Reichspost. Nr. 308, Wien, 04.07.1914.Wien, Samstag Reichspost 4. Juli 1914 [Spaltenumbruch] Ein Interview mit dem Wiener apostolischen Nunzius. Einer unserer Mitarbeiter hatte heute Gelegenheit, Die Urheberschaft der Verschwörung. Von besonderer Seite erhält die "Reichspost" Les assassins de Geneve! -- Schon vor Der Umfang der Verschwörung von Sarajevo. (Drahtbericht der "Reichspost".) Sarajevo, 3. Juli. Von einem hohen Funktionär erhalte ich "In zwei Jahren". Popovich, der Neffe des Königsmörders und Freund des serbischen Kronprinzen. -- Die An- lündigung eines Eingeweihten. Aus Bonn, 2. Juli, geht uns von einem "In der von mir bewohnten Pension wohnt seit Popovich führte bereits seit Wochen Von der Verübung des Attentats hatte er (Popovich) Er (Popovich) wird zurzeit polizeilich beobachtet. Schmähorgien der serbischen Presse. Forderungen und Drohungen. Die Presse Serbiens und ihre Hintermänner sind Belgrad, 3. Juli. Unter dem Titel "Aufrichtig und offen" schreibt das Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914 [Spaltenumbruch] Ein Interview mit dem Wiener apoſtoliſchen Nunzius. Einer unſerer Mitarbeiter hatte heute Gelegenheit, Die Urheberſchaft der Verſchwörung. Von beſonderer Seite erhält die „Reichspoſt“ Les assassins de Genève! — Schon vor Der Umfang der Verſchwörung von Sarajevo. (Drahtbericht der „Reichspoſt“.) Sarajevo, 3. Juli. Von einem hohen Funktionär erhalte ich „In zwei Jahren“. Popovich, der Neffe des Königsmörders und Freund des ſerbiſchen Kronprinzen. — Die An- lündigung eines Eingeweihten. Aus Bonn, 2. Juli, geht uns von einem „In der von mir bewohnten Penſion wohnt ſeit Popovich führte bereits ſeit Wochen Von der Verübung des Attentats hatte er (Popovich) Er (Popovich) wird zurzeit polizeilich beobachtet. Schmähorgien der ſerbiſchen Preſſe. Forderungen und Drohungen. Die Preſſe Serbiens und ihre Hintermänner ſind Belgrad, 3. Juli. Unter dem Titel „Aufrichtig und offen“ ſchreibt das <TEI> <text> <body> <div xml:id="pn01c" prev="#pn01b" type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <pb facs="#f0006" n="6"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Wien, Samstag <hi rendition="#g">Reichspoſt</hi> 4. Juli 1914</hi> </fw><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Ein Interview mit dem Wiener<lb/> apoſtoliſchen Nunzius.</hi> </head><lb/> <p>Einer unſerer Mitarbeiter hatte heute Gelegenheit,<lb/> mit dem apoſtoliſchen Nunzius am Wiener Hofe, Graf<lb/> Raffaele <hi rendition="#g">Scapinelli</hi> zu ſprechen, der ſofort auf das<lb/> Ereignis zu ſprechen kam, das heute aller Herzen in<lb/> Oeſterreich und zum großen Teile auch im Auslande be-<lb/> wegt. Der Nunzius ſtand ganz unter dem gewaltigen<lb/> Eindrucke, den Wien geſtern ſeinem toten Thronfolger bei<lb/> der Rückkehr aus Sarajevo bereitete. Seine Exzellenz<lb/> war abends zur Abhaltung einer Segenandacht in Maria<lb/> am Geſtade eingeladen, wo 3000 Männer vom Verein<lb/> der ewigen Anbetung nach einer rührenden und zu Her-<lb/> zen gehenden Predigtanſprache Pater <hi rendition="#g">Abels</hi> für das<lb/> Seelenheil der Ermordeten beteten. Bei der Rückkehr<lb/> aus der Kirche waren dem hohen kirchlichen Würden-<lb/> träger von den ſpalierbildenden Menſchenmenge Ova-<lb/> tionen dargebracht worden, die ihm für ſeine <hi rendition="#g">Teil-<lb/> nahme</hi> an der ſo tiefen allgemeinen Volkstrauer dan-<lb/> ken ſollten. „Was ſoll ich, jetzt, wo aller Herzen ſo voll<lb/> ſind,“ meinte der Nunzius, „alles ſagen, über den ver-<lb/> ewigten Erzherzog und ſeine Gemahlin? Er war, alles<lb/> in allem, <hi rendition="#g">ein Fürſt von tiefſtem Gottes-<lb/> glauben und ritterlichſtem Charakter.</hi><lb/> Niemand konnte ſich dem Eindrucke ſeiner männlichen<lb/> Energie und ſeines ſtarken Herrenwillens entziehen.<lb/> Dazu glänzte er als Muſterbeiſpiel chriſtlicher Tugend<lb/> im privaten und öffentlichen Leben. Wie er lebte, treu<lb/> ſeiner Pflicht und ſtets ſeiner hohen Aufgaben einge-<lb/> denk iſt er geſtorben, durch und durch ein ganzer Mann<lb/> und Charakter. Viele, die in mancher Beziehung mit den<lb/> politiſchen Auffaſſungen des Toten nicht übereinſtim-<lb/> men zu können glaubten, ſehen jetzt erſt ſo recht voll und<lb/> ganz den Wert und die Wucht ſeiner mächtigen Perſön-<lb/> lichkeit und ſeines eiſernen Charařters ein. In- und<lb/> Ausland erkennt im Tode des Thronfolgers einen für<lb/> die Monarchie unerſetzlichen Verluſt. Ich ſelbſt hatte<lb/> öfters Gelegenheit, mit dem Verewigten zu ſprechen,<lb/> und mehr als inmal verweilte ich im Geſpräche mit ihm<lb/> über ein und auch zwei Stunden. Das Hervorragendſte<lb/> an ſeinen Worten und Geſprächen war neben der großen<lb/> Menſchenkenntnis und profunden Einſicht in alles, wor-<lb/> über er ein Urteil abgab, <hi rendition="#g">einegeradezuwunder-<lb/> bare Offenheit und Beſtimmtheit,</hi> die kei-<lb/> nen Zweifel über das ließ, was er dachte und ſagen<lb/> wollte. Dieſer männlichen Beſtimmtheit konnten ſich<lb/> wohl auch jene nicht entziehen, die mit der einen oder<lb/> andern Anſicht nicht einverſtanden waren. Sein ganzes<lb/> Sinnen und Trachten und der energiſche Zug <hi rendition="#g">ſeines<lb/> weit über das Mittelmaß ſtarken Wil-<lb/> lens</hi> konzentrierte ſich in dem unentwegten <hi rendition="#g">Feſt-<lb/> halten an der alten Habsburgerreichs-<lb/> idee und erunentwegten Treue zum ange-<lb/> ſtammten väterlichen Glauben.</hi> Die ſonſt<lb/> ſo ſtarke Perſönlichkeit mit wuchtigem Wollen in Zu-<lb/> und Abneigung war durchtränkt von einer geradezu<lb/> innigen Religioſität. Felſenfeſt ſtand ſein katholiſche<lb/> Ueberzeugung. In der praktiſchen Betätigung derſelben<lb/> wurde er von der Einſicht getragen, daß der katholiſche<lb/> Gedanke,, um ſeine geheimnisvolle Macht voll und ganz<lb/> auf die Herzen der einzelnen, beſonders aber auch des<lb/> ganzen Volkes ausüben zu können, die notwendige Frei-<lb/> heit und Unterſtützung von Seite des Staates brauche.<lb/> Reben ſeiner großen, fertigen und in ſich abgeſchloſſenen<lb/> religiöſen Geſamtauffaſſung war es rührend, wahrzu-<lb/> nehmen, wie ſeine religiöſen Gefühle und die aus den-<lb/> ſelben wachſende Praxis auch ins Detail gingen. Der<lb/> Ausſpruch über die Erhabenheit der päpſtlichen Auf-<lb/> faſſung von der öfteren Kinderkommunion aus Anlaß<lb/> des Wunſches der Prinzeſſin Sofie, bis zur Rückkehr der<lb/> Eltern täglich kommunizieren und zum Heilande beten<lb/> zu wollen, bietet dafür entſprechendes Beiſpiel. Solche<lb/> Feinheiten in der religiöſen Lebensauffaſſung des<lb/> Thronfolgers könnte ich aus meinem Umgange mit ihm<lb/> noch mehrere anführen. Franz Ferdinand maß der ka-<lb/> tholiſchen Religion ſpeziell für die Länder der Habs-<lb/> burgerkrone auch noch eine ganz beſondere Bedeutung zu.<lb/> Er ſah in ihr das einigende und vereinende Band der ſo<lb/> mannigfachen Nationalitäten mit ihren vielfach aus-<lb/> einanderſtrebenden Zielen und Anſchauungen. Im Vati-<lb/> kan, wo man die Verehrung des Thronfolgers zur Nach-<lb/> folgerſchaft Petri im Zentrum und Hort der Kirche ge-<lb/> nau kannte, genoß Erzherzog Franz Ferdinand die<lb/> höchſten und innigſten Sympathien. Der Schmerz, der<lb/> den heiligen Vater bei der Schreckenskunde aus Sara-<lb/> jevo buchſtäblich niederwarf und ihn nach längerer Be-<lb/> wußtloſigkeit wieder aufſtehen ließ, um perſönlich am<lb/> Grabe des Apoſtelfürſten für das Seelenheil der Ver-<lb/> ſtorbenen zu beten, bieten dafür eine Illuſtration. Nun<lb/> iſt,“ ſchloß Nunzius Graf <hi rendition="#g">Scapinelli,</hi> „der ſo hoch-<lb/> geachtete und geliebte Thronfolger nicht mehr, und kein<lb/> Schmerz und kein Leid und keine Trauer um ihn kann<lb/> ihn wiedererwecken. Wir müſſen, ſo ſchmerzlich dies auch<lb/> klingen mag, ohne ihn weiterleben, und der Pflicht ewig<lb/> gleichgeſtellte Uhr muß uns im Geleiſe halten.“ Seine<lb/> Exzellenz konnte bei dieſen Worten die ihn überkom-<lb/><cb/> mende tiefe Rührung nicht mehr zurückhalten und ver-<lb/> abſchiedete ſich kurz und in offenſichtlicher Bewegung.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Urheberſchaft<lb/> der Verſchwörung.</hi> </head><lb/> <p>Von <hi rendition="#g">beſonderer</hi> Seite erhält die „Reichspoſt“<lb/> folgende Zuſchrift aus der <hi rendition="#g">Leman-Rivier</hi>a:</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Les assassins de Genève!</hi> — <hi rendition="#g">Schon vor<lb/> Monatsfriſt</hi> ging in Genf und Lauſanne in<lb/><hi rendition="#g">ſerbiſchen Studentenkreiſen,</hi> welche nach-<lb/> weislich mit den panſlaviſtiſchen Zentralen in Belgrad,<lb/> Peterburg und Moskau intimſte geheime Beziehungen<lb/> und von dort Geldbezüge unterhalten, <hi rendition="#g">das Ge-<lb/> rücht, von großſerbiſcher Seite</hi> ſtände gegen<lb/> die habsburgiſchen Hauptgegner „ein entſcheidender<lb/> Schlag“ bevor. Allerdings hatte man ſich ſchon vor Jahr<lb/> und Tag dort und in Paris ähnliche Dinge zugeraunt,<lb/> und ſo erklärt ſich wohl auch die Tatſache, daß die<lb/> politiſch im Trüben fiſchende bekannte jüdiſche Haupt-<lb/> mahrſagerin in Paris, Madame de Thebes, dieſe mehr<lb/> als ſcheußliche Mordtat damals ſchon mehrfach <hi rendition="#g">„vor-<lb/> ausſagen“</hi> konnte! Diesmal aber trat das be-<lb/> treffende <hi rendition="#aq">On dit</hi> viel ſchärfer und beſtimmter hervor.<lb/> Da nun gerade dieſe weſtſchweizeriſchen Serbenklubs<lb/> nachweislich mit dem berüchtigten Serbenprinzen<lb/><hi rendition="#g">Georg</hi> ganz intime politiſche Beziehungen unterhal-<lb/> ten, und <hi rendition="#g">da dieſer,</hi> wie engliſche Blätter unlängſt<lb/> meldeten, während ſeiner letzten Englandfahrt unum-<lb/> wunden <hi rendition="#g">jedem, der es hören wollte, blut-<lb/> rünſtige Vendetta-Abſichten gegen den<lb/> öſterreichiſchen Thronfolger laut wer-<lb/> den ließ,</hi> ſo konnten Eingeweihte die letzten Gerüchte<lb/> wohl ernſt nehmen. In mehreren Genfer und Lauſan-<lb/> ner Caf<hi rendition="#aq">é</hi>s ſind, wie eine <hi rendition="#g">gründliche Enquete</hi><lb/> leicht dartun würde, wiederholt darüber von ſerbiſcher<lb/> Seite Aeußerungen gefallen, welche über den Urſprung<lb/> des Attentates keinerlei Zweifel aufkommen laſſen. Be-<lb/> kanntlich iſt damals, als der unglückliche Serbenkönig<lb/> mit der Königin Draga auf eben ſo feige und tieriſch-<lb/> hinterliſtige Weiſe von ſerbiſchen Offizieren abgeſchlach-<lb/> tet wurden, der ruchloſe Mordplan ebenfalls zuerſt in<lb/> Belgrad, Paris und Genf ausgeheckt worden und es iſt<lb/> ein öffentliches Geheimnis, daß König Peter ſchon<lb/> wochenlang vorher Tag und Stunde der ſcheußlichen<lb/> Bluttat gewußt und gebilligt hat. Seither haben ſich die<lb/> beſonders in <hi rendition="#g">Genf</hi> niſtenden großſerbiſchen Komitees<lb/> von königlicher Seite ſtets und immer einer beſonderen<lb/> Aufmunterung erfreut. Man deutet u. a. an, man habe<lb/> damit den <hi rendition="#g">Hauptträger der deutſchen<lb/> Dreibundidee</hi> beſeitigen und Oeſterreich in ein<lb/> neues Fahrwaſſer drängen wollen! Wer <hi rendition="#g">Kains</hi><lb/> Zeichen erſt einmal auf der Stirn trägt, muß auf dem<lb/> Wege des Verbrechens auch weiter mitmachen. So er-<lb/> klärt es ſich, daß in Genfer politiſchen Sphären über die<lb/> Mitwiſſenſchaft des Königs Peter auch nur <hi rendition="#g">eine</hi><lb/> Stimme herrſcht. Mordluſt geht im Schwang. Was man<lb/> nicht durch feigen erkauften Landesverrat und ähn-<lb/> liche finſtere Schändlichkeiten politiſch erreichen kann,<lb/> das ſoll die Bombe mit der Browningpiſtole durch-<lb/> ſetzen. <hi rendition="#aq">Caveant consules!</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Umfang der Verſchwörung von<lb/> Sarajevo.</hi><lb/> <hi rendition="#g">(Drahtbericht der „Reichspoſt“.)</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Sarajevo,</hi> 3. Juli.</dateline><lb/> <p>Von einem <hi rendition="#g">hohen Funktionär</hi> erhalte ich<lb/> folgende Mitteilungen: Es iſt noch nicht zuläſſig, die<lb/> Einzelheiten der bisherigen Erhebungen der Oeffentlich-<lb/> keit zu übergeben, weil dies die weiteren Nachforſchungen<lb/> erſchweren würde. Aber das kann heute<lb/> ſchon geſagt werden: Es handelte ſich hier<lb/> um eines der ſcheußlichſten Komplotte, das<lb/> die neuere Geſchichte kennt. So verſchiedenartig die<lb/> ermittelten Spuren und ſind ſo wenig bisher ſicher feſtgeſtellt<lb/> iſt, ob die einzelnen Beteiligten von einander gewußt<lb/> haben, ſo führen doch alle Fäden zurück nach Belgrad;<lb/> die Anſchläge waren ſo zahlreich und dicht vorbereitet,<lb/> daß das Verbrecherwerk faſt gelingen mußte. Die An-<lb/> lage des Attentates iſt mit ſo umfangreichen Mitteln<lb/> und ſo zielbewußt gefördert werden, es iſt ſo deutlich<lb/> kein Zufallsattentat geweſen, das der Verirrung eines<lb/> einzelnen iſolierten Individuums entſprang, daß man<lb/><hi rendition="#g">annehmen muß, daß die Urheber dieſes<lb/> Attentat gegen den Thronfolger auch<lb/> anderwärts verübt hätten,</hi> ſo wie ja<lb/> ſchon verſchiedene Attentate auf militäriſche Objekte weit<lb/> im Inlande ſerbiſchen Urſprunges waren. <hi rendition="#g">Die<lb/> Bombenfunde ſind zahlreicher,</hi> als bis-<lb/> her die Oeffentlichkeit erfuhr.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">„In zwei Jahren“.<lb/> Popovich, der Neffe des Königsmörders und<lb/> Freund des ſerbiſchen Kronprinzen. — Die An-<lb/> lündigung eines Eingeweihten.</hi> </head><lb/> <dateline>Aus <hi rendition="#g">Bonn,</hi> 2. Juli,</dateline> <p>geht uns von <hi rendition="#g">einem<lb/> Hochſchullehrer</hi> folgender Bericht zu, der die<lb/> größte Beachtung verdient:</p><lb/> <p>„In der von mir bewohnten Penſion wohnt ſeit<lb/> einigen Wochen ein Serbe namens <hi rendition="#g">Jowan Popo-<lb/> vich.</hi> Er iſt Reſerveoffizier, ſein Vater iſt (orthodoxer)<lb/><hi rendition="#g">Erzbiſchof</hi> in Serbien. Sein Oheim iſt <hi rendition="#g">General</hi><lb/><cb/> und war ſeinerzeit Hauptbeteiligter bei der Ermordung<lb/> des Königs Alexander. Er <hi rendition="#g">iſt bekannt mit dem<lb/> jetzigen Kronprinzen Alexander</hi> und<lb/> erhält von dieſem <hi rendition="#g">Geldſendungen.</hi> Er hat ge-<lb/> äußert, daß, falls der Kronprinz zur Beiſetzung in<lb/> Wien erſcheinen werde, er auch hinfahren wolle.</p><lb/> <p>Popovich führte <hi rendition="#g">bereits ſeit Wochen</hi><lb/> zyniſche Reden: In zwei Jahren werde man <hi rendition="#g">die<lb/> Bandengreuel nach Oeſterreich</hi> ver-<lb/> pflanzen; der <hi rendition="#g">Thronfolger</hi> werde <hi rendition="#g">keine zwei<lb/> Jahre</hi> nach dem jetzigen Kaiſer am Leben bleiben.<lb/> Auch äußerte er (Popovich), <hi rendition="#g">im September</hi><lb/> werden die Serben <hi rendition="#g">in Albanien einrücken.</hi><lb/> In der Hauptſache ſprach er aber davon, daß man <hi rendition="#b">in<lb/> zwei Jahren</hi> ſehen werde, was geſchehe.</p><lb/> <p>Von der Verübung des Attentats hatte er (Popovich)<lb/><hi rendition="#g">bereits um fünf Uhr nach mittags am<lb/> Sonntag über Paris</hi> Nachricht, ſo daß wir<lb/> beim Abendeſſen über die Möglichkeit eines ſolchen<lb/> ſprachen, ohne näheres zu wiſſen. Dabei ſuchte er <hi rendition="#g">das<lb/> Attentat zu verteidigen.</hi> Als die Nachricht<lb/> über den Erfolg eingetroffen war, fuhr er <hi rendition="#g">mit<lb/> triumphierendem Lächeln</hi> durch die Stadt<lb/> und feierte den Abend über in einem ſerbiſchen Kreiſe.</p><lb/> <p>Er (Popovich) wird zurzeit polizeilich beobachtet.<lb/> Auch iſt ihm ſeitens der Penſionsinhaberin gekündigt<lb/> worden. Dabei äußerte er, er habe auch ſchon<lb/> die Abſicht gehabt zu kündigen, denn die Penſions-<lb/> inhaberin habe ihm gegenüber das Attentat für<lb/> beſtialiſch erklärt; und wenn die Tat beſtialiſch ſei,<lb/> dann ſei <hi rendition="#g">auch er beſtialiſch.“</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schmähorgien der ſerbiſchen<lb/> Preſſe.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Forderungen und Drohungen.</hi> </head><lb/> <p>Die Preſſe Serbiens und ihre Hintermänner ſind<lb/> durch die entſetzlichen Früchte ihrer Hetzereien nicht nur<lb/> nicht, wie man meinen möchte, zur Beſinnung ge-<lb/> kommen, ſondern ſie ſcheinen durch das furchtbare<lb/> Gelingen des Sarajevoer Attentats in einen<lb/> wahren Taumel, in einen förmlichen Blut-<lb/> rauſch geraten zu ſein. Die Belgrader Blätter<lb/> einſchließlich der offiziöſen führ<hi rendition="#g">en</hi> eine Sprache gegen<lb/> Oeſterreich, die täglich roher, wilder, verwegener und<lb/> unerträglicher wird. Es iſt, als wollte man dem Sara-<lb/> jevoer Attentat ſerbiſcher Fanatiker zahlloſe geſchriebene<lb/> Attentate gegen Oeſterreich-Ungarn folgen laſſen. Während<lb/> die Belgrader offiziöſe Preſſe ihre gegen unſere Mon-<lb/> archie gerichteten Sottiſen noch mit einigen Redens-<lb/> arten heuchleriſchen Bedauerns über das „Unglück“<lb/> garniert, hält die Mehrzahl der übrigen Blätter nicht<lb/> einmal dieſe Rückſicht für notwendig, ſondern ſchimpft<lb/> und droht bar jeder Hemmung darauf los. Oeſterreich<lb/> wird als „unheilbar kranke Monarchie“ bezeichnet,<lb/> als „anarchiſtiſcher Staat“, der „plünderndes<lb/> Geſindel“ und ſeine „zahlreichen Hungerleider“ auf die<lb/> unſchuldigen Serben hetze und dieſe ausrotten wolle. Es<lb/> genügt, ſolche Exzeſſe ſerbiſcher Unkultur zu verzeichnen.<lb/> Wenn aber die ſerbiſche Regierungspreſſe ſich jetzt nach<lb/> dem leider nur zu gut gelungenen Attentat in der<lb/> Hauptſtadt Bosniens in merkwürdig anmutender Sieger-<lb/> poſe gefällt und Oeſterreich-Ungarn von hoher Tribüne<lb/> herab Ermahnungen gibt, wie unſere Diplomaten und<lb/> Behörden ſich zu verhalten haben und wie die Serben<lb/> in der Monarchie zu behandeln ſeien, damit<lb/> wir uns der ferneren Gewogenheit Serbiens<lb/> zu erfreuen hätten, ſo iſt das in einem<lb/> Momente, da die Regierungskreiſe Serbiens allen Grund<lb/> hätten ſich eines geziemenderen und beſcheideneren Ton-<lb/> falles zu befleißen, eine Sprache, deren Verwegenheit<lb/> nicht geignet iſt, die Erbitterung in der Monarchie über<lb/> den Nachbar im Südoſten zu mildern. Was ſoll man<lb/> aber dazu ſagen, wenn der geweſene ſerbiſche Miniſter<lb/><hi rendition="#g">Stojanovic</hi> in einem Pariſer Blatte <hi rendition="#g">mit<lb/> weiteren Attentaten in Bosnien<lb/> droht</hi> und wenn die Belgrader Kreiſe die Vermeſſen-<lb/> heit ſo weit treiben, die öſterreichiſchen Zivil- und<lb/> Militärbehörden in allen Tonarten als die Anſtifter der<lb/> autiſerbiſchen Demonſtrationen zu verleumden? Glaubt<lb/> man denn in Serbien mit ſolchen Maßloſigkeiten wirk-<lb/> lich den Serben Oeſterreich-Ungarns einen Gefallen zu<lb/> erweiſen?</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Belgrad,</hi> 3. Juli.</dateline><lb/> <p>Unter dem Titel „Aufrichtig und offen“ ſchreibt das<lb/><hi rendition="#g">Regierungsorgan</hi> „Samouprava“: Die furcht-<lb/> bare an dem öſterreichiſch-ungariſche Thronfolger und<lb/> deſſen Gemahlin in Sarajevo verübte Tat und die<lb/> gräßlichen Folgen, welche in ſchrecklicher Weiſe das un-<lb/> ſchuldige ſerbiſche Volk in Bosnien und der Herze-<lb/> gevina treffen, machen es uns unabweislich zur Pflicht,<lb/> offen und wirklich die Wahrheit über das große verab-<lb/> ſchauungswürdige Verbrechen, deſſen Opfer Erzherzog<lb/> Franz Ferdinand und deſſen Gemahlin geworden ſind,<lb/> zu ſagen und zu erklären, daß wir es aufrichtig verur-<lb/> teilen, daß wir aber <hi rendition="#g">ebenſo</hi> den Vandalismus ver-<lb/> urteilen, deſſen Opfer das ſerbiſche Volk in Bosnien<lb/> und der Herzegovina iſt. Vor allem betonen wir, daß<lb/> wir ganz gut verſtehen, daß es für die unmittelbar und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914
Ein Interview mit dem Wiener
apoſtoliſchen Nunzius.
Einer unſerer Mitarbeiter hatte heute Gelegenheit,
mit dem apoſtoliſchen Nunzius am Wiener Hofe, Graf
Raffaele Scapinelli zu ſprechen, der ſofort auf das
Ereignis zu ſprechen kam, das heute aller Herzen in
Oeſterreich und zum großen Teile auch im Auslande be-
wegt. Der Nunzius ſtand ganz unter dem gewaltigen
Eindrucke, den Wien geſtern ſeinem toten Thronfolger bei
der Rückkehr aus Sarajevo bereitete. Seine Exzellenz
war abends zur Abhaltung einer Segenandacht in Maria
am Geſtade eingeladen, wo 3000 Männer vom Verein
der ewigen Anbetung nach einer rührenden und zu Her-
zen gehenden Predigtanſprache Pater Abels für das
Seelenheil der Ermordeten beteten. Bei der Rückkehr
aus der Kirche waren dem hohen kirchlichen Würden-
träger von den ſpalierbildenden Menſchenmenge Ova-
tionen dargebracht worden, die ihm für ſeine Teil-
nahme an der ſo tiefen allgemeinen Volkstrauer dan-
ken ſollten. „Was ſoll ich, jetzt, wo aller Herzen ſo voll
ſind,“ meinte der Nunzius, „alles ſagen, über den ver-
ewigten Erzherzog und ſeine Gemahlin? Er war, alles
in allem, ein Fürſt von tiefſtem Gottes-
glauben und ritterlichſtem Charakter.
Niemand konnte ſich dem Eindrucke ſeiner männlichen
Energie und ſeines ſtarken Herrenwillens entziehen.
Dazu glänzte er als Muſterbeiſpiel chriſtlicher Tugend
im privaten und öffentlichen Leben. Wie er lebte, treu
ſeiner Pflicht und ſtets ſeiner hohen Aufgaben einge-
denk iſt er geſtorben, durch und durch ein ganzer Mann
und Charakter. Viele, die in mancher Beziehung mit den
politiſchen Auffaſſungen des Toten nicht übereinſtim-
men zu können glaubten, ſehen jetzt erſt ſo recht voll und
ganz den Wert und die Wucht ſeiner mächtigen Perſön-
lichkeit und ſeines eiſernen Charařters ein. In- und
Ausland erkennt im Tode des Thronfolgers einen für
die Monarchie unerſetzlichen Verluſt. Ich ſelbſt hatte
öfters Gelegenheit, mit dem Verewigten zu ſprechen,
und mehr als inmal verweilte ich im Geſpräche mit ihm
über ein und auch zwei Stunden. Das Hervorragendſte
an ſeinen Worten und Geſprächen war neben der großen
Menſchenkenntnis und profunden Einſicht in alles, wor-
über er ein Urteil abgab, einegeradezuwunder-
bare Offenheit und Beſtimmtheit, die kei-
nen Zweifel über das ließ, was er dachte und ſagen
wollte. Dieſer männlichen Beſtimmtheit konnten ſich
wohl auch jene nicht entziehen, die mit der einen oder
andern Anſicht nicht einverſtanden waren. Sein ganzes
Sinnen und Trachten und der energiſche Zug ſeines
weit über das Mittelmaß ſtarken Wil-
lens konzentrierte ſich in dem unentwegten Feſt-
halten an der alten Habsburgerreichs-
idee und erunentwegten Treue zum ange-
ſtammten väterlichen Glauben. Die ſonſt
ſo ſtarke Perſönlichkeit mit wuchtigem Wollen in Zu-
und Abneigung war durchtränkt von einer geradezu
innigen Religioſität. Felſenfeſt ſtand ſein katholiſche
Ueberzeugung. In der praktiſchen Betätigung derſelben
wurde er von der Einſicht getragen, daß der katholiſche
Gedanke,, um ſeine geheimnisvolle Macht voll und ganz
auf die Herzen der einzelnen, beſonders aber auch des
ganzen Volkes ausüben zu können, die notwendige Frei-
heit und Unterſtützung von Seite des Staates brauche.
Reben ſeiner großen, fertigen und in ſich abgeſchloſſenen
religiöſen Geſamtauffaſſung war es rührend, wahrzu-
nehmen, wie ſeine religiöſen Gefühle und die aus den-
ſelben wachſende Praxis auch ins Detail gingen. Der
Ausſpruch über die Erhabenheit der päpſtlichen Auf-
faſſung von der öfteren Kinderkommunion aus Anlaß
des Wunſches der Prinzeſſin Sofie, bis zur Rückkehr der
Eltern täglich kommunizieren und zum Heilande beten
zu wollen, bietet dafür entſprechendes Beiſpiel. Solche
Feinheiten in der religiöſen Lebensauffaſſung des
Thronfolgers könnte ich aus meinem Umgange mit ihm
noch mehrere anführen. Franz Ferdinand maß der ka-
tholiſchen Religion ſpeziell für die Länder der Habs-
burgerkrone auch noch eine ganz beſondere Bedeutung zu.
Er ſah in ihr das einigende und vereinende Band der ſo
mannigfachen Nationalitäten mit ihren vielfach aus-
einanderſtrebenden Zielen und Anſchauungen. Im Vati-
kan, wo man die Verehrung des Thronfolgers zur Nach-
folgerſchaft Petri im Zentrum und Hort der Kirche ge-
nau kannte, genoß Erzherzog Franz Ferdinand die
höchſten und innigſten Sympathien. Der Schmerz, der
den heiligen Vater bei der Schreckenskunde aus Sara-
jevo buchſtäblich niederwarf und ihn nach längerer Be-
wußtloſigkeit wieder aufſtehen ließ, um perſönlich am
Grabe des Apoſtelfürſten für das Seelenheil der Ver-
ſtorbenen zu beten, bieten dafür eine Illuſtration. Nun
iſt,“ ſchloß Nunzius Graf Scapinelli, „der ſo hoch-
geachtete und geliebte Thronfolger nicht mehr, und kein
Schmerz und kein Leid und keine Trauer um ihn kann
ihn wiedererwecken. Wir müſſen, ſo ſchmerzlich dies auch
klingen mag, ohne ihn weiterleben, und der Pflicht ewig
gleichgeſtellte Uhr muß uns im Geleiſe halten.“ Seine
Exzellenz konnte bei dieſen Worten die ihn überkom-
mende tiefe Rührung nicht mehr zurückhalten und ver-
abſchiedete ſich kurz und in offenſichtlicher Bewegung.
Die Urheberſchaft
der Verſchwörung.
Von beſonderer Seite erhält die „Reichspoſt“
folgende Zuſchrift aus der Leman-Riviera:
Les assassins de Genève! — Schon vor
Monatsfriſt ging in Genf und Lauſanne in
ſerbiſchen Studentenkreiſen, welche nach-
weislich mit den panſlaviſtiſchen Zentralen in Belgrad,
Peterburg und Moskau intimſte geheime Beziehungen
und von dort Geldbezüge unterhalten, das Ge-
rücht, von großſerbiſcher Seite ſtände gegen
die habsburgiſchen Hauptgegner „ein entſcheidender
Schlag“ bevor. Allerdings hatte man ſich ſchon vor Jahr
und Tag dort und in Paris ähnliche Dinge zugeraunt,
und ſo erklärt ſich wohl auch die Tatſache, daß die
politiſch im Trüben fiſchende bekannte jüdiſche Haupt-
mahrſagerin in Paris, Madame de Thebes, dieſe mehr
als ſcheußliche Mordtat damals ſchon mehrfach „vor-
ausſagen“ konnte! Diesmal aber trat das be-
treffende On dit viel ſchärfer und beſtimmter hervor.
Da nun gerade dieſe weſtſchweizeriſchen Serbenklubs
nachweislich mit dem berüchtigten Serbenprinzen
Georg ganz intime politiſche Beziehungen unterhal-
ten, und da dieſer, wie engliſche Blätter unlängſt
meldeten, während ſeiner letzten Englandfahrt unum-
wunden jedem, der es hören wollte, blut-
rünſtige Vendetta-Abſichten gegen den
öſterreichiſchen Thronfolger laut wer-
den ließ, ſo konnten Eingeweihte die letzten Gerüchte
wohl ernſt nehmen. In mehreren Genfer und Lauſan-
ner Cafés ſind, wie eine gründliche Enquete
leicht dartun würde, wiederholt darüber von ſerbiſcher
Seite Aeußerungen gefallen, welche über den Urſprung
des Attentates keinerlei Zweifel aufkommen laſſen. Be-
kanntlich iſt damals, als der unglückliche Serbenkönig
mit der Königin Draga auf eben ſo feige und tieriſch-
hinterliſtige Weiſe von ſerbiſchen Offizieren abgeſchlach-
tet wurden, der ruchloſe Mordplan ebenfalls zuerſt in
Belgrad, Paris und Genf ausgeheckt worden und es iſt
ein öffentliches Geheimnis, daß König Peter ſchon
wochenlang vorher Tag und Stunde der ſcheußlichen
Bluttat gewußt und gebilligt hat. Seither haben ſich die
beſonders in Genf niſtenden großſerbiſchen Komitees
von königlicher Seite ſtets und immer einer beſonderen
Aufmunterung erfreut. Man deutet u. a. an, man habe
damit den Hauptträger der deutſchen
Dreibundidee beſeitigen und Oeſterreich in ein
neues Fahrwaſſer drängen wollen! Wer Kains
Zeichen erſt einmal auf der Stirn trägt, muß auf dem
Wege des Verbrechens auch weiter mitmachen. So er-
klärt es ſich, daß in Genfer politiſchen Sphären über die
Mitwiſſenſchaft des Königs Peter auch nur eine
Stimme herrſcht. Mordluſt geht im Schwang. Was man
nicht durch feigen erkauften Landesverrat und ähn-
liche finſtere Schändlichkeiten politiſch erreichen kann,
das ſoll die Bombe mit der Browningpiſtole durch-
ſetzen. Caveant consules!
Der Umfang der Verſchwörung von
Sarajevo.
(Drahtbericht der „Reichspoſt“.)
Sarajevo, 3. Juli.
Von einem hohen Funktionär erhalte ich
folgende Mitteilungen: Es iſt noch nicht zuläſſig, die
Einzelheiten der bisherigen Erhebungen der Oeffentlich-
keit zu übergeben, weil dies die weiteren Nachforſchungen
erſchweren würde. Aber das kann heute
ſchon geſagt werden: Es handelte ſich hier
um eines der ſcheußlichſten Komplotte, das
die neuere Geſchichte kennt. So verſchiedenartig die
ermittelten Spuren und ſind ſo wenig bisher ſicher feſtgeſtellt
iſt, ob die einzelnen Beteiligten von einander gewußt
haben, ſo führen doch alle Fäden zurück nach Belgrad;
die Anſchläge waren ſo zahlreich und dicht vorbereitet,
daß das Verbrecherwerk faſt gelingen mußte. Die An-
lage des Attentates iſt mit ſo umfangreichen Mitteln
und ſo zielbewußt gefördert werden, es iſt ſo deutlich
kein Zufallsattentat geweſen, das der Verirrung eines
einzelnen iſolierten Individuums entſprang, daß man
annehmen muß, daß die Urheber dieſes
Attentat gegen den Thronfolger auch
anderwärts verübt hätten, ſo wie ja
ſchon verſchiedene Attentate auf militäriſche Objekte weit
im Inlande ſerbiſchen Urſprunges waren. Die
Bombenfunde ſind zahlreicher, als bis-
her die Oeffentlichkeit erfuhr.
„In zwei Jahren“.
Popovich, der Neffe des Königsmörders und
Freund des ſerbiſchen Kronprinzen. — Die An-
lündigung eines Eingeweihten.
Aus Bonn, 2. Juli, geht uns von einem
Hochſchullehrer folgender Bericht zu, der die
größte Beachtung verdient:
„In der von mir bewohnten Penſion wohnt ſeit
einigen Wochen ein Serbe namens Jowan Popo-
vich. Er iſt Reſerveoffizier, ſein Vater iſt (orthodoxer)
Erzbiſchof in Serbien. Sein Oheim iſt General
und war ſeinerzeit Hauptbeteiligter bei der Ermordung
des Königs Alexander. Er iſt bekannt mit dem
jetzigen Kronprinzen Alexander und
erhält von dieſem Geldſendungen. Er hat ge-
äußert, daß, falls der Kronprinz zur Beiſetzung in
Wien erſcheinen werde, er auch hinfahren wolle.
Popovich führte bereits ſeit Wochen
zyniſche Reden: In zwei Jahren werde man die
Bandengreuel nach Oeſterreich ver-
pflanzen; der Thronfolger werde keine zwei
Jahre nach dem jetzigen Kaiſer am Leben bleiben.
Auch äußerte er (Popovich), im September
werden die Serben in Albanien einrücken.
In der Hauptſache ſprach er aber davon, daß man in
zwei Jahren ſehen werde, was geſchehe.
Von der Verübung des Attentats hatte er (Popovich)
bereits um fünf Uhr nach mittags am
Sonntag über Paris Nachricht, ſo daß wir
beim Abendeſſen über die Möglichkeit eines ſolchen
ſprachen, ohne näheres zu wiſſen. Dabei ſuchte er das
Attentat zu verteidigen. Als die Nachricht
über den Erfolg eingetroffen war, fuhr er mit
triumphierendem Lächeln durch die Stadt
und feierte den Abend über in einem ſerbiſchen Kreiſe.
Er (Popovich) wird zurzeit polizeilich beobachtet.
Auch iſt ihm ſeitens der Penſionsinhaberin gekündigt
worden. Dabei äußerte er, er habe auch ſchon
die Abſicht gehabt zu kündigen, denn die Penſions-
inhaberin habe ihm gegenüber das Attentat für
beſtialiſch erklärt; und wenn die Tat beſtialiſch ſei,
dann ſei auch er beſtialiſch.“
Schmähorgien der ſerbiſchen
Preſſe.
Forderungen und Drohungen.
Die Preſſe Serbiens und ihre Hintermänner ſind
durch die entſetzlichen Früchte ihrer Hetzereien nicht nur
nicht, wie man meinen möchte, zur Beſinnung ge-
kommen, ſondern ſie ſcheinen durch das furchtbare
Gelingen des Sarajevoer Attentats in einen
wahren Taumel, in einen förmlichen Blut-
rauſch geraten zu ſein. Die Belgrader Blätter
einſchließlich der offiziöſen führen eine Sprache gegen
Oeſterreich, die täglich roher, wilder, verwegener und
unerträglicher wird. Es iſt, als wollte man dem Sara-
jevoer Attentat ſerbiſcher Fanatiker zahlloſe geſchriebene
Attentate gegen Oeſterreich-Ungarn folgen laſſen. Während
die Belgrader offiziöſe Preſſe ihre gegen unſere Mon-
archie gerichteten Sottiſen noch mit einigen Redens-
arten heuchleriſchen Bedauerns über das „Unglück“
garniert, hält die Mehrzahl der übrigen Blätter nicht
einmal dieſe Rückſicht für notwendig, ſondern ſchimpft
und droht bar jeder Hemmung darauf los. Oeſterreich
wird als „unheilbar kranke Monarchie“ bezeichnet,
als „anarchiſtiſcher Staat“, der „plünderndes
Geſindel“ und ſeine „zahlreichen Hungerleider“ auf die
unſchuldigen Serben hetze und dieſe ausrotten wolle. Es
genügt, ſolche Exzeſſe ſerbiſcher Unkultur zu verzeichnen.
Wenn aber die ſerbiſche Regierungspreſſe ſich jetzt nach
dem leider nur zu gut gelungenen Attentat in der
Hauptſtadt Bosniens in merkwürdig anmutender Sieger-
poſe gefällt und Oeſterreich-Ungarn von hoher Tribüne
herab Ermahnungen gibt, wie unſere Diplomaten und
Behörden ſich zu verhalten haben und wie die Serben
in der Monarchie zu behandeln ſeien, damit
wir uns der ferneren Gewogenheit Serbiens
zu erfreuen hätten, ſo iſt das in einem
Momente, da die Regierungskreiſe Serbiens allen Grund
hätten ſich eines geziemenderen und beſcheideneren Ton-
falles zu befleißen, eine Sprache, deren Verwegenheit
nicht geignet iſt, die Erbitterung in der Monarchie über
den Nachbar im Südoſten zu mildern. Was ſoll man
aber dazu ſagen, wenn der geweſene ſerbiſche Miniſter
Stojanovic in einem Pariſer Blatte mit
weiteren Attentaten in Bosnien
droht und wenn die Belgrader Kreiſe die Vermeſſen-
heit ſo weit treiben, die öſterreichiſchen Zivil- und
Militärbehörden in allen Tonarten als die Anſtifter der
autiſerbiſchen Demonſtrationen zu verleumden? Glaubt
man denn in Serbien mit ſolchen Maßloſigkeiten wirk-
lich den Serben Oeſterreich-Ungarns einen Gefallen zu
erweiſen?
Belgrad, 3. Juli.
Unter dem Titel „Aufrichtig und offen“ ſchreibt das
Regierungsorgan „Samouprava“: Die furcht-
bare an dem öſterreichiſch-ungariſche Thronfolger und
deſſen Gemahlin in Sarajevo verübte Tat und die
gräßlichen Folgen, welche in ſchrecklicher Weiſe das un-
ſchuldige ſerbiſche Volk in Bosnien und der Herze-
gevina treffen, machen es uns unabweislich zur Pflicht,
offen und wirklich die Wahrheit über das große verab-
ſchauungswürdige Verbrechen, deſſen Opfer Erzherzog
Franz Ferdinand und deſſen Gemahlin geworden ſind,
zu ſagen und zu erklären, daß wir es aufrichtig verur-
teilen, daß wir aber ebenſo den Vandalismus ver-
urteilen, deſſen Opfer das ſerbiſche Volk in Bosnien
und der Herzegovina iſt. Vor allem betonen wir, daß
wir ganz gut verſtehen, daß es für die unmittelbar und
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