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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 7. Lieferung, Nr. 4. Berlin, 25. Juli 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 180
[Beginn Spaltensatz] dessen verzichtete die Prinzessin auf den königlichen Thron von
Dänemark und kehrte in die Burg ihres Vaters zurück. Tief
betrübt blickte er der Scheidenden nach.

Da machte er eines Tages die Bekanntschaft der Geliebten
seines Freundes Berling. Louise Rasmussen war eine Jungfrau
von ganz außergewöhnlichen Anlagen. Die Behauptung, sie
hätte zu der Zeit von ihrem Geliebten schon zwei Sprößlinge,
ist gar nicht wahr, sondern nur Einen, der andere Knabe suchte
seinen Vater unter den Balletmitgliedern des königlichen Theaters,
dessen Name auf dem Theaterzettel aus Achtung vor der Tanz-
kunst nie angeführt ward. Die Wirkung, die die junonischen
Gliedmaßen auf Friedrich hervorbrachten, war unverkennbar,
die nicht zuließ, daß er ihr die Bewegung seines Jnnern ver-
heimlichte. Er machte ihr einen schmeichelhaften, aber etwas ver-
fänglichen Antrag, den sie zwar nicht so schlimm aufnahm, jedoch
einstweilen mit holdem Erröthen ablehnte, denn Louise war ein
nachdenkliches Mädchen und, Alles in Allem genommen, verstän-
diger als der Buchdrucker, ja selbst verständiger als der König-
sohn. Je häufiger nun der Königsohn seine Bewerbungen fort-
setzte, desto entschiedener war sie in ihrer Enthaltsamkeit, und als
Hochderselbe vor Feuer nicht mehr wußte, wo ihm der Kopf
stand, machte sie mit hinreißender Anmuth ihm die Eröffnung,
nur das Band der heiligen Ehe dürfe bessere Menschen an ein-
ander schließen. Der Kronprinz war wie vom Donner gerührt.
Das war ihm zu "starker Taback." Doch wenn erst einmal
das Herz verloren ist, geht schließlich auch der Verstand in die
Brüche. Dies trat recht deutlich hervor, als sie eines Abends
recht traulich bei einander saßen, nämlich Fräulein Rasmussen,
der Buchdrucker und der Thronerbe. Der Wein ging zu Ende,
ziemlich spät war es auch geworden, als Friedrich hoch und
theuer schwur, er nehme Louisen zum Ehegemahl, wenn sie in
leichter Kleidung über die Straße gehen und aus der gegenüber
liegenden Weinstube eine Flasche Champagner holen wolle. Diese
Bedingung war nun wieder Louisen zu stark, denn Se. Königl.
Hoheit verstand unter leichter Kleidung einzig und allein das
Medaillon, welches an ihrem Halse hing und mit dem Bildnisse
des Erlauchten geschmückt war. Trotz aller Bitten widerstand
sie den dringenden Ermahnungen des Kronprinzen und ging
schlechterdings nicht hinüber, erstens weil sich solches für eine
junge Dame nicht recht schicke und zweitens, weil der Nacht-
wächter etwas dagegen haben könnte, welcher selten auf einen
Scherz einginge, wäre er auch so artig wie dieser. Schließlich
blieb, da Alle noch Durst hatten, nichts übrig, als einen Diener
in die Weinstube zu senden und vor der Hand auf das Ehe-
bündniß zu verzichten. Jnzwischen bewahrte er seine Liebe mit
edler Ausdauer, sie ihre Tugend, wofür sie von Berling reichlich
entschädigt ward.

Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht, dachte der Kron-
prinz und miethete Louisen in Vimmelfkafet, der prächtigsten
Straße Copenhagens, einen Putzladen, wo sie Hauben und Hüte
fertigte, die sich hinter der Spiegelscheibe prächtig ausnahmen.
So ging die Zeit hin, als König Christian starb. Friedrich wurde nun,
König von Dänemarkund -- Herrseinerselbst. Der Buchdrucker ergriff
sogleich die Zügel der Regierung, erhielt für die uneigennützige Abtre-
tung seiner Geliebten das Commandeurkreuz des Danebrag-
ordens, dazu den Rang eines Kammerherrn und das Amt eines
Reisemarschalls.

Man kann sich vorstellen, wie vergnügt es einige Tage
darauf zu traulicher Abendzeit in der kleinen Hinterstube des
Putzladens zuging. Mit Champagner und Punsch wollte es
kein Ende nehmen, Kammerherr Berling brachte den Toast auf
Se. Majestät den König aus, dieser trank auf sein Volk und
auf die Damen. Es war einer der schönsten Abende im Leben
Sr. Majestät.

Louisen's tugendhafte Enthaltsamkeit sollte glänzend belohnt
werden. Am 7. August 1850 ließ der König durch den Bischof
[Spaltenumbruch] von Seeland seine Ehe mit ihr einsegnen, erhob sie in den däni-
schen Adelstand unter Titel und Namen einer "Lehnsgräsin von
Danner ".

Wer war froher als Louise! Jn Vimmelfkafet fand wegen
Geschäftsaufgabe ein allgemeiner Ausverkauf zu herabgesetzten
Preisen statt, während die Verheirathung des Königs sowohl
beim Adel wie im Bürgerstande peinliches Aufsehen erregte. Die
Vornehmsten zogen sich vom Hofe zurück und begannen einen
erbitterten Kampf, gegen Louise und ihren Anhang. Scharf
kämpfte, Allen voran, der unlängst verstorbene Baron Blixen-
Finrcke, sowie der Baron Dircknick = Holmfeld, der die Streit-
schrift "Grevinden Danner, Danmark's Genius" losließ und in
Folge davon den bittersten Verfolgungen ausgesetzt war.

So verging die Zeit. Die Gräfin bewahrte indessen stets
eine weise Mäßigung und begnügte sich in traulicher Zurückge-
zogenheit auf den verschiedenen Lustschlössern mit Sr. Majestät
zu leben, und in lauen Nächten unter dem stillen Laubdach der
Buchen zu schnäbeln. Daß sie bemüht war, ein ansehnliches
Vermögen zu sammeln, wer wollte ihr dies zum Vorwurf
machen?

Unlängst starb diese immerhin merkwürdige Frau in Jtalien,
ihr gesammtes Vermögen mildthätigen Anstalten zuwendend und
gerade für das weibliche Geschlecht von 14 -- 18 Jahren, das
hülflos dasteht, in ausgiebigster Weise sorgend. Den Kammer-
herrn Berling hat Gott ebenfalls "zu sich genommen;" er starb zu
Algier. Und die Gruft der dänischen Könige im Dom zu
Roeskilde ist schon seit lange um einen Marmorsarg reicher.
Darin ruht König Friedrich der Siebente.     A. B.



Album der Poesie.
Der alte Vertraute.
Wie dunkle Träume stehen
Die Häuser in langer Reih';
Tief eingehüllt im Mantel,
Schreite ich schweigend vorbei.
Der Thurm der Kathedrale
Verkündet die zwölfte Stund';
Mit ihren Reizen und Küssen
Erwarte mich Liebchen jetzund.
Der Mond ist mein Begleiter,
Er leuchtet mir freundlich vor;
Da bin ich an ihrem Hause,
Und freudig ruf' ich empor:
"Jch danke dir, alter Vertrauter,
Daß du meinen Weg erhellt;
Jetzt will ich dich entlassen,
Jetzt leuchte der übrigen Welt!
"Und findest du einen Verliebten,
Der einsam klagt sein Leid,
So tröst' ihn, wie du mich selber
Getröstet in alter Zeit."
Heinrich Heine.
[Ende Spaltensatz]

Jnhalt der 7. Lieferung. Nr. 4. 1. Das Capital. -- 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) -- 3. Ueber den Luxus. -- 4. Fried-
rich VII. von Dänemark. -- 5. Album der Poesie.



Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. -- Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

Zur Unterhaltung und Belehrung. 180
[Beginn Spaltensatz] dessen verzichtete die Prinzessin auf den königlichen Thron von
Dänemark und kehrte in die Burg ihres Vaters zurück. Tief
betrübt blickte er der Scheidenden nach.

Da machte er eines Tages die Bekanntschaft der Geliebten
seines Freundes Berling. Louise Rasmussen war eine Jungfrau
von ganz außergewöhnlichen Anlagen. Die Behauptung, sie
hätte zu der Zeit von ihrem Geliebten schon zwei Sprößlinge,
ist gar nicht wahr, sondern nur Einen, der andere Knabe suchte
seinen Vater unter den Balletmitgliedern des königlichen Theaters,
dessen Name auf dem Theaterzettel aus Achtung vor der Tanz-
kunst nie angeführt ward. Die Wirkung, die die junonischen
Gliedmaßen auf Friedrich hervorbrachten, war unverkennbar,
die nicht zuließ, daß er ihr die Bewegung seines Jnnern ver-
heimlichte. Er machte ihr einen schmeichelhaften, aber etwas ver-
fänglichen Antrag, den sie zwar nicht so schlimm aufnahm, jedoch
einstweilen mit holdem Erröthen ablehnte, denn Louise war ein
nachdenkliches Mädchen und, Alles in Allem genommen, verstän-
diger als der Buchdrucker, ja selbst verständiger als der König-
sohn. Je häufiger nun der Königsohn seine Bewerbungen fort-
setzte, desto entschiedener war sie in ihrer Enthaltsamkeit, und als
Hochderselbe vor Feuer nicht mehr wußte, wo ihm der Kopf
stand, machte sie mit hinreißender Anmuth ihm die Eröffnung,
nur das Band der heiligen Ehe dürfe bessere Menschen an ein-
ander schließen. Der Kronprinz war wie vom Donner gerührt.
Das war ihm zu „starker Taback.“ Doch wenn erst einmal
das Herz verloren ist, geht schließlich auch der Verstand in die
Brüche. Dies trat recht deutlich hervor, als sie eines Abends
recht traulich bei einander saßen, nämlich Fräulein Rasmussen,
der Buchdrucker und der Thronerbe. Der Wein ging zu Ende,
ziemlich spät war es auch geworden, als Friedrich hoch und
theuer schwur, er nehme Louisen zum Ehegemahl, wenn sie in
leichter Kleidung über die Straße gehen und aus der gegenüber
liegenden Weinstube eine Flasche Champagner holen wolle. Diese
Bedingung war nun wieder Louisen zu stark, denn Se. Königl.
Hoheit verstand unter leichter Kleidung einzig und allein das
Medaillon, welches an ihrem Halse hing und mit dem Bildnisse
des Erlauchten geschmückt war. Trotz aller Bitten widerstand
sie den dringenden Ermahnungen des Kronprinzen und ging
schlechterdings nicht hinüber, erstens weil sich solches für eine
junge Dame nicht recht schicke und zweitens, weil der Nacht-
wächter etwas dagegen haben könnte, welcher selten auf einen
Scherz einginge, wäre er auch so artig wie dieser. Schließlich
blieb, da Alle noch Durst hatten, nichts übrig, als einen Diener
in die Weinstube zu senden und vor der Hand auf das Ehe-
bündniß zu verzichten. Jnzwischen bewahrte er seine Liebe mit
edler Ausdauer, sie ihre Tugend, wofür sie von Berling reichlich
entschädigt ward.

Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht, dachte der Kron-
prinz und miethete Louisen in Vimmelfkafet, der prächtigsten
Straße Copenhagens, einen Putzladen, wo sie Hauben und Hüte
fertigte, die sich hinter der Spiegelscheibe prächtig ausnahmen.
So ging die Zeit hin, als König Christian starb. Friedrich wurde nun,
König von Dänemarkund — Herrseinerselbst. Der Buchdrucker ergriff
sogleich die Zügel der Regierung, erhielt für die uneigennützige Abtre-
tung seiner Geliebten das Commandeurkreuz des Danebrag-
ordens, dazu den Rang eines Kammerherrn und das Amt eines
Reisemarschalls.

Man kann sich vorstellen, wie vergnügt es einige Tage
darauf zu traulicher Abendzeit in der kleinen Hinterstube des
Putzladens zuging. Mit Champagner und Punsch wollte es
kein Ende nehmen, Kammerherr Berling brachte den Toast auf
Se. Majestät den König aus, dieser trank auf sein Volk und
auf die Damen. Es war einer der schönsten Abende im Leben
Sr. Majestät.

Louisen's tugendhafte Enthaltsamkeit sollte glänzend belohnt
werden. Am 7. August 1850 ließ der König durch den Bischof
[Spaltenumbruch] von Seeland seine Ehe mit ihr einsegnen, erhob sie in den däni-
schen Adelstand unter Titel und Namen einer „Lehnsgräsin von
Danner “.

Wer war froher als Louise! Jn Vimmelfkafet fand wegen
Geschäftsaufgabe ein allgemeiner Ausverkauf zu herabgesetzten
Preisen statt, während die Verheirathung des Königs sowohl
beim Adel wie im Bürgerstande peinliches Aufsehen erregte. Die
Vornehmsten zogen sich vom Hofe zurück und begannen einen
erbitterten Kampf, gegen Louise und ihren Anhang. Scharf
kämpfte, Allen voran, der unlängst verstorbene Baron Blixen-
Finrcke, sowie der Baron Dircknick = Holmfeld, der die Streit-
schrift „Grevinden Danner, Danmark's Genius“ losließ und in
Folge davon den bittersten Verfolgungen ausgesetzt war.

So verging die Zeit. Die Gräfin bewahrte indessen stets
eine weise Mäßigung und begnügte sich in traulicher Zurückge-
zogenheit auf den verschiedenen Lustschlössern mit Sr. Majestät
zu leben, und in lauen Nächten unter dem stillen Laubdach der
Buchen zu schnäbeln. Daß sie bemüht war, ein ansehnliches
Vermögen zu sammeln, wer wollte ihr dies zum Vorwurf
machen?

Unlängst starb diese immerhin merkwürdige Frau in Jtalien,
ihr gesammtes Vermögen mildthätigen Anstalten zuwendend und
gerade für das weibliche Geschlecht von 14 — 18 Jahren, das
hülflos dasteht, in ausgiebigster Weise sorgend. Den Kammer-
herrn Berling hat Gott ebenfalls „zu sich genommen;“ er starb zu
Algier. Und die Gruft der dänischen Könige im Dom zu
Roeskilde ist schon seit lange um einen Marmorsarg reicher.
Darin ruht König Friedrich der Siebente.     A. B.



Album der Poesie.
Der alte Vertraute.
Wie dunkle Träume stehen
Die Häuser in langer Reih';
Tief eingehüllt im Mantel,
Schreite ich schweigend vorbei.
Der Thurm der Kathedrale
Verkündet die zwölfte Stund';
Mit ihren Reizen und Küssen
Erwarte mich Liebchen jetzund.
Der Mond ist mein Begleiter,
Er leuchtet mir freundlich vor;
Da bin ich an ihrem Hause,
Und freudig ruf' ich empor:
„Jch danke dir, alter Vertrauter,
Daß du meinen Weg erhellt;
Jetzt will ich dich entlassen,
Jetzt leuchte der übrigen Welt!
„Und findest du einen Verliebten,
Der einsam klagt sein Leid,
So tröst' ihn, wie du mich selber
Getröstet in alter Zeit.“
Heinrich Heine.
[Ende Spaltensatz]

Jnhalt der 7. Lieferung. Nr. 4. 1. Das Capital. — 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) — 3. Ueber den Luxus. — 4. Fried-
rich VII. von Dänemark. — 5. Album der Poesie.



Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. — Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

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Der Wein ging zu Ende, ziemlich spät war es auch geworden, als Friedrich hoch und theuer schwur, er nehme Louisen zum Ehegemahl, wenn sie in leichter Kleidung über die Straße gehen und aus der gegenüber liegenden Weinstube eine Flasche Champagner holen wolle. Diese Bedingung war nun wieder Louisen zu stark, denn Se. Königl. Hoheit verstand unter leichter Kleidung einzig und allein das Medaillon, welches an ihrem Halse hing und mit dem Bildnisse des Erlauchten geschmückt war. Trotz aller Bitten widerstand sie den dringenden Ermahnungen des Kronprinzen und ging schlechterdings nicht hinüber, erstens weil sich solches für eine junge Dame nicht recht schicke und zweitens, weil der Nacht- wächter etwas dagegen haben könnte, welcher selten auf einen Scherz einginge, wäre er auch so artig wie dieser. Schließlich blieb, da Alle noch Durst hatten, nichts übrig, als einen Diener in die Weinstube zu senden und vor der Hand auf das Ehe- bündniß zu verzichten. Jnzwischen bewahrte er seine Liebe mit edler Ausdauer, sie ihre Tugend, wofür sie von Berling reichlich entschädigt ward. Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht, dachte der Kron- prinz und miethete Louisen in Vimmelfkafet, der prächtigsten Straße Copenhagens, einen Putzladen, wo sie Hauben und Hüte fertigte, die sich hinter der Spiegelscheibe prächtig ausnahmen. So ging die Zeit hin, als König Christian starb. Friedrich wurde nun, König von Dänemarkund — Herrseinerselbst. Der Buchdrucker ergriff sogleich die Zügel der Regierung, erhielt für die uneigennützige Abtre- tung seiner Geliebten das Commandeurkreuz des Danebrag- ordens, dazu den Rang eines Kammerherrn und das Amt eines Reisemarschalls. Man kann sich vorstellen, wie vergnügt es einige Tage darauf zu traulicher Abendzeit in der kleinen Hinterstube des Putzladens zuging. Mit Champagner und Punsch wollte es kein Ende nehmen, Kammerherr Berling brachte den Toast auf Se. Majestät den König aus, dieser trank auf sein Volk und auf die Damen. Es war einer der schönsten Abende im Leben Sr. Majestät. Louisen's tugendhafte Enthaltsamkeit sollte glänzend belohnt werden. Am 7. August 1850 ließ der König durch den Bischof von Seeland seine Ehe mit ihr einsegnen, erhob sie in den däni- schen Adelstand unter Titel und Namen einer „Lehnsgräsin von Danner “. Wer war froher als Louise! Jn Vimmelfkafet fand wegen Geschäftsaufgabe ein allgemeiner Ausverkauf zu herabgesetzten Preisen statt, während die Verheirathung des Königs sowohl beim Adel wie im Bürgerstande peinliches Aufsehen erregte. Die Vornehmsten zogen sich vom Hofe zurück und begannen einen erbitterten Kampf, gegen Louise und ihren Anhang. Scharf kämpfte, Allen voran, der unlängst verstorbene Baron Blixen- Finrcke, sowie der Baron Dircknick = Holmfeld, der die Streit- schrift „Grevinden Danner, Danmark's Genius“ losließ und in Folge davon den bittersten Verfolgungen ausgesetzt war. So verging die Zeit. Die Gräfin bewahrte indessen stets eine weise Mäßigung und begnügte sich in traulicher Zurückge- zogenheit auf den verschiedenen Lustschlössern mit Sr. Majestät zu leben, und in lauen Nächten unter dem stillen Laubdach der Buchen zu schnäbeln. Daß sie bemüht war, ein ansehnliches Vermögen zu sammeln, wer wollte ihr dies zum Vorwurf machen? Unlängst starb diese immerhin merkwürdige Frau in Jtalien, ihr gesammtes Vermögen mildthätigen Anstalten zuwendend und gerade für das weibliche Geschlecht von 14 — 18 Jahren, das hülflos dasteht, in ausgiebigster Weise sorgend. Den Kammer- herrn Berling hat Gott ebenfalls „zu sich genommen;“ er starb zu Algier. Und die Gruft der dänischen Könige im Dom zu Roeskilde ist schon seit lange um einen Marmorsarg reicher. Darin ruht König Friedrich der Siebente. A. B. Album der Poesie. Der alte Vertraute. Wie dunkle Träume stehen Die Häuser in langer Reih'; Tief eingehüllt im Mantel, Schreite ich schweigend vorbei. Der Thurm der Kathedrale Verkündet die zwölfte Stund'; Mit ihren Reizen und Küssen Erwarte mich Liebchen jetzund. Der Mond ist mein Begleiter, Er leuchtet mir freundlich vor; Da bin ich an ihrem Hause, Und freudig ruf' ich empor: „Jch danke dir, alter Vertrauter, Daß du meinen Weg erhellt; Jetzt will ich dich entlassen, Jetzt leuchte der übrigen Welt! „Und findest du einen Verliebten, Der einsam klagt sein Leid, So tröst' ihn, wie du mich selber Getröstet in alter Zeit.“ Heinrich Heine. Jnhalt der 7. Lieferung. Nr. 4. 1. Das Capital. — 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) — 3. Ueber den Luxus. — 4. Fried- rich VII. von Dänemark. — 5. Album der Poesie. Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. — Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 7. Lieferung, Nr. 4. Berlin, 25. Juli 1874, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0704_1874/8>, abgerufen am 14.06.2024.