaiſer
ausdrücklich dar, welche Truppendislocationen angeſichts
der Lage nothwendig ſeien, und er ſprach die Zuverſicht
aus, daß der Reichstag der neuen Militärvorlage keine
Schwierigkeiten bereiten werde. Die Vermehrung des
Präſenzſtandes und die vorgeſchlagene Neuorganiſation
ſei nothwendig, weil die auswärtige Lage trotz der
freundſchaftlichen Beziehungen, in denen Deutſchland zu
allen Mächten ſtehe, Möglichkeiten enthalte, denen gegen-
über es erforderlich ſei, ſich für die Zukunft vor-
zubereiten.
Die Durchbringung der Militärvorlage war offen-
bar der Hauptzweck der kaiſerlichen Darlegungen.
Intereſſante Momente derſelben waren im Einzelnen
der Hinweis auf die Faſchoda-Frage, wobei
er den Erfolg hervorhob, den das kraftvolle Auftreten
der engliſchen Diplomatie davongetragen habe, während
anderſeits jedoch nicht die Sicherheit beſtehe, daß die
engliſch-franzöſiſchen Differenzen
mit der Erledigung dieſer Specialfrage bereits voll-
ſtändig beglichen ſeien. Deutſchland ſtehe mit
England auf gutem Fuße, unbeſchadet der
vortrefflichen Beziehungen, die es auch nach der Seite
anderer Mächte hin unterhalte. Der deutſch-
engliſche Colonialvertrag ſei durch
freundliches Entgegenkommen von beiden Seiten
zu Stande gekommen. Derſelbe verfolge eine
Politik des Friedens und der
Wahrung der eigenen Intereſſen. Bezüglich Ruß-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).
(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |