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Reichspost. Nr. 495, Wien, 20.10.1913.

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Morgenblatt 8 h
in Wien.
Redaktion:
VIII. Strozzigasse 41.
Telephon: 18082.
Verwaltung:
VIII. Strozzig. 42.
Telephon: 13870.
Druckerei:
VIII. Strozzigasse 41.
Telephon: 22641.
Kleiner Anzeiger
I. Schulerstr. 21.
Telephon: 2926.
Inserate

werden in der Verwaltung der
"Reichspost" VIII. Strozzigasse 42,
I. Schulerstraße 21, sowie in
allen Annoncenbureaus des In-
und Auslandes angenommen.


[Spaltenumbruch]
Mittagsblatt.
Reichspost.
Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich-Ungarns.

[Spaltenumbruch]

Bezugspre[is]e:
bei täglich zweimaliger Zu-
stellung für Wien:
monatlich ....... K 3.70
vierteljährig ...... "11.--
halbjährig ....... "22.--
für Oesterreich-Ungarn:
monatlich ....... K 3.85
vierteljährig ...... " 11.50
halbjährig ....... " 23.--
Bei täglich einmaliger Zu-
stellung (das Morgenblatt zu-
gleich mit der Nachmittagsaus-
gabe des vorherigen Tages)
für auswärts:
monatlich ....... K 3.50
vierteljährig ...... " 10.50
halbjährig ....... " 21.--
Für Deutschland:
vierteljährig Kreuzbandsendung
K 16.--.
Länder des Weltpostvereines:
vierteljährig Kreuzbandsendung
K 22.--.




Nr. 495 Wien, Montag den 20. Oktober 1913 XX. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Ein Nachwort zur Leipziger
Feier.

Die Anteilnahme des Volkes an der Leipziger
Feier war eine imponierende. Vom dämmernden
Morgen bis in die Nacht bewegten sich Hundert-
tausende von Teilnehmern in den Straßen von
Leipzig, begeistert Anteil nehmend an der großen Er-
innerungsfeier. Es war, wie alle Zeugen dieses historischen
Aktes hervorhoben, gleich bewunderungswert, die
musterhafte Ordnung und Disziplin und der herrliche
vaterländische Geist, die sich in diesen Massen zeigten.
Auch die Bundesfreundschaft, die aufrichtige Sympathie
des Volkes für die erschienenen Vertreter Oesterreich-
Ungarn kamen wiederholt in spontanen und sehr
herzlichen Kundgebungen zum Ausdruck.

Um so auffallender und befremdlicher war eine
andere Erscheinung. Bei der Feier der Denkmalenthüllung
wurde in der offiziellen Weiherede des Prä-
sidenten des deutschen Patriotenbundes Kammerrat
Klemens Thieme der Anlaß, der
die hervorragendsten Vertreter der ersten
Herrscherhäuser Europas versammelt hatte, beiläufig
so behandelt, als gelte es nicht die Völkerschlacht bei
Leipzig, sondern irgend ein beliebiges kriegerisches
Ereignis der engeren Geschichte des Deutschen Reiches
zu feiern. In der Rede des Herrn Thieme, welche bei
der eigentlichen Feier die einzige offizielle Festrede
neben der Erwiderung des Königs von Sachsen aus-
machte, verriet nicht eine Silbe eine Erinnerung an die
Tatsache, daß es ein österreichischer Feldherr war, der
bei Leipzig die verbündeten Heere als Oberkommandant
zum Siege führte und daß Rußland den größten
Heeresanteil gestellt hatte, während unter den
Kontingenten der Verbündeten jenes aus dem
heutigen Deutschen Reiche das kleinste war. Niemand
wird den Anteil der Helden jener Zeit schmälern wollen,
deren Größe und Tapferkeit die preußische Kriegs-
geschichte mit vollem Rechte preist; mit Dankbarkeit,
Verehrung und tiefer, innerer Erhebung gedenkt man
auch in Oesterreich ihrer. Aber gerade da wir willig der
Verdienste der anderen gedenken, berührt es verletzend,
daß andere ein historisches Recht des Habsburger
Reiches schmälern wollen, das seinen hervorragenden
Anteil an einem der größten und ruhmreichsten Er-
eignisse der europäischen Geschichte festlegt. Herr
Thieme hat wie ein eifersüchtiger Provinzler
gesprochen und nicht wie der Leiter eines Festes, das
die großen völker- und staatenvereinigenden Ideen der
Leipziger Völkerschlacht der ganzen Welt vor die Seele
rufen sollte.

Es ist ganz unverständlich, wie diese Rede in dieser
Form gehalten werden konnte. Wenn schon der Vor-
sitzende des deutschen Patriotenbundes zu einer solchen
Entgleisung disponiert war, so ist es nicht klar, warum
nicht die sächsische Regierung rechtzeitig Einfluß
genommen hat, um diese offenkundige Taktlosig-
keit zu verhindern. Man vereinigte sich in Leipzig nicht
zu einem Feuerwehrfest, sondern zu einer Begebenheit, die
schon äußerlich durch die Teilnahme des deutschen
Kaisers, des österreichischen Thronfolgers, eines russischen
Großfürsten, eines schwedischen Prinzen und aller Bundes-
fürsten des Deutschen Reiches als ein Staatsakt gekenn-
zeichnet war. Die sächsische Regierung hätte in diesem
Falle doch Mittel und Wege haben müssen, um diesem
Akte auch jene Form zu geben, die den Gesetzen inter-
nationaler Höflichkeit und vor allem seinem Geiste ent-
sprach.

Wenn die Oesterreicher Leipzig nicht tief verletzt
und mit den peinlichsten Empfindungen verlassen
haben, so liegt dies daran, daß das
deutsche Volk und die deutschen Fürsten durch die warme
[Spaltenumbruch] Herzlichkeit ihrer Kundgebungen bewiesen, daß sie mit
der geschehenen Taktlosigkeit nichts zu tun haben und
die Leipziger Feier anders auffassen als der Herr
Kammerrat und seine Mitverantwortlichen von Leipzig.
Nur dadurch ist das Fest zu dem geworden, was es
sein sollte. Dennoch gebietet es die Würde, es offen zu
tadeln, was bei dem Arrangement der offiziellen Feier
versäumt worden ist.




Die Festveranstaltungen des Kartell-
verbandes in Leipzig.
Der Festkommers.

(Drahtbericht der "Reichspost".)


In würdiger Weise hat der Kartellverband, ent-
sprechend seinen Traditionen und seiner Größe, die
Jahrhundertfeier in Leipzig begangen. Schon Frei-
tag hatten sich die Vertreter der C. V.-Ver-
bindungen von den Universitätsstädten Deutsch-
lands, Oesterreichs und der Schweiz in Leipzig einge-
funden und ihre Vorbereitungen zur Feier getroffen. Die
Reihe der Veranstaltungen eröffnete ein großer Fest-
kommers am Samstag abend im Hotel "Stadt Nürn-
berg", der sich eines wahren Massenbesuches erfreute.
Tosender Beifall begrüßte den Einzug der Chargierten,
die, achtzig an der Zahl, unter Fanfarenklängen und dem
lauten Jubel der Studenten und Gäste zur Chargierten-
tafel zogen. Die großen Lichter im Saale warfen ein
Meer von Licht auf den dicht gefüllten Saal, der mit
den Hunderten und Hunderten von bunten Mützen, die
in steter Bewegung in allen Farben durcheinander fluteten,
ein feenhaftes Bild dem Auge des Beschauers bot. Die
hübschen und zahlreichen Damen, welche die Vorgänge
im Saale von der Galerie aus beobachteten, bildeten
den entzückendsten Rahmen dazu.

In Gegenwart des Bischofs von Dresden, des
Bürgermeisters von Wien und vieler Festgäste sowie
Alter Herren eröffnete der Vorortspräsident Mediziner
Moelle den Kommers. Nach Begrüßung der Fest-
gäste und Verlesung der eingelaufenen Telegramme
erhob sich Bgm. Dr. Richard Weiskirchner und
hielt eine begeisterte Ansprache, in der er u. a. aus-
führrte: Gerne bin ich in Ihrem Kreise erschienen, um
zu bekunden, daß ich als Wiener Bürgermeister die
katholische deutsche Studentenschaft Oesterreichs und
Deutschlands schätze und würdige. Vor hundert Jahren,
da war es meinem Amtsvorgänger Bgm. Wohlleben
von Wien gestattet, die drei Verbündeten Monarchen,
die auf der Verfolgung des großen Korsen begriffen
waren, zu begrüßen und ihnen den jubelnden Dank und
die Begeisterung der Stadt Wien, der alten Kaiserstadt,
zu überbringen. Dem Nachfolger, dem Bürgermeister
des Jahres 1913, war es vergönnt, heute mit dem
großen Völkerstrome zu ziehen, und ich kam mir vor,
als wäre ich bei einer Wallfahrt des deutschen Volkes
zu einem Heiligtume der deutschen Nation. (Stürmischer
Beifall.) Und als ich mit der Abordnung des Wiener
Gemeinderates vor dem gigantischen Monumente stand,
hinter dem sich weit das Schlachtfeld von Leipzig dehnte,
da erwachte in mir das stolze Gefühl: Auch Du bist
ein Deutscher, auch Deine Vorfahren haben diesen Boden
mit ihrem Blute gedüngt, damit aus diesem Blute
emporsprosse die Wiedergeburt des deutschen Volkes.
(Neuerlicher, brausender Beifall.) Es ist ja
Leipzig nicht bloß ein Sieg der Waffen
gewesen, sondern es war das Flammenzeichen der Wieder-
geburt deutscher Ideale, deutscher Art und deutscher Sitte.
Mit Stolz können wir Donaudeutsche auf unsere Vor-
fahren zurückblicken, denn es handelt sich bei uns Oester-
reichern nicht bloß um Leipzig. Aspern, wo Held Karl
seine Truppen führte, und die deutschen Bauern Tirols
haben Leipzig mit vorbereitet. Nachdem der Bürger-
meister noch des Feldmarschalls Schwarzenberg in herr-
lichen Worten gedacht hatte, schloß er seine Rede unter
jubelndem Beifall.

Auch die Autoritätenrede des Kriegsgerichtsrates
Wolff sowie die Festrede des Oberkriegsgerichtsrates
Burlege, der die Verdienste der Oester-
reicher
an der Völkerschlacht von Leipzig einer be-
sonderen Würdigung unterzog, waren rhetorische Meister-
stücke, welche die Zuhörer stets von neuem zu Beifalls-
stürmen hinrissen. Das Präsidium im inoffiziellen Teil
führte Mediziner Stöger (Norika).


[Spaltenumbruch]
Der Festgottesdienst und die Auffahrt vor dem
Denkmal.

(Drahtbericht der "Reichspost".)


Sonntag um 1/210 Uhr vormittags fand ein vom
Dresdner Bischof zelebriertes Hochamt samt
Tedeum für den Kartellverband statt, an dem
auch der König von Sachsen mit
seinem Bruder und seinen Söhnen teilnahm. Um
11 Uhr vormittags erfolgte die Auffahrt zum Sieges-
denkmale.

Es war ein glanzvoller Zug, der sich gegen 11 Uhr
vormittags zum Denkmal bewegte, ein farbenprächtiges
studentisches Gepränge, wie es der Kartellverband
während der Zeit seines Bestandes wohl noch nie ent-
faltet hat. Eine Militärkapelle eröffnete die endlose
Wagenreihe und spielte historische Märsche. Hinter der
Kapelle erschienen hoch zu Roß drei Chargierte mit der
C.-V.-Standarte, denen der prächtig geschmückte Wagen
des Vorortspräsidenten folgte. Und dann kamen die
Wagen der Chargierten, hundertsechsundsechzig an der
Zahl, begrüßt, umju belt und mit Blumen beworfen von
einer vieltausendköpsigen Menge. Vor dem
Siegesdenkmal hielt der Zug, die Studenten
entstiegen den Wagen und nahmen vor dem Denkmal
Aufstellung. Alles leuchtete und flimmerte und in der
Sonne blitzten die Schläger, die klingend aus der
Scheide fuhren, als der Vorortspräsident Mediziner
Moelle am Ende seiner begeisterten Ansprache den
Schwur der Treue des Kartellverbands zu Kaiser und
Reich erneuerte und einen herrlichen Kranz vor dem
Riesendenkmal niederlegte. Mit dieser Kranzniederlegung
war die letzte der großen Festveranstaltungen des
Kartellverbandes beendet. Die Chargierten bestiegen
wieder die Wagen und verließen unter dem brausenden
Beifall der unübersehbaren Zuschauermenge den
Festplatz.

Nachmittags besuchten die Mitglieder des Kartell-
verbandes die Baufachausstellung.




Die Wiener Deputation in Leipzig.
Abreise nach Breslau.

Vom Kartellfest begab sich Dr. Weiskirchner am
Samstag abends zum Festkommers des Leipziger
Gausängerbundes. Im großen Saale des
Zoologischen Gartens, in dem der Kommers stattfand,
hatten sich schon vorher die Vizebürgermeister Hier-
hammer und Hoß mit den in Leipzig befind-
lichen Wiener Gemeinderäten eingefunden. Sie
waren vom Leipziger Bürgermeister Roth
empfangen und zur Ehrentafel an der Stirnfront des
Saales geleitet worden. Bürgermeister Dr. Weiskirchner,
der ebenso wie die Wiener Delegation mit stürmischem
Beifalle begrüßt wurde, betrat unter den Klängen des
von zwei Kapellen gespielten Radetzkymarsches den Saal.
Auch sonst sind die Wiener öfters während ihres Auf-
enthaltes in Leipzig Gegenstand besonderer Aufmerk-
samkeit gewesen; so kam es am Nachmittag, als die
Wiener das Rathaus verließen, zu einer spontanen
Beifallskundgebung des Publikums für die Wiener.

Nach einer stillen Messe, die Professor Gemeinderat
Wolny in der katholischen Kirche von Leipzig las
und der die Mitglieder der Abordnung des Wiener
Gemeinderates beiwohnten, fuhr Bürgermeister Dr.
Weiskirchner mit den Vizebürgermeistern und den
Gemeinderäten in die Baufachausstellung, in
welcher eben der Prinz-Regent von Bayern
weilte. Im österreichischen Ausstellungshause, und
zwar in der Abteilung der Stadt Wien empfing
Bürgermeister Dr. Weiskirchner den Prinz-Regenten, der
den Bürgermeister sehr liebenswürdig begrüßte und
bemerkte: Ich habe Wert darauf gelegt, mit der öster-
reichischen Abteilung zu beginnen." Der Bürgermeister
geleitete sodann den Prinz-Regenten durch das öster-
reichische Ausstellungshaus und fand Gelegenheit, ihm
die beiden Vizebürgermeister Hierhammer und
Hoß, die Stadträte Tomola und Baurat
Schnei der, die eben zur Stelle befindlichen
Gemeinderäte Baron, Philp, Pichler, den
Baudirektor Goldemund und Magistratsrat Doktor
Loderer (die beiden letzteren waren mit der Durch-
führung des Arrangements der Wiener Ausstellung be-
traut) vorzustellen. Der Bürgermeister und die anderen
Funktionäre der Gemeinde Wien besichtigten dann in

[Spaltenumbruch]

Morgenblatt 8 h
in Wien.
Redaktion:
VIII. Strozzigaſſe 41.
Telephon: 18082.
Verwaltung:
VIII. Strozzig. 42.
Telephon: 13870.
Druckerei:
VIII. Strozzigaſſe 41.
Telephon: 22641.
Kleiner Anzeiger
I. Schulerſtr. 21.
Telephon: 2926.
Inſerate

werden in der Verwaltung der
„Reichspoſt“ VIII. Strozzigaſſe 42,
I. Schulerſtraße 21, ſowie in
allen Annoncenbureaus des In-
und Auslandes angenommen.


[Spaltenumbruch]
Mittagsblatt.
Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns.

[Spaltenumbruch]

Bezugspre[iſ]e:
bei täglich zweimaliger Zu-
ſtellung für Wien:
monatlich ....... K 3.70
vierteljährig ...... „11.—
halbjährig ....... „22.—
für Oeſterreich-Ungarn:
monatlich ....... K 3.85
vierteljährig ...... „ 11.50
halbjährig ....... „ 23.—
Bei täglich einmaliger Zu-
ſtellung (das Morgenblatt zu-
gleich mit der Nachmittagsaus-
gabe des vorherigen Tages)
für auswärts:
monatlich ....... K 3.50
vierteljährig ...... „ 10.50
halbjährig ....... „ 21.—
Für Deutſchland:
vierteljährig Kreuzbandſendung
K 16.—.
Länder des Weltpoſtvereines:
vierteljährig Kreuzbandſendung
K 22.—.




Nr. 495 Wien, Montag den 20. Oktober 1913 XX. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Ein Nachwort zur Leipziger
Feier.

Die Anteilnahme des Volkes an der Leipziger
Feier war eine imponierende. Vom dämmernden
Morgen bis in die Nacht bewegten ſich Hundert-
tauſende von Teilnehmern in den Straßen von
Leipzig, begeiſtert Anteil nehmend an der großen Er-
innerungsfeier. Es war, wie alle Zeugen dieſes hiſtoriſchen
Aktes hervorhoben, gleich bewunderungswert, die
muſterhafte Ordnung und Disziplin und der herrliche
vaterländiſche Geiſt, die ſich in dieſen Maſſen zeigten.
Auch die Bundesfreundſchaft, die aufrichtige Sympathie
des Volkes für die erſchienenen Vertreter Oeſterreich-
Ungarn kamen wiederholt in ſpontanen und ſehr
herzlichen Kundgebungen zum Ausdruck.

Um ſo auffallender und befremdlicher war eine
andere Erſcheinung. Bei der Feier der Denkmalenthüllung
wurde in der offiziellen Weiherede des Prä-
ſidenten des deutſchen Patriotenbundes Kammerrat
Klemens Thieme der Anlaß, der
die hervorragendſten Vertreter der erſten
Herrſcherhäuſer Europas verſammelt hatte, beiläufig
ſo behandelt, als gelte es nicht die Völkerſchlacht bei
Leipzig, ſondern irgend ein beliebiges kriegeriſches
Ereignis der engeren Geſchichte des Deutſchen Reiches
zu feiern. In der Rede des Herrn Thieme, welche bei
der eigentlichen Feier die einzige offizielle Feſtrede
neben der Erwiderung des Königs von Sachſen aus-
machte, verriet nicht eine Silbe eine Erinnerung an die
Tatſache, daß es ein öſterreichiſcher Feldherr war, der
bei Leipzig die verbündeten Heere als Oberkommandant
zum Siege führte und daß Rußland den größten
Heeresanteil geſtellt hatte, während unter den
Kontingenten der Verbündeten jenes aus dem
heutigen Deutſchen Reiche das kleinſte war. Niemand
wird den Anteil der Helden jener Zeit ſchmälern wollen,
deren Größe und Tapferkeit die preußiſche Kriegs-
geſchichte mit vollem Rechte preiſt; mit Dankbarkeit,
Verehrung und tiefer, innerer Erhebung gedenkt man
auch in Oeſterreich ihrer. Aber gerade da wir willig der
Verdienſte der anderen gedenken, berührt es verletzend,
daß andere ein hiſtoriſches Recht des Habsburger
Reiches ſchmälern wollen, das ſeinen hervorragenden
Anteil an einem der größten und ruhmreichſten Er-
eigniſſe der europäiſchen Geſchichte feſtlegt. Herr
Thieme hat wie ein eiferſüchtiger Provinzler
geſprochen und nicht wie der Leiter eines Feſtes, das
die großen völker- und ſtaatenvereinigenden Ideen der
Leipziger Völkerſchlacht der ganzen Welt vor die Seele
rufen ſollte.

Es iſt ganz unverſtändlich, wie dieſe Rede in dieſer
Form gehalten werden konnte. Wenn ſchon der Vor-
ſitzende des deutſchen Patriotenbundes zu einer ſolchen
Entgleiſung disponiert war, ſo iſt es nicht klar, warum
nicht die ſächſiſche Regierung rechtzeitig Einfluß
genommen hat, um dieſe offenkundige Taktloſig-
keit zu verhindern. Man vereinigte ſich in Leipzig nicht
zu einem Feuerwehrfeſt, ſondern zu einer Begebenheit, die
ſchon äußerlich durch die Teilnahme des deutſchen
Kaiſers, des öſterreichiſchen Thronfolgers, eines ruſſiſchen
Großfürſten, eines ſchwediſchen Prinzen und aller Bundes-
fürſten des Deutſchen Reiches als ein Staatsakt gekenn-
zeichnet war. Die ſächſiſche Regierung hätte in dieſem
Falle doch Mittel und Wege haben müſſen, um dieſem
Akte auch jene Form zu geben, die den Geſetzen inter-
nationaler Höflichkeit und vor allem ſeinem Geiſte ent-
ſprach.

Wenn die Oeſterreicher Leipzig nicht tief verletzt
und mit den peinlichſten Empfindungen verlaſſen
haben, ſo liegt dies daran, daß das
deutſche Volk und die deutſchen Fürſten durch die warme
[Spaltenumbruch] Herzlichkeit ihrer Kundgebungen bewieſen, daß ſie mit
der geſchehenen Taktloſigkeit nichts zu tun haben und
die Leipziger Feier anders auffaſſen als der Herr
Kammerrat und ſeine Mitverantwortlichen von Leipzig.
Nur dadurch iſt das Feſt zu dem geworden, was es
ſein ſollte. Dennoch gebietet es die Würde, es offen zu
tadeln, was bei dem Arrangement der offiziellen Feier
verſäumt worden iſt.




Die Feſtveranſtaltungen des Kartell-
verbandes in Leipzig.
Der Feſtkommers.

(Drahtbericht der „Reichspoſt“.)


In würdiger Weiſe hat der Kartellverband, ent-
ſprechend ſeinen Traditionen und ſeiner Größe, die
Jahrhundertfeier in Leipzig begangen. Schon Frei-
tag hatten ſich die Vertreter der C. V.-Ver-
bindungen von den Univerſitätsſtädten Deutſch-
lands, Oeſterreichs und der Schweiz in Leipzig einge-
funden und ihre Vorbereitungen zur Feier getroffen. Die
Reihe der Veranſtaltungen eröffnete ein großer Feſt-
kommers am Samstag abend im Hotel „Stadt Nürn-
berg“, der ſich eines wahren Maſſenbeſuches erfreute.
Toſender Beifall begrüßte den Einzug der Chargierten,
die, achtzig an der Zahl, unter Fanfarenklängen und dem
lauten Jubel der Studenten und Gäſte zur Chargierten-
tafel zogen. Die großen Lichter im Saale warfen ein
Meer von Licht auf den dicht gefüllten Saal, der mit
den Hunderten und Hunderten von bunten Mützen, die
in ſteter Bewegung in allen Farben durcheinander fluteten,
ein feenhaftes Bild dem Auge des Beſchauers bot. Die
hübſchen und zahlreichen Damen, welche die Vorgänge
im Saale von der Galerie aus beobachteten, bildeten
den entzückendſten Rahmen dazu.

In Gegenwart des Biſchofs von Dresden, des
Bürgermeiſters von Wien und vieler Feſtgäſte ſowie
Alter Herren eröffnete der Vorortspräſident Mediziner
Moelle den Kommers. Nach Begrüßung der Feſt-
gäſte und Verleſung der eingelaufenen Telegramme
erhob ſich Bgm. Dr. Richard Weiskirchner und
hielt eine begeiſterte Anſprache, in der er u. a. aus-
führrte: Gerne bin ich in Ihrem Kreiſe erſchienen, um
zu bekunden, daß ich als Wiener Bürgermeiſter die
katholiſche deutſche Studentenſchaft Oeſterreichs und
Deutſchlands ſchätze und würdige. Vor hundert Jahren,
da war es meinem Amtsvorgänger Bgm. Wohlleben
von Wien geſtattet, die drei Verbündeten Monarchen,
die auf der Verfolgung des großen Korſen begriffen
waren, zu begrüßen und ihnen den jubelnden Dank und
die Begeiſterung der Stadt Wien, der alten Kaiſerſtadt,
zu überbringen. Dem Nachfolger, dem Bürgermeiſter
des Jahres 1913, war es vergönnt, heute mit dem
großen Völkerſtrome zu ziehen, und ich kam mir vor,
als wäre ich bei einer Wallfahrt des deutſchen Volkes
zu einem Heiligtume der deutſchen Nation. (Stürmiſcher
Beifall.) Und als ich mit der Abordnung des Wiener
Gemeinderates vor dem gigantiſchen Monumente ſtand,
hinter dem ſich weit das Schlachtfeld von Leipzig dehnte,
da erwachte in mir das ſtolze Gefühl: Auch Du biſt
ein Deutſcher, auch Deine Vorfahren haben dieſen Boden
mit ihrem Blute gedüngt, damit aus dieſem Blute
emporſproſſe die Wiedergeburt des deutſchen Volkes.
(Neuerlicher, brauſender Beifall.) Es iſt ja
Leipzig nicht bloß ein Sieg der Waffen
geweſen, ſondern es war das Flammenzeichen der Wieder-
geburt deutſcher Ideale, deutſcher Art und deutſcher Sitte.
Mit Stolz können wir Donaudeutſche auf unſere Vor-
fahren zurückblicken, denn es handelt ſich bei uns Oeſter-
reichern nicht bloß um Leipzig. Aſpern, wo Held Karl
ſeine Truppen führte, und die deutſchen Bauern Tirols
haben Leipzig mit vorbereitet. Nachdem der Bürger-
meiſter noch des Feldmarſchalls Schwarzenberg in herr-
lichen Worten gedacht hatte, ſchloß er ſeine Rede unter
jubelndem Beifall.

Auch die Autoritätenrede des Kriegsgerichtsrates
Wolff ſowie die Feſtrede des Oberkriegsgerichtsrates
Burlege, der die Verdienſte der Oeſter-
reicher
an der Völkerſchlacht von Leipzig einer be-
ſonderen Würdigung unterzog, waren rhetoriſche Meiſter-
ſtücke, welche die Zuhörer ſtets von neuem zu Beifalls-
ſtürmen hinriſſen. Das Präſidium im inoffiziellen Teil
führte Mediziner Stöger (Norika).


[Spaltenumbruch]
Der Feſtgottesdienſt und die Auffahrt vor dem
Denkmal.

(Drahtbericht der „Reichspoſt“.)


Sonntag um ½10 Uhr vormittags fand ein vom
Dresdner Biſchof zelebriertes Hochamt ſamt
Tedeum für den Kartellverband ſtatt, an dem
auch der König von Sachſen mit
ſeinem Bruder und ſeinen Söhnen teilnahm. Um
11 Uhr vormittags erfolgte die Auffahrt zum Sieges-
denkmale.

Es war ein glanzvoller Zug, der ſich gegen 11 Uhr
vormittags zum Denkmal bewegte, ein farbenprächtiges
ſtudentiſches Gepränge, wie es der Kartellverband
während der Zeit ſeines Beſtandes wohl noch nie ent-
faltet hat. Eine Militärkapelle eröffnete die endloſe
Wagenreihe und ſpielte hiſtoriſche Märſche. Hinter der
Kapelle erſchienen hoch zu Roß drei Chargierte mit der
C.-V.-Standarte, denen der prächtig geſchmückte Wagen
des Vorortspräſidenten folgte. Und dann kamen die
Wagen der Chargierten, hundertſechsundſechzig an der
Zahl, begrüßt, umju belt und mit Blumen beworfen von
einer vieltauſendköpſigen Menge. Vor dem
Siegesdenkmal hielt der Zug, die Studenten
entſtiegen den Wagen und nahmen vor dem Denkmal
Aufſtellung. Alles leuchtete und flimmerte und in der
Sonne blitzten die Schläger, die klingend aus der
Scheide fuhren, als der Vorortspräſident Mediziner
Moelle am Ende ſeiner begeiſterten Anſprache den
Schwur der Treue des Kartellverbands zu Kaiſer und
Reich erneuerte und einen herrlichen Kranz vor dem
Rieſendenkmal niederlegte. Mit dieſer Kranzniederlegung
war die letzte der großen Feſtveranſtaltungen des
Kartellverbandes beendet. Die Chargierten beſtiegen
wieder die Wagen und verließen unter dem brauſenden
Beifall der unüberſehbaren Zuſchauermenge den
Feſtplatz.

Nachmittags beſuchten die Mitglieder des Kartell-
verbandes die Baufachausſtellung.




Die Wiener Deputation in Leipzig.
Abreiſe nach Breslau.

Vom Kartellfeſt begab ſich Dr. Weiskirchner am
Samstag abends zum Feſtkommers des Leipziger
Gauſängerbundes. Im großen Saale des
Zoologiſchen Gartens, in dem der Kommers ſtattfand,
hatten ſich ſchon vorher die Vizebürgermeiſter Hier-
hammer und Hoß mit den in Leipzig befind-
lichen Wiener Gemeinderäten eingefunden. Sie
waren vom Leipziger Bürgermeiſter Roth
empfangen und zur Ehrentafel an der Stirnfront des
Saales geleitet worden. Bürgermeiſter Dr. Weiskirchner,
der ebenſo wie die Wiener Delegation mit ſtürmiſchem
Beifalle begrüßt wurde, betrat unter den Klängen des
von zwei Kapellen geſpielten Radetzkymarſches den Saal.
Auch ſonſt ſind die Wiener öfters während ihres Auf-
enthaltes in Leipzig Gegenſtand beſonderer Aufmerk-
ſamkeit geweſen; ſo kam es am Nachmittag, als die
Wiener das Rathaus verließen, zu einer ſpontanen
Beifallskundgebung des Publikums für die Wiener.

Nach einer ſtillen Meſſe, die Profeſſor Gemeinderat
Wolny in der katholiſchen Kirche von Leipzig las
und der die Mitglieder der Abordnung des Wiener
Gemeinderates beiwohnten, fuhr Bürgermeiſter Dr.
Weiskirchner mit den Vizebürgermeiſtern und den
Gemeinderäten in die Baufachausſtellung, in
welcher eben der Prinz-Regent von Bayern
weilte. Im öſterreichiſchen Ausſtellungshauſe, und
zwar in der Abteilung der Stadt Wien empfing
Bürgermeiſter Dr. Weiskirchner den Prinz-Regenten, der
den Bürgermeiſter ſehr liebenswürdig begrüßte und
bemerkte: Ich habe Wert darauf gelegt, mit der öſter-
reichiſchen Abteilung zu beginnen.“ Der Bürgermeiſter
geleitete ſodann den Prinz-Regenten durch das öſter-
reichiſche Ausſtellungshaus und fand Gelegenheit, ihm
die beiden Vizebürgermeiſter Hierhammer und
Hoß, die Stadträte Tomola und Baurat
Schnei der, die eben zur Stelle befindlichen
Gemeinderäte Baron, Philp, Pichler, den
Baudirektor Goldemund und Magiſtratsrat Doktor
Loderer (die beiden letzteren waren mit der Durch-
führung des Arrangements der Wiener Ausſtellung be-
traut) vorzuſtellen. Der Bürgermeiſter und die anderen
Funktionäre der Gemeinde Wien beſichtigten dann in

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[1/0001] Morgenblatt 8 h in Wien. Redaktion: VIII. Strozzigaſſe 41. Telephon: 18082. Verwaltung: VIII. Strozzig. 42. Telephon: 13870. Druckerei: VIII. Strozzigaſſe 41. Telephon: 22641. Kleiner Anzeiger I. Schulerſtr. 21. Telephon: 2926. Inſerate werden in der Verwaltung der „Reichspoſt“ VIII. Strozzigaſſe 42, I. Schulerſtraße 21, ſowie in allen Annoncenbureaus des In- und Auslandes angenommen. Mittagsblatt. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns. Bezugspreiſe: bei täglich zweimaliger Zu- ſtellung für Wien: monatlich ....... K 3.70 vierteljährig ...... „11.— halbjährig ....... „22.— für Oeſterreich-Ungarn: monatlich ....... K 3.85 vierteljährig ...... „ 11.50 halbjährig ....... „ 23.— Bei täglich einmaliger Zu- ſtellung (das Morgenblatt zu- gleich mit der Nachmittagsaus- gabe des vorherigen Tages) für auswärts: monatlich ....... K 3.50 vierteljährig ...... „ 10.50 halbjährig ....... „ 21.— Für Deutſchland: vierteljährig Kreuzbandſendung K 16.—. Länder des Weltpoſtvereines: vierteljährig Kreuzbandſendung K 22.—. Nr. 495 Wien, Montag den 20. Oktober 1913 XX. Jahrgang. Ein Nachwort zur Leipziger Feier. Die Anteilnahme des Volkes an der Leipziger Feier war eine imponierende. Vom dämmernden Morgen bis in die Nacht bewegten ſich Hundert- tauſende von Teilnehmern in den Straßen von Leipzig, begeiſtert Anteil nehmend an der großen Er- innerungsfeier. Es war, wie alle Zeugen dieſes hiſtoriſchen Aktes hervorhoben, gleich bewunderungswert, die muſterhafte Ordnung und Disziplin und der herrliche vaterländiſche Geiſt, die ſich in dieſen Maſſen zeigten. Auch die Bundesfreundſchaft, die aufrichtige Sympathie des Volkes für die erſchienenen Vertreter Oeſterreich- Ungarn kamen wiederholt in ſpontanen und ſehr herzlichen Kundgebungen zum Ausdruck. Um ſo auffallender und befremdlicher war eine andere Erſcheinung. Bei der Feier der Denkmalenthüllung wurde in der offiziellen Weiherede des Prä- ſidenten des deutſchen Patriotenbundes Kammerrat Klemens Thieme der Anlaß, der die hervorragendſten Vertreter der erſten Herrſcherhäuſer Europas verſammelt hatte, beiläufig ſo behandelt, als gelte es nicht die Völkerſchlacht bei Leipzig, ſondern irgend ein beliebiges kriegeriſches Ereignis der engeren Geſchichte des Deutſchen Reiches zu feiern. In der Rede des Herrn Thieme, welche bei der eigentlichen Feier die einzige offizielle Feſtrede neben der Erwiderung des Königs von Sachſen aus- machte, verriet nicht eine Silbe eine Erinnerung an die Tatſache, daß es ein öſterreichiſcher Feldherr war, der bei Leipzig die verbündeten Heere als Oberkommandant zum Siege führte und daß Rußland den größten Heeresanteil geſtellt hatte, während unter den Kontingenten der Verbündeten jenes aus dem heutigen Deutſchen Reiche das kleinſte war. Niemand wird den Anteil der Helden jener Zeit ſchmälern wollen, deren Größe und Tapferkeit die preußiſche Kriegs- geſchichte mit vollem Rechte preiſt; mit Dankbarkeit, Verehrung und tiefer, innerer Erhebung gedenkt man auch in Oeſterreich ihrer. Aber gerade da wir willig der Verdienſte der anderen gedenken, berührt es verletzend, daß andere ein hiſtoriſches Recht des Habsburger Reiches ſchmälern wollen, das ſeinen hervorragenden Anteil an einem der größten und ruhmreichſten Er- eigniſſe der europäiſchen Geſchichte feſtlegt. Herr Thieme hat wie ein eiferſüchtiger Provinzler geſprochen und nicht wie der Leiter eines Feſtes, das die großen völker- und ſtaatenvereinigenden Ideen der Leipziger Völkerſchlacht der ganzen Welt vor die Seele rufen ſollte. Es iſt ganz unverſtändlich, wie dieſe Rede in dieſer Form gehalten werden konnte. Wenn ſchon der Vor- ſitzende des deutſchen Patriotenbundes zu einer ſolchen Entgleiſung disponiert war, ſo iſt es nicht klar, warum nicht die ſächſiſche Regierung rechtzeitig Einfluß genommen hat, um dieſe offenkundige Taktloſig- keit zu verhindern. Man vereinigte ſich in Leipzig nicht zu einem Feuerwehrfeſt, ſondern zu einer Begebenheit, die ſchon äußerlich durch die Teilnahme des deutſchen Kaiſers, des öſterreichiſchen Thronfolgers, eines ruſſiſchen Großfürſten, eines ſchwediſchen Prinzen und aller Bundes- fürſten des Deutſchen Reiches als ein Staatsakt gekenn- zeichnet war. Die ſächſiſche Regierung hätte in dieſem Falle doch Mittel und Wege haben müſſen, um dieſem Akte auch jene Form zu geben, die den Geſetzen inter- nationaler Höflichkeit und vor allem ſeinem Geiſte ent- ſprach. Wenn die Oeſterreicher Leipzig nicht tief verletzt und mit den peinlichſten Empfindungen verlaſſen haben, ſo liegt dies daran, daß das deutſche Volk und die deutſchen Fürſten durch die warme Herzlichkeit ihrer Kundgebungen bewieſen, daß ſie mit der geſchehenen Taktloſigkeit nichts zu tun haben und die Leipziger Feier anders auffaſſen als der Herr Kammerrat und ſeine Mitverantwortlichen von Leipzig. Nur dadurch iſt das Feſt zu dem geworden, was es ſein ſollte. Dennoch gebietet es die Würde, es offen zu tadeln, was bei dem Arrangement der offiziellen Feier verſäumt worden iſt. Die Feſtveranſtaltungen des Kartell- verbandes in Leipzig. Der Feſtkommers. (Drahtbericht der „Reichspoſt“.) Leipzig, 19. Oktober. In würdiger Weiſe hat der Kartellverband, ent- ſprechend ſeinen Traditionen und ſeiner Größe, die Jahrhundertfeier in Leipzig begangen. Schon Frei- tag hatten ſich die Vertreter der C. V.-Ver- bindungen von den Univerſitätsſtädten Deutſch- lands, Oeſterreichs und der Schweiz in Leipzig einge- funden und ihre Vorbereitungen zur Feier getroffen. Die Reihe der Veranſtaltungen eröffnete ein großer Feſt- kommers am Samstag abend im Hotel „Stadt Nürn- berg“, der ſich eines wahren Maſſenbeſuches erfreute. Toſender Beifall begrüßte den Einzug der Chargierten, die, achtzig an der Zahl, unter Fanfarenklängen und dem lauten Jubel der Studenten und Gäſte zur Chargierten- tafel zogen. Die großen Lichter im Saale warfen ein Meer von Licht auf den dicht gefüllten Saal, der mit den Hunderten und Hunderten von bunten Mützen, die in ſteter Bewegung in allen Farben durcheinander fluteten, ein feenhaftes Bild dem Auge des Beſchauers bot. Die hübſchen und zahlreichen Damen, welche die Vorgänge im Saale von der Galerie aus beobachteten, bildeten den entzückendſten Rahmen dazu. In Gegenwart des Biſchofs von Dresden, des Bürgermeiſters von Wien und vieler Feſtgäſte ſowie Alter Herren eröffnete der Vorortspräſident Mediziner Moelle den Kommers. Nach Begrüßung der Feſt- gäſte und Verleſung der eingelaufenen Telegramme erhob ſich Bgm. Dr. Richard Weiskirchner und hielt eine begeiſterte Anſprache, in der er u. a. aus- führrte: Gerne bin ich in Ihrem Kreiſe erſchienen, um zu bekunden, daß ich als Wiener Bürgermeiſter die katholiſche deutſche Studentenſchaft Oeſterreichs und Deutſchlands ſchätze und würdige. Vor hundert Jahren, da war es meinem Amtsvorgänger Bgm. Wohlleben von Wien geſtattet, die drei Verbündeten Monarchen, die auf der Verfolgung des großen Korſen begriffen waren, zu begrüßen und ihnen den jubelnden Dank und die Begeiſterung der Stadt Wien, der alten Kaiſerſtadt, zu überbringen. Dem Nachfolger, dem Bürgermeiſter des Jahres 1913, war es vergönnt, heute mit dem großen Völkerſtrome zu ziehen, und ich kam mir vor, als wäre ich bei einer Wallfahrt des deutſchen Volkes zu einem Heiligtume der deutſchen Nation. (Stürmiſcher Beifall.) Und als ich mit der Abordnung des Wiener Gemeinderates vor dem gigantiſchen Monumente ſtand, hinter dem ſich weit das Schlachtfeld von Leipzig dehnte, da erwachte in mir das ſtolze Gefühl: Auch Du biſt ein Deutſcher, auch Deine Vorfahren haben dieſen Boden mit ihrem Blute gedüngt, damit aus dieſem Blute emporſproſſe die Wiedergeburt des deutſchen Volkes. (Neuerlicher, brauſender Beifall.) Es iſt ja Leipzig nicht bloß ein Sieg der Waffen geweſen, ſondern es war das Flammenzeichen der Wieder- geburt deutſcher Ideale, deutſcher Art und deutſcher Sitte. Mit Stolz können wir Donaudeutſche auf unſere Vor- fahren zurückblicken, denn es handelt ſich bei uns Oeſter- reichern nicht bloß um Leipzig. Aſpern, wo Held Karl ſeine Truppen führte, und die deutſchen Bauern Tirols haben Leipzig mit vorbereitet. Nachdem der Bürger- meiſter noch des Feldmarſchalls Schwarzenberg in herr- lichen Worten gedacht hatte, ſchloß er ſeine Rede unter jubelndem Beifall. Auch die Autoritätenrede des Kriegsgerichtsrates Wolff ſowie die Feſtrede des Oberkriegsgerichtsrates Burlege, der die Verdienſte der Oeſter- reicher an der Völkerſchlacht von Leipzig einer be- ſonderen Würdigung unterzog, waren rhetoriſche Meiſter- ſtücke, welche die Zuhörer ſtets von neuem zu Beifalls- ſtürmen hinriſſen. Das Präſidium im inoffiziellen Teil führte Mediziner Stöger (Norika). Der Feſtgottesdienſt und die Auffahrt vor dem Denkmal. (Drahtbericht der „Reichspoſt“.) Leipzig, 19. Oktober. Sonntag um ½10 Uhr vormittags fand ein vom Dresdner Biſchof zelebriertes Hochamt ſamt Tedeum für den Kartellverband ſtatt, an dem auch der König von Sachſen mit ſeinem Bruder und ſeinen Söhnen teilnahm. Um 11 Uhr vormittags erfolgte die Auffahrt zum Sieges- denkmale. Es war ein glanzvoller Zug, der ſich gegen 11 Uhr vormittags zum Denkmal bewegte, ein farbenprächtiges ſtudentiſches Gepränge, wie es der Kartellverband während der Zeit ſeines Beſtandes wohl noch nie ent- faltet hat. Eine Militärkapelle eröffnete die endloſe Wagenreihe und ſpielte hiſtoriſche Märſche. Hinter der Kapelle erſchienen hoch zu Roß drei Chargierte mit der C.-V.-Standarte, denen der prächtig geſchmückte Wagen des Vorortspräſidenten folgte. Und dann kamen die Wagen der Chargierten, hundertſechsundſechzig an der Zahl, begrüßt, umju belt und mit Blumen beworfen von einer vieltauſendköpſigen Menge. Vor dem Siegesdenkmal hielt der Zug, die Studenten entſtiegen den Wagen und nahmen vor dem Denkmal Aufſtellung. Alles leuchtete und flimmerte und in der Sonne blitzten die Schläger, die klingend aus der Scheide fuhren, als der Vorortspräſident Mediziner Moelle am Ende ſeiner begeiſterten Anſprache den Schwur der Treue des Kartellverbands zu Kaiſer und Reich erneuerte und einen herrlichen Kranz vor dem Rieſendenkmal niederlegte. Mit dieſer Kranzniederlegung war die letzte der großen Feſtveranſtaltungen des Kartellverbandes beendet. Die Chargierten beſtiegen wieder die Wagen und verließen unter dem brauſenden Beifall der unüberſehbaren Zuſchauermenge den Feſtplatz. Nachmittags beſuchten die Mitglieder des Kartell- verbandes die Baufachausſtellung. Die Wiener Deputation in Leipzig. Abreiſe nach Breslau. Leipzig, 19. Oktober. Vom Kartellfeſt begab ſich Dr. Weiskirchner am Samstag abends zum Feſtkommers des Leipziger Gauſängerbundes. Im großen Saale des Zoologiſchen Gartens, in dem der Kommers ſtattfand, hatten ſich ſchon vorher die Vizebürgermeiſter Hier- hammer und Hoß mit den in Leipzig befind- lichen Wiener Gemeinderäten eingefunden. Sie waren vom Leipziger Bürgermeiſter Roth empfangen und zur Ehrentafel an der Stirnfront des Saales geleitet worden. Bürgermeiſter Dr. Weiskirchner, der ebenſo wie die Wiener Delegation mit ſtürmiſchem Beifalle begrüßt wurde, betrat unter den Klängen des von zwei Kapellen geſpielten Radetzkymarſches den Saal. Auch ſonſt ſind die Wiener öfters während ihres Auf- enthaltes in Leipzig Gegenſtand beſonderer Aufmerk- ſamkeit geweſen; ſo kam es am Nachmittag, als die Wiener das Rathaus verließen, zu einer ſpontanen Beifallskundgebung des Publikums für die Wiener. Nach einer ſtillen Meſſe, die Profeſſor Gemeinderat Wolny in der katholiſchen Kirche von Leipzig las und der die Mitglieder der Abordnung des Wiener Gemeinderates beiwohnten, fuhr Bürgermeiſter Dr. Weiskirchner mit den Vizebürgermeiſtern und den Gemeinderäten in die Baufachausſtellung, in welcher eben der Prinz-Regent von Bayern weilte. Im öſterreichiſchen Ausſtellungshauſe, und zwar in der Abteilung der Stadt Wien empfing Bürgermeiſter Dr. Weiskirchner den Prinz-Regenten, der den Bürgermeiſter ſehr liebenswürdig begrüßte und bemerkte: Ich habe Wert darauf gelegt, mit der öſter- reichiſchen Abteilung zu beginnen.“ Der Bürgermeiſter geleitete ſodann den Prinz-Regenten durch das öſter- reichiſche Ausſtellungshaus und fand Gelegenheit, ihm die beiden Vizebürgermeiſter Hierhammer und Hoß, die Stadträte Tomola und Baurat Schnei der, die eben zur Stelle befindlichen Gemeinderäte Baron, Philp, Pichler, den Baudirektor Goldemund und Magiſtratsrat Doktor Loderer (die beiden letzteren waren mit der Durch- führung des Arrangements der Wiener Ausſtellung be- traut) vorzuſtellen. Der Bürgermeiſter und die anderen Funktionäre der Gemeinde Wien beſichtigten dann in

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 495, Wien, 20.10.1913, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost495_1913/1>, abgerufen am 21.11.2024.