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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 7. Lieferung, Nr. 4. Berlin, 25. Juli 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 179
[Beginn Spaltensatz] bildet. Was mich betrifft, so wünsche ich, daß man einen Verein
von Familienmüttern ins Leben rufen möge, die ohne aufzuhören,
sich mit Anstand und selbst mit dem Luxus zu kleiden und auf-
zutreten, der ihrem Vermögen und Stande zukommt, das Bei-
spiel geben würden, den Ueberfluß umbarmherzig wegzuschneiden,
und die dadurch zur Erleichterung der Lage der anderen Klassen
beitragen würden, die allmählich durch Nachahmung immer einen
Gipfelpunkt erreichen wollen, wohin zu gelangen ihnen nicht ge-
geben ist. Dieses, meine Herren, sind die einzigen vernünftigen
Bemerkungen, zu denen, wie ich glaube, die Petition Anlaß ge-
ben kann. Jch unterstütze die von Herrn v. Boissy in Vorschlag
gebrachte Tages=Ordnung." -- Der Senat nahm dieselbe auch
an. Was die Toiletten der Frauen anbelangt, so sind dieselben
jetzt hauptsächlich deshalb so kostspielig, weil, seit die Crinoline
erfunden wurde, man mehr als das Doppelte, und bei den gro-
ßen Toiletten das Dreifache an Stoff gebraucht, als dieses früher
der Fall war. Die Crinoline in ihrem jetzigen ungeheuren Um-
fange ist aber eine Erfindung der Kaiserin, die vor zehn
Jahren, als sie sich in gesegneten Umständen befand, doch nichts
von ihrer schönen Taille verlieren wollte. Seit jener Zeit blieb
sie Mode, und die Vorwürfe, die Herr Dupin der Damenwelt
machte, gehen also bis zur höchsten Spitze. Was aber die
Prostitution in Frankreich anbelangt, so steht heut zu Tage das
Maitressenwesen in seinem vergiftenden höchsten Flor, und Ge-
neral=Prokurator Dupin hat als Senator und Patriot wohl Ur-
sache, die hohen und höchsten Klassen zu warnen, denn sie sind
es in der That, welche den "Dämchen", die sich überall breit
machen, ihre Toiletten, ihre Diamanten und ihre Karossen
liefern."



Friedrich VII. von Dänemark
und seine Gemahlin, die Gräfin Danner.
Nach historischen Anfzeichnungen und vorhandenen Stoffen bearbeitet
und zusammengestellt.
Es ist eine alte Geschichte,
Doch ewig bleibt sie neu
Und wem sie just passiret,
Bricht sie das Herz entzwei.

Jn der Liebe giebt es bekanntlich oft gebrochene und zer-
brochene Herzen.
Wo daher von Liebeslust und Liebesleid
die Rede ist, pflegt der Erzähler gewöhnlich dankbare Hörer und
Leser zu finden, er rechnet um so mehr darauf, da von " ge-
brochenen " und "zerbrochenen" Herzen hier gar nicht die Rede
ist, sondern eine lustige, heitere und ausgelassene wahre Bege-
benheit den Stoff dazu hergiebt. Der Held ist aus fürstlicher
Familie und doppelt interessant dadurch, daß er seine Gefühle
als Mensch all' seinen Andern voranstellt, dieselben treu bewahrt
nnd bis an sein Ende gepflegt hat.

Als ich vor Jahren in Copenhagen promenirte, hatte ich
das Vergnügen seine Majestät den König Friedrich VII. zu
beobachten, der von sehr stattlicher Figur und ziemlich korpulent war,
da sein Bauch schon am Kehlkopf begann und sich dann in der
bekannten Wölbung hinabstreckte. Jn seinen Militairmantel ge-
hüllt, die Mütze vornehm auf den Kopf gestülpt, hatte sein Ge-
sicht, wie bei Leuten, die an schärferem Getränk Genuß finden,
eine angenehme und gleichmäßige Röthe angenommen. Auf den
dänischen Thalern nahm sich sein Gesicht wohl etwas anders aus,
aber ich sehe nicht ein, warum man auf den Thalern einen
Fürstenkopf nicht hübscher machen soll, dem einen einen Lorbeer-
kranz zulegen, dem andern aber etwa die Nase verschönern könnte,
welch' letzterer Umstand übrigens bei Friedrich VII. nicht
nöthig war.

Der König war in Gesellschaft seiner Gemahlin, der Gräfin
Danner, die auch eine ebenfalls äußerst wohlbeleibte Dame war.
Nachdem das hohe Ehepaar einen Wagen bestiegen, wunderte ich
mich nur, wie ein so leichtes Fuhrwerk die allerhöchsten Herr-
schaften, die gewiß zusammen an die fünf Centner wogen, zu
tragen vermochte. Auch mußte ich mir unwillkührlich sagen, daß
sich mancher die Könige viel magerer vorstellen mag, als sie es
in Wirklichkeit sind.

Alles dies schwirrte mir in dem Kopf herum, ich äußerte
zu Diesem und Jenem meine Beobachtungen, und da Hofange-
legenheiten oft die Theilnahme gerade jüngerer Menschen er-
[Spaltenumbruch] wecken, so empfand ich ein starkes Drängen von Wißbegierde,
das ich zu stillen sehnsüchtiges Verlangen trug.

Die Gelegenheit war mir günstig und so erfuhr ich denn
hier und da die interessantesten Züge aus dem Leben dieses fürst-
lichen Ehepaars, die ich gern meinen aufmerksamen Lesern mit-
theile.

Als Kronprinz war Friedrich ein hübscher Jüngling von
schlanker Gestalt und hoher Begabung gewesen. Zu allerhand
Lustbarkeiten hinneigend, gutmüthig, ein Verehrer der Damen-
welt und leidenschaftlicher Punschtrinker hatte er anfangs den
Rang eines Seecadetten. Wenn er nun seiner Laune die Zügel
schießen ließ und mit seinen Genossen, unter denen der Buch-
drucker Berling hervorragte, der Erholung sich hingab, gab es
oft die heitersten Späße. So hatten diese Freunde einmal, wie
man erzählt, ein nächtliches Gelage veranstaltet und dabei den
Punsch in Gefäßen bereitet, welche sonst ganz anderen Zwecken
zu dienen pflegen. Als die munteren Leutchen nun alle recht
heiter waren, und in stiller Nacht nur hier und da noch ein ver-
späteter Wandrer heimwärts eilte, gingen sie vor die Hausthür,
suchten solch' einen Unglücklichen zu fassen, und nöthigten ihn,
aus dem verdächtigen Gefäß zu trinken. Mancher trank, nach-
dem Se. Königl. Hoheit ihm zugetrunken und verlangte sogar
noch mehr, denn der Punsch war kräftig und in kühler Nacht
nicht unangenehm. Andern aber paßte die sonderbare Zumuthung
gar wenig, sie schlugen vielmehr mit Fäusten auf die Punsch-
spender los, erhoben ein mörderhaftes Geschrei, bis der Scandal
ein großer und allgemeiner wurde. Die Nachtwächter, als sie
das Getümmel vernahmen, strömten schnell von allen Seiten
herbei und wollten die "fröhlichen" Jünglinge in Gewahrsam neh-
men. Das war nun aber wieder schneller gedacht, wie ausge-
führt, ein lebhafter Kampf entwickelte sich, der mit dem Siege
der Nachtwächter endigte und diese außer sich vor Aerger über
die hageldicht eingeheimsten Hiebe, die namentlich der Prinz in
ungeheurer Menge verabfolgt hatte, schickten sich an, Se. Königl
Hoheit, welcher sich durchaus nicht bändigen lassen wollte, auf
eine Leiter zu binden und in die Hauptwache zu tragen. Ob
Letzteres wirklich geschehen, wird nicht erzählt. Doch erhielt der
übermüthige Bursche gerechte Strafe, indem man Se. Königl.
Hoheit auf einige Semester nach Grönland, wo er am Bord
der "Bellona" seine Sitten noch mehr verfeinern sollte, schickte.

Als dies in vollem Umfange geschehen war, segelte die
Fregatte mit ihm nach Dänemark zurück. Seine Ausbildung
wurde belohnt; ein hoher Rang in der Flotte, die Verleihung
eines prachtvollen Ordens, sowie die Vermählung mit der däni-
schen Prinzessin Wilhelmine, fand kurz hintereinander statt. Für
die Gattin schwärmte er durchaus nicht, da sie eine Dame von
sehr zarten Gewohnheiten und Feingefühl war. Eines Tages
besichtigte er mit ihr ein neues Kriegsschiff. Der Kronprinz
stieg zuerst an Bord und seine Gemahlin folgte ihm auf der
ziemlich steilen Bordtreppe. Ein Offizier konnte es nicht unter-
lassen, die Augen ehrfurchtsvoll emporzuschlagen. Friedrich hatte
es bemerkt. "Nun Freund Jensen," rief er hinab, "wie gefallen
Dir die Strumpfbänder meiner Frau?" -- "Königliche Hoheit,"
stammelte der Erschrockene, "ich habe nicht gewagt..." -- --
"Ja, ja, ich habe es gesehen!" schrie der muntere Prinz und
brach in ein Gelächter aus, während die Prinzeß bis über die
Stirn erröthete. Bald darauf fühlte das hohe Ehepaar, daß es
nicht völlig zusammenpaßte, und ließ sich scheiden.

Trotzdem genügten ihm die gemachten Erfahrungen im Ehe-
leben wenig, denn bald vermählte er sich zum zweiten Mal mit
der Prinzessin Caroline von Mecklenburg = Strelitz, mit der er
ebenfalls in wenig glücklicher Verbindung lebte. Es entsprach
beispielsweise nicht ganz ihrem Geschmack, daß der Kronprinz
voll Staub und Schmutz von der Jagd heimkehrend, sich auf
ihre goldenen Möbel warf und seine mit Lehm beschmutzten
Stiefeln an der himmelblauen Seide abwischte. Ebenso gaben
die Begriffe, die Friedrich vom Sacrament der heiligen Ehe
hatte, vielfach Ursache zur Unzufriedenheit. Denn Se. Königl.
Hoheit hatte sich ein ganz eigenes System zurecht gemacht, dessen
Grundlage die Vielseitigkeit war, und das er wenn auch im Ge-
heimen, doch thatsächlich zur Ausführung brachte. Würde er sich dabei
nur auf die vornehme Gesellschaft beschränkt haben, so hätte ihm
die Prinzeß vielleicht durch die Finger gesehen, da aber dem
edelsinnigen Fürsten alle Menschen gleich liebenswerth erschienen,
wie dies bei unabhängigen Geistern ja öfter vorkommt, so erregte
es Anstoß, daß er vornehm und gering, Palast und Hütte so
gleichmäßig behandelte und durch einander warf. Jn Folge
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 179
[Beginn Spaltensatz] bildet. Was mich betrifft, so wünsche ich, daß man einen Verein
von Familienmüttern ins Leben rufen möge, die ohne aufzuhören,
sich mit Anstand und selbst mit dem Luxus zu kleiden und auf-
zutreten, der ihrem Vermögen und Stande zukommt, das Bei-
spiel geben würden, den Ueberfluß umbarmherzig wegzuschneiden,
und die dadurch zur Erleichterung der Lage der anderen Klassen
beitragen würden, die allmählich durch Nachahmung immer einen
Gipfelpunkt erreichen wollen, wohin zu gelangen ihnen nicht ge-
geben ist. Dieses, meine Herren, sind die einzigen vernünftigen
Bemerkungen, zu denen, wie ich glaube, die Petition Anlaß ge-
ben kann. Jch unterstütze die von Herrn v. Boissy in Vorschlag
gebrachte Tages=Ordnung.“ — Der Senat nahm dieselbe auch
an. Was die Toiletten der Frauen anbelangt, so sind dieselben
jetzt hauptsächlich deshalb so kostspielig, weil, seit die Crinoline
erfunden wurde, man mehr als das Doppelte, und bei den gro-
ßen Toiletten das Dreifache an Stoff gebraucht, als dieses früher
der Fall war. Die Crinoline in ihrem jetzigen ungeheuren Um-
fange ist aber eine Erfindung der Kaiserin, die vor zehn
Jahren, als sie sich in gesegneten Umständen befand, doch nichts
von ihrer schönen Taille verlieren wollte. Seit jener Zeit blieb
sie Mode, und die Vorwürfe, die Herr Dupin der Damenwelt
machte, gehen also bis zur höchsten Spitze. Was aber die
Prostitution in Frankreich anbelangt, so steht heut zu Tage das
Maitressenwesen in seinem vergiftenden höchsten Flor, und Ge-
neral=Prokurator Dupin hat als Senator und Patriot wohl Ur-
sache, die hohen und höchsten Klassen zu warnen, denn sie sind
es in der That, welche den „Dämchen“, die sich überall breit
machen, ihre Toiletten, ihre Diamanten und ihre Karossen
liefern.“



Friedrich VII. von Dänemark
und seine Gemahlin, die Gräfin Danner.
Nach historischen Anfzeichnungen und vorhandenen Stoffen bearbeitet
und zusammengestellt.
Es ist eine alte Geschichte,
Doch ewig bleibt sie neu
Und wem sie just passiret,
Bricht sie das Herz entzwei.

Jn der Liebe giebt es bekanntlich oft gebrochene und zer-
brochene Herzen.
Wo daher von Liebeslust und Liebesleid
die Rede ist, pflegt der Erzähler gewöhnlich dankbare Hörer und
Leser zu finden, er rechnet um so mehr darauf, da von „ ge-
brochenen “ und „zerbrochenen“ Herzen hier gar nicht die Rede
ist, sondern eine lustige, heitere und ausgelassene wahre Bege-
benheit den Stoff dazu hergiebt. Der Held ist aus fürstlicher
Familie und doppelt interessant dadurch, daß er seine Gefühle
als Mensch all' seinen Andern voranstellt, dieselben treu bewahrt
nnd bis an sein Ende gepflegt hat.

Als ich vor Jahren in Copenhagen promenirte, hatte ich
das Vergnügen seine Majestät den König Friedrich VII. zu
beobachten, der von sehr stattlicher Figur und ziemlich korpulent war,
da sein Bauch schon am Kehlkopf begann und sich dann in der
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hüllt, die Mütze vornehm auf den Kopf gestülpt, hatte sein Ge-
sicht, wie bei Leuten, die an schärferem Getränk Genuß finden,
eine angenehme und gleichmäßige Röthe angenommen. Auf den
dänischen Thalern nahm sich sein Gesicht wohl etwas anders aus,
aber ich sehe nicht ein, warum man auf den Thalern einen
Fürstenkopf nicht hübscher machen soll, dem einen einen Lorbeer-
kranz zulegen, dem andern aber etwa die Nase verschönern könnte,
welch' letzterer Umstand übrigens bei Friedrich VII. nicht
nöthig war.

Der König war in Gesellschaft seiner Gemahlin, der Gräfin
Danner, die auch eine ebenfalls äußerst wohlbeleibte Dame war.
Nachdem das hohe Ehepaar einen Wagen bestiegen, wunderte ich
mich nur, wie ein so leichtes Fuhrwerk die allerhöchsten Herr-
schaften, die gewiß zusammen an die fünf Centner wogen, zu
tragen vermochte. Auch mußte ich mir unwillkührlich sagen, daß
sich mancher die Könige viel magerer vorstellen mag, als sie es
in Wirklichkeit sind.

Alles dies schwirrte mir in dem Kopf herum, ich äußerte
zu Diesem und Jenem meine Beobachtungen, und da Hofange-
legenheiten oft die Theilnahme gerade jüngerer Menschen er-
[Spaltenumbruch] wecken, so empfand ich ein starkes Drängen von Wißbegierde,
das ich zu stillen sehnsüchtiges Verlangen trug.

Die Gelegenheit war mir günstig und so erfuhr ich denn
hier und da die interessantesten Züge aus dem Leben dieses fürst-
lichen Ehepaars, die ich gern meinen aufmerksamen Lesern mit-
theile.

Als Kronprinz war Friedrich ein hübscher Jüngling von
schlanker Gestalt und hoher Begabung gewesen. Zu allerhand
Lustbarkeiten hinneigend, gutmüthig, ein Verehrer der Damen-
welt und leidenschaftlicher Punschtrinker hatte er anfangs den
Rang eines Seecadetten. Wenn er nun seiner Laune die Zügel
schießen ließ und mit seinen Genossen, unter denen der Buch-
drucker Berling hervorragte, der Erholung sich hingab, gab es
oft die heitersten Späße. So hatten diese Freunde einmal, wie
man erzählt, ein nächtliches Gelage veranstaltet und dabei den
Punsch in Gefäßen bereitet, welche sonst ganz anderen Zwecken
zu dienen pflegen. Als die munteren Leutchen nun alle recht
heiter waren, und in stiller Nacht nur hier und da noch ein ver-
späteter Wandrer heimwärts eilte, gingen sie vor die Hausthür,
suchten solch' einen Unglücklichen zu fassen, und nöthigten ihn,
aus dem verdächtigen Gefäß zu trinken. Mancher trank, nach-
dem Se. Königl. Hoheit ihm zugetrunken und verlangte sogar
noch mehr, denn der Punsch war kräftig und in kühler Nacht
nicht unangenehm. Andern aber paßte die sonderbare Zumuthung
gar wenig, sie schlugen vielmehr mit Fäusten auf die Punsch-
spender los, erhoben ein mörderhaftes Geschrei, bis der Scandal
ein großer und allgemeiner wurde. Die Nachtwächter, als sie
das Getümmel vernahmen, strömten schnell von allen Seiten
herbei und wollten die „fröhlichen“ Jünglinge in Gewahrsam neh-
men. Das war nun aber wieder schneller gedacht, wie ausge-
führt, ein lebhafter Kampf entwickelte sich, der mit dem Siege
der Nachtwächter endigte und diese außer sich vor Aerger über
die hageldicht eingeheimsten Hiebe, die namentlich der Prinz in
ungeheurer Menge verabfolgt hatte, schickten sich an, Se. Königl
Hoheit, welcher sich durchaus nicht bändigen lassen wollte, auf
eine Leiter zu binden und in die Hauptwache zu tragen. Ob
Letzteres wirklich geschehen, wird nicht erzählt. Doch erhielt der
übermüthige Bursche gerechte Strafe, indem man Se. Königl.
Hoheit auf einige Semester nach Grönland, wo er am Bord
der „Bellona“ seine Sitten noch mehr verfeinern sollte, schickte.

Als dies in vollem Umfange geschehen war, segelte die
Fregatte mit ihm nach Dänemark zurück. Seine Ausbildung
wurde belohnt; ein hoher Rang in der Flotte, die Verleihung
eines prachtvollen Ordens, sowie die Vermählung mit der däni-
schen Prinzessin Wilhelmine, fand kurz hintereinander statt. Für
die Gattin schwärmte er durchaus nicht, da sie eine Dame von
sehr zarten Gewohnheiten und Feingefühl war. Eines Tages
besichtigte er mit ihr ein neues Kriegsschiff. Der Kronprinz
stieg zuerst an Bord und seine Gemahlin folgte ihm auf der
ziemlich steilen Bordtreppe. Ein Offizier konnte es nicht unter-
lassen, die Augen ehrfurchtsvoll emporzuschlagen. Friedrich hatte
es bemerkt. „Nun Freund Jensen,“ rief er hinab, „wie gefallen
Dir die Strumpfbänder meiner Frau?“ — „Königliche Hoheit,“
stammelte der Erschrockene, „ich habe nicht gewagt...“ — —
„Ja, ja, ich habe es gesehen!“ schrie der muntere Prinz und
brach in ein Gelächter aus, während die Prinzeß bis über die
Stirn erröthete. Bald darauf fühlte das hohe Ehepaar, daß es
nicht völlig zusammenpaßte, und ließ sich scheiden.

Trotzdem genügten ihm die gemachten Erfahrungen im Ehe-
leben wenig, denn bald vermählte er sich zum zweiten Mal mit
der Prinzessin Caroline von Mecklenburg = Strelitz, mit der er
ebenfalls in wenig glücklicher Verbindung lebte. Es entsprach
beispielsweise nicht ganz ihrem Geschmack, daß der Kronprinz
voll Staub und Schmutz von der Jagd heimkehrend, sich auf
ihre goldenen Möbel warf und seine mit Lehm beschmutzten
Stiefeln an der himmelblauen Seide abwischte. Ebenso gaben
die Begriffe, die Friedrich vom Sacrament der heiligen Ehe
hatte, vielfach Ursache zur Unzufriedenheit. Denn Se. Königl.
Hoheit hatte sich ein ganz eigenes System zurecht gemacht, dessen
Grundlage die Vielseitigkeit war, und das er wenn auch im Ge-
heimen, doch thatsächlich zur Ausführung brachte. Würde er sich dabei
nur auf die vornehme Gesellschaft beschränkt haben, so hätte ihm
die Prinzeß vielleicht durch die Finger gesehen, da aber dem
edelsinnigen Fürsten alle Menschen gleich liebenswerth erschienen,
wie dies bei unabhängigen Geistern ja öfter vorkommt, so erregte
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[179/0007] Zur Unterhaltung und Belehrung. 179 bildet. Was mich betrifft, so wünsche ich, daß man einen Verein von Familienmüttern ins Leben rufen möge, die ohne aufzuhören, sich mit Anstand und selbst mit dem Luxus zu kleiden und auf- zutreten, der ihrem Vermögen und Stande zukommt, das Bei- spiel geben würden, den Ueberfluß umbarmherzig wegzuschneiden, und die dadurch zur Erleichterung der Lage der anderen Klassen beitragen würden, die allmählich durch Nachahmung immer einen Gipfelpunkt erreichen wollen, wohin zu gelangen ihnen nicht ge- geben ist. Dieses, meine Herren, sind die einzigen vernünftigen Bemerkungen, zu denen, wie ich glaube, die Petition Anlaß ge- ben kann. Jch unterstütze die von Herrn v. Boissy in Vorschlag gebrachte Tages=Ordnung.“ — Der Senat nahm dieselbe auch an. Was die Toiletten der Frauen anbelangt, so sind dieselben jetzt hauptsächlich deshalb so kostspielig, weil, seit die Crinoline erfunden wurde, man mehr als das Doppelte, und bei den gro- ßen Toiletten das Dreifache an Stoff gebraucht, als dieses früher der Fall war. Die Crinoline in ihrem jetzigen ungeheuren Um- fange ist aber eine Erfindung der Kaiserin, die vor zehn Jahren, als sie sich in gesegneten Umständen befand, doch nichts von ihrer schönen Taille verlieren wollte. Seit jener Zeit blieb sie Mode, und die Vorwürfe, die Herr Dupin der Damenwelt machte, gehen also bis zur höchsten Spitze. Was aber die Prostitution in Frankreich anbelangt, so steht heut zu Tage das Maitressenwesen in seinem vergiftenden höchsten Flor, und Ge- neral=Prokurator Dupin hat als Senator und Patriot wohl Ur- sache, die hohen und höchsten Klassen zu warnen, denn sie sind es in der That, welche den „Dämchen“, die sich überall breit machen, ihre Toiletten, ihre Diamanten und ihre Karossen liefern.“ Friedrich VII. von Dänemark und seine Gemahlin, die Gräfin Danner. Nach historischen Anfzeichnungen und vorhandenen Stoffen bearbeitet und zusammengestellt. Es ist eine alte Geschichte, Doch ewig bleibt sie neu Und wem sie just passiret, Bricht sie das Herz entzwei. Jn der Liebe giebt es bekanntlich oft gebrochene und zer- brochene Herzen. Wo daher von Liebeslust und Liebesleid die Rede ist, pflegt der Erzähler gewöhnlich dankbare Hörer und Leser zu finden, er rechnet um so mehr darauf, da von „ ge- brochenen “ und „zerbrochenen“ Herzen hier gar nicht die Rede ist, sondern eine lustige, heitere und ausgelassene wahre Bege- benheit den Stoff dazu hergiebt. Der Held ist aus fürstlicher Familie und doppelt interessant dadurch, daß er seine Gefühle als Mensch all' seinen Andern voranstellt, dieselben treu bewahrt nnd bis an sein Ende gepflegt hat. Als ich vor Jahren in Copenhagen promenirte, hatte ich das Vergnügen seine Majestät den König Friedrich VII. zu beobachten, der von sehr stattlicher Figur und ziemlich korpulent war, da sein Bauch schon am Kehlkopf begann und sich dann in der bekannten Wölbung hinabstreckte. Jn seinen Militairmantel ge- hüllt, die Mütze vornehm auf den Kopf gestülpt, hatte sein Ge- sicht, wie bei Leuten, die an schärferem Getränk Genuß finden, eine angenehme und gleichmäßige Röthe angenommen. Auf den dänischen Thalern nahm sich sein Gesicht wohl etwas anders aus, aber ich sehe nicht ein, warum man auf den Thalern einen Fürstenkopf nicht hübscher machen soll, dem einen einen Lorbeer- kranz zulegen, dem andern aber etwa die Nase verschönern könnte, welch' letzterer Umstand übrigens bei Friedrich VII. nicht nöthig war. Der König war in Gesellschaft seiner Gemahlin, der Gräfin Danner, die auch eine ebenfalls äußerst wohlbeleibte Dame war. Nachdem das hohe Ehepaar einen Wagen bestiegen, wunderte ich mich nur, wie ein so leichtes Fuhrwerk die allerhöchsten Herr- schaften, die gewiß zusammen an die fünf Centner wogen, zu tragen vermochte. Auch mußte ich mir unwillkührlich sagen, daß sich mancher die Könige viel magerer vorstellen mag, als sie es in Wirklichkeit sind. Alles dies schwirrte mir in dem Kopf herum, ich äußerte zu Diesem und Jenem meine Beobachtungen, und da Hofange- legenheiten oft die Theilnahme gerade jüngerer Menschen er- wecken, so empfand ich ein starkes Drängen von Wißbegierde, das ich zu stillen sehnsüchtiges Verlangen trug. Die Gelegenheit war mir günstig und so erfuhr ich denn hier und da die interessantesten Züge aus dem Leben dieses fürst- lichen Ehepaars, die ich gern meinen aufmerksamen Lesern mit- theile. Als Kronprinz war Friedrich ein hübscher Jüngling von schlanker Gestalt und hoher Begabung gewesen. Zu allerhand Lustbarkeiten hinneigend, gutmüthig, ein Verehrer der Damen- welt und leidenschaftlicher Punschtrinker hatte er anfangs den Rang eines Seecadetten. Wenn er nun seiner Laune die Zügel schießen ließ und mit seinen Genossen, unter denen der Buch- drucker Berling hervorragte, der Erholung sich hingab, gab es oft die heitersten Späße. So hatten diese Freunde einmal, wie man erzählt, ein nächtliches Gelage veranstaltet und dabei den Punsch in Gefäßen bereitet, welche sonst ganz anderen Zwecken zu dienen pflegen. Als die munteren Leutchen nun alle recht heiter waren, und in stiller Nacht nur hier und da noch ein ver- späteter Wandrer heimwärts eilte, gingen sie vor die Hausthür, suchten solch' einen Unglücklichen zu fassen, und nöthigten ihn, aus dem verdächtigen Gefäß zu trinken. Mancher trank, nach- dem Se. Königl. Hoheit ihm zugetrunken und verlangte sogar noch mehr, denn der Punsch war kräftig und in kühler Nacht nicht unangenehm. Andern aber paßte die sonderbare Zumuthung gar wenig, sie schlugen vielmehr mit Fäusten auf die Punsch- spender los, erhoben ein mörderhaftes Geschrei, bis der Scandal ein großer und allgemeiner wurde. Die Nachtwächter, als sie das Getümmel vernahmen, strömten schnell von allen Seiten herbei und wollten die „fröhlichen“ Jünglinge in Gewahrsam neh- men. Das war nun aber wieder schneller gedacht, wie ausge- führt, ein lebhafter Kampf entwickelte sich, der mit dem Siege der Nachtwächter endigte und diese außer sich vor Aerger über die hageldicht eingeheimsten Hiebe, die namentlich der Prinz in ungeheurer Menge verabfolgt hatte, schickten sich an, Se. Königl Hoheit, welcher sich durchaus nicht bändigen lassen wollte, auf eine Leiter zu binden und in die Hauptwache zu tragen. Ob Letzteres wirklich geschehen, wird nicht erzählt. Doch erhielt der übermüthige Bursche gerechte Strafe, indem man Se. Königl. Hoheit auf einige Semester nach Grönland, wo er am Bord der „Bellona“ seine Sitten noch mehr verfeinern sollte, schickte. Als dies in vollem Umfange geschehen war, segelte die Fregatte mit ihm nach Dänemark zurück. Seine Ausbildung wurde belohnt; ein hoher Rang in der Flotte, die Verleihung eines prachtvollen Ordens, sowie die Vermählung mit der däni- schen Prinzessin Wilhelmine, fand kurz hintereinander statt. Für die Gattin schwärmte er durchaus nicht, da sie eine Dame von sehr zarten Gewohnheiten und Feingefühl war. Eines Tages besichtigte er mit ihr ein neues Kriegsschiff. Der Kronprinz stieg zuerst an Bord und seine Gemahlin folgte ihm auf der ziemlich steilen Bordtreppe. Ein Offizier konnte es nicht unter- lassen, die Augen ehrfurchtsvoll emporzuschlagen. Friedrich hatte es bemerkt. „Nun Freund Jensen,“ rief er hinab, „wie gefallen Dir die Strumpfbänder meiner Frau?“ — „Königliche Hoheit,“ stammelte der Erschrockene, „ich habe nicht gewagt...“ — — „Ja, ja, ich habe es gesehen!“ schrie der muntere Prinz und brach in ein Gelächter aus, während die Prinzeß bis über die Stirn erröthete. Bald darauf fühlte das hohe Ehepaar, daß es nicht völlig zusammenpaßte, und ließ sich scheiden. Trotzdem genügten ihm die gemachten Erfahrungen im Ehe- leben wenig, denn bald vermählte er sich zum zweiten Mal mit der Prinzessin Caroline von Mecklenburg = Strelitz, mit der er ebenfalls in wenig glücklicher Verbindung lebte. Es entsprach beispielsweise nicht ganz ihrem Geschmack, daß der Kronprinz voll Staub und Schmutz von der Jagd heimkehrend, sich auf ihre goldenen Möbel warf und seine mit Lehm beschmutzten Stiefeln an der himmelblauen Seide abwischte. Ebenso gaben die Begriffe, die Friedrich vom Sacrament der heiligen Ehe hatte, vielfach Ursache zur Unzufriedenheit. Denn Se. Königl. Hoheit hatte sich ein ganz eigenes System zurecht gemacht, dessen Grundlage die Vielseitigkeit war, und das er wenn auch im Ge- heimen, doch thatsächlich zur Ausführung brachte. Würde er sich dabei nur auf die vornehme Gesellschaft beschränkt haben, so hätte ihm die Prinzeß vielleicht durch die Finger gesehen, da aber dem edelsinnigen Fürsten alle Menschen gleich liebenswerth erschienen, wie dies bei unabhängigen Geistern ja öfter vorkommt, so erregte es Anstoß, daß er vornehm und gering, Palast und Hütte so gleichmäßig behandelte und durch einander warf. Jn Folge

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 7. Lieferung, Nr. 4. Berlin, 25. Juli 1874, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0704_1874/7>, abgerufen am 15.06.2024.