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Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 81
[Beginn Spaltensatz] nähert, weil sie die Spottreden des Günstlings gehört hatten,
murmelten ziemlich laut mit wilden Blicken:

-- Wir leiden es nicht, daß man Olaf verspotte.

-- Am Glanze des Stahls erkennt man nicht die Härte.

Einer der Leute des Prinzen drehte sich nach seinen Ge-
fährten um und sagte, indem er mit der Lanzenspitze auf die
Leute des Ritters deutete:

-- Sind das Ackerknechte, die man als Krieger ausstaffirt
hat? Oder sind es Krieger, die man zu Ackerknechten ge-
macht hat?

Die Begleiter des Prinzen erwiderten diesen Scherz mit
lautem Lachen; schon sah man einander herausfordernd an, als
der Bischof Woldemar sprach:

-- Meine lieben Söhne in Christo, ich, Euer Bischof und
geistlicher Vater, fordere Euch auf zur Ruhe und zum Frieden.

-- Ritter, sagte Kanut heiter zu Olaf, sei auf Deiner Hut
vor diesem üppigen und heuchlerischen Bischof. Laß ihn nie
allein mit Deiner Frau, denn, so fromm er ist, er würde von
der Venus der Heiden mit ihr reden, nicht aber mir ihr beten.

-- Jch bin zwar der Diener des Sohnes unseres glor-
reichen Königs, als Bischof habe ich aber Anspruch auf Deine
Achtung.

-- Du hast Recht, weil Jhr Bischöfe jetzt fast Könige seid,
und namentlich so reich seid wie wir Könige.

-- Du sprichst von der Macht und dem Reichthum der
Bischöfe. Vergissest Du, daß unsere Macht die Macht Gottes
des Herrn und unser Reichthum das Gut der Armen ist?

-- Diesmal sprichst Du wahrhaftig die Wahrheit. Ja,
Euer Reichthum ist das Gut der Armen, das Jhr in Euren
Sack gesteckt habt.

-- Glorreicher Prinz, ich habe Dich bis zur Burg meines
Sohnes in Christo, des Ritters Olaf, begleitet, um da Gericht
über die gefangenen teuflischen Landstreicher zu halten, wie Du
weißt, nicht aber, um unkluger Weise unsere heilige katholisch-
apostolische Religion in meiner Person verspotten zu lassen.

-- Und ich behaupte, daß Eure Macht und Euer Reichthum
von Tag zu Tag größer werden. Jch habe zwei Töchter, viel-
leicht erleben sie es, daß die königliche Macht durch Euch, Jhr
Bischöfe, mit denen wir unsere Eroberungen getheilt haben, noch
mehr vermindert wird. Sind wir doch schon so nur Eure Krie-
ger gewesen.

-- Wir Männer des Friedens und Krieger! Du irrest
Dich, Prinz; unsere alleinigen Waffen sind unsere Predigten.

-- Wenn aber die Völker Eurer Predigten spotten, schickt
Jhr uns ab, damit wir ihre Ketzereien mit Feuer und Schwert
ausrotten.

-- Die frommen dänischen Könige haben in diesen Kriegen
gegen die Ketzer und Heiden unermeßliche Beute erworben, den
rechten Glauben siegreich aufgerichtet und viele Seelen den ewi-
gen Flammen dadurch entrissen, daß sie dieselben in den Schooß
der heiligen Kirche zurückführten.

Wer dem Abendessen in dem bischöflichen Lustschlosse beige-
wohnt hätte, zu welchem der Bischof Olaf eingeladen hatte,
würde Woldemar nicht wieder erkannt haben. Der fromme
Mann suchte dem dummen, rohen, blindgläubigen Ritter gegen-
über die Würde keineswegs in seiner Sprache; in Gegenwart
Kanut's aber, des kecken Spötters, den er haßte, fühlte er das
Bedürfniß, durch seine Worte und seine Haltung, wenn nicht
dem Prinzen und dessen eben so unverschämten Günstlingen, so
doch ihrem viel frömmeren Gefolge Achtung und Furcht einzu-
flößen, zumal er stark fürchtete, das kühne Beispiel Kanut's und
der Freunde desselben möge die einträgliche Leichtgläubigkeit
Olaf's ändern, aus welcher Woldemar so viel Nutzen zog. Der
[Spaltenumbruch] Bischof bemerkte schon, wie der Ritter vergnügt und besorgt zu-
gleich auf die frechen Spöttereien des Prinzen horchte und sich
dabei wahrscheinlich fragte, ob er nicht recht thöricht sei, an die
Wundermacht des Bischofs zu glauben und die Sündenvergebung
desselben so theuer zu bezahlen. Als geschickter Mann wollte der
Bischof einen großen Schlag ausführen. Er war daran ge-
wöhnt, die Zeichen zu beobachten, welche Stürme und Gewitter
vorher andeuten und bediente sich, gleich so vielen anderen Geist-
lichen, seiner atmosphärischen Kenntnisse, um die Einfältigen zu
erschrecken. Der Prälat bemerkte aber seit einiger Zeit, daß
sich der Wino gedreht, und eine schwarze Wolke, die sich anfangs
kaum sichtbar am äußersten Horizont gebildet hatte, schwer heran-
zog, so daß sie sich bald ausbreiten und Himmel und Sonne
verdunkeln mußte, und als Kanut sich von Neuem in seiner
Weise äußerte, antwortete er:

-- Einem unwürdigen Diener, einem Erdenwurm gleich
mir kommt es nicht zu, in diesem Augenblicke die Kirche Gottes
des Herrn zu vertheidigen; er selbst hat seine Gnade und seine
Wunder, um die Ungläubigen zu überzeugen; er hat seine himm-
lischen Strafen, um die Gottlosen zu züchtigen. Also wehe dem,
der hier im Augesichte der Sonne, die jetzt noch strahlend über
uns steht, im Angesichte des Allmächtigen, der uns sieht und
hört, uns richtet und straft, seine Göttlichkeit in der geheiligten
Person seiner Bischöfe zu beleidigen wagte! Jst hier Einer, der
das wagt? fragte Woldemar mit drohender Stimme; ist hier
Jemand, König, Herr, Krieger oder Sclave, der der göttlichen
Majestät zu nahe zu treten wagt?

-- Der bin ich, der Löwe von Rendsburg, und ich sage es
Dir, Bischof von Schleswig, siehst Du diese Reitpeitsche: Jch
zerschlage sie Dir auf dem Rücken, wenn Du nicht aufhörst, so
anmaßend zu reden.

Diese frechen Worte riefen Schander und Entsetzen unter
allen Anwesenden hervor; Kanut selbst schien über die Kühnheit
seines Günstlings zu erschrecken. Woldemar bemerkte alles dies
wohl und deshalb sprach er zu dem Löwen, der noch immer seine
Reitpeitsche schwenkte:

-- Unseliger Ungläubiger, erbarme Dich doch Deiner selbst,
Gott der Herr hat Deine Frevelreden gehört. Siehe, der Him-
mel verdüstert sich, die Sonne verschwindet. Beachte diese Zei-
chen des himmlischen Zornes wohl. Nieder auf die Kniee, ge-
liebte Söhne, Euer Vater in Gott besiehlt es Euch. Betet, um
den Zorn des Ewigen zu besänftigen, den eine entsetzliche Läste-
rung hervorgerufen hat.

Und Woldemar schwang sich rasch vom Pferde, aber er selbst
knieete nicht nieder; aufrecht stand er da und mit gen Himmel
erhobenen Händen, wie ein Priester am Altare, schien er den
göttlichen Zorn beschwören zu wollen.

Die Diener Kanuts, welche die Annäherung des Unwetters
erschreckte, sanken auf den Befehl des Bischofs auf die Kniee;
die meisten aus dem königlichen Gefolge stiegen ab und knieten
gleich erschrocken nieder, da die Sonne sich fast in dem Augen-
blicke verdunkelte, als der Löwe von Rendsburg den Bischof mit
der Reitpeitsche bedroht hatte. Olaf gehörte zu denen, welche
zuerst niederknieeten und auf ihre Brust schlugen, Kanut aber,
dessen Günstlinge und einige Andere blieben zu Pferde und
schienen aus Stolz zu zögern, den Befehlen des Bischofs Folge
zu leisten. Mit gebieterischer Geberde und drohender Stimme
sprach dieser:

-- Nieder auf die Kniee, Prinz! Vor den Augen des All-
mächtigen ist ein König nicht mehr als ein Sclave; der König
wie der Sclave muß das Haupt beugen vor dem Ewigen, um
den Zorn zu besänftigen. Auf die Kniee also, Prinz, auf die
Kniee, Du und Deine Günstlinge!

[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 81
[Beginn Spaltensatz] nähert, weil sie die Spottreden des Günstlings gehört hatten,
murmelten ziemlich laut mit wilden Blicken:

— Wir leiden es nicht, daß man Olaf verspotte.

— Am Glanze des Stahls erkennt man nicht die Härte.

Einer der Leute des Prinzen drehte sich nach seinen Ge-
fährten um und sagte, indem er mit der Lanzenspitze auf die
Leute des Ritters deutete:

— Sind das Ackerknechte, die man als Krieger ausstaffirt
hat? Oder sind es Krieger, die man zu Ackerknechten ge-
macht hat?

Die Begleiter des Prinzen erwiderten diesen Scherz mit
lautem Lachen; schon sah man einander herausfordernd an, als
der Bischof Woldemar sprach:

— Meine lieben Söhne in Christo, ich, Euer Bischof und
geistlicher Vater, fordere Euch auf zur Ruhe und zum Frieden.

— Ritter, sagte Kanut heiter zu Olaf, sei auf Deiner Hut
vor diesem üppigen und heuchlerischen Bischof. Laß ihn nie
allein mit Deiner Frau, denn, so fromm er ist, er würde von
der Venus der Heiden mit ihr reden, nicht aber mir ihr beten.

— Jch bin zwar der Diener des Sohnes unseres glor-
reichen Königs, als Bischof habe ich aber Anspruch auf Deine
Achtung.

— Du hast Recht, weil Jhr Bischöfe jetzt fast Könige seid,
und namentlich so reich seid wie wir Könige.

— Du sprichst von der Macht und dem Reichthum der
Bischöfe. Vergissest Du, daß unsere Macht die Macht Gottes
des Herrn und unser Reichthum das Gut der Armen ist?

— Diesmal sprichst Du wahrhaftig die Wahrheit. Ja,
Euer Reichthum ist das Gut der Armen, das Jhr in Euren
Sack gesteckt habt.

— Glorreicher Prinz, ich habe Dich bis zur Burg meines
Sohnes in Christo, des Ritters Olaf, begleitet, um da Gericht
über die gefangenen teuflischen Landstreicher zu halten, wie Du
weißt, nicht aber, um unkluger Weise unsere heilige katholisch-
apostolische Religion in meiner Person verspotten zu lassen.

— Und ich behaupte, daß Eure Macht und Euer Reichthum
von Tag zu Tag größer werden. Jch habe zwei Töchter, viel-
leicht erleben sie es, daß die königliche Macht durch Euch, Jhr
Bischöfe, mit denen wir unsere Eroberungen getheilt haben, noch
mehr vermindert wird. Sind wir doch schon so nur Eure Krie-
ger gewesen.

— Wir Männer des Friedens und Krieger! Du irrest
Dich, Prinz; unsere alleinigen Waffen sind unsere Predigten.

— Wenn aber die Völker Eurer Predigten spotten, schickt
Jhr uns ab, damit wir ihre Ketzereien mit Feuer und Schwert
ausrotten.

— Die frommen dänischen Könige haben in diesen Kriegen
gegen die Ketzer und Heiden unermeßliche Beute erworben, den
rechten Glauben siegreich aufgerichtet und viele Seelen den ewi-
gen Flammen dadurch entrissen, daß sie dieselben in den Schooß
der heiligen Kirche zurückführten.

Wer dem Abendessen in dem bischöflichen Lustschlosse beige-
wohnt hätte, zu welchem der Bischof Olaf eingeladen hatte,
würde Woldemar nicht wieder erkannt haben. Der fromme
Mann suchte dem dummen, rohen, blindgläubigen Ritter gegen-
über die Würde keineswegs in seiner Sprache; in Gegenwart
Kanut's aber, des kecken Spötters, den er haßte, fühlte er das
Bedürfniß, durch seine Worte und seine Haltung, wenn nicht
dem Prinzen und dessen eben so unverschämten Günstlingen, so
doch ihrem viel frömmeren Gefolge Achtung und Furcht einzu-
flößen, zumal er stark fürchtete, das kühne Beispiel Kanut's und
der Freunde desselben möge die einträgliche Leichtgläubigkeit
Olaf's ändern, aus welcher Woldemar so viel Nutzen zog. Der
[Spaltenumbruch] Bischof bemerkte schon, wie der Ritter vergnügt und besorgt zu-
gleich auf die frechen Spöttereien des Prinzen horchte und sich
dabei wahrscheinlich fragte, ob er nicht recht thöricht sei, an die
Wundermacht des Bischofs zu glauben und die Sündenvergebung
desselben so theuer zu bezahlen. Als geschickter Mann wollte der
Bischof einen großen Schlag ausführen. Er war daran ge-
wöhnt, die Zeichen zu beobachten, welche Stürme und Gewitter
vorher andeuten und bediente sich, gleich so vielen anderen Geist-
lichen, seiner atmosphärischen Kenntnisse, um die Einfältigen zu
erschrecken. Der Prälat bemerkte aber seit einiger Zeit, daß
sich der Wino gedreht, und eine schwarze Wolke, die sich anfangs
kaum sichtbar am äußersten Horizont gebildet hatte, schwer heran-
zog, so daß sie sich bald ausbreiten und Himmel und Sonne
verdunkeln mußte, und als Kanut sich von Neuem in seiner
Weise äußerte, antwortete er:

— Einem unwürdigen Diener, einem Erdenwurm gleich
mir kommt es nicht zu, in diesem Augenblicke die Kirche Gottes
des Herrn zu vertheidigen; er selbst hat seine Gnade und seine
Wunder, um die Ungläubigen zu überzeugen; er hat seine himm-
lischen Strafen, um die Gottlosen zu züchtigen. Also wehe dem,
der hier im Augesichte der Sonne, die jetzt noch strahlend über
uns steht, im Angesichte des Allmächtigen, der uns sieht und
hört, uns richtet und straft, seine Göttlichkeit in der geheiligten
Person seiner Bischöfe zu beleidigen wagte! Jst hier Einer, der
das wagt? fragte Woldemar mit drohender Stimme; ist hier
Jemand, König, Herr, Krieger oder Sclave, der der göttlichen
Majestät zu nahe zu treten wagt?

— Der bin ich, der Löwe von Rendsburg, und ich sage es
Dir, Bischof von Schleswig, siehst Du diese Reitpeitsche: Jch
zerschlage sie Dir auf dem Rücken, wenn Du nicht aufhörst, so
anmaßend zu reden.

Diese frechen Worte riefen Schander und Entsetzen unter
allen Anwesenden hervor; Kanut selbst schien über die Kühnheit
seines Günstlings zu erschrecken. Woldemar bemerkte alles dies
wohl und deshalb sprach er zu dem Löwen, der noch immer seine
Reitpeitsche schwenkte:

— Unseliger Ungläubiger, erbarme Dich doch Deiner selbst,
Gott der Herr hat Deine Frevelreden gehört. Siehe, der Him-
mel verdüstert sich, die Sonne verschwindet. Beachte diese Zei-
chen des himmlischen Zornes wohl. Nieder auf die Kniee, ge-
liebte Söhne, Euer Vater in Gott besiehlt es Euch. Betet, um
den Zorn des Ewigen zu besänftigen, den eine entsetzliche Läste-
rung hervorgerufen hat.

Und Woldemar schwang sich rasch vom Pferde, aber er selbst
knieete nicht nieder; aufrecht stand er da und mit gen Himmel
erhobenen Händen, wie ein Priester am Altare, schien er den
göttlichen Zorn beschwören zu wollen.

Die Diener Kanuts, welche die Annäherung des Unwetters
erschreckte, sanken auf den Befehl des Bischofs auf die Kniee;
die meisten aus dem königlichen Gefolge stiegen ab und knieten
gleich erschrocken nieder, da die Sonne sich fast in dem Augen-
blicke verdunkelte, als der Löwe von Rendsburg den Bischof mit
der Reitpeitsche bedroht hatte. Olaf gehörte zu denen, welche
zuerst niederknieeten und auf ihre Brust schlugen, Kanut aber,
dessen Günstlinge und einige Andere blieben zu Pferde und
schienen aus Stolz zu zögern, den Befehlen des Bischofs Folge
zu leisten. Mit gebieterischer Geberde und drohender Stimme
sprach dieser:

— Nieder auf die Kniee, Prinz! Vor den Augen des All-
mächtigen ist ein König nicht mehr als ein Sclave; der König
wie der Sclave muß das Haupt beugen vor dem Ewigen, um
den Zorn zu besänftigen. Auf die Kniee also, Prinz, auf die
Kniee, Du und Deine Günstlinge!

[Ende Spaltensatz]
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Der fromme Mann suchte dem dummen, rohen, blindgläubigen Ritter gegen- über die Würde keineswegs in seiner Sprache; in Gegenwart Kanut's aber, des kecken Spötters, den er haßte, fühlte er das Bedürfniß, durch seine Worte und seine Haltung, wenn nicht dem Prinzen und dessen eben so unverschämten Günstlingen, so doch ihrem viel frömmeren Gefolge Achtung und Furcht einzu- flößen, zumal er stark fürchtete, das kühne Beispiel Kanut's und der Freunde desselben möge die einträgliche Leichtgläubigkeit Olaf's ändern, aus welcher Woldemar so viel Nutzen zog. Der Bischof bemerkte schon, wie der Ritter vergnügt und besorgt zu- gleich auf die frechen Spöttereien des Prinzen horchte und sich dabei wahrscheinlich fragte, ob er nicht recht thöricht sei, an die Wundermacht des Bischofs zu glauben und die Sündenvergebung desselben so theuer zu bezahlen. Als geschickter Mann wollte der Bischof einen großen Schlag ausführen. Er war daran ge- wöhnt, die Zeichen zu beobachten, welche Stürme und Gewitter vorher andeuten und bediente sich, gleich so vielen anderen Geist- lichen, seiner atmosphärischen Kenntnisse, um die Einfältigen zu erschrecken. Der Prälat bemerkte aber seit einiger Zeit, daß sich der Wino gedreht, und eine schwarze Wolke, die sich anfangs kaum sichtbar am äußersten Horizont gebildet hatte, schwer heran- zog, so daß sie sich bald ausbreiten und Himmel und Sonne verdunkeln mußte, und als Kanut sich von Neuem in seiner Weise äußerte, antwortete er: — Einem unwürdigen Diener, einem Erdenwurm gleich mir kommt es nicht zu, in diesem Augenblicke die Kirche Gottes des Herrn zu vertheidigen; er selbst hat seine Gnade und seine Wunder, um die Ungläubigen zu überzeugen; er hat seine himm- lischen Strafen, um die Gottlosen zu züchtigen. Also wehe dem, der hier im Augesichte der Sonne, die jetzt noch strahlend über uns steht, im Angesichte des Allmächtigen, der uns sieht und hört, uns richtet und straft, seine Göttlichkeit in der geheiligten Person seiner Bischöfe zu beleidigen wagte! Jst hier Einer, der das wagt? fragte Woldemar mit drohender Stimme; ist hier Jemand, König, Herr, Krieger oder Sclave, der der göttlichen Majestät zu nahe zu treten wagt? — Der bin ich, der Löwe von Rendsburg, und ich sage es Dir, Bischof von Schleswig, siehst Du diese Reitpeitsche: Jch zerschlage sie Dir auf dem Rücken, wenn Du nicht aufhörst, so anmaßend zu reden. Diese frechen Worte riefen Schander und Entsetzen unter allen Anwesenden hervor; Kanut selbst schien über die Kühnheit seines Günstlings zu erschrecken. Woldemar bemerkte alles dies wohl und deshalb sprach er zu dem Löwen, der noch immer seine Reitpeitsche schwenkte: — Unseliger Ungläubiger, erbarme Dich doch Deiner selbst, Gott der Herr hat Deine Frevelreden gehört. Siehe, der Him- mel verdüstert sich, die Sonne verschwindet. Beachte diese Zei- chen des himmlischen Zornes wohl. Nieder auf die Kniee, ge- liebte Söhne, Euer Vater in Gott besiehlt es Euch. Betet, um den Zorn des Ewigen zu besänftigen, den eine entsetzliche Läste- rung hervorgerufen hat. Und Woldemar schwang sich rasch vom Pferde, aber er selbst knieete nicht nieder; aufrecht stand er da und mit gen Himmel erhobenen Händen, wie ein Priester am Altare, schien er den göttlichen Zorn beschwören zu wollen. Die Diener Kanuts, welche die Annäherung des Unwetters erschreckte, sanken auf den Befehl des Bischofs auf die Kniee; die meisten aus dem königlichen Gefolge stiegen ab und knieten gleich erschrocken nieder, da die Sonne sich fast in dem Augen- blicke verdunkelte, als der Löwe von Rendsburg den Bischof mit der Reitpeitsche bedroht hatte. Olaf gehörte zu denen, welche zuerst niederknieeten und auf ihre Brust schlugen, Kanut aber, dessen Günstlinge und einige Andere blieben zu Pferde und schienen aus Stolz zu zögern, den Befehlen des Bischofs Folge zu leisten. Mit gebieterischer Geberde und drohender Stimme sprach dieser: — Nieder auf die Kniee, Prinz! Vor den Augen des All- mächtigen ist ein König nicht mehr als ein Sclave; der König wie der Sclave muß das Haupt beugen vor dem Ewigen, um den Zorn zu besänftigen. Auf die Kniee also, Prinz, auf die Kniee, Du und Deine Günstlinge!

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873/9>, abgerufen am 21.11.2024.