Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 7. Lieferung, [Nr. 1]. Berlin, 4. Juli 1874.Zur Unterhaltung und Belehrung. 149 [Beginn Spaltensatz]
welche, da sie schlechterdings Jkarien bereisen wollten, für einigeMonate ihren Aufenthalt in Kamiris nehmen mußten, um dort jene Sprachfertigkeit zu gewinnen. Kamiris ist fast schon eine ikarische Stadt; die Marwoll's, in deren Staat sie liegt, sind in politischem Bunde mit den Jkariern. Man sagte mir, ich könne sogleich am folgenden Morgen auf einem ikarischen Dampsschiffe nach der ikarischen Hafenstadt Tirama abgehen. Doch mußte ich mich zuvor dem ikarischen Konsul vorstellen, der dicht neben dem Landungsplatze wohnte. Da dieser öffentliche Beamte allezeit für die Fremden sichtbar war, begab ich mich auf der Stelle zu ihm und ward ohne langes Zögern in das Kabinet des Jkariers ge- führt. Er war sehr artig; mir deuchte, ohne Affektation; er ließ mich neben sich Platz nehmen. Jst Jhre Absicht, einige Waarenaufkäufe zu machen, sagte er, -- Jch erstaunte -- doch ohne es zu äußern, über seine -- Als ich ihm den Beweggrund meiner Reise angegeben Ach, Mylord, Sie sind also in der That neugierig, unser -- Ja wohl, ich will sehen, ob es so vorzüglich organisirt -- Das ist ja sehr lobenswerth; meine Mitbürger sind stets Vor Allen muß ich Sie fragen, ob Sie sich verpflichten. Jch erklärte ihm, ich wolle gern mich fügen. Hierauf fragte Jch fand trotz aller Höflichkeit des Konsuls, daß diese Summe Die zweihundert Guineen, sagte der Beamte, sind der Preis Jch war noch unter dem Eindrucke dieser außergewöhnlichen Das Fahrzeng selbst gab an Schönheit nichts den besten Gleichwohl mußte auch ich mir gestehen, dies Schiff vereinige Auf dem reinlichen und hübschen Verdeck saß man unter Der ikarische Konsul hatte nicht ermangelt, Jedem schon im Unmittelbar nach der Ankunft sämmtlicher Reisenden an Bord, *) Die englische Guinee beträgt sieben Thaler Preußisch.
Zur Unterhaltung und Belehrung. 149 [Beginn Spaltensatz]
welche, da sie schlechterdings Jkarien bereisen wollten, für einigeMonate ihren Aufenthalt in Kamiris nehmen mußten, um dort jene Sprachfertigkeit zu gewinnen. Kamiris ist fast schon eine ikarische Stadt; die Marwoll's, in deren Staat sie liegt, sind in politischem Bunde mit den Jkariern. Man sagte mir, ich könne sogleich am folgenden Morgen auf einem ikarischen Dampsschiffe nach der ikarischen Hafenstadt Tirama abgehen. Doch mußte ich mich zuvor dem ikarischen Konsul vorstellen, der dicht neben dem Landungsplatze wohnte. Da dieser öffentliche Beamte allezeit für die Fremden sichtbar war, begab ich mich auf der Stelle zu ihm und ward ohne langes Zögern in das Kabinet des Jkariers ge- führt. Er war sehr artig; mir deuchte, ohne Affektation; er ließ mich neben sich Platz nehmen. Jst Jhre Absicht, einige Waarenaufkäufe zu machen, sagte er, — Jch erstaunte — doch ohne es zu äußern, über seine — Als ich ihm den Beweggrund meiner Reise angegeben Ach, Mylord, Sie sind also in der That neugierig, unser — Ja wohl, ich will sehen, ob es so vorzüglich organisirt — Das ist ja sehr lobenswerth; meine Mitbürger sind stets Vor Allen muß ich Sie fragen, ob Sie sich verpflichten. Jch erklärte ihm, ich wolle gern mich fügen. Hierauf fragte Jch fand trotz aller Höflichkeit des Konsuls, daß diese Summe Die zweihundert Guineen, sagte der Beamte, sind der Preis Jch war noch unter dem Eindrucke dieser außergewöhnlichen Das Fahrzeng selbst gab an Schönheit nichts den besten Gleichwohl mußte auch ich mir gestehen, dies Schiff vereinige Auf dem reinlichen und hübschen Verdeck saß man unter Der ikarische Konsul hatte nicht ermangelt, Jedem schon im Unmittelbar nach der Ankunft sämmtlicher Reisenden an Bord, *) Die englische Guinee beträgt sieben Thaler Preußisch.
<TEI> <text> <body> <div xml:id="Reise1" type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="149"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 149</fw><cb type="start"/> welche, da sie schlechterdings Jkarien bereisen wollten, für einige<lb/> Monate ihren Aufenthalt in Kamiris nehmen mußten, um dort<lb/> jene Sprachfertigkeit zu gewinnen. Kamiris ist fast schon eine<lb/> ikarische Stadt; die Marwoll's, in deren Staat sie liegt, sind in<lb/> politischem Bunde mit den Jkariern. Man sagte mir, ich könne<lb/> sogleich am folgenden Morgen auf einem ikarischen Dampsschiffe<lb/> nach der ikarischen Hafenstadt Tirama abgehen. Doch mußte ich<lb/> mich zuvor dem ikarischen Konsul vorstellen, der dicht neben dem<lb/> Landungsplatze wohnte. Da dieser öffentliche Beamte allezeit für<lb/> die Fremden sichtbar war, begab ich mich auf der Stelle zu ihm<lb/> und ward ohne langes Zögern in das Kabinet des Jkariers ge-<lb/> führt. Er war sehr artig; mir deuchte, ohne Affektation; er ließ<lb/> mich neben sich Platz nehmen.</p><lb/> <p>Jst Jhre Absicht, einige Waarenaufkäufe zu machen, sagte er,<lb/> so brauchen sie nicht in mein Land zu gehen, denn wir verkaufen<lb/> nichts. Eben so wenn Sie verkaufen wollen, bleiben Sie dranßen,<lb/> denn wir kaufen nichts. Aber wenn Sie wißbegierig sind, wenn<lb/> Neues zu sehen Zweck Jhrer Reise ist, so setzen Sie sie nur fort;<lb/> Sie werden nicht unbefriedigt zurückreisen.</p><lb/> <p>— Jch erstaunte — doch ohne es zu äußern, über seine<lb/> Versicherung: die Jkarier kaufen und verkaufen nichts. </p><lb/> <p>— Als ich ihm den Beweggrund meiner Reise angegeben<lb/> und meinen Paß zugestellt, den er durchlas, sagte er: </p><lb/> <p>Ach, Mylord, Sie sind also in der That neugierig, unser<lb/> Land wollen Sie in Augenschein nehmen?</p><lb/> <p>— Ja wohl, ich will sehen, ob es so vorzüglich organisirt<lb/> ist, wie ich gehört habe; ich will beobachten und berichten. </p><lb/> <p>— Das ist ja sehr lobenswerth; meine Mitbürger sind stets<lb/> bereit, Ausländer zu empfangen, doch insonderheit freuen sie sich<lb/> über den Besuch einflußreicher Reisenden, welche kommen, um sich<lb/> zu belehren und um das Gelernte in die Heimath zu tragen und<lb/> dort zu verbreiten. Ganz Jkarien steht Jhnen offen, mein Herr,<lb/> und sein Sie gewiß, das ikarische Volk wird Sie als seinen Gast,<lb/> seinen Freund aufnehmen. Jndessen muß ich, im Jnteresse mei-<lb/> ner Mitbürger sowohl wie in dem Jhrigen, Jhnen die Bedin-<lb/> gungen angeben, ohne die kein Fremder bei uns zugelassen wird, </p><lb/> <p>Vor Allen muß ich Sie fragen, ob Sie sich verpflichten.<lb/> während Jhres Aufenthalts sich genau unsern Sitten und Gesetzen<lb/> zu bequemen, in jener Weise, die das kleine Buch „ Fremdenfüh-<lb/> rer in Jkaria“ betitelt ( man hat es Jhnen im Gasthause schon<lb/> zugestellt ) mit klaren Worten festgesetzt; es versteht sich von selbst,<lb/> daß Sie im Voraus unverbrüchliche Achtung vor der Ehre un-<lb/> serer Frauen und Mädchen geloben. Sollten diese Bedingungen<lb/> Jhnen nicht anstehen, so reisen Sie lieber nicht weiter.</p><lb/> <p>Jch erklärte ihm, ich wolle gern mich fügen. Hierauf fragte<lb/> er, wie lange ich im Lande zu bleiben gedächte? und da er hörte,<lb/> ich hätte mir ein Dritteljahr zu diesem Zwecke ausgesetzt, zeichnete<lb/> er ohne Umstände meinen Paß und ersuchte mich, zweihundert<lb/> Guineen für meine Person, und ebensoviel für meinen Begleiter,<lb/> in die Kasse zu legen; dies sei der Tarif für die vier Monate.</p><lb/> <p>Jch fand trotz aller Höflichkeit des Konsuls, daß diese Summe<lb/> zur Ausfertigung eines ordinären Passes eine etwas überschwäng-<lb/> liche sei.<note place="foot" n="*)">Die englische Guinee beträgt sieben Thaler Preußisch.</note> Wenn die Preise in diesem Verhältniß hoch sind,<lb/> sagte ich mir, so reicht das mitgenommene Reisegeld nicht; ich<lb/> fragte daher, was die Ueberfahrt koste, und erstaunte sehr, als ich<lb/> hörte, sie koste nichts.</p><lb/> <p>Die zweihundert Guineen, sagte der Beamte, sind der Preis<lb/> für alle Ausgaben, die Sie während vier Monaten verursachen<lb/> werden. Einmal diese Summe entrichtet, können Sie innerhalb<lb/> unsres Staates reisen, sich aufhalten, wie und wo Sie nur irgend<lb/> belieben; überall stehen Jhnen die Fuhrwerke zu Lande und Wasser<lb/><cb n="2"/> zu Gebot, überall die Fremdenhäuser ( Gasthäuser ) nebst Kleidung,<lb/> Wäsche, Speisung. Ohue irgend einen Heller mehr zu zahlen,<lb/> werden Sie, der Gast Jkarien's auf die Dauer von vier Monaten<lb/> allen Vergnügungen beiwohnen können, die Sie mit Jhrer Ge-<lb/> genwart beehren. Die ikarische Nation betrachtet Sie gewisser-<lb/> maßen als Mitbürger. Uebrigens müssen Sie den Rest Jhres<lb/> Geldes bei mir abgeben, da innerhalb des Reiches Geld nicht<lb/> cirkulirt, nichts zu schachern ist. Sein Sie unbesorgt, auf der-<lb/> jenigen Grenze, wo Sie das Land einst wieder verlassen, werden<lb/> Sie Jhr Geld wieder eingehändigt bekommen.</p><lb/> <p>Jch war noch unter dem Eindrucke dieser außergewöhnlichen<lb/> Vorgänge, als wir uns um sechs Uhr in der Frühe an Bord<lb/> eines sehr großen, stattlichen Dampfbootes begaben. Es lag so<lb/> dicht am Ufer, daß man gleichen Fußes hineintrat, ohne daß folg-<lb/> lich die Frauen genöthigt waren, sich jenen kleinen Barken anzu-<lb/> vertrauen, die ihnen oft große Angst und manchmal mehr Unwohl-<lb/> sein machen, als die ganze übrige Reise.</p><lb/> <p>Das Fahrzeng selbst gab an Schönheit nichts den besten<lb/> englischen, ja sogar den amerikanischen, nach. Die Zimmer waren<lb/> nicht mit Ebenholz, aber mit einem inländischen Holze ausgelegt,<lb/> welches den zierlichsten Marmor nachahmte. Ein Reisender aus<lb/> Pagil, der zum ersten Male zur See fuhr, wurde nicht müde,<lb/> seine Bewunderung an den Tag zu legen. Er that so drollige<lb/> Fragen und äußerte sein Erstaunen auf so lebhafte Art, daß ich<lb/> nicht umhin konnte, darüber zu lächeln.</p><lb/> <p>Gleichwohl mußte auch ich mir gestehen, dies Schiff vereinige<lb/> das Schönste mit dem Besten. Diese Teppiche, Wandspiegel,<lb/> Vergoldungen, Gemälde und Bildsäulen, Blumenvasen, diese aller-<lb/> liebsten und zugleich so zweckmäßigen Möbeln, unter denen auch<lb/> ein Fortepiano nebst andern musikalischen Jnstrumenten nicht<lb/> fehlte, gewährten einen Eindruck, wie ich ihn nur auf den Pracht-<lb/> schiffen prinzlicher und hoher amtlicher Personen gefunden; und<lb/> dennoch möchte ich dreist versichern, dies einfache ikarische Passa-<lb/> gierboot übertraf jene noch. Jch freute mich über alle die kleinen,<lb/> und doch so wichtigen, Anordnungen zum Wohl des Reisenden,<lb/> die ich nirgends in solchem Maaße gesehen. Da waren sinnreiche<lb/> Vorkehrungen, um die Passagiere gegen Kälte und Hitze, gegen<lb/> Stoß und Rollen, gegen Sonne und Feuchtigkeit zu schützen.</p><lb/> <p>Auf dem reinlichen und hübschen Verdeck saß man unter<lb/> einem großen Baldachin; in zwei Räumen waren heitre Kamin-<lb/> feuer; jeder Reisende hatte seine eigne Kajüte mit Bett und noth-<lb/> wendigem Geräthe.</p><lb/> <p>Der ikarische Konsul hatte nicht ermangelt, Jedem schon im<lb/> Gasthause eine kleine Broschüre: „Anzeige für Seereisende“ ein-<lb/> händigen zu lassen. Jn diesem zierlich gebundenen Hefte konnte<lb/> man z. B. umständlich, je nach Alter und Geschlecht die Angaben<lb/> finden, was zu thun sei, um die böse Seekrankheit zu vermeiden<lb/> oder doch möglichst zu mindern. Jch durchblätterte dies Büchlein<lb/> und fand unter anderm, die ikarische Staatsregierung habe schon<lb/> seit einiger Zeit einen großen Nationalpreis für denjenigen aus-<lb/> gesetzt, der die Seekrankheit ganz verbannen, oder auf ein Ge-<lb/> ringstes herabbringen würde. Ein großartiger Konkurs der Aerzte<lb/> war zu diesem Behuf eröffnet worden.</p><lb/> <p>Unmittelbar nach der Ankunft sämmtlicher Reisenden an Bord,<lb/> und ehe die Anker gelichtet waren, versammelte ein oberster<lb/> Beamter die Gesellschaft auf dem Verdeck und ersuchte uns, ohne<lb/> Besorgniß zu sein; Fahrzeug, Mannschaft und Maschinerien seien<lb/> lange vorher erprobt, und ohnehin seien genügende Maßregeln<lb/> gegen das Springen des Kessels und sonstige Zufälle, getroffen.<lb/> Jch ersah zudem aus der kleinen Reisebroschüre, wie der ikarische<lb/> Staat sorgfältig zu Werke geht. Dies ist musterhaft. Sowohl die<lb/> Matrosen, als die Maschinisten werden erst nach einem strengen<lb/> Examen angestellt; einem Examen, welches auf eine zweckmäßige<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [149/0005]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 149
welche, da sie schlechterdings Jkarien bereisen wollten, für einige
Monate ihren Aufenthalt in Kamiris nehmen mußten, um dort
jene Sprachfertigkeit zu gewinnen. Kamiris ist fast schon eine
ikarische Stadt; die Marwoll's, in deren Staat sie liegt, sind in
politischem Bunde mit den Jkariern. Man sagte mir, ich könne
sogleich am folgenden Morgen auf einem ikarischen Dampsschiffe
nach der ikarischen Hafenstadt Tirama abgehen. Doch mußte ich
mich zuvor dem ikarischen Konsul vorstellen, der dicht neben dem
Landungsplatze wohnte. Da dieser öffentliche Beamte allezeit für
die Fremden sichtbar war, begab ich mich auf der Stelle zu ihm
und ward ohne langes Zögern in das Kabinet des Jkariers ge-
führt. Er war sehr artig; mir deuchte, ohne Affektation; er ließ
mich neben sich Platz nehmen.
Jst Jhre Absicht, einige Waarenaufkäufe zu machen, sagte er,
so brauchen sie nicht in mein Land zu gehen, denn wir verkaufen
nichts. Eben so wenn Sie verkaufen wollen, bleiben Sie dranßen,
denn wir kaufen nichts. Aber wenn Sie wißbegierig sind, wenn
Neues zu sehen Zweck Jhrer Reise ist, so setzen Sie sie nur fort;
Sie werden nicht unbefriedigt zurückreisen.
— Jch erstaunte — doch ohne es zu äußern, über seine
Versicherung: die Jkarier kaufen und verkaufen nichts.
— Als ich ihm den Beweggrund meiner Reise angegeben
und meinen Paß zugestellt, den er durchlas, sagte er:
Ach, Mylord, Sie sind also in der That neugierig, unser
Land wollen Sie in Augenschein nehmen?
— Ja wohl, ich will sehen, ob es so vorzüglich organisirt
ist, wie ich gehört habe; ich will beobachten und berichten.
— Das ist ja sehr lobenswerth; meine Mitbürger sind stets
bereit, Ausländer zu empfangen, doch insonderheit freuen sie sich
über den Besuch einflußreicher Reisenden, welche kommen, um sich
zu belehren und um das Gelernte in die Heimath zu tragen und
dort zu verbreiten. Ganz Jkarien steht Jhnen offen, mein Herr,
und sein Sie gewiß, das ikarische Volk wird Sie als seinen Gast,
seinen Freund aufnehmen. Jndessen muß ich, im Jnteresse mei-
ner Mitbürger sowohl wie in dem Jhrigen, Jhnen die Bedin-
gungen angeben, ohne die kein Fremder bei uns zugelassen wird,
Vor Allen muß ich Sie fragen, ob Sie sich verpflichten.
während Jhres Aufenthalts sich genau unsern Sitten und Gesetzen
zu bequemen, in jener Weise, die das kleine Buch „ Fremdenfüh-
rer in Jkaria“ betitelt ( man hat es Jhnen im Gasthause schon
zugestellt ) mit klaren Worten festgesetzt; es versteht sich von selbst,
daß Sie im Voraus unverbrüchliche Achtung vor der Ehre un-
serer Frauen und Mädchen geloben. Sollten diese Bedingungen
Jhnen nicht anstehen, so reisen Sie lieber nicht weiter.
Jch erklärte ihm, ich wolle gern mich fügen. Hierauf fragte
er, wie lange ich im Lande zu bleiben gedächte? und da er hörte,
ich hätte mir ein Dritteljahr zu diesem Zwecke ausgesetzt, zeichnete
er ohne Umstände meinen Paß und ersuchte mich, zweihundert
Guineen für meine Person, und ebensoviel für meinen Begleiter,
in die Kasse zu legen; dies sei der Tarif für die vier Monate.
Jch fand trotz aller Höflichkeit des Konsuls, daß diese Summe
zur Ausfertigung eines ordinären Passes eine etwas überschwäng-
liche sei. *) Wenn die Preise in diesem Verhältniß hoch sind,
sagte ich mir, so reicht das mitgenommene Reisegeld nicht; ich
fragte daher, was die Ueberfahrt koste, und erstaunte sehr, als ich
hörte, sie koste nichts.
Die zweihundert Guineen, sagte der Beamte, sind der Preis
für alle Ausgaben, die Sie während vier Monaten verursachen
werden. Einmal diese Summe entrichtet, können Sie innerhalb
unsres Staates reisen, sich aufhalten, wie und wo Sie nur irgend
belieben; überall stehen Jhnen die Fuhrwerke zu Lande und Wasser
zu Gebot, überall die Fremdenhäuser ( Gasthäuser ) nebst Kleidung,
Wäsche, Speisung. Ohue irgend einen Heller mehr zu zahlen,
werden Sie, der Gast Jkarien's auf die Dauer von vier Monaten
allen Vergnügungen beiwohnen können, die Sie mit Jhrer Ge-
genwart beehren. Die ikarische Nation betrachtet Sie gewisser-
maßen als Mitbürger. Uebrigens müssen Sie den Rest Jhres
Geldes bei mir abgeben, da innerhalb des Reiches Geld nicht
cirkulirt, nichts zu schachern ist. Sein Sie unbesorgt, auf der-
jenigen Grenze, wo Sie das Land einst wieder verlassen, werden
Sie Jhr Geld wieder eingehändigt bekommen.
Jch war noch unter dem Eindrucke dieser außergewöhnlichen
Vorgänge, als wir uns um sechs Uhr in der Frühe an Bord
eines sehr großen, stattlichen Dampfbootes begaben. Es lag so
dicht am Ufer, daß man gleichen Fußes hineintrat, ohne daß folg-
lich die Frauen genöthigt waren, sich jenen kleinen Barken anzu-
vertrauen, die ihnen oft große Angst und manchmal mehr Unwohl-
sein machen, als die ganze übrige Reise.
Das Fahrzeng selbst gab an Schönheit nichts den besten
englischen, ja sogar den amerikanischen, nach. Die Zimmer waren
nicht mit Ebenholz, aber mit einem inländischen Holze ausgelegt,
welches den zierlichsten Marmor nachahmte. Ein Reisender aus
Pagil, der zum ersten Male zur See fuhr, wurde nicht müde,
seine Bewunderung an den Tag zu legen. Er that so drollige
Fragen und äußerte sein Erstaunen auf so lebhafte Art, daß ich
nicht umhin konnte, darüber zu lächeln.
Gleichwohl mußte auch ich mir gestehen, dies Schiff vereinige
das Schönste mit dem Besten. Diese Teppiche, Wandspiegel,
Vergoldungen, Gemälde und Bildsäulen, Blumenvasen, diese aller-
liebsten und zugleich so zweckmäßigen Möbeln, unter denen auch
ein Fortepiano nebst andern musikalischen Jnstrumenten nicht
fehlte, gewährten einen Eindruck, wie ich ihn nur auf den Pracht-
schiffen prinzlicher und hoher amtlicher Personen gefunden; und
dennoch möchte ich dreist versichern, dies einfache ikarische Passa-
gierboot übertraf jene noch. Jch freute mich über alle die kleinen,
und doch so wichtigen, Anordnungen zum Wohl des Reisenden,
die ich nirgends in solchem Maaße gesehen. Da waren sinnreiche
Vorkehrungen, um die Passagiere gegen Kälte und Hitze, gegen
Stoß und Rollen, gegen Sonne und Feuchtigkeit zu schützen.
Auf dem reinlichen und hübschen Verdeck saß man unter
einem großen Baldachin; in zwei Räumen waren heitre Kamin-
feuer; jeder Reisende hatte seine eigne Kajüte mit Bett und noth-
wendigem Geräthe.
Der ikarische Konsul hatte nicht ermangelt, Jedem schon im
Gasthause eine kleine Broschüre: „Anzeige für Seereisende“ ein-
händigen zu lassen. Jn diesem zierlich gebundenen Hefte konnte
man z. B. umständlich, je nach Alter und Geschlecht die Angaben
finden, was zu thun sei, um die böse Seekrankheit zu vermeiden
oder doch möglichst zu mindern. Jch durchblätterte dies Büchlein
und fand unter anderm, die ikarische Staatsregierung habe schon
seit einiger Zeit einen großen Nationalpreis für denjenigen aus-
gesetzt, der die Seekrankheit ganz verbannen, oder auf ein Ge-
ringstes herabbringen würde. Ein großartiger Konkurs der Aerzte
war zu diesem Behuf eröffnet worden.
Unmittelbar nach der Ankunft sämmtlicher Reisenden an Bord,
und ehe die Anker gelichtet waren, versammelte ein oberster
Beamter die Gesellschaft auf dem Verdeck und ersuchte uns, ohne
Besorgniß zu sein; Fahrzeug, Mannschaft und Maschinerien seien
lange vorher erprobt, und ohnehin seien genügende Maßregeln
gegen das Springen des Kessels und sonstige Zufälle, getroffen.
Jch ersah zudem aus der kleinen Reisebroschüre, wie der ikarische
Staat sorgfältig zu Werke geht. Dies ist musterhaft. Sowohl die
Matrosen, als die Maschinisten werden erst nach einem strengen
Examen angestellt; einem Examen, welches auf eine zweckmäßige
*) Die englische Guinee beträgt sieben Thaler Preußisch.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung
Weitere Informationen:Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |