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Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 80
Die Landstreicher von Schleswig.
( Fortsetzung. ) [Beginn Spaltensatz]

Wie schön, edel und glorreich ist Prinz Kanut auf stolzem
Roß! Leider ist er bereits fast kahlköpfig trotz seiner Jugend und
zwar in Folge seiner Ausschweifungen. Nur am Nacken und an
den Schläfen befinden sich dünne und lange Haarbüschel, die bis
auf die Mitte der Brust und den gekrümmten Rücken fallen.
Sein langes Gewand von purpurnem Stoff, das an der Seite
in der Höhe des Knies geschlitzt ist, verhüllt zur Hälfte das Kreuz
seines Rappen. Streifchen von vergoldetem Leder, die von seiner
Fußbekleidung ausgehen, kreuzen sich auf seinen engen Beinkleidern und
reichen bis an die Kniee hinauf. Seine bespornten Schuhe stützt
er auf vergoldete Steigbügel; sein langes Schwert mit goldenem
Griff und einer Scheide von weißem Linnen hängt an seinem
prächtig gestickten Bandelier. Statt der Gerte hält er in der
Hand einen Stock von kostbarem Holze mit einem Knopf von
ciselirtem Silber, auf den der erschöpfte Wüstling im Gehen sich
stützt. Jm Ganzen hat er ein unheimliches Aussehen; seine
Züge zeigen kalte Grausamkeit.

Zu seiner Rechten reitet so keck wie ein Kriegsmann der
Bischof Woldemar von Schleswig, und er sieht von Zeit zu
Zeit schüchtern und gehässig Kannt an, der seinerseits den from-
men Mann nicht weniger verabscheuet. Zur Linken des Prin-
zen befinden sich der Löwe von Rendsburg, jener verstockte Sün-
der, der mit Jngurd und Sparre in zweiter Reihe das Kleeblatt
bildet, welches Kanut verdorben haben würde, wenn er nicht
schon im Mutterleibe verdorben gewesen wäre. Frechheit und
Lüsternheit, spöttische Verachtung und kalte Grausamkeit liegen
scharf ausgeprägt in den Zügen des Löwen von Rendsburg, des
deutschen Verräthers.

Diese drei Herren tragen nach der dänischen Sitte reiche
Mäntel mit kurzen Aermeln über ihrem Wams, enge Beinklei-
der und Stiefel von Thierhaut mit dem Haar nach außen. Hin-
ter Kanut und seinen Freunden kommen sein Kämmerer, sein
Stallmeister, sein Haushofmeister, sein Kellermeister und andere
erste Beamte, denn er hat einen wahrhaft königlichen Haushalt.
Jhnen folgt seine Leibwache von bewaffneten Kriegsmannen;
ihre mit Büschen verzierten Helme, ihre Brust= und Beinhar-
nische glänzen in den Strahlen der Sonne; ihre muthigen Rosse
wiehern unter dem reichen Geschirr; die Fähnchen ihrer Lanzen
wehen im Winde und ihre bemalten vergoldeten Schilde schwan-
ken an den Sattelbogen. So glänzend die Leute des Königs
erscheinen, um so ärmlicher sehen die des Ritters Olaf aus;
viele derselben tragen zwar Rüstungen, aber sie sind unvollstän-
dig und verrostet; andere, die nur mit Kollern von Thierfellen
bekeidet sind, tragen dazu einen Helm mit vielen Beulen; an-
dere, die einen Harnisch haben, tragen nur eine wollene Mütze.
Die nicht minder als die Harnische verrosteten Schwerter haben
zumeist keine Scheiden, und die meisten Pferde gleichen den Rei-
tern. Da die Zeit der Feldarbeit noch nicht gekommen ist, so
reiten viele Gefährten Olaf's aus Mangel an Kriegsrossen, auf
Ackergäulen, die mit Stricken gezäumt sind. Deshalb läßt sich
auch nicht beschreiben, welch' neidische Blicke die Leute des Rit-
ters auf das glänzende Gefolge Kanut's werfen, und wie spöt-
tisch dieses auf die armselige Schaar des Ritters blickt. Hinter
den Kriegsleuten des Prinzen kommen Pagen und Diener zu
Fuß, welche ochsenbespannte und schwer beladene Wagen führen,
die von den Bewohnern des Landes, durch welches man kam,
[Spaltenumbruch] dem Prinzen und dessen Gefolge unentgeltlich hatten geliefert
werden müssen.

Der Ritter Olaf ritt allein seinem königlichen Gaste ent-
gegen, der sein Pferd anhielt und zu Olaf sagte:

-- Ritter, da ich von Schleswig nach Husum reise, wollte
ich einen oder ein paar Tage in Deiner Burg verweilen.

-- Dein Ruhm sei willkommen auf meiner Besitzung. Sie
besteht zum Theil aus Kronländereien, und ich habe sie von mei-
nem Vater, der sie sowohl seinem Schwerte als der Freigebig-
keit Deines Ahnherrn verdankt. Du hast Recht, auf der Reise
bei den Rittern des Königs zu wohnen, und für sie ist es eine
Freude, Dich zu empfangen.

-- Ritter, fragte frech der Löwe von Rendsburg, verlohnt
es sich der Mühe, Deiner Frau den Hof zu machen?

-- Mein Günstling, der Dich in seiner Weise fragt, ob
Deine Frau schön sei, fiel Kanut ein, indem er demselben winkte,
sich zu mäßigen -- mein Günstling, der Löwe von Rendsburg,
ist sehr spaßhafter Laune.

-- So werde ich dem Löwen antworten, daß Jhr nicht
werdet beurtheilen können, ob meine Frau schön oder häßlich ist,
denn sie ist schwanger und krank und wird ihr Zimmer nicht
verlassen.

-- Von wem ist das Kind, wenn Deine Frau schwanger
ist? fragte der Löwe weiter.

-- Erzürne Dich nicht über diese Spöttereien, Ritter; ich
habe Dir schon gesagt, daß mein Freund ein Spaßvogel ist.

-- So lasset uns nach der Burg weiter ziehen.

Unter derartigem erbaulichem Gespräch brach man dahin auf.

-- Ritter, gestehe nur unserem königlichen Herrn, daß Du
Deine Frau nur eingeschlossen hältst, wie einen Schatz, den Du
Dir nicht stehlen lassen möchtest.

-- Mein Günstling Sparre, der so spricht, Olaf, ist eben-
falls sehr spaßiger Laune.

-- Du scheinst Dir sehr heitere Freunde auszusuchen.

-- Olaf, -- Du verbirgst uns Deine Frau, -- das ist
Dein Recht. Wir werden sie ausfindig machen, das ist unser
Recht. Für einen tüchtigen Dieb giebt es kein Versteck.

-- Der gehört wohl auch zu Deinen lustigen Freunden?
fragte Olaf.

-- Ja, Ritter, zu den lustigsten. Er heißt Jngurd.

-- Und ich, Olaf, werde den Herrn Jngurd fragen, was
der Dieb thut, wenn er das gesuchte Versteck gefunden hat?

-- Deine Frau wird es Dir erzählen, wenn wir die Schöne
gefunden haben, und finden werden wir sie, so wahr ich der
Löwe von Rendsburg bin.

-- Und so wahr ich der Ritter des Königs hier in Angel-
sachsenland bin, entgegnete Olaf, ich erschlage einen Löwen wie
einen jungen Fuchs oder einen Hund, wenn der Löwe in mei-
nem Hause den Löwen spielen will.

-- Hoho, Ritter, Du führst eine freche Zunge. Giebt Dir
diese Kühnheit das glänzende Heer etwa, das Dir folgt? ant-
wortete der Günstling des Königs, indem er auf die zerlumpten
Mannen Olaf's zeigte. Wenn die Schaar so ist, wie sie aus-
sieht, sind wir allerdings verloren.

Einige von den Leuten des Ritters, die sich allmälig ge-
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 80
Die Landstreicher von Schleswig.
( Fortsetzung. ) [Beginn Spaltensatz]

Wie schön, edel und glorreich ist Prinz Kanut auf stolzem
Roß! Leider ist er bereits fast kahlköpfig trotz seiner Jugend und
zwar in Folge seiner Ausschweifungen. Nur am Nacken und an
den Schläfen befinden sich dünne und lange Haarbüschel, die bis
auf die Mitte der Brust und den gekrümmten Rücken fallen.
Sein langes Gewand von purpurnem Stoff, das an der Seite
in der Höhe des Knies geschlitzt ist, verhüllt zur Hälfte das Kreuz
seines Rappen. Streifchen von vergoldetem Leder, die von seiner
Fußbekleidung ausgehen, kreuzen sich auf seinen engen Beinkleidern und
reichen bis an die Kniee hinauf. Seine bespornten Schuhe stützt
er auf vergoldete Steigbügel; sein langes Schwert mit goldenem
Griff und einer Scheide von weißem Linnen hängt an seinem
prächtig gestickten Bandelier. Statt der Gerte hält er in der
Hand einen Stock von kostbarem Holze mit einem Knopf von
ciselirtem Silber, auf den der erschöpfte Wüstling im Gehen sich
stützt. Jm Ganzen hat er ein unheimliches Aussehen; seine
Züge zeigen kalte Grausamkeit.

Zu seiner Rechten reitet so keck wie ein Kriegsmann der
Bischof Woldemar von Schleswig, und er sieht von Zeit zu
Zeit schüchtern und gehässig Kannt an, der seinerseits den from-
men Mann nicht weniger verabscheuet. Zur Linken des Prin-
zen befinden sich der Löwe von Rendsburg, jener verstockte Sün-
der, der mit Jngurd und Sparre in zweiter Reihe das Kleeblatt
bildet, welches Kanut verdorben haben würde, wenn er nicht
schon im Mutterleibe verdorben gewesen wäre. Frechheit und
Lüsternheit, spöttische Verachtung und kalte Grausamkeit liegen
scharf ausgeprägt in den Zügen des Löwen von Rendsburg, des
deutschen Verräthers.

Diese drei Herren tragen nach der dänischen Sitte reiche
Mäntel mit kurzen Aermeln über ihrem Wams, enge Beinklei-
der und Stiefel von Thierhaut mit dem Haar nach außen. Hin-
ter Kanut und seinen Freunden kommen sein Kämmerer, sein
Stallmeister, sein Haushofmeister, sein Kellermeister und andere
erste Beamte, denn er hat einen wahrhaft königlichen Haushalt.
Jhnen folgt seine Leibwache von bewaffneten Kriegsmannen;
ihre mit Büschen verzierten Helme, ihre Brust= und Beinhar-
nische glänzen in den Strahlen der Sonne; ihre muthigen Rosse
wiehern unter dem reichen Geschirr; die Fähnchen ihrer Lanzen
wehen im Winde und ihre bemalten vergoldeten Schilde schwan-
ken an den Sattelbogen. So glänzend die Leute des Königs
erscheinen, um so ärmlicher sehen die des Ritters Olaf aus;
viele derselben tragen zwar Rüstungen, aber sie sind unvollstän-
dig und verrostet; andere, die nur mit Kollern von Thierfellen
bekeidet sind, tragen dazu einen Helm mit vielen Beulen; an-
dere, die einen Harnisch haben, tragen nur eine wollene Mütze.
Die nicht minder als die Harnische verrosteten Schwerter haben
zumeist keine Scheiden, und die meisten Pferde gleichen den Rei-
tern. Da die Zeit der Feldarbeit noch nicht gekommen ist, so
reiten viele Gefährten Olaf's aus Mangel an Kriegsrossen, auf
Ackergäulen, die mit Stricken gezäumt sind. Deshalb läßt sich
auch nicht beschreiben, welch' neidische Blicke die Leute des Rit-
ters auf das glänzende Gefolge Kanut's werfen, und wie spöt-
tisch dieses auf die armselige Schaar des Ritters blickt. Hinter
den Kriegsleuten des Prinzen kommen Pagen und Diener zu
Fuß, welche ochsenbespannte und schwer beladene Wagen führen,
die von den Bewohnern des Landes, durch welches man kam,
[Spaltenumbruch] dem Prinzen und dessen Gefolge unentgeltlich hatten geliefert
werden müssen.

Der Ritter Olaf ritt allein seinem königlichen Gaste ent-
gegen, der sein Pferd anhielt und zu Olaf sagte:

— Ritter, da ich von Schleswig nach Husum reise, wollte
ich einen oder ein paar Tage in Deiner Burg verweilen.

— Dein Ruhm sei willkommen auf meiner Besitzung. Sie
besteht zum Theil aus Kronländereien, und ich habe sie von mei-
nem Vater, der sie sowohl seinem Schwerte als der Freigebig-
keit Deines Ahnherrn verdankt. Du hast Recht, auf der Reise
bei den Rittern des Königs zu wohnen, und für sie ist es eine
Freude, Dich zu empfangen.

— Ritter, fragte frech der Löwe von Rendsburg, verlohnt
es sich der Mühe, Deiner Frau den Hof zu machen?

— Mein Günstling, der Dich in seiner Weise fragt, ob
Deine Frau schön sei, fiel Kanut ein, indem er demselben winkte,
sich zu mäßigen — mein Günstling, der Löwe von Rendsburg,
ist sehr spaßhafter Laune.

— So werde ich dem Löwen antworten, daß Jhr nicht
werdet beurtheilen können, ob meine Frau schön oder häßlich ist,
denn sie ist schwanger und krank und wird ihr Zimmer nicht
verlassen.

— Von wem ist das Kind, wenn Deine Frau schwanger
ist? fragte der Löwe weiter.

— Erzürne Dich nicht über diese Spöttereien, Ritter; ich
habe Dir schon gesagt, daß mein Freund ein Spaßvogel ist.

— So lasset uns nach der Burg weiter ziehen.

Unter derartigem erbaulichem Gespräch brach man dahin auf.

— Ritter, gestehe nur unserem königlichen Herrn, daß Du
Deine Frau nur eingeschlossen hältst, wie einen Schatz, den Du
Dir nicht stehlen lassen möchtest.

— Mein Günstling Sparre, der so spricht, Olaf, ist eben-
falls sehr spaßiger Laune.

— Du scheinst Dir sehr heitere Freunde auszusuchen.

— Olaf, — Du verbirgst uns Deine Frau, — das ist
Dein Recht. Wir werden sie ausfindig machen, das ist unser
Recht. Für einen tüchtigen Dieb giebt es kein Versteck.

— Der gehört wohl auch zu Deinen lustigen Freunden?
fragte Olaf.

— Ja, Ritter, zu den lustigsten. Er heißt Jngurd.

— Und ich, Olaf, werde den Herrn Jngurd fragen, was
der Dieb thut, wenn er das gesuchte Versteck gefunden hat?

— Deine Frau wird es Dir erzählen, wenn wir die Schöne
gefunden haben, und finden werden wir sie, so wahr ich der
Löwe von Rendsburg bin.

— Und so wahr ich der Ritter des Königs hier in Angel-
sachsenland bin, entgegnete Olaf, ich erschlage einen Löwen wie
einen jungen Fuchs oder einen Hund, wenn der Löwe in mei-
nem Hause den Löwen spielen will.

— Hoho, Ritter, Du führst eine freche Zunge. Giebt Dir
diese Kühnheit das glänzende Heer etwa, das Dir folgt? ant-
wortete der Günstling des Königs, indem er auf die zerlumpten
Mannen Olaf's zeigte. Wenn die Schaar so ist, wie sie aus-
sieht, sind wir allerdings verloren.

Einige von den Leuten des Ritters, die sich allmälig ge-
[Ende Spaltensatz]

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[80/0008] Zur Unterhaltung und Belehrung. 80 Die Landstreicher von Schleswig. ( Fortsetzung. ) Wie schön, edel und glorreich ist Prinz Kanut auf stolzem Roß! Leider ist er bereits fast kahlköpfig trotz seiner Jugend und zwar in Folge seiner Ausschweifungen. Nur am Nacken und an den Schläfen befinden sich dünne und lange Haarbüschel, die bis auf die Mitte der Brust und den gekrümmten Rücken fallen. Sein langes Gewand von purpurnem Stoff, das an der Seite in der Höhe des Knies geschlitzt ist, verhüllt zur Hälfte das Kreuz seines Rappen. Streifchen von vergoldetem Leder, die von seiner Fußbekleidung ausgehen, kreuzen sich auf seinen engen Beinkleidern und reichen bis an die Kniee hinauf. Seine bespornten Schuhe stützt er auf vergoldete Steigbügel; sein langes Schwert mit goldenem Griff und einer Scheide von weißem Linnen hängt an seinem prächtig gestickten Bandelier. 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Er heißt Jngurd. — Und ich, Olaf, werde den Herrn Jngurd fragen, was der Dieb thut, wenn er das gesuchte Versteck gefunden hat? — Deine Frau wird es Dir erzählen, wenn wir die Schöne gefunden haben, und finden werden wir sie, so wahr ich der Löwe von Rendsburg bin. — Und so wahr ich der Ritter des Königs hier in Angel- sachsenland bin, entgegnete Olaf, ich erschlage einen Löwen wie einen jungen Fuchs oder einen Hund, wenn der Löwe in mei- nem Hause den Löwen spielen will. — Hoho, Ritter, Du führst eine freche Zunge. Giebt Dir diese Kühnheit das glänzende Heer etwa, das Dir folgt? ant- wortete der Günstling des Königs, indem er auf die zerlumpten Mannen Olaf's zeigte. Wenn die Schaar so ist, wie sie aus- sieht, sind wir allerdings verloren. Einige von den Leuten des Ritters, die sich allmälig ge-

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Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873/8>, abgerufen am 01.06.2024.