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Reichspost. Nr. 595, Wien, 24.12.1912.

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Nr. 595 Wien, Montag Reichspost 23. Dezember 1912

[Spaltenumbruch] Norden -- undurchdringlicher Wald und Tundra, im Osten
der Ozean der gelben Gefahr, im Süden das feindliche
Türkentum, im Westen -- das neidische Europa, das immer
bereit ist, uns zu überfallen, bei uns gibt es keine ordent-
liche Kommunikation und keine Grundbedingungen zum
kulturellen, sozialen Leben, wir sind in Gefahr im
Schnaps und Kognak zu ertrinken,
wir
können uns nicht einigen betreffs der Wahl des Reichs-
dumapräsidenten, und sind ringsherum von den inneren
Feinden umgeben, und da verlangen die Herren Schreier,
daß wir uns mit Serbien identifizieren! Warum denn nicht
umgekehrt? Rußland ist vor allem ein
russisches Reich und die russische Zu-
kunfthat sehr wenig Gemeinsames mit
der serbischen Zukunft
".




Die Bedrängnis der Monte-
negriner.

(Von dem Korrespondenten der "Reichspost.")

Die türkischen Truppen haben vor Skutari erheblich
an Terrain gewonnen und sind nördlich bis zu den
Höhen von Kukli
am östlichen Ufer des Sees
vorgerückt.

Infolge der hedrohlichen Lage der montenegrinischen
Armee sahen sich die Serben genötigt,
ihre nördliche Flanke stärker zu decken und sandten in
den letzten Tagen von Durazzo Verstärkungen
nach den Stellungen zwischen Mjed und
Alessio. Der Transport erfolgte durch griechische
Dampfer zur See.

Unter den montenegrinischen Truppen ist
infolge der langdauernden Entbehrungen und
des schlechten Standes der militärischen
Aktionen Disziplinlosigkeit eingerissen; es sind den
schon in den letzten Wochen heimge-
kehrten Milizen
zahlreiche andere aus den
Linien vor Skutari gefolgt. Der Notstand in Monte-
negro macht sich sehr fühlbar.


Der Kommandant von Skutari setzt zeitweilig die
Ausfälle gegen die Montenegriner fort. Diese be-
schränken sich darauf, die Angriffe zurückzuweisen. In
den letzten drei Tagen sind mehrere Bataillone, augeb-
lich für kurze Zeit, in die Heimat entlassen
worden.




Serbische Niederlagen in
Albanien.
(Von dem Korrespondenten der "Reichspost.")


Ueber Antivari kommen Ihrem Korrespondenten
folgende Informationen von zuverlässiger Seite zu:

Die serbischen Truppen, die bei den Ausfällen der
türkischen Garnison von Skutari vor Berdica und Trusci
bereits eingriffen, haben starke Verluste erlitten. Von San
Gioranni di Medua sind allein 350 Verwundte
nach Durazzo gebracht worden. Bei ihrem Rückzug
gerieten 300 Serben in die Sümpfe des
Drin
und wurden hier von den Türten gefangen
genommen.

Eine serbische Proviantkolonne, die unter starker
Bedeckung von Prizrend nach Alessio unterwegs war,
wurde bei Ura Vezirit von den Ljumesen
und Miriditen überfallen, die Begleitmannschaft
getötet und versprengt, der ganze Transport
von den Albanesen genommen.

In Alessio wirkte die Nachricht konsternierend, da
sie zeigt, daß die serbische Kolonne, die an die adriatische
Küste vordrang, abgeschnitten ist.

Auch in Elbasson weht bereits die albanesische
Flagge; die dortige serbische Besatzung hat sich
gegen Osten zurückgezogen.




Das griechisch-türkische Duell.
Die Kämpfe im Epirus.


Amtlich wird gemeldet, daß die Armee im Epirus
in den letzten drei Tagen drei türkische Angriffe "zu-
rückgeschlagen"
hat. Es wurden beträcht-
liche Verstärkungen
abgesandt, um sich
Janinas zu bemächtigen. (Diese Meldung gibt zu,
daß Zekki Pascha gegen die Griechen die Offensive er-
griffen hat und Verstärkungen notwendig wurden. Das
ist wohl eine Bestätigung, daß die Griechen in Be-
drängnis sind.

Vordringen der Griechen bei Koritza.

Die "Agence Havas" meldet aus Saloniki: Die
Griechen, die am 19. d. den Vormarsch angetreten
hatten, forcierten den befestigten Engpaß von Zagoni
sowie die schwierigen Pässe im Morovagebirge. Der
Feind wurde zersprengt und floh panikartig nach
Süden. Die hellenischen Truppen besetzten Koritza.


(Meldung der Agence d'Athenes.)

Das Kriegsministerium veröffentlicht folgende Mit-
teilung: Ein Teil der unter dem Befehle des Generals
[Spaltenumbruch] Damianos stehenden Armee besetzte am 19. d.
nach einem Kampf Koritza. Die Armee rückte
auf drei Straßen vor. Die 6. Division marschierte auf
der für Wagen benützbaren Landstraße, die 5. Division
auf der Straße von Branista-Pliassa und die 3. Divi-
sion auf der Straße von Bamban-Kalpvia. Die türkische
Armee wurde zersprengt und floh nach Süden.

Die türkische Flotte.

Die "Agence Havas" meldet aus Athen vom
heutigen, 5 Uhr nachmittags: Die türkische Flotte ver-
suchte heute, aus den Dardanellen auszufahren.
Torpedoboote (türkische) erschienen vor Tene-
dos, um die Insel zu bombardieren.


Nachts eingelangten Informationen zufolge ist der
Torpedokreuzer "Peik-i-Schefket" heute aus den Meer-
engen ausgelaufen.

Die Griechen auf den Inseln.

(Meldung der "Agence d'Athenes.

Das Marineministerium hat aus Chios folgende,
von heute datierte, Telegramme erhalten: Soeben ist
ein Militärkurier mit der Nachricht eingetroffen, daß
die türkischen Truppen von Mytilene
sich ergeben
haben. Bald darauf meldete
der Kommandant der "Makedonia" mittelst
Funkenspruch: In diesem Augenblicke werden
1700 türkische Gefangene im Hafen von
Molyvos eingeschifft. (Zur selben Zeit erhielt
man in Konstantinopel Berichte von Mohammedanern,
die aus Mytilene in Smyrna eingetroffen sind, wo-
nach der Kommandant der türkischen Garnison in
Mytilene, Ghani Bei, den Kapitulationsvorschlag
des griechischen Kommandanten, mit der Erklärung ab-
gelehnt habe, daß er genug Truppen, Munition und
Proviant habe, um erfolgreich Widerstand zu leisten. D. R.)

Die Pforte und die Autonomie
Albaniens.


Aus Konstantinopel wird gemeldet: Der
österreichisch-ungarische Botschafter Markgraf Palla-
vicini
hat der Pforte den Wortlaut des zwischen
den Mächten des Dreibundes und der Tripelentente ge-
schlossenen Uebereinkommens bezüglich der Autonomie
Albaniens und eines Ausganges Serbiens zu einem
kommerziellen Hafen am Adriatischen Meere mitgeteilt
und den Wunsch geäußert, die Türkei möge die Vor-
bereitung der Regierungsform
des
autonomen Albaniens treffen. Die Pforte hat sich mit
der Selbstverwaltung einverstanden erklärt, weigert sich
jedoch ganz entschieden, die von Albanien verlangte
Unabhängigkeit zu gewähren.



Ein geplanter Anschlag gegen den
König von Italien.
Auftrag zu einem Königsmord.


"Giornale d'Italia" meldet, daß der Anarchist
Henri dal Ferro in San Giovanni in der Provinz
Bologna einen Selbstmordversuch unternahm, weil er,
wie festgestellt wurde, von seinen Genossen den Auftrag
erhalten hatte, den König Viktor Emanuel zu
ermorden.
Sein Zustand ist lebensgefährlich.




Eine neue tschechische Agrarpartei.

Nach Meldungen aus Prag hat Abg. Prasek, der ehe-
malige tschechische Landsmannminister, neuerdings die Grün-
dung einer "unabhängigen tschechischen Agrarpartei" versucht.
Gestern fand in Prag die konstituierende Versammlung statt,
der 1500 Delegierte von 80 landwirtschaftlichen Organisationen
beiwohnten und in der die schärfsten Vorwürfe gegen die
tschechische Politik im Reichsrate und gegen die Führer der
tschechischen Agrarier insbesonders erhoben wurden.




Die armenische Frage.
Ein neuer Reformentwurf.


Der frühere Patriarch Ormanian, der Publizist
Kelekian und zwei andere armenische Notabeln
nahmen über Einladung des Großveziers an einer
Ministerberatung teil. Es wurde der Gesetzent-
wurf, betreffend Reformen in den ostanato-
lischen Provinzen
verlesen, welchen
die Regierung durchzuführen gedenkt, den aber
wie verlautet, die Armenier als undurchführ-
bar
bezeichneten. Es wurde beschlossen, eine Reform-
kommission, die aus einem Europäer, drei Armeniern
und drei Muselmanen bestehen wird, nach Anatolien zu
entsenden.

Der noch nicht veröffentlichte Entwurf, welcher der
von der Pforte vor dem Mürzsteger Programm vor-
geschlagenen Organisation der drei mazedonischen
Vilajets ähnlich ist, wird vorbehaltlich der parlamen-
tarischen Sanktion in den Vilajets Bitlis, Wan, Diar-
bekir und Mamuret ul Asis mittels provisorischen Ge-
setzes zur Anwendung gelangen, bis dort die
Ordnung
wiederhergestellt sein wird.

Der Entwurf bestimmt, daß sämtliche administrativen und
andere Reichsgesetze in den vier Vilajets in Geltung bleiben
sollen, und zieht die Einsetzung einer Spezialkom-
mission
vor, die aus einem Generalinspektor und sechs
Mitglieder, und zwar drei Muselmanen, zwei Armeniern und
einem Chaldäer bestehen soll. An der Spitze der Kommission
wird ein ausländischer Beirat stehen, der mit den
örtlichen Verhältnissen vertraut ist und im Dienste der Türkei
steht. Der von der Pforte ernannte Inspektor wird außer im
Falle ungesetzlicher Handlungen unabsetzbar sein. Die Mit-
glieder der Kommission können nur über Majoritäts-
[Spaltenumbruch] beschluß der Kommission abgesetzt werden. Der Inspektor
kann alle Beamten absetzen mit Ausnahme der durch
Irade ernannten. Die Befugnisse der Kommission umfassen
Schlichtung von Ländereistreitigkeiten zwischen Armeniern und
Kurden, Herstellung der Eintracht zwischen diesen und der Ord-
nung und Gleichheit, Reform der Polizei und der Gendarmerie
und Durchführung allgemein nützlicher Maßregeln. Die Ein-
nahmen der Wilajets aus gewissen Zuschlagssteuern verbleiben
dem Wilajet zur Bestreitung der Ausgaben für Unterricht,
öffentliche Arbeiten und Förderung der Landwirtschaft gemäß
einem aufzustellenden Spezialbudget. Die Dauer der
Funktion des Inspektors beträgt fünf Jahre.

Die Armenier fordern, daß sich die Reformen auch
auf die Vilajets Erzerum und Siwas beziehen
sollen.

Das armenische Patriarchat veröffentlicht eine
Sammlung aller seit 1908 der Pforte überreichten Be-
schwerdenoten des Patriarchats.

Bezüglich der Meldung von der Ernennung des
früheren armenischen Patriarchen Ormanian zum
Bischof der Armenier in Europa mit
dem Sitze in Paris wird festgestellt, daß Ormanian
bisher keine offizielle Verständigung hievon erhalten
habe. Tatsache sei nur, daß der armenische Katholikos
dem hiesigen Patriarchaten hierüber geschrieben habe.




Attentat auf den Vizekönig von
Indien.
Bombenwurf beim Einzug in Delhi. -- Der
Vizekönig verletzt.


Das Reutersche Bureau meldet aus
Delhi: Während der Vizekönig Lord Har-
dinge
seinen Einzug in die neue Hauptstadt
Delhi hielt, wurde vom Dache eines Hauses
eine Bombe geworfen, die
auf den Sitz auf dem Elefanten des Vizekönigs auffiel
und einen seiner Dienertötete.

Der Vizekönig selbst wurde an der Schulter
verletzt und ins Krankenhaus gebracht. Seine
Gemahlin blieb unverletzt.




Der Dank des Prinz-Regenten.
Ein Handschreiben an den Ministerpräsidenten.
-- Der Prinz-Regent für den Fortbestand der
Regentschaft.


Die "Korrespondenz Hoffmann" meldet: Der
Prinz-Regent hat an den Vorsitzenden im
Ministerrate nachstehendes Allerhöchstes Handschreiben
gerichtet:

"Mein lieber Staatsminister Freiherr von Hertling!
Geleitet von Sr. Majestät dem Kaiser, den deutschen Bundes-
fürsten, den Abgesandten der freien Städte und zahlreichen
Vertretern fremder Staaten, unter ergreifenden
Kundgebungen der Liebe und Treue
aus dem
ganzen Lande ist mein hochseliger Herr Vater, weiland Se-
königliche Hoheit Prinz-Regent Luitpold, zu Grabe getragen
worden. Vertreter der gesetzgebenden Körperschaften des Reiches
haben vereint mit den Kammern des bayerischen Landtages
durch ihre Teilnahme an der Trauerfeier bekundet, welche hohe
Verehrung dem entschlafenen Fürsten in weiter en und im engeren
Vaterlande dargebracht worden ist. Bewegten Herzens schaue
ich auf die schweren Tage zurück, welche Gott mir und dem
königlichen Hause auferlegt hat. Die innige Teilnahme, die das
ganze Land ohne Unterschied der Parteien und Stände meinem
Schmerze bezeigt hat, gewährt mir das Gefühl lindernden
Trostes. Mit warmem Danke gedenke ich aller, die aus nah
und fern mir in dieser Zeit der Prüfung beigestanden sind
und die durch Einmütigkeit ihrer Trauer vor der ganzen Welt
Zeugnis für das schöne Verhältnis abgelegt haben,
welches Fürst und Volk in Bayern seit Jahr-
hunderten verbindet.

Aus der Ueberzeugung von der Innigkeit dieses Verhält-
nisses schöpfe ich in dem vertrauensvollen Aufblick zu Gottes
gnädiger Führung die Kraft, das Erbe des Friedens und der
Gerechtigkeit, das mein in Gott ruhender Vater hinterlassen
hat, in Treue zu verwalten. Ich handle in diesem Sinne, wenn
ich im Hinblick auf die Bewegung, die wegen der
Regentschaftsfrage durch die Lande geht,

es als meinen bestimmten Wunsch bezei[ch]ne,
daß zurzeit von irgend welchen
Maßnahmen zur Beendigung der
Regentschaft abgesehen werden wolle.
Es
ist mir jedoch Bedürfnis des Herzens, für die Beweise loyaler
Gesinnung und treuer Ergebenheit, wie sie bei Erörterung
dieser Frage allseitig zutage getreten sind, meinen innigen Dank
zu entbieten.

Ich ersuche Sie, dies zur Kenntnis des Landes zu bringen.

Mit huldvollsten Gesinnungen verbleibe ich Ihr wohl-
geneigter





Der Zusammenstoß zweier
Aviatiker in den Lüften.

Der Aviatiker Delcasse schwer
verletzt.


Der "L. A." meldet aus Paris: Im Aerodrom
von Billacoublay ereignete sich heute nachmittag ein
schreckenerregender und folgenschwerer Unfall. Trotz der
schon hereinbrechenden Dunkelheit kreisten noch sechs
oder sieben Apparate auf dem Flugfelde, darunter

Nr. 595 Wien, Montag Reichspoſt 23. Dezember 1912

[Spaltenumbruch] Norden — undurchdringlicher Wald und Tundra, im Oſten
der Ozean der gelben Gefahr, im Süden das feindliche
Türkentum, im Weſten — das neidiſche Europa, das immer
bereit iſt, uns zu überfallen, bei uns gibt es keine ordent-
liche Kommunikation und keine Grundbedingungen zum
kulturellen, ſozialen Leben, wir ſind in Gefahr im
Schnaps und Kognak zu ertrinken,
wir
können uns nicht einigen betreffs der Wahl des Reichs-
dumapräſidenten, und ſind ringsherum von den inneren
Feinden umgeben, und da verlangen die Herren Schreier,
daß wir uns mit Serbien identifizieren! Warum denn nicht
umgekehrt? Rußland iſt vor allem ein
ruſſiſches Reich und die ruſſiſche Zu-
kunfthat ſehr wenig Gemeinſames mit
der ſerbiſchen Zukunft
“.




Die Bedrängnis der Monte-
negriner.

(Von dem Korreſpondenten der „Reichspoſt.“)

Die türkiſchen Truppen haben vor Skutari erheblich
an Terrain gewonnen und ſind nördlich bis zu den
Höhen von Kukli
am öſtlichen Ufer des Sees
vorgerückt.

Infolge der hedrohlichen Lage der montenegriniſchen
Armee ſahen ſich die Serben genötigt,
ihre nördliche Flanke ſtärker zu decken und ſandten in
den letzten Tagen von Durazzo Verſtärkungen
nach den Stellungen zwiſchen Mjed und
Aleſſio. Der Transport erfolgte durch griechiſche
Dampfer zur See.

Unter den montenegriniſchen Truppen iſt
infolge der langdauernden Entbehrungen und
des ſchlechten Standes der militäriſchen
Aktionen Disziplinloſigkeit eingeriſſen; es ſind den
ſchon in den letzten Wochen heimge-
kehrten Milizen
zahlreiche andere aus den
Linien vor Skutari gefolgt. Der Notſtand in Monte-
negro macht ſich ſehr fühlbar.


Der Kommandant von Skutari ſetzt zeitweilig die
Ausfälle gegen die Montenegriner fort. Dieſe be-
ſchränken ſich darauf, die Angriffe zurückzuweiſen. In
den letzten drei Tagen ſind mehrere Bataillone, augeb-
lich für kurze Zeit, in die Heimat entlaſſen
worden.




Serbiſche Niederlagen in
Albanien.
(Von dem Korreſpondenten der „Reichspoſt.“)


Ueber Antivari kommen Ihrem Korreſpondenten
folgende Informationen von zuverläſſiger Seite zu:

Die ſerbiſchen Truppen, die bei den Ausfällen der
türkiſchen Garniſon von Skutari vor Berdica und Truſci
bereits eingriffen, haben ſtarke Verluſte erlitten. Von San
Gioranni di Medua ſind allein 350 Verwundte
nach Durazzo gebracht worden. Bei ihrem Rückzug
gerieten 300 Serben in die Sümpfe des
Drin
und wurden hier von den Türten gefangen
genommen.

Eine ſerbiſche Proviantkolonne, die unter ſtarker
Bedeckung von Prizrend nach Aleſſio unterwegs war,
wurde bei Ura Vezirit von den Ljumeſen
und Miriditen überfallen, die Begleitmannſchaft
getötet und verſprengt, der ganze Transport
von den Albaneſen genommen.

In Aleſſio wirkte die Nachricht konſternierend, da
ſie zeigt, daß die ſerbiſche Kolonne, die an die adriatiſche
Küſte vordrang, abgeſchnitten iſt.

Auch in Elbaſſon weht bereits die albaneſiſche
Flagge; die dortige ſerbiſche Beſatzung hat ſich
gegen Oſten zurückgezogen.




Das griechiſch-türkiſche Duell.
Die Kämpfe im Epirus.


Amtlich wird gemeldet, daß die Armee im Epirus
in den letzten drei Tagen drei türkiſche Angriffe „zu-
rückgeſchlagen“
hat. Es wurden beträcht-
liche Verſtärkungen
abgeſandt, um ſich
Janinas zu bemächtigen. (Dieſe Meldung gibt zu,
daß Zekki Paſcha gegen die Griechen die Offenſive er-
griffen hat und Verſtärkungen notwendig wurden. Das
iſt wohl eine Beſtätigung, daß die Griechen in Be-
drängnis ſind.

Vordringen der Griechen bei Koritza.

Die „Agence Havas“ meldet aus Saloniki: Die
Griechen, die am 19. d. den Vormarſch angetreten
hatten, forcierten den befeſtigten Engpaß von Zagoni
ſowie die ſchwierigen Päſſe im Morovagebirge. Der
Feind wurde zerſprengt und floh panikartig nach
Süden. Die helleniſchen Truppen beſetzten Koritza.


(Meldung der Agence d’Athènes.)

Das Kriegsminiſterium veröffentlicht folgende Mit-
teilung: Ein Teil der unter dem Befehle des Generals
[Spaltenumbruch] Damianos ſtehenden Armee beſetzte am 19. d.
nach einem Kampf Koritza. Die Armee rückte
auf drei Straßen vor. Die 6. Diviſion marſchierte auf
der für Wagen benützbaren Landſtraße, die 5. Diviſion
auf der Straße von Braniſta-Pliaſſa und die 3. Divi-
ſion auf der Straße von Bamban-Kalpvia. Die türkiſche
Armee wurde zerſprengt und floh nach Süden.

Die türkiſche Flotte.

Die „Agence Havas“ meldet aus Athen vom
heutigen, 5 Uhr nachmittags: Die türkiſche Flotte ver-
ſuchte heute, aus den Dardanellen auszufahren.
Torpedoboote (türkiſche) erſchienen vor Tene-
dos, um die Inſel zu bombardieren.


Nachts eingelangten Informationen zufolge iſt der
Torpedokreuzer „Peik-i-Schefket“ heute aus den Meer-
engen ausgelaufen.

Die Griechen auf den Inſeln.

(Meldung der „Agence d’Athènes.

Das Marineminiſterium hat aus Chios folgende,
von heute datierte, Telegramme erhalten: Soeben iſt
ein Militärkurier mit der Nachricht eingetroffen, daß
die türkiſchen Truppen von Mytilene
ſich ergeben
haben. Bald darauf meldete
der Kommandant der „Makedonia“ mittelſt
Funkenſpruch: In dieſem Augenblicke werden
1700 türkiſche Gefangene im Hafen von
Molyvos eingeſchifft. (Zur ſelben Zeit erhielt
man in Konſtantinopel Berichte von Mohammedanern,
die aus Mytilene in Smyrna eingetroffen ſind, wo-
nach der Kommandant der türkiſchen Garniſon in
Mytilene, Ghani Bei, den Kapitulationsvorſchlag
des griechiſchen Kommandanten, mit der Erklärung ab-
gelehnt habe, daß er genug Truppen, Munition und
Proviant habe, um erfolgreich Widerſtand zu leiſten. D. R.)

Die Pforte und die Autonomie
Albaniens.


Aus Konſtantinopel wird gemeldet: Der
öſterreichiſch-ungariſche Botſchafter Markgraf Palla-
vicini
hat der Pforte den Wortlaut des zwiſchen
den Mächten des Dreibundes und der Tripelentente ge-
ſchloſſenen Uebereinkommens bezüglich der Autonomie
Albaniens und eines Ausganges Serbiens zu einem
kommerziellen Hafen am Adriatiſchen Meere mitgeteilt
und den Wunſch geäußert, die Türkei möge die Vor-
bereitung der Regierungsform
des
autonomen Albaniens treffen. Die Pforte hat ſich mit
der Selbſtverwaltung einverſtanden erklärt, weigert ſich
jedoch ganz entſchieden, die von Albanien verlangte
Unabhängigkeit zu gewähren.



Ein geplanter Anſchlag gegen den
König von Italien.
Auftrag zu einem Königsmord.


„Giornale d’Italia“ meldet, daß der Anarchiſt
Henri dal Ferro in San Giovanni in der Provinz
Bologna einen Selbſtmordverſuch unternahm, weil er,
wie feſtgeſtellt wurde, von ſeinen Genoſſen den Auftrag
erhalten hatte, den König Viktor Emanuel zu
ermorden.
Sein Zuſtand iſt lebensgefährlich.




Eine neue tſchechiſche Agrarpartei.

Nach Meldungen aus Prag hat Abg. Praſek, der ehe-
malige tſchechiſche Landsmannminiſter, neuerdings die Grün-
dung einer „unabhängigen tſchechiſchen Agrarpartei“ verſucht.
Geſtern fand in Prag die konſtituierende Verſammlung ſtatt,
der 1500 Delegierte von 80 landwirtſchaftlichen Organiſationen
beiwohnten und in der die ſchärfſten Vorwürfe gegen die
tſchechiſche Politik im Reichsrate und gegen die Führer der
tſchechiſchen Agrarier insbeſonders erhoben wurden.




Die armeniſche Frage.
Ein neuer Reformentwurf.


Der frühere Patriarch Ormanian, der Publiziſt
Kelekian und zwei andere armeniſche Notabeln
nahmen über Einladung des Großveziers an einer
Miniſterberatung teil. Es wurde der Geſetzent-
wurf, betreffend Reformen in den oſtanato-
liſchen Provinzen
verleſen, welchen
die Regierung durchzuführen gedenkt, den aber
wie verlautet, die Armenier als undurchführ-
bar
bezeichneten. Es wurde beſchloſſen, eine Reform-
kommiſſion, die aus einem Europäer, drei Armeniern
und drei Muſelmanen beſtehen wird, nach Anatolien zu
entſenden.

Der noch nicht veröffentlichte Entwurf, welcher der
von der Pforte vor dem Mürzſteger Programm vor-
geſchlagenen Organiſation der drei mazedoniſchen
Vilajets ähnlich iſt, wird vorbehaltlich der parlamen-
tariſchen Sanktion in den Vilajets Bitlis, Wan, Diar-
bekir und Mamuret ul Aſis mittels proviſoriſchen Ge-
ſetzes zur Anwendung gelangen, bis dort die
Ordnung
wiederhergeſtellt ſein wird.

Der Entwurf beſtimmt, daß ſämtliche adminiſtrativen und
andere Reichsgeſetze in den vier Vilajets in Geltung bleiben
ſollen, und zieht die Einſetzung einer Spezialkom-
miſſion
vor, die aus einem Generalinſpektor und ſechs
Mitglieder, und zwar drei Muſelmanen, zwei Armeniern und
einem Chaldäer beſtehen ſoll. An der Spitze der Kommiſſion
wird ein ausländiſcher Beirat ſtehen, der mit den
örtlichen Verhältniſſen vertraut iſt und im Dienſte der Türkei
ſteht. Der von der Pforte ernannte Inſpektor wird außer im
Falle ungeſetzlicher Handlungen unabſetzbar ſein. Die Mit-
glieder der Kommiſſion können nur über Majoritäts-
[Spaltenumbruch] beſchluß der Kommiſſion abgeſetzt werden. Der Inſpektor
kann alle Beamten abſetzen mit Ausnahme der durch
Iradé ernannten. Die Befugniſſe der Kommiſſion umfaſſen
Schlichtung von Ländereiſtreitigkeiten zwiſchen Armeniern und
Kurden, Herſtellung der Eintracht zwiſchen dieſen und der Ord-
nung und Gleichheit, Reform der Polizei und der Gendarmerie
und Durchführung allgemein nützlicher Maßregeln. Die Ein-
nahmen der Wilajets aus gewiſſen Zuſchlagsſteuern verbleiben
dem Wilajet zur Beſtreitung der Ausgaben für Unterricht,
öffentliche Arbeiten und Förderung der Landwirtſchaft gemäß
einem aufzuſtellenden Spezialbudget. Die Dauer der
Funktion des Inſpektors beträgt fünf Jahre.

Die Armenier fordern, daß ſich die Reformen auch
auf die Vilajets Erzerum und Siwas beziehen
ſollen.

Das armeniſche Patriarchat veröffentlicht eine
Sammlung aller ſeit 1908 der Pforte überreichten Be-
ſchwerdenoten des Patriarchats.

Bezüglich der Meldung von der Ernennung des
früheren armeniſchen Patriarchen Ormanian zum
Biſchof der Armenier in Europa mit
dem Sitze in Paris wird feſtgeſtellt, daß Ormanian
bisher keine offizielle Verſtändigung hievon erhalten
habe. Tatſache ſei nur, daß der armeniſche Katholikos
dem hieſigen Patriarchaten hierüber geſchrieben habe.




Attentat auf den Vizekönig von
Indien.
Bombenwurf beim Einzug in Delhi. — Der
Vizekönig verletzt.


Das Reuterſche Bureau meldet aus
Delhi: Während der Vizekönig Lord Har-
dinge
ſeinen Einzug in die neue Hauptſtadt
Delhi hielt, wurde vom Dache eines Hauſes
eine Bombe geworfen, die
auf den Sitz auf dem Elefanten des Vizekönigs auffiel
und einen ſeiner Dienertötete.

Der Vizekönig ſelbſt wurde an der Schulter
verletzt und ins Krankenhaus gebracht. Seine
Gemahlin blieb unverletzt.




Der Dank des Prinz-Regenten.
Ein Handſchreiben an den Miniſterpräſidenten.
— Der Prinz-Regent für den Fortbeſtand der
Regentſchaft.


Die „Korreſpondenz Hoffmann“ meldet: Der
Prinz-Regent hat an den Vorſitzenden im
Miniſterrate nachſtehendes Allerhöchſtes Handſchreiben
gerichtet:

„Mein lieber Staatsminiſter Freiherr von Hertling!
Geleitet von Sr. Majeſtät dem Kaiſer, den deutſchen Bundes-
fürſten, den Abgeſandten der freien Städte und zahlreichen
Vertretern fremder Staaten, unter ergreifenden
Kundgebungen der Liebe und Treue
aus dem
ganzen Lande iſt mein hochſeliger Herr Vater, weiland Se-
königliche Hoheit Prinz-Regent Luitpold, zu Grabe getragen
worden. Vertreter der geſetzgebenden Körperſchaften des Reiches
haben vereint mit den Kammern des bayeriſchen Landtages
durch ihre Teilnahme an der Trauerfeier bekundet, welche hohe
Verehrung dem entſchlafenen Fürſten in weiter en und im engeren
Vaterlande dargebracht worden iſt. Bewegten Herzens ſchaue
ich auf die ſchweren Tage zurück, welche Gott mir und dem
königlichen Hauſe auferlegt hat. Die innige Teilnahme, die das
ganze Land ohne Unterſchied der Parteien und Stände meinem
Schmerze bezeigt hat, gewährt mir das Gefühl lindernden
Troſtes. Mit warmem Danke gedenke ich aller, die aus nah
und fern mir in dieſer Zeit der Prüfung beigeſtanden ſind
und die durch Einmütigkeit ihrer Trauer vor der ganzen Welt
Zeugnis für das ſchöne Verhältnis abgelegt haben,
welches Fürſt und Volk in Bayern ſeit Jahr-
hunderten verbindet.

Aus der Ueberzeugung von der Innigkeit dieſes Verhält-
niſſes ſchöpfe ich in dem vertrauensvollen Aufblick zu Gottes
gnädiger Führung die Kraft, das Erbe des Friedens und der
Gerechtigkeit, das mein in Gott ruhender Vater hinterlaſſen
hat, in Treue zu verwalten. Ich handle in dieſem Sinne, wenn
ich im Hinblick auf die Bewegung, die wegen der
Regentſchaftsfrage durch die Lande geht,

es als meinen beſtimmten Wunſch bezei[ch]ne,
daß zurzeit von irgend welchen
Maßnahmen zur Beendigung der
Regentſchaft abgeſehen werden wolle.
Es
iſt mir jedoch Bedürfnis des Herzens, für die Beweiſe loyaler
Geſinnung und treuer Ergebenheit, wie ſie bei Erörterung
dieſer Frage allſeitig zutage getreten ſind, meinen innigen Dank
zu entbieten.

Ich erſuche Sie, dies zur Kenntnis des Landes zu bringen.

Mit huldvollſten Geſinnungen verbleibe ich Ihr wohl-
geneigter





Der Zuſammenſtoß zweier
Aviatiker in den Lüften.

Der Aviatiker Delcaſſé ſchwer
verletzt.


Der „L. A.“ meldet aus Paris: Im Aerodrom
von Billacoublay ereignete ſich heute nachmittag ein
ſchreckenerregender und folgenſchwerer Unfall. Trotz der
ſchon hereinbrechenden Dunkelheit kreiſten noch ſechs
oder ſieben Apparate auf dem Flugfelde, darunter

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[3/0003] Nr. 595 Wien, Montag Reichspoſt 23. Dezember 1912 Norden — undurchdringlicher Wald und Tundra, im Oſten der Ozean der gelben Gefahr, im Süden das feindliche Türkentum, im Weſten — das neidiſche Europa, das immer bereit iſt, uns zu überfallen, bei uns gibt es keine ordent- liche Kommunikation und keine Grundbedingungen zum kulturellen, ſozialen Leben, wir ſind in Gefahr im Schnaps und Kognak zu ertrinken, wir können uns nicht einigen betreffs der Wahl des Reichs- dumapräſidenten, und ſind ringsherum von den inneren Feinden umgeben, und da verlangen die Herren Schreier, daß wir uns mit Serbien identifizieren! Warum denn nicht umgekehrt? Rußland iſt vor allem ein ruſſiſches Reich und die ruſſiſche Zu- kunfthat ſehr wenig Gemeinſames mit der ſerbiſchen Zukunft“. Die Bedrängnis der Monte- negriner. (Von dem Korreſpondenten der „Reichspoſt.“) Cattaro, 22. Dezember. Die türkiſchen Truppen haben vor Skutari erheblich an Terrain gewonnen und ſind nördlich bis zu den Höhen von Kukli am öſtlichen Ufer des Sees vorgerückt. Infolge der hedrohlichen Lage der montenegriniſchen Armee ſahen ſich die Serben genötigt, ihre nördliche Flanke ſtärker zu decken und ſandten in den letzten Tagen von Durazzo Verſtärkungen nach den Stellungen zwiſchen Mjed und Aleſſio. Der Transport erfolgte durch griechiſche Dampfer zur See. Unter den montenegriniſchen Truppen iſt infolge der langdauernden Entbehrungen und des ſchlechten Standes der militäriſchen Aktionen Disziplinloſigkeit eingeriſſen; es ſind den ſchon in den letzten Wochen heimge- kehrten Milizen zahlreiche andere aus den Linien vor Skutari gefolgt. Der Notſtand in Monte- negro macht ſich ſehr fühlbar. Rjeka, 21. Dezember. Der Kommandant von Skutari ſetzt zeitweilig die Ausfälle gegen die Montenegriner fort. Dieſe be- ſchränken ſich darauf, die Angriffe zurückzuweiſen. In den letzten drei Tagen ſind mehrere Bataillone, augeb- lich für kurze Zeit, in die Heimat entlaſſen worden. Serbiſche Niederlagen in Albanien. (Von dem Korreſpondenten der „Reichspoſt.“) Cattaro, 23. Dezember. Ueber Antivari kommen Ihrem Korreſpondenten folgende Informationen von zuverläſſiger Seite zu: Die ſerbiſchen Truppen, die bei den Ausfällen der türkiſchen Garniſon von Skutari vor Berdica und Truſci bereits eingriffen, haben ſtarke Verluſte erlitten. Von San Gioranni di Medua ſind allein 350 Verwundte nach Durazzo gebracht worden. Bei ihrem Rückzug gerieten 300 Serben in die Sümpfe des Drin und wurden hier von den Türten gefangen genommen. Eine ſerbiſche Proviantkolonne, die unter ſtarker Bedeckung von Prizrend nach Aleſſio unterwegs war, wurde bei Ura Vezirit von den Ljumeſen und Miriditen überfallen, die Begleitmannſchaft getötet und verſprengt, der ganze Transport von den Albaneſen genommen. In Aleſſio wirkte die Nachricht konſternierend, da ſie zeigt, daß die ſerbiſche Kolonne, die an die adriatiſche Küſte vordrang, abgeſchnitten iſt. Auch in Elbaſſon weht bereits die albaneſiſche Flagge; die dortige ſerbiſche Beſatzung hat ſich gegen Oſten zurückgezogen. Das griechiſch-türkiſche Duell. Die Kämpfe im Epirus. Atheu, 22. Dezember. Amtlich wird gemeldet, daß die Armee im Epirus in den letzten drei Tagen drei türkiſche Angriffe „zu- rückgeſchlagen“ hat. Es wurden beträcht- liche Verſtärkungen abgeſandt, um ſich Janinas zu bemächtigen. (Dieſe Meldung gibt zu, daß Zekki Paſcha gegen die Griechen die Offenſive er- griffen hat und Verſtärkungen notwendig wurden. Das iſt wohl eine Beſtätigung, daß die Griechen in Be- drängnis ſind. Vordringen der Griechen bei Koritza. Paris, 21. Dezember. Die „Agence Havas“ meldet aus Saloniki: Die Griechen, die am 19. d. den Vormarſch angetreten hatten, forcierten den befeſtigten Engpaß von Zagoni ſowie die ſchwierigen Päſſe im Morovagebirge. Der Feind wurde zerſprengt und floh panikartig nach Süden. Die helleniſchen Truppen beſetzten Koritza. Athen, 21. Dezember. (Meldung der Agence d’Athènes.) Das Kriegsminiſterium veröffentlicht folgende Mit- teilung: Ein Teil der unter dem Befehle des Generals Damianos ſtehenden Armee beſetzte am 19. d. nach einem Kampf Koritza. Die Armee rückte auf drei Straßen vor. Die 6. Diviſion marſchierte auf der für Wagen benützbaren Landſtraße, die 5. Diviſion auf der Straße von Braniſta-Pliaſſa und die 3. Divi- ſion auf der Straße von Bamban-Kalpvia. Die türkiſche Armee wurde zerſprengt und floh nach Süden. Die türkiſche Flotte. Paris, 22. Dezember. Die „Agence Havas“ meldet aus Athen vom heutigen, 5 Uhr nachmittags: Die türkiſche Flotte ver- ſuchte heute, aus den Dardanellen auszufahren. Torpedoboote (türkiſche) erſchienen vor Tene- dos, um die Inſel zu bombardieren. Athen, 22. Dezember. Nachts eingelangten Informationen zufolge iſt der Torpedokreuzer „Peik-i-Schefket“ heute aus den Meer- engen ausgelaufen. Die Griechen auf den Inſeln. Athen, 21. (Meldung der „Agence d’Athènes. Das Marineminiſterium hat aus Chios folgende, von heute datierte, Telegramme erhalten: Soeben iſt ein Militärkurier mit der Nachricht eingetroffen, daß die türkiſchen Truppen von Mytilene ſich ergeben haben. Bald darauf meldete der Kommandant der „Makedonia“ mittelſt Funkenſpruch: In dieſem Augenblicke werden 1700 türkiſche Gefangene im Hafen von Molyvos eingeſchifft. (Zur ſelben Zeit erhielt man in Konſtantinopel Berichte von Mohammedanern, die aus Mytilene in Smyrna eingetroffen ſind, wo- nach der Kommandant der türkiſchen Garniſon in Mytilene, Ghani Bei, den Kapitulationsvorſchlag des griechiſchen Kommandanten, mit der Erklärung ab- gelehnt habe, daß er genug Truppen, Munition und Proviant habe, um erfolgreich Widerſtand zu leiſten. D. R.) Die Pforte und die Autonomie Albaniens. Paris, 22. Dezember. (Privat.) Aus Konſtantinopel wird gemeldet: Der öſterreichiſch-ungariſche Botſchafter Markgraf Palla- vicini hat der Pforte den Wortlaut des zwiſchen den Mächten des Dreibundes und der Tripelentente ge- ſchloſſenen Uebereinkommens bezüglich der Autonomie Albaniens und eines Ausganges Serbiens zu einem kommerziellen Hafen am Adriatiſchen Meere mitgeteilt und den Wunſch geäußert, die Türkei möge die Vor- bereitung der Regierungsform des autonomen Albaniens treffen. Die Pforte hat ſich mit der Selbſtverwaltung einverſtanden erklärt, weigert ſich jedoch ganz entſchieden, die von Albanien verlangte Unabhängigkeit zu gewähren. Ein geplanter Anſchlag gegen den König von Italien. Auftrag zu einem Königsmord. Rom, 23. Dezember. „Giornale d’Italia“ meldet, daß der Anarchiſt Henri dal Ferro in San Giovanni in der Provinz Bologna einen Selbſtmordverſuch unternahm, weil er, wie feſtgeſtellt wurde, von ſeinen Genoſſen den Auftrag erhalten hatte, den König Viktor Emanuel zu ermorden. Sein Zuſtand iſt lebensgefährlich. Eine neue tſchechiſche Agrarpartei. Nach Meldungen aus Prag hat Abg. Praſek, der ehe- malige tſchechiſche Landsmannminiſter, neuerdings die Grün- dung einer „unabhängigen tſchechiſchen Agrarpartei“ verſucht. Geſtern fand in Prag die konſtituierende Verſammlung ſtatt, der 1500 Delegierte von 80 landwirtſchaftlichen Organiſationen beiwohnten und in der die ſchärfſten Vorwürfe gegen die tſchechiſche Politik im Reichsrate und gegen die Führer der tſchechiſchen Agrarier insbeſonders erhoben wurden. Die armeniſche Frage. Ein neuer Reformentwurf. Konſtantinopel, 21. Dezember. Der frühere Patriarch Ormanian, der Publiziſt Kelekian und zwei andere armeniſche Notabeln nahmen über Einladung des Großveziers an einer Miniſterberatung teil. Es wurde der Geſetzent- wurf, betreffend Reformen in den oſtanato- liſchen Provinzen verleſen, welchen die Regierung durchzuführen gedenkt, den aber wie verlautet, die Armenier als undurchführ- bar bezeichneten. Es wurde beſchloſſen, eine Reform- kommiſſion, die aus einem Europäer, drei Armeniern und drei Muſelmanen beſtehen wird, nach Anatolien zu entſenden. Der noch nicht veröffentlichte Entwurf, welcher der von der Pforte vor dem Mürzſteger Programm vor- geſchlagenen Organiſation der drei mazedoniſchen Vilajets ähnlich iſt, wird vorbehaltlich der parlamen- tariſchen Sanktion in den Vilajets Bitlis, Wan, Diar- bekir und Mamuret ul Aſis mittels proviſoriſchen Ge- ſetzes zur Anwendung gelangen, bis dort die Ordnung wiederhergeſtellt ſein wird. Der Entwurf beſtimmt, daß ſämtliche adminiſtrativen und andere Reichsgeſetze in den vier Vilajets in Geltung bleiben ſollen, und zieht die Einſetzung einer Spezialkom- miſſion vor, die aus einem Generalinſpektor und ſechs Mitglieder, und zwar drei Muſelmanen, zwei Armeniern und einem Chaldäer beſtehen ſoll. An der Spitze der Kommiſſion wird ein ausländiſcher Beirat ſtehen, der mit den örtlichen Verhältniſſen vertraut iſt und im Dienſte der Türkei ſteht. Der von der Pforte ernannte Inſpektor wird außer im Falle ungeſetzlicher Handlungen unabſetzbar ſein. Die Mit- glieder der Kommiſſion können nur über Majoritäts- beſchluß der Kommiſſion abgeſetzt werden. Der Inſpektor kann alle Beamten abſetzen mit Ausnahme der durch Iradé ernannten. Die Befugniſſe der Kommiſſion umfaſſen Schlichtung von Ländereiſtreitigkeiten zwiſchen Armeniern und Kurden, Herſtellung der Eintracht zwiſchen dieſen und der Ord- nung und Gleichheit, Reform der Polizei und der Gendarmerie und Durchführung allgemein nützlicher Maßregeln. Die Ein- nahmen der Wilajets aus gewiſſen Zuſchlagsſteuern verbleiben dem Wilajet zur Beſtreitung der Ausgaben für Unterricht, öffentliche Arbeiten und Förderung der Landwirtſchaft gemäß einem aufzuſtellenden Spezialbudget. Die Dauer der Funktion des Inſpektors beträgt fünf Jahre. Die Armenier fordern, daß ſich die Reformen auch auf die Vilajets Erzerum und Siwas beziehen ſollen. Das armeniſche Patriarchat veröffentlicht eine Sammlung aller ſeit 1908 der Pforte überreichten Be- ſchwerdenoten des Patriarchats. Bezüglich der Meldung von der Ernennung des früheren armeniſchen Patriarchen Ormanian zum Biſchof der Armenier in Europa mit dem Sitze in Paris wird feſtgeſtellt, daß Ormanian bisher keine offizielle Verſtändigung hievon erhalten habe. Tatſache ſei nur, daß der armeniſche Katholikos dem hieſigen Patriarchaten hierüber geſchrieben habe. Attentat auf den Vizekönig von Indien. Bombenwurf beim Einzug in Delhi. — Der Vizekönig verletzt. London, 23. Dezember. Das Reuterſche Bureau meldet aus Delhi: Während der Vizekönig Lord Har- dinge ſeinen Einzug in die neue Hauptſtadt Delhi hielt, wurde vom Dache eines Hauſes eine Bombe geworfen, die auf den Sitz auf dem Elefanten des Vizekönigs auffiel und einen ſeiner Dienertötete. Der Vizekönig ſelbſt wurde an der Schulter verletzt und ins Krankenhaus gebracht. Seine Gemahlin blieb unverletzt. Der Dank des Prinz-Regenten. Ein Handſchreiben an den Miniſterpräſidenten. — Der Prinz-Regent für den Fortbeſtand der Regentſchaft. München, 23. Dezember. Die „Korreſpondenz Hoffmann“ meldet: Der Prinz-Regent hat an den Vorſitzenden im Miniſterrate nachſtehendes Allerhöchſtes Handſchreiben gerichtet: „Mein lieber Staatsminiſter Freiherr von Hertling! Geleitet von Sr. Majeſtät dem Kaiſer, den deutſchen Bundes- fürſten, den Abgeſandten der freien Städte und zahlreichen Vertretern fremder Staaten, unter ergreifenden Kundgebungen der Liebe und Treue aus dem ganzen Lande iſt mein hochſeliger Herr Vater, weiland Se- königliche Hoheit Prinz-Regent Luitpold, zu Grabe getragen worden. Vertreter der geſetzgebenden Körperſchaften des Reiches haben vereint mit den Kammern des bayeriſchen Landtages durch ihre Teilnahme an der Trauerfeier bekundet, welche hohe Verehrung dem entſchlafenen Fürſten in weiter en und im engeren Vaterlande dargebracht worden iſt. Bewegten Herzens ſchaue ich auf die ſchweren Tage zurück, welche Gott mir und dem königlichen Hauſe auferlegt hat. Die innige Teilnahme, die das ganze Land ohne Unterſchied der Parteien und Stände meinem Schmerze bezeigt hat, gewährt mir das Gefühl lindernden Troſtes. Mit warmem Danke gedenke ich aller, die aus nah und fern mir in dieſer Zeit der Prüfung beigeſtanden ſind und die durch Einmütigkeit ihrer Trauer vor der ganzen Welt Zeugnis für das ſchöne Verhältnis abgelegt haben, welches Fürſt und Volk in Bayern ſeit Jahr- hunderten verbindet. Aus der Ueberzeugung von der Innigkeit dieſes Verhält- niſſes ſchöpfe ich in dem vertrauensvollen Aufblick zu Gottes gnädiger Führung die Kraft, das Erbe des Friedens und der Gerechtigkeit, das mein in Gott ruhender Vater hinterlaſſen hat, in Treue zu verwalten. Ich handle in dieſem Sinne, wenn ich im Hinblick auf die Bewegung, die wegen der Regentſchaftsfrage durch die Lande geht, es als meinen beſtimmten Wunſch bezeichne, daß zurzeit von irgend welchen Maßnahmen zur Beendigung der Regentſchaft abgeſehen werden wolle. Es iſt mir jedoch Bedürfnis des Herzens, für die Beweiſe loyaler Geſinnung und treuer Ergebenheit, wie ſie bei Erörterung dieſer Frage allſeitig zutage getreten ſind, meinen innigen Dank zu entbieten. Ich erſuche Sie, dies zur Kenntnis des Landes zu bringen. Mit huldvollſten Geſinnungen verbleibe ich Ihr wohl- geneigter Ludwig, Prinz-Regent von Bayern München, 22. Dezember 1912.“ Der Zuſammenſtoß zweier Aviatiker in den Lüften. Der Aviatiker Delcaſſé ſchwer verletzt. Berlin, 22. Dezember. (Privat.) Der „L. A.“ meldet aus Paris: Im Aerodrom von Billacoublay ereignete ſich heute nachmittag ein ſchreckenerregender und folgenſchwerer Unfall. Trotz der ſchon hereinbrechenden Dunkelheit kreiſten noch ſechs oder ſieben Apparate auf dem Flugfelde, darunter

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 595, Wien, 24.12.1912, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost595_1912/3>, abgerufen am 24.11.2024.