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Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873.

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3. Lieferung.Berlin, 6. März 1873.1. Jahrgang.
Social-politische Blätter
zur
Unterhaltung u Belehrung
für
die deutschen Arbeiter


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Bestellungen
nehmen alle Postanstalten an; in Berlin
wird bei den Zeitungsspediteuren und
dem Verleger, C. Jhring, Dresdener-
straße 84, abonnirt.

[Spaltenumbruch]

Herausgegeben und redigirt
von
W. Hasenclever und W. Hasselmann.

[Spaltenumbruch]

Diese Blätter
erscheinen regelmäßig in Zwischenräumen
von 32 Tagen und kosten pro Quartal
7 1 / 2 Sgr.

[Ende Spaltensatz]


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Die Menschenrechte.

Die Menschenrechte -- gewiß ein herrliches Wort,
und wenn dieselben auch in der Geschichte der Menschheit
nur selten einen bestimmten Ausdruck fanden, so waren doch
fast zu jeder Zeit Männer da, welche dieselben verkündeten,
wenngleich oft genug nach einseitigen Begriffen. Und noch
mehr Menschen lebten immer, welche sie fühlten, die den
Begriff der Menschenrechte in ihr Jnnerstes eingruben und
einzeln darnach handelten, trotzdem die Gewalten und die
Masse selbst den Begriff verloren hatten.

So pflanzte sich der Begriff der Rechte der Menschen
doch immer fort und mehreremals brach über die Welt der
heilige Kampf zur thatsächlichen Erringung derselben.

Daß der Begriff der Menschenrechte zu den verschie-
denen Zeiten auch verschiedenartig gedeutet wurde, liegt auf
der Hand -- die Menschheit mußte sich und muß sich auch
ferner durch verschiedene Phasen zum wahren Menschthum
noch entwickeln. --

Soviel steht fest, daß bei allen Urvölkern immer das
erste Grundprinzip der Menschenrechte, die Gleichheit, wenn
auch nicht ganz, so doch zum größesten Theil, in Geltung
war. Diese Gleichheit bei den Urvölkern hat aber wenig
Bedeutung, da durch die Beschäftigung derselben ein inni-
ges Zusammenleben und Zusammenschaffen nicht vorhanden
sein konnte. Die Urvölker, welche ja auch noch jetzt in
manchen Gegenden lediglich von der Jagd leben, haben
allerdings volle Gleichheit in ihren Rechten und in ihrer Be-
schäftigung und ordnen sich nur bei Kriegsfällen den Häupt-
lingen unter, jedoch ist das gesellschaftliche, menschliche
Zusammenleben so wenig ausgebildet, daß diese Gleichheit
nicht zum Bewußtsein dringt.

Die Menschenrechte haben nur in der Gemein-
samkeit
der Menschen eine Bedeutung.

[Spaltenumbruch]

Ebenso geht es bei den Urvölkern mit der Freiheit.
Keinem anderen Gesetze unterthan, als den Naturgesetzen
und in Ausnahmefällen bei einem Kriegszuge den selbst-
gewählten Häuptlingen, denen aber auch nur in soweit ge-
horcht wurde, als die persönliche Kraft oder Kriegserfahren-
heit derselben es bedingte.

Anders verhielt es sich schon bei den Nomadenvölkern
und bei den im Kulturfortschritte sich befindlichen Acker-
bebauenden.

Es würde allzuweit führen, diese Entwicklung näher
festzustellen, doch liegt dieselbe sicherlich in der Natur des
Menschen, der geschaffen ist zu gemeinsamen Leben und
Treiben, der kein Einzeldasein führen soll und kann. Die
alte heilige Mutter Natur hat dabei ihr gewaltiges Wort
gesprochen.

Bei den Nomaden und Ackerbautreibenden Völkern
also, die zur Gemeinsamkeit durch die Entwicklung
des Menschengeschlechtes übergeführt waren, stellte sich die
Sache schon ganz anders. -- Auf der niederen Stufe der
Entwicklung, auf der sie sich aber befanden, mußte das ge-
meinsame Streben geleitet werden, und Staatsformen und
präzise Gesetze, durch Vereinbarungen getroffen, entstanden.
Die Kräftigsten und Klügsten aber, von dem der wahren
Gemeinsamkeit fremden Egoismus getrieben, wußten sich
die Herrschaft über die Masse in irgend einer Form an-
zueignen. Dieser Egoismus ist herzuleiten aus dem vor-
hergehenden unnatürlichen Einzelleben und Einzelhan-
deln, aus dem vollständigen Mangel an Gemeinsam-
keit während der ersten Perioden der menschlichen Entwick-
lung, trotzdem dort der Form nach die Menschenrechte
wohl bestanden haben. Daß der Eine den Andern beraubte
und todtschlug, beruhte nicht auf diesen Rechten, sondern
auf der kaum aus dem Thierleben entwickelten
Menschheit.
--

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Die Menschenrechte.

Die Menschenrechte — gewiß ein herrliches Wort,
und wenn dieselben auch in der Geschichte der Menschheit
nur selten einen bestimmten Ausdruck fanden, so waren doch
fast zu jeder Zeit Männer da, welche dieselben verkündeten,
wenngleich oft genug nach einseitigen Begriffen. Und noch
mehr Menschen lebten immer, welche sie fühlten, die den
Begriff der Menschenrechte in ihr Jnnerstes eingruben und
einzeln darnach handelten, trotzdem die Gewalten und die
Masse selbst den Begriff verloren hatten.

So pflanzte sich der Begriff der Rechte der Menschen
doch immer fort und mehreremals brach über die Welt der
heilige Kampf zur thatsächlichen Erringung derselben.

Daß der Begriff der Menschenrechte zu den verschie-
denen Zeiten auch verschiedenartig gedeutet wurde, liegt auf
der Hand — die Menschheit mußte sich und muß sich auch
ferner durch verschiedene Phasen zum wahren Menschthum
noch entwickeln. —

Soviel steht fest, daß bei allen Urvölkern immer das
erste Grundprinzip der Menschenrechte, die Gleichheit, wenn
auch nicht ganz, so doch zum größesten Theil, in Geltung
war. Diese Gleichheit bei den Urvölkern hat aber wenig
Bedeutung, da durch die Beschäftigung derselben ein inni-
ges Zusammenleben und Zusammenschaffen nicht vorhanden
sein konnte. Die Urvölker, welche ja auch noch jetzt in
manchen Gegenden lediglich von der Jagd leben, haben
allerdings volle Gleichheit in ihren Rechten und in ihrer Be-
schäftigung und ordnen sich nur bei Kriegsfällen den Häupt-
lingen unter, jedoch ist das gesellschaftliche, menschliche
Zusammenleben so wenig ausgebildet, daß diese Gleichheit
nicht zum Bewußtsein dringt.

Die Menschenrechte haben nur in der Gemein-
samkeit
der Menschen eine Bedeutung.

[Spaltenumbruch]

Ebenso geht es bei den Urvölkern mit der Freiheit.
Keinem anderen Gesetze unterthan, als den Naturgesetzen
und in Ausnahmefällen bei einem Kriegszuge den selbst-
gewählten Häuptlingen, denen aber auch nur in soweit ge-
horcht wurde, als die persönliche Kraft oder Kriegserfahren-
heit derselben es bedingte.

Anders verhielt es sich schon bei den Nomadenvölkern
und bei den im Kulturfortschritte sich befindlichen Acker-
bebauenden.

Es würde allzuweit führen, diese Entwicklung näher
festzustellen, doch liegt dieselbe sicherlich in der Natur des
Menschen, der geschaffen ist zu gemeinsamen Leben und
Treiben, der kein Einzeldasein führen soll und kann. Die
alte heilige Mutter Natur hat dabei ihr gewaltiges Wort
gesprochen.

Bei den Nomaden und Ackerbautreibenden Völkern
also, die zur Gemeinsamkeit durch die Entwicklung
des Menschengeschlechtes übergeführt waren, stellte sich die
Sache schon ganz anders. — Auf der niederen Stufe der
Entwicklung, auf der sie sich aber befanden, mußte das ge-
meinsame Streben geleitet werden, und Staatsformen und
präzise Gesetze, durch Vereinbarungen getroffen, entstanden.
Die Kräftigsten und Klügsten aber, von dem der wahren
Gemeinsamkeit fremden Egoismus getrieben, wußten sich
die Herrschaft über die Masse in irgend einer Form an-
zueignen. Dieser Egoismus ist herzuleiten aus dem vor-
hergehenden unnatürlichen Einzelleben und Einzelhan-
deln, aus dem vollständigen Mangel an Gemeinsam-
keit während der ersten Perioden der menschlichen Entwick-
lung, trotzdem dort der Form nach die Menschenrechte
wohl bestanden haben. Daß der Eine den Andern beraubte
und todtschlug, beruhte nicht auf diesen Rechten, sondern
auf der kaum aus dem Thierleben entwickelten
Menschheit.

[Ende Spaltensatz]
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[[49]/0001] 3. Lieferung.Berlin, 6. März 1873.1. Jahrgang. Social-politische Blätter zur Unterhaltung u Belehrung für die deutschen Arbeiter Bestellungen nehmen alle Postanstalten an; in Berlin wird bei den Zeitungsspediteuren und dem Verleger, C. Jhring, Dresdener- straße 84, abonnirt. Herausgegeben und redigirt von W. Hasenclever und W. Hasselmann. Diese Blätter erscheinen regelmäßig in Zwischenräumen von 32 Tagen und kosten pro Quartal 7 1 / 2 Sgr. Die Menschenrechte. Die Menschenrechte — gewiß ein herrliches Wort, und wenn dieselben auch in der Geschichte der Menschheit nur selten einen bestimmten Ausdruck fanden, so waren doch fast zu jeder Zeit Männer da, welche dieselben verkündeten, wenngleich oft genug nach einseitigen Begriffen. Und noch mehr Menschen lebten immer, welche sie fühlten, die den Begriff der Menschenrechte in ihr Jnnerstes eingruben und einzeln darnach handelten, trotzdem die Gewalten und die Masse selbst den Begriff verloren hatten. So pflanzte sich der Begriff der Rechte der Menschen doch immer fort und mehreremals brach über die Welt der heilige Kampf zur thatsächlichen Erringung derselben. Daß der Begriff der Menschenrechte zu den verschie- denen Zeiten auch verschiedenartig gedeutet wurde, liegt auf der Hand — die Menschheit mußte sich und muß sich auch ferner durch verschiedene Phasen zum wahren Menschthum noch entwickeln. — Soviel steht fest, daß bei allen Urvölkern immer das erste Grundprinzip der Menschenrechte, die Gleichheit, wenn auch nicht ganz, so doch zum größesten Theil, in Geltung war. Diese Gleichheit bei den Urvölkern hat aber wenig Bedeutung, da durch die Beschäftigung derselben ein inni- ges Zusammenleben und Zusammenschaffen nicht vorhanden sein konnte. Die Urvölker, welche ja auch noch jetzt in manchen Gegenden lediglich von der Jagd leben, haben allerdings volle Gleichheit in ihren Rechten und in ihrer Be- schäftigung und ordnen sich nur bei Kriegsfällen den Häupt- lingen unter, jedoch ist das gesellschaftliche, menschliche Zusammenleben so wenig ausgebildet, daß diese Gleichheit nicht zum Bewußtsein dringt. Die Menschenrechte haben nur in der Gemein- samkeit der Menschen eine Bedeutung. Ebenso geht es bei den Urvölkern mit der Freiheit. Keinem anderen Gesetze unterthan, als den Naturgesetzen und in Ausnahmefällen bei einem Kriegszuge den selbst- gewählten Häuptlingen, denen aber auch nur in soweit ge- horcht wurde, als die persönliche Kraft oder Kriegserfahren- heit derselben es bedingte. Anders verhielt es sich schon bei den Nomadenvölkern und bei den im Kulturfortschritte sich befindlichen Acker- bebauenden. Es würde allzuweit führen, diese Entwicklung näher festzustellen, doch liegt dieselbe sicherlich in der Natur des Menschen, der geschaffen ist zu gemeinsamen Leben und Treiben, der kein Einzeldasein führen soll und kann. Die alte heilige Mutter Natur hat dabei ihr gewaltiges Wort gesprochen. Bei den Nomaden und Ackerbautreibenden Völkern also, die zur Gemeinsamkeit durch die Entwicklung des Menschengeschlechtes übergeführt waren, stellte sich die Sache schon ganz anders. — Auf der niederen Stufe der Entwicklung, auf der sie sich aber befanden, mußte das ge- meinsame Streben geleitet werden, und Staatsformen und präzise Gesetze, durch Vereinbarungen getroffen, entstanden. Die Kräftigsten und Klügsten aber, von dem der wahren Gemeinsamkeit fremden Egoismus getrieben, wußten sich die Herrschaft über die Masse in irgend einer Form an- zueignen. Dieser Egoismus ist herzuleiten aus dem vor- hergehenden unnatürlichen Einzelleben und Einzelhan- deln, aus dem vollständigen Mangel an Gemeinsam- keit während der ersten Perioden der menschlichen Entwick- lung, trotzdem dort der Form nach die Menschenrechte wohl bestanden haben. Daß der Eine den Andern beraubte und todtschlug, beruhte nicht auf diesen Rechten, sondern auf der kaum aus dem Thierleben entwickelten Menschheit. —

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873, S. [49]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873/1>, abgerufen am 21.11.2024.