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Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 63
[Beginn Spaltensatz]

-- So zornig war sie? Sie trotzte dem Tode? Jch bin
ganz erschrocken.

-- Jch sah da, so deutlich, wie ich Euch sehe, die Augen
des Ritters blutroth werden und den Schaum auf seine Lippen
treten. Er stürzte sich auf seine Frau, gab ihr einen Faustschlag
in das Gesicht, trat sie auf den Leib und stieß sie nieder. Sie
war so wüthend wie er, hörte nicht auf, ihn zu schimpfen und
versuchte es sogar, ihn zu beißen, als er ihr mit beiden Knieen
auf der Brust kniete. Endlich schnürte er ihr den Hals zwischen
seinen beiden gewaltigen Fäusten so zusammen, daß sie blau im
Gesicht wurde. So erwürgte er sie, und dann ging er mit
Martine zu Bette.

-- Hilda, so wird es mir eines Tages auch ergehen.

Und Ortrun, die am ganzen Körper zitterte, ließ den Kopf
auf die Brust sinken.

-- Ach, edle Frau, Jhr dürft Euch nicht also beunruhigen.
So lange Jhr guter Hoffnung seid, habt Jhr nichts zu fürchten.
Der Herr wird doch nicht sein Weib und sein Kind zu gleicher
Zeit tödten wollen.

-- Aber wenn das Kind geboren ist, werde ich ermordet
werden wie Wisigarde.

-- Das wird freilich von der Laune des Herrn abhängen.
Vielleicht verstößt er Euch auch und schickt Euch zu Euren Eltern
zurück, wie er seine andern Frauen, die er nicht ermordete, zu-
rückgeschickt hat.

-- Ach, Hilda, wenn doch der liebe Gott wollte, der Ritter
schickte mich zu meiner Familie zurück. Ach, daß mich Olaf auf
der Reise in Dänemark sah! Wäre ich doch unter den Meinigen
gestorben. Jch wäre ohne Qual gestorben. Nun, da ich den
gewaltsamen Tod Wisigardes kenne, wird mein Leben nur noch
eine Qual sein.

-- Jhr hättet es ablehnen müssen, den Ritter zu heirathen.

-- Das habe ich nicht gewagt. -- Ach, er wird mich tödten
er wird mich tödten.

-- Warum sollte er Euch tödten? Jhr sagt ja kein Wort,
was er auch spricht oder thut. Er mißbraucht uns Dienerinnen,
da er der Herr ist, und Jhr beklagt Euch nicht, Jhr verlasset
kaum je das Zimmer, außer um einen Spaziergang an den
Wällen der Burg zu machen. Warum sollte er Euch tödten?

-- Wenn er betrunken ist, verliert er ganz den Verstand.

-- Diese Gefahr freilich besteht.

-- Und sie besteht alle Tage, da er alle Tage betrunken ist.

-- Was ist da zu thun?

-- Ach, warum bin ich in das ferne Land gekommen, wo
ich wie eine Fremde lebe?

Nachdem sie lange in traurigen Gedanken dagesessen hatte,
sprach Ortrun:

-- Hilda?

-- Edle Frau.

-- Jhr Alle hasset mich nicht?

-- Nein, edle Frau, Jhr seid nicht boshaft wie Wisi-
garde;.. Jhr schlaget, Jhr beißet uns nicht.

-- Hilda....

-- Edle Frau.. Jhr schweiget und werdet roth wie eine
glühende Kohle, während Jhr immer so blas seid?

-- Weil ich es nicht wage, Dir es zu sagen... Aber
höre.. Du bist.. eine der Beischläferinnen des Herrn.

-- Jch muß es wohl, wenn ich auch nicht will. Trotz
meines Widerwillens theile ich lieber sein Lager, wenn er es
befiehlt, als mich peitschen zu lassen oder die Mühle zu drehen.
Jch werde auch im Hause beschäftigt, was minder beschwerlich
ist, als auf dem Felde zu arbeiten.

Jch weiß, ich weiß, darum tadle ich Dich auch nicht; aber
[Spaltenumbruch] antworte mir, ohne zu lügen. Suchst Du den Ritter gegen mich
aufzureizen, wenn Du bei ihm bist? Manche Dienerinnen thaten
das und führten den Tod ihrer Herrinnen herbei, um selbst die
Frauen ihres Herrn zu werden.

-- Jch habe einen so großen Abschen vor ihm, edle Frau,
daß ich die Zähne nur auseinander mache, um ja oder nein zu
antworten, wenn er mich fragt. Uebrigens nimmt er mich fast
stets in der Trunkenheit mit, und dann spricht er kaum mit mir.
Jch habe demnach weder Lust noch Gelegenheit, Böses von Euch
zu sagen.

-- Jst das wahr, Hilda?

-- Gewiß, edle Frau.

-- Jch möchte Dir wohl etwas schenken, aber mein Herr
giebt mir kein Geld, und als Brautgeschenk hat er mir die Klei-
der und Schmucksachen seiner vierten Frau, Wisigarde, gegeben.
Jeden Tag muß ich sie ihm zeigen, und er zählt sie. Jch habe
Dir also nichts zu geben, Hilda, als meine Freundschaft, wenn
Du mir versprichst, den Ritter nicht gegen mich zu reizen.

-- Wenn ich das thun wollte, müßte ich ein schlechtes Herz
haben.

-- Ach, Hilda, ich wollte, ich wäre an Deiner Stelle.

-- Jhr, die Frau eines Ritters, wünschtet Leibeigene
zu sein?

-- Dich wird er nicht tödten.

-- Er wird mich tödten, wie eine andere, wenn er Lust dazu
bekommt.

-- Jhr, edle Frau, habt doch unterdeß schöne Kleider, rei-
chen Schmuck, Dienerinnen zu Eurer Aufwartung und endlich
seid Jhr frei.

-- Jch komme nicht aus der Burg.

-- Weil Jhr nicht wollt. Wisigarde ritt und jagte. Jhr
hättet sie sehen sollen auf ihrem schwarzen Roß in dem purpur-
nen Kleide und den Falken auf der Faust. Wenn sie auch jung
gestorben ist, sie hat wenigstens die Zeit nicht dazu benutzt, sich
zu bekümmern und zu grämen. Jhr aber, edle Frau, spinnt und
seht durch das Fenster nach dem Himmel oder weint.. Was
ist das für ein Leben!

-- Ach, ich denke immer an meine Heimath, an meine Eltern,
die so weit entfernt sind.

-- Wisigarde grämte sich nicht so; sie aß und trank beinahe so
viel, wie der Ritter.

-- Mir und meinem Vater hatte er immer gesagt, sie sei
verunglückt. Du hast also wirklich gesehen, daß er sie todt
machte?

-- Ja, edle Frau, mit einem Fußtritte warf er sie nieder,
hier an diesem Pfeiler und dann..

-- Was ist Dir?

-- Hört Jhr, edle Frau?

-- Was?

-- Man geht drüben in dem Zimmer des Herrn.

-- Ach, er ist es.

-- Ja, edle Frau, es ist sein Tritt.

-- O, wie ich mich fürchte!

Es war Olaf.. Der Wein, den er in Menge getrunken
hatte, um seine Furcht vor dem Teufel zu betäuben, hatte ihn
in eine Trunkenheit gebracht, die so ziemlich vollständig war.
Auch schwankte er stark, als er zu seiner Frau hineintrat. Als
die Dienerinnen ihren Herrn erblickten, standen sie in Furcht und
Angst auf. Ortrun zitterte so sehr, daß sie sich kaum erheben
konnte, so schwach war sie. Der Ritter blieb einen Augenblick
auf der Thürschwelle stehen und blickte halb stumpf, halb begehr-
lich auf die Leibeigenen, dann sagte er zu der Vertrauten seiner
Frau:

[Ende Spaltensatz]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 63
[Beginn Spaltensatz]

— So zornig war sie? Sie trotzte dem Tode? Jch bin
ganz erschrocken.

— Jch sah da, so deutlich, wie ich Euch sehe, die Augen
des Ritters blutroth werden und den Schaum auf seine Lippen
treten. Er stürzte sich auf seine Frau, gab ihr einen Faustschlag
in das Gesicht, trat sie auf den Leib und stieß sie nieder. Sie
war so wüthend wie er, hörte nicht auf, ihn zu schimpfen und
versuchte es sogar, ihn zu beißen, als er ihr mit beiden Knieen
auf der Brust kniete. Endlich schnürte er ihr den Hals zwischen
seinen beiden gewaltigen Fäusten so zusammen, daß sie blau im
Gesicht wurde. So erwürgte er sie, und dann ging er mit
Martine zu Bette.

— Hilda, so wird es mir eines Tages auch ergehen.

Und Ortrun, die am ganzen Körper zitterte, ließ den Kopf
auf die Brust sinken.

— Ach, edle Frau, Jhr dürft Euch nicht also beunruhigen.
So lange Jhr guter Hoffnung seid, habt Jhr nichts zu fürchten.
Der Herr wird doch nicht sein Weib und sein Kind zu gleicher
Zeit tödten wollen.

— Aber wenn das Kind geboren ist, werde ich ermordet
werden wie Wisigarde.

— Das wird freilich von der Laune des Herrn abhängen.
Vielleicht verstößt er Euch auch und schickt Euch zu Euren Eltern
zurück, wie er seine andern Frauen, die er nicht ermordete, zu-
rückgeschickt hat.

— Ach, Hilda, wenn doch der liebe Gott wollte, der Ritter
schickte mich zu meiner Familie zurück. Ach, daß mich Olaf auf
der Reise in Dänemark sah! Wäre ich doch unter den Meinigen
gestorben. Jch wäre ohne Qual gestorben. Nun, da ich den
gewaltsamen Tod Wisigardes kenne, wird mein Leben nur noch
eine Qual sein.

— Jhr hättet es ablehnen müssen, den Ritter zu heirathen.

— Das habe ich nicht gewagt. — Ach, er wird mich tödten
er wird mich tödten.

— Warum sollte er Euch tödten? Jhr sagt ja kein Wort,
was er auch spricht oder thut. Er mißbraucht uns Dienerinnen,
da er der Herr ist, und Jhr beklagt Euch nicht, Jhr verlasset
kaum je das Zimmer, außer um einen Spaziergang an den
Wällen der Burg zu machen. Warum sollte er Euch tödten?

— Wenn er betrunken ist, verliert er ganz den Verstand.

— Diese Gefahr freilich besteht.

— Und sie besteht alle Tage, da er alle Tage betrunken ist.

— Was ist da zu thun?

— Ach, warum bin ich in das ferne Land gekommen, wo
ich wie eine Fremde lebe?

Nachdem sie lange in traurigen Gedanken dagesessen hatte,
sprach Ortrun:

— Hilda?

— Edle Frau.

— Jhr Alle hasset mich nicht?

— Nein, edle Frau, Jhr seid nicht boshaft wie Wisi-
garde;.. Jhr schlaget, Jhr beißet uns nicht.

— Hilda....

— Edle Frau.. Jhr schweiget und werdet roth wie eine
glühende Kohle, während Jhr immer so blas seid?

— Weil ich es nicht wage, Dir es zu sagen... Aber
höre.. Du bist.. eine der Beischläferinnen des Herrn.

— Jch muß es wohl, wenn ich auch nicht will. Trotz
meines Widerwillens theile ich lieber sein Lager, wenn er es
befiehlt, als mich peitschen zu lassen oder die Mühle zu drehen.
Jch werde auch im Hause beschäftigt, was minder beschwerlich
ist, als auf dem Felde zu arbeiten.

Jch weiß, ich weiß, darum tadle ich Dich auch nicht; aber
[Spaltenumbruch] antworte mir, ohne zu lügen. Suchst Du den Ritter gegen mich
aufzureizen, wenn Du bei ihm bist? Manche Dienerinnen thaten
das und führten den Tod ihrer Herrinnen herbei, um selbst die
Frauen ihres Herrn zu werden.

— Jch habe einen so großen Abschen vor ihm, edle Frau,
daß ich die Zähne nur auseinander mache, um ja oder nein zu
antworten, wenn er mich fragt. Uebrigens nimmt er mich fast
stets in der Trunkenheit mit, und dann spricht er kaum mit mir.
Jch habe demnach weder Lust noch Gelegenheit, Böses von Euch
zu sagen.

— Jst das wahr, Hilda?

— Gewiß, edle Frau.

— Jch möchte Dir wohl etwas schenken, aber mein Herr
giebt mir kein Geld, und als Brautgeschenk hat er mir die Klei-
der und Schmucksachen seiner vierten Frau, Wisigarde, gegeben.
Jeden Tag muß ich sie ihm zeigen, und er zählt sie. Jch habe
Dir also nichts zu geben, Hilda, als meine Freundschaft, wenn
Du mir versprichst, den Ritter nicht gegen mich zu reizen.

— Wenn ich das thun wollte, müßte ich ein schlechtes Herz
haben.

— Ach, Hilda, ich wollte, ich wäre an Deiner Stelle.

— Jhr, die Frau eines Ritters, wünschtet Leibeigene
zu sein?

— Dich wird er nicht tödten.

— Er wird mich tödten, wie eine andere, wenn er Lust dazu
bekommt.

— Jhr, edle Frau, habt doch unterdeß schöne Kleider, rei-
chen Schmuck, Dienerinnen zu Eurer Aufwartung und endlich
seid Jhr frei.

— Jch komme nicht aus der Burg.

— Weil Jhr nicht wollt. Wisigarde ritt und jagte. Jhr
hättet sie sehen sollen auf ihrem schwarzen Roß in dem purpur-
nen Kleide und den Falken auf der Faust. Wenn sie auch jung
gestorben ist, sie hat wenigstens die Zeit nicht dazu benutzt, sich
zu bekümmern und zu grämen. Jhr aber, edle Frau, spinnt und
seht durch das Fenster nach dem Himmel oder weint.. Was
ist das für ein Leben!

— Ach, ich denke immer an meine Heimath, an meine Eltern,
die so weit entfernt sind.

— Wisigarde grämte sich nicht so; sie aß und trank beinahe so
viel, wie der Ritter.

— Mir und meinem Vater hatte er immer gesagt, sie sei
verunglückt. Du hast also wirklich gesehen, daß er sie todt
machte?

— Ja, edle Frau, mit einem Fußtritte warf er sie nieder,
hier an diesem Pfeiler und dann..

— Was ist Dir?

— Hört Jhr, edle Frau?

— Was?

— Man geht drüben in dem Zimmer des Herrn.

— Ach, er ist es.

— Ja, edle Frau, es ist sein Tritt.

— O, wie ich mich fürchte!

Es war Olaf.. Der Wein, den er in Menge getrunken
hatte, um seine Furcht vor dem Teufel zu betäuben, hatte ihn
in eine Trunkenheit gebracht, die so ziemlich vollständig war.
Auch schwankte er stark, als er zu seiner Frau hineintrat. Als
die Dienerinnen ihren Herrn erblickten, standen sie in Furcht und
Angst auf. Ortrun zitterte so sehr, daß sie sich kaum erheben
konnte, so schwach war sie. Der Ritter blieb einen Augenblick
auf der Thürschwelle stehen und blickte halb stumpf, halb begehr-
lich auf die Leibeigenen, dann sagte er zu der Vertrauten seiner
Frau:

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Trotz meines Widerwillens theile ich lieber sein Lager, wenn er es befiehlt, als mich peitschen zu lassen oder die Mühle zu drehen. Jch werde auch im Hause beschäftigt, was minder beschwerlich ist, als auf dem Felde zu arbeiten. Jch weiß, ich weiß, darum tadle ich Dich auch nicht; aber antworte mir, ohne zu lügen. Suchst Du den Ritter gegen mich aufzureizen, wenn Du bei ihm bist? Manche Dienerinnen thaten das und führten den Tod ihrer Herrinnen herbei, um selbst die Frauen ihres Herrn zu werden. — Jch habe einen so großen Abschen vor ihm, edle Frau, daß ich die Zähne nur auseinander mache, um ja oder nein zu antworten, wenn er mich fragt. Uebrigens nimmt er mich fast stets in der Trunkenheit mit, und dann spricht er kaum mit mir. Jch habe demnach weder Lust noch Gelegenheit, Böses von Euch zu sagen. — Jst das wahr, Hilda? — Gewiß, edle Frau. — Jch möchte Dir wohl etwas schenken, aber mein Herr giebt mir kein Geld, und als Brautgeschenk hat er mir die Klei- der und Schmucksachen seiner vierten Frau, Wisigarde, gegeben. Jeden Tag muß ich sie ihm zeigen, und er zählt sie. Jch habe Dir also nichts zu geben, Hilda, als meine Freundschaft, wenn Du mir versprichst, den Ritter nicht gegen mich zu reizen. — Wenn ich das thun wollte, müßte ich ein schlechtes Herz haben. — Ach, Hilda, ich wollte, ich wäre an Deiner Stelle. — Jhr, die Frau eines Ritters, wünschtet Leibeigene zu sein? — Dich wird er nicht tödten. — Er wird mich tödten, wie eine andere, wenn er Lust dazu bekommt. — Jhr, edle Frau, habt doch unterdeß schöne Kleider, rei- chen Schmuck, Dienerinnen zu Eurer Aufwartung und endlich seid Jhr frei. — Jch komme nicht aus der Burg. — Weil Jhr nicht wollt. Wisigarde ritt und jagte. Jhr hättet sie sehen sollen auf ihrem schwarzen Roß in dem purpur- nen Kleide und den Falken auf der Faust. Wenn sie auch jung gestorben ist, sie hat wenigstens die Zeit nicht dazu benutzt, sich zu bekümmern und zu grämen. Jhr aber, edle Frau, spinnt und seht durch das Fenster nach dem Himmel oder weint.. Was ist das für ein Leben! — Ach, ich denke immer an meine Heimath, an meine Eltern, die so weit entfernt sind. — Wisigarde grämte sich nicht so; sie aß und trank beinahe so viel, wie der Ritter. — Mir und meinem Vater hatte er immer gesagt, sie sei verunglückt. Du hast also wirklich gesehen, daß er sie todt machte? — Ja, edle Frau, mit einem Fußtritte warf er sie nieder, hier an diesem Pfeiler und dann.. — Was ist Dir? — Hört Jhr, edle Frau? — Was? — Man geht drüben in dem Zimmer des Herrn. — Ach, er ist es. — Ja, edle Frau, es ist sein Tritt. — O, wie ich mich fürchte! Es war Olaf.. Der Wein, den er in Menge getrunken hatte, um seine Furcht vor dem Teufel zu betäuben, hatte ihn in eine Trunkenheit gebracht, die so ziemlich vollständig war. Auch schwankte er stark, als er zu seiner Frau hineintrat. Als die Dienerinnen ihren Herrn erblickten, standen sie in Furcht und Angst auf. Ortrun zitterte so sehr, daß sie sich kaum erheben konnte, so schwach war sie. Der Ritter blieb einen Augenblick auf der Thürschwelle stehen und blickte halb stumpf, halb begehr- lich auf die Leibeigenen, dann sagte er zu der Vertrauten seiner Frau:

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873/15>, abgerufen am 24.11.2024.