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[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.

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Des Mercurii geopferte Zungen.

Natal. Com. DEm Mercurio opferte man auch Zungen von dem geschlachteten Viehe/ und dieses war der letzte Theil der Opfer/ welche man in das Feuer warff/ und verbrennete.

Die Uhrsache aber war diese: Daß/ gleichwie Mercurius die Künste und Zierlichkeit im Reden erfunden haben sollte: Also musten auch Ihme zuförderst die Zungen consecriret und gewidmet werden. Wie das Hertze/ so die Zunge. Wer leben will und gute Tage haben/ der schweige seine Zunge/ daß sie nichts Böses rede/ und seine Lippen/ daß sie nicht trügen. Die Natur hat uns zwey Ohren / und zwey Augen/ nur aber einen Mund gegeben/ damit wir viel hören und wenig reden sollen. Sie hat gleichsam die Zunge mit dem Walle der Lippen/ und mit der Decke der Zähne als doppelter Mauer umgeben/ auf daß wir die Worte nicht mit Unbedachtsamkeit heraus Was die Zunge vermöge. drehen mögen. Aut quam minime, aut quam optime. Wenig/ oder sehr gut. Das Schweigen / sagt Pythagoras/ ist die erste Tugend/ und eine heilige und Göttliche Sache.

Proximus ille Deo est, qui scit ratione tacere.

Der ist GOTT am nächsten/ welcher vernünfftig zu schweigen weis. Ein Mensch soll alles hören und sehen/ nicht aber alles nachsagen. Die Aegyptier hatten ihren Abgott Harpocrat/ die Griechen ihre Sigalionem, und die Römer ihre Abgöttin Angeronam voller Augen und Ohren gebildet/ das Maul aber verbunden und versiegelt. Die Rede oder Zunge eines Menschen ist eine Anzeigung seines Hertzens. Vielmahls hat man ein gutes Ansehen/ von Gestalt und Gesicht/ und Gebärden/ als sey man ein geschickter/ kluger und beredter Mann/ wenn aber die Zunge sich herfür thut/ so mercket man den Jäcken/ und erblicket des Midoe Ohren. Ein Lästerer mit seiner Zunge ist nichts bessers/ als eine Schlange / die unbeschworen sticht. Die Schlange hat ihren Gifft in einem Häutlein zu nächst den Zähnen/ so bald sie einen gebissen/ lässet sie ihn in die Wunde. Ein solcher ist nichts anders; denn so bald er mit seiner Zuge geschmähet / gelästert und verleumbdet/ da geust Er das Gifft seines Hertzens mit aus. Die Schlange ist von GOTT verflucht. Die Verleumder und Lästerer sind von GOtt Joh. 8. v. 44. gleichfalls zum Fluch und Greuel gemacht worden. Alle Verleumdungen kommen vom Teufel her/ und die so mit Lügen / Verleumden und Affterreden umgehen/ sind Kinder des Teufels/ nicht eben der Natur nach/ sondern AElian. lib. 8. c. 13. weil sie demselben in solchen Stücken folgen. Die also genannte Acontiae, jaculi oder Pfeil-Schlangen haben diese Art an sich/ daß sie allen Menschen und Thieren hinteristig nachstellen/ nahe an die offenen Strassen und Bäume kriechen/ und sich enge zusammen krümmen/ sobald sie aber den Menschen oder das Vieh ansichtig werden/ springen sie wie ein Pfeil in die Höhe und beschädigen denselben. Der Mensch thut mit seiner bösen Zungen dergleichen. Er findet sich auf den Wegen/ da die meisten Gesellschaff-

Des Mercurii geopferte Zungen.

Natal. Com. DEm Mercurio opferte man auch Zungen von dem geschlachteten Viehe/ und dieses war der letzte Theil der Opfer/ welche man in das Feuer warff/ und verbrennete.

Die Uhrsache aber war diese: Daß/ gleichwie Mercurius die Künste und Zierlichkeit im Reden erfunden haben sollte: Also musten auch Ihme zuförderst die Zungen consecriret und gewidmet werden. Wie das Hertze/ so die Zunge. Wer leben will und gute Tage haben/ der schweige seine Zunge/ daß sie nichts Böses rede/ und seine Lippen/ daß sie nicht trügen. Die Natur hat uns zwey Ohren / und zwey Augen/ nur aber einen Mund gegeben/ damit wir viel hören und wenig reden sollen. Sie hat gleichsam die Zunge mit dem Walle der Lippen/ und mit der Decke der Zähne als doppelter Mauer umgeben/ auf daß wir die Worte nicht mit Unbedachtsamkeit heraus Was die Zunge vermöge. drehen mögen. Aut quàm minimè, aut quàm optimè. Wenig/ oder sehr gut. Das Schweigen / sagt Pythagoras/ ist die erste Tugend/ und eine heilige und Göttliche Sache.

Proximus ille Deo est, qui scit ratione tacere.

Der ist GOTT am nächsten/ welcher vernünfftig zu schweigen weis. Ein Mensch soll alles hören und sehen/ nicht aber alles nachsagen. Die Aegyptier hatten ihren Abgott Harpocrat/ die Griechen ihre Sigalionem, und die Römer ihre Abgöttin Angeronam voller Augen und Ohren gebildet/ das Maul aber verbunden und versiegelt. Die Rede oder Zunge eines Menschen ist eine Anzeigung seines Hertzens. Vielmahls hat man ein gutes Ansehen/ von Gestalt und Gesicht/ und Gebärden/ als sey man ein geschickter/ kluger und beredter Mann/ wenn aber die Zunge sich herfür thut/ so mercket man den Jäcken/ und erblicket des Midoe Ohren. Ein Lästerer mit seiner Zunge ist nichts bessers/ als eine Schlange / die unbeschworen sticht. Die Schlange hat ihren Gifft in einem Häutlein zu nächst den Zähnen/ so bald sie einen gebissen/ lässet sie ihn in die Wunde. Ein solcher ist nichts anders; denn so bald er mit seiner Zuge geschmähet / gelästert und verleumbdet/ da geust Er das Gifft seines Hertzens mit aus. Die Schlange ist von GOTT verflucht. Die Verleumder und Lästerer sind von GOtt Joh. 8. v. 44. gleichfalls zum Fluch und Greuel gemacht worden. Alle Verleumdungen kommen vom Teufel her/ und die so mit Lügen / Verleumden und Affterreden umgehen/ sind Kinder des Teufels/ nicht eben der Natur nach/ sondern AElian. lib. 8. c. 13. weil sie demselben in solchen Stücken folgen. Die also genannte Acontiae, jaculi oder Pfeil-Schlangen haben diese Art an sich/ daß sie allen Menschen und Thieren hinteristig nachstellen/ nahe an die offenen Strassen und Bäume kriechen/ und sich enge zusammen krümmen/ sobald sie aber den Menschen oder das Vieh ansichtig werden/ springen sie wie ein Pfeil in die Höhe und beschädigen denselben. Der Mensch thut mit seiner bösen Zungen dergleichen. Er findet sich auf den Wegen/ da die meisten Gesellschaff-

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        <p>Die Uhrsache aber war diese: Daß/ gleichwie Mercurius die Künste und                      Zierlichkeit im Reden erfunden haben sollte: Also musten auch Ihme zuförderst                      die Zungen consecriret und gewidmet werden. Wie das Hertze/ so die Zunge. Wer                      leben will und gute Tage haben/ der schweige seine Zunge/ daß sie nichts Böses                      rede/ und seine Lippen/ daß sie nicht trügen. Die Natur hat uns zwey Ohren /                      und zwey Augen/ nur aber einen Mund gegeben/ damit wir viel hören und wenig                      reden sollen. Sie hat gleichsam die Zunge mit dem Walle der Lippen/ und mit der                      Decke der Zähne als doppelter Mauer umgeben/ auf daß wir die Worte nicht mit                      Unbedachtsamkeit heraus <note place="right">Was die Zunge vermöge.</note> drehen                      mögen. Aut quàm minimè, aut quàm optimè. Wenig/ oder sehr gut. Das Schweigen /                      sagt Pythagoras/ ist die erste Tugend/ und eine heilige und Göttliche                      Sache.</p>
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        <p>Der ist GOTT am nächsten/ welcher vernünfftig zu schweigen weis. Ein Mensch soll                      alles hören und sehen/ nicht aber alles nachsagen. Die Aegyptier hatten ihren                      Abgott Harpocrat/ die Griechen ihre Sigalionem, und die Römer ihre Abgöttin                      Angeronam voller Augen und Ohren gebildet/ das Maul aber verbunden und                      versiegelt. Die Rede oder Zunge eines Menschen ist eine Anzeigung seines                      Hertzens. Vielmahls hat man ein gutes Ansehen/ von Gestalt und Gesicht/ und                      Gebärden/ als sey man ein geschickter/ kluger und beredter Mann/ wenn aber                      die Zunge sich herfür thut/ so mercket man den Jäcken/ und erblicket des Midoe                      Ohren. Ein Lästerer mit seiner Zunge ist nichts bessers/ als eine Schlange /                      die unbeschworen sticht. Die Schlange hat ihren Gifft in einem Häutlein zu                      nächst den Zähnen/ so bald sie einen gebissen/ lässet sie ihn in die Wunde.                      Ein solcher ist nichts anders; denn so bald er mit seiner Zuge geschmähet /                      gelästert und verleumbdet/ da geust Er das Gifft seines Hertzens mit aus. Die                      Schlange ist von GOTT verflucht. Die Verleumder und Lästerer sind von GOtt <note place="right">Joh. 8. v. 44.</note> gleichfalls zum Fluch und Greuel gemacht                      worden. Alle Verleumdungen kommen vom Teufel her/ und die so mit Lügen /                      Verleumden und Affterreden umgehen/ sind Kinder des Teufels/ nicht eben der                      Natur nach/ sondern <note place="right">AElian. lib. 8. c. 13.</note> weil sie                      demselben in solchen Stücken folgen. Die also genannte Acontiae, jaculi oder                      Pfeil-Schlangen haben diese Art an sich/ daß sie allen Menschen und Thieren                      hinteristig nachstellen/ nahe an die offenen Strassen und Bäume kriechen/ und                      sich enge zusammen krümmen/ sobald sie aber den Menschen oder das Vieh                      ansichtig werden/ springen sie wie ein Pfeil in die Höhe und beschädigen                      denselben. Der Mensch thut mit seiner bösen Zungen dergleichen. Er findet sich                      auf den Wegen/ da die meisten Gesellschaff-
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[415/0449] Des Mercurii geopferte Zungen. DEm Mercurio opferte man auch Zungen von dem geschlachteten Viehe/ und dieses war der letzte Theil der Opfer/ welche man in das Feuer warff/ und verbrennete. Natal. Com. Die Uhrsache aber war diese: Daß/ gleichwie Mercurius die Künste und Zierlichkeit im Reden erfunden haben sollte: Also musten auch Ihme zuförderst die Zungen consecriret und gewidmet werden. Wie das Hertze/ so die Zunge. Wer leben will und gute Tage haben/ der schweige seine Zunge/ daß sie nichts Böses rede/ und seine Lippen/ daß sie nicht trügen. Die Natur hat uns zwey Ohren / und zwey Augen/ nur aber einen Mund gegeben/ damit wir viel hören und wenig reden sollen. Sie hat gleichsam die Zunge mit dem Walle der Lippen/ und mit der Decke der Zähne als doppelter Mauer umgeben/ auf daß wir die Worte nicht mit Unbedachtsamkeit heraus drehen mögen. Aut quàm minimè, aut quàm optimè. Wenig/ oder sehr gut. Das Schweigen / sagt Pythagoras/ ist die erste Tugend/ und eine heilige und Göttliche Sache. Was die Zunge vermöge. Proximus ille Deo est, qui scit ratione tacere. Der ist GOTT am nächsten/ welcher vernünfftig zu schweigen weis. Ein Mensch soll alles hören und sehen/ nicht aber alles nachsagen. Die Aegyptier hatten ihren Abgott Harpocrat/ die Griechen ihre Sigalionem, und die Römer ihre Abgöttin Angeronam voller Augen und Ohren gebildet/ das Maul aber verbunden und versiegelt. Die Rede oder Zunge eines Menschen ist eine Anzeigung seines Hertzens. Vielmahls hat man ein gutes Ansehen/ von Gestalt und Gesicht/ und Gebärden/ als sey man ein geschickter/ kluger und beredter Mann/ wenn aber die Zunge sich herfür thut/ so mercket man den Jäcken/ und erblicket des Midoe Ohren. Ein Lästerer mit seiner Zunge ist nichts bessers/ als eine Schlange / die unbeschworen sticht. Die Schlange hat ihren Gifft in einem Häutlein zu nächst den Zähnen/ so bald sie einen gebissen/ lässet sie ihn in die Wunde. Ein solcher ist nichts anders; denn so bald er mit seiner Zuge geschmähet / gelästert und verleumbdet/ da geust Er das Gifft seines Hertzens mit aus. Die Schlange ist von GOTT verflucht. Die Verleumder und Lästerer sind von GOtt gleichfalls zum Fluch und Greuel gemacht worden. Alle Verleumdungen kommen vom Teufel her/ und die so mit Lügen / Verleumden und Affterreden umgehen/ sind Kinder des Teufels/ nicht eben der Natur nach/ sondern weil sie demselben in solchen Stücken folgen. Die also genannte Acontiae, jaculi oder Pfeil-Schlangen haben diese Art an sich/ daß sie allen Menschen und Thieren hinteristig nachstellen/ nahe an die offenen Strassen und Bäume kriechen/ und sich enge zusammen krümmen/ sobald sie aber den Menschen oder das Vieh ansichtig werden/ springen sie wie ein Pfeil in die Höhe und beschädigen denselben. Der Mensch thut mit seiner bösen Zungen dergleichen. Er findet sich auf den Wegen/ da die meisten Gesellschaff- Joh. 8. v. 44. AElian. lib. 8. c. 13.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/449>, abgerufen am 21.11.2024.