Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 11. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 7. November 1874.Zur Unterhaltung und Belehrung. 296 [Beginn Spaltensatz]
Abhauung der rechten Hand, mit der er so viele arge Be-fehle unterzeichnet hatte, durch Schwertstreich geköpft werden. Gleichwohl übertrug die Versammlung der Landesoertreter Die Verbrecher waren mit der Verwandlung des Urtheils Dem Lixdox ward hierauf von Henkershand der Kopf ge- Die Minister kamen in lebenslänglichen Kerker. Die Köni- Das war das jämmerliche Ende der Laufbahn des Lixdox Jkar. Dieser Mann hatte nur eine einzige Leidenschaft: die Liebe Schon in seiner Kindheit fand er sich schmerzlich berührt, Eines Tages betrachtete er einen Steinhauer bei der Arbeit Die Gedanken waren gewiß anfangs bei ihm sehr wenig Ein seltsamer Umstand machte ihn zum Priester, er wollte Unwillig sagte er der Kirche Lebewohl fur immer und ging Zur Unterhaltung und Belehrung. 296 [Beginn Spaltensatz]
Abhauung der rechten Hand, mit der er so viele arge Be-fehle unterzeichnet hatte, durch Schwertstreich geköpft werden. Gleichwohl übertrug die Versammlung der Landesoertreter Die Verbrecher waren mit der Verwandlung des Urtheils Dem Lixdox ward hierauf von Henkershand der Kopf ge- Die Minister kamen in lebenslänglichen Kerker. Die Köni- Das war das jämmerliche Ende der Laufbahn des Lixdox Jkar. Dieser Mann hatte nur eine einzige Leidenschaft: die Liebe Schon in seiner Kindheit fand er sich schmerzlich berührt, Eines Tages betrachtete er einen Steinhauer bei der Arbeit Die Gedanken waren gewiß anfangs bei ihm sehr wenig Ein seltsamer Umstand machte ihn zum Priester, er wollte Unwillig sagte er der Kirche Lebewohl fur immer und ging <TEI> <text> <body> <div xml:id="Reise12" type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="296"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 296</fw><cb type="start"/><hi rendition="#g">Abhauung der rechten Hand,</hi> mit der er so viele arge Be-<lb/> fehle unterzeichnet hatte, durch Schwertstreich geköpft werden.</p><lb/> <p>Gleichwohl übertrug die Versammlung der Landesoertreter<lb/> ihrem Vorsitzer die Macht, dieses Urtheil abzuändern. Ferner<lb/> beschloß sie, hundert Millionen aus den Gütern der Verurtheil.<lb/> ten an das von ihnen ausgesogene Volk zurückzuerstatten; sie er-<lb/> klärte: zum heilsamen Beispiele verdamme sie die Kinder derer,<lb/> die einst tausend und aber tausend Wittwen und Waisen an den<lb/> Bettelstab gebracht, nunmehr zum Almosenempfange. — Auf<lb/> Jkar's Antrag wurde in der That die Todesstrafe gestrichen.</p><lb/> <p>Die Verbrecher waren mit der Verwandlung des Urtheils<lb/> absichtlich nicht bekannt gemacht worden. Man führte sie zum<lb/> Hochgericht, durch die zahllosen Schaaren des Volkes, welches sie<lb/> diesmal nicht mit Geschrei, sondern mit eisigem Schweigen<lb/> empfing; dies schien manchem der elenden Tyrannen, der noch<lb/> trotzig und verstockt einen Anschein von Muth hatte erheucheln<lb/> wollen, den letzten Stoß zu versetzen. Auf dem Richtplatze hör-<lb/> ten sie zitternd die Lesung des Urtheilsspruches und ganz zuletzt<lb/> die neue Strafe.</p><lb/> <p>Dem Lixdox ward hierauf von Henkershand der Kopf ge-<lb/> schoren; man sperrte ihn so in einen eisernen Käfig und stellte<lb/> ihn den Blicken der Menge aus. Da umtönten ihn die gräß-<lb/> lichsten Verwünschungen... Frauen drängten sich herbei und<lb/> forderten ihre Kinder und Männer zurück. Andere Leute schleu-<lb/> derten Koth und Steine nach ihm; und man hat bemerkt, daß<lb/> die Eifrigsten in dieser Rache gerade die ärmeren Einwohner<lb/> waren, die er durch Vorspiegelungen auf seine Seite zu locken<lb/> versucht hatte, und die Jnhaber von Kaufläden, die es ihm ver-<lb/> möge der pfiffig berechneten Verleumdungen und falschen Ge-<lb/> rüchte einst gegen ihre Mitbürger zu hetzen, gelungen war.</p><lb/> <p>Die Minister kamen in lebenslänglichen Kerker. Die Köni-<lb/> gin ward auf freien Fuß gesetzt, doch mußte sie <hi rendition="#g">einen Monat<lb/> lang an dem Thore des Deputirtenpalastes betteln<lb/> stehen</hi>.</p><lb/> <p>Das war das jämmerliche Ende der Laufbahn des Lixdox<lb/> und der Chloramida; ein großes Exempel für gekrönte Häupter<lb/> und Minister, die gegen das Volk sündigen.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Jkar</hi>.</head><lb/> <p>Dieser Mann hatte nur eine einzige Leidenschaft: die Liebe<lb/> zur Menschheit.</p><lb/> <p>Schon in seiner Kindheit fand er sich schmerzlich berührt,<lb/> wenn er Jemand leiden sah; war es ein anderes Kind, so eilte<lb/> er zu ihm und theilte mit ihm. Eines Abends begegnete er<lb/> einem Jünglinge, der in der strengen Kälte, in Lumpen gehüllt,<lb/> vor Hunger umstürzte. Jkar gab ihm seine Kleider, die er erst<lb/> seit wenigen Tagen hatte, und entzückt, aber selbst fast nackend,<lb/> kehrte er nach Hause; wo der Vater, ein unbemittelter und sehr<lb/> heftiger Mann, ihm wüthende Vorwürfe wegen des Verlustes der<lb/> Kleidungsstücke machte, die er mit großer Noth dem Sohne für<lb/> die harte Jahreszeit gekauft hatte; ja er ging so weit, den groß-<lb/> müthigen jungen Menschen mit einer Peitsche blutig zu schlagen.<lb/> — Ein andermal sprang er in ein brennendes Haus, während<lb/> die Leute entsetzt zuschauten, und brachte einen Knaben noch le-<lb/> bendig aus den Flammen; ihm selbst aber ward die Hand stark<lb/> verbrannt und die Kleidung wieder ruinirt. Als Sohn eines<lb/> kümmerlich lebenden Karrenmachers, erfuhr Jkar die volle Qual<lb/> des armen Handwerkers; er trieb selbst einige Jahre dies Ge-<lb/> schäft. Setne Neigung für Bücher entwickelte sich frühzeitig,<lb/> und er widmete der Lektüre manche Stunde, die sonst verspielt<lb/> oder verschlendert zu werden pflegt. Hatte er eine Schrift zu<lb/> lesen begonnen, so ruhte er nicht eher, als bis er sie vollendet.<lb/><cb n="2"/> Er las im Gehen, auf der Gasse, auf dem Felde, während des<lb/> Essens, während der Nacht, und mochte sein zorniger Vater noch<lb/> so strenge gegen ihn auftreten. Namentlich philosophische Bücher<lb/> verschlang er, wie junge Mädchen es mit Liebesromanen zu thun<lb/> pflegen. Sein Nachdenken wurde durch Alles und Jedes rege;<lb/> er ließ sich durch kein Hinderniß von dieser steten geistigen Be-<lb/> schäftigung abwenden. So z. B. machten ihm einst die Anfangs-<lb/> worte des Christengebetes „Vater Unser,“ viel zu schaffen; er<lb/> folgerte aus ihnen: die Menschen, da sie alle Gott zum Vater<lb/> hätten, wären öffenbar Brüder, wären <hi rendition="#g">gleich.</hi> Sie sollten,<lb/> meinte er, als Gotteskinder, eine einzige Gottesfamilie bilden,<lb/> deren Mitglieder sich zu lieben und zu unterstützen hätten. Ein<lb/> Nachbar, ein wahres Bild der Faulheit und Bosheit, wurde<lb/> plötzlich durch Erbschaft der tiefsten Armuth entrissen und wohl-<lb/> habend; und zwar in der nämlichen Woche, wo ein anderer<lb/> Nachbar, ein braver und fleißiger Arbeiter, durch den Blitz Werk-<lb/> statt und Magazin verlor und ein armer Mann wurde. Bei<lb/> diesem doppelten Ereignisse, was oft genug vorkommt und un-<lb/> beachtet bleibt, erwachte in Jkar die Einsicht in die elendigliche<lb/> Gesellschaftsorganisation. Was ist das für eine Menshcheit, rief<lb/> er verwundert, in welcher Reichthum und Armuth von den Lau-<lb/> nen des Zufalls abhängig sind! Und dieser Gedanke keimte in<lb/> ihm und erzeugte bald andere.</p><lb/> <p>Eines Tages betrachtete er einen Steinhauer bei der Arbeit<lb/> und verglich damit die Anordnungen des Architekten beim Bau<lb/> des Hauses. Hieran knüpfte sich in seinem rastlos thätigen<lb/> Geiste ein näheres Eingehen auf die Art und Weise, wie ein<lb/> ganzes Land zweckmäßig verwaltet werden könne. Und als er<lb/> in seinem Karren nach einem alten reichen Kloster fuhr, und dort<lb/> die Mönche beobachtete, entdeckte er — was freilich schon Mancher<lb/> vor ihm wußte — daß durch Leben in Gemeinschaft Manches<lb/> erspart werden könne, und schloß weiter: durch gegenseitiges Ar-<lb/> beiten müsse eine ganze Bevölkerung in Gütergemeinschaft und<lb/> Geselligkeit existiren.</p><lb/> <p>Die Gedanken waren gewiß anfangs bei ihm sehr wenig<lb/> ausgeführt, doch war schon viel gewonnen, daß sie in seinem<lb/> jugendlichen Verstande auftraten.</p><lb/> <p>Ein seltsamer Umstand machte ihn zum Priester, er wollte<lb/> übrigens schlechterdings auf irgend eine Weise sich für das Wohl<lb/> der Menschen weihen. Nach einiger Zeit war es ihm möglich,<lb/> nach der Hauptstadt zu kommen und dort zu predigen. Sein<lb/> Talent der Rede, seine Begeisterung, seine männliche Kraft mach-<lb/> ten ihn beliebt und berühmt; die Kirche füllte sich nie so<lb/> sehr, als wenn es hieß: Jkar wird heute die Kanzel besteigen.<lb/> Mit ungeheurer Energie sprach er gegen die Verschwendung und<lb/> die Misere, gegen das Elend des Arbeiters und die Prasserei der<lb/> Nichtarbeitenden; er kannte aus seiner Kindheit die Sachlage<lb/> schon, und studirte sie jetzt täglich mehr auf seinen frommen Be-<lb/> suchen bei den Darbenden in der Stadt und Umgegend. Mit<lb/> evangelischem Zorn griff er, der Diener Gottes, die schlechte ge-<lb/> sellschaftliche Einrichtung an, in welcher Mildthätigkeit auf der<lb/> Zunge sitzt und fast nie in Wirklichkeit übergeht, und wenn sie<lb/> es thut, durch eine verkehrte Anwendung beinahe immer mehr<lb/> schadet, wie nützt. Er berief sich unverdrossen auf Jesus Chri-<lb/> stus, sobald er von Gleichheit und Brüderlichkeit zu sprechen<lb/> hatte; auch auf Gütergemeinschaft verwies er öfters. Die Pre-<lb/> digten machten zu viel Lärm, er selbst ward zu gefeiert, als daß<lb/> seine Oberen lange dem Treiben des jungen Priesters hätten<lb/> geduldig zusehen sollen; sie verboten ihm, nach vorherigem frucht-<lb/> losen Ermahnen, alles fernere Reden.</p><lb/> <p>Unwillig sagte er der Kirche Lebewohl fur immer und ging<lb/> an die Veröffentlichung mehrerer Schriften, die ihm Seitens der<lb/> Landesregierung Verfolgungen zuzogen. Da er sich nicht ab-<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0004]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 296
Abhauung der rechten Hand, mit der er so viele arge Be-
fehle unterzeichnet hatte, durch Schwertstreich geköpft werden.
Gleichwohl übertrug die Versammlung der Landesoertreter
ihrem Vorsitzer die Macht, dieses Urtheil abzuändern. Ferner
beschloß sie, hundert Millionen aus den Gütern der Verurtheil.
ten an das von ihnen ausgesogene Volk zurückzuerstatten; sie er-
klärte: zum heilsamen Beispiele verdamme sie die Kinder derer,
die einst tausend und aber tausend Wittwen und Waisen an den
Bettelstab gebracht, nunmehr zum Almosenempfange. — Auf
Jkar's Antrag wurde in der That die Todesstrafe gestrichen.
Die Verbrecher waren mit der Verwandlung des Urtheils
absichtlich nicht bekannt gemacht worden. Man führte sie zum
Hochgericht, durch die zahllosen Schaaren des Volkes, welches sie
diesmal nicht mit Geschrei, sondern mit eisigem Schweigen
empfing; dies schien manchem der elenden Tyrannen, der noch
trotzig und verstockt einen Anschein von Muth hatte erheucheln
wollen, den letzten Stoß zu versetzen. Auf dem Richtplatze hör-
ten sie zitternd die Lesung des Urtheilsspruches und ganz zuletzt
die neue Strafe.
Dem Lixdox ward hierauf von Henkershand der Kopf ge-
schoren; man sperrte ihn so in einen eisernen Käfig und stellte
ihn den Blicken der Menge aus. Da umtönten ihn die gräß-
lichsten Verwünschungen... Frauen drängten sich herbei und
forderten ihre Kinder und Männer zurück. Andere Leute schleu-
derten Koth und Steine nach ihm; und man hat bemerkt, daß
die Eifrigsten in dieser Rache gerade die ärmeren Einwohner
waren, die er durch Vorspiegelungen auf seine Seite zu locken
versucht hatte, und die Jnhaber von Kaufläden, die es ihm ver-
möge der pfiffig berechneten Verleumdungen und falschen Ge-
rüchte einst gegen ihre Mitbürger zu hetzen, gelungen war.
Die Minister kamen in lebenslänglichen Kerker. Die Köni-
gin ward auf freien Fuß gesetzt, doch mußte sie einen Monat
lang an dem Thore des Deputirtenpalastes betteln
stehen.
Das war das jämmerliche Ende der Laufbahn des Lixdox
und der Chloramida; ein großes Exempel für gekrönte Häupter
und Minister, die gegen das Volk sündigen.
Jkar.
Dieser Mann hatte nur eine einzige Leidenschaft: die Liebe
zur Menschheit.
Schon in seiner Kindheit fand er sich schmerzlich berührt,
wenn er Jemand leiden sah; war es ein anderes Kind, so eilte
er zu ihm und theilte mit ihm. Eines Abends begegnete er
einem Jünglinge, der in der strengen Kälte, in Lumpen gehüllt,
vor Hunger umstürzte. Jkar gab ihm seine Kleider, die er erst
seit wenigen Tagen hatte, und entzückt, aber selbst fast nackend,
kehrte er nach Hause; wo der Vater, ein unbemittelter und sehr
heftiger Mann, ihm wüthende Vorwürfe wegen des Verlustes der
Kleidungsstücke machte, die er mit großer Noth dem Sohne für
die harte Jahreszeit gekauft hatte; ja er ging so weit, den groß-
müthigen jungen Menschen mit einer Peitsche blutig zu schlagen.
— Ein andermal sprang er in ein brennendes Haus, während
die Leute entsetzt zuschauten, und brachte einen Knaben noch le-
bendig aus den Flammen; ihm selbst aber ward die Hand stark
verbrannt und die Kleidung wieder ruinirt. Als Sohn eines
kümmerlich lebenden Karrenmachers, erfuhr Jkar die volle Qual
des armen Handwerkers; er trieb selbst einige Jahre dies Ge-
schäft. Setne Neigung für Bücher entwickelte sich frühzeitig,
und er widmete der Lektüre manche Stunde, die sonst verspielt
oder verschlendert zu werden pflegt. Hatte er eine Schrift zu
lesen begonnen, so ruhte er nicht eher, als bis er sie vollendet.
Er las im Gehen, auf der Gasse, auf dem Felde, während des
Essens, während der Nacht, und mochte sein zorniger Vater noch
so strenge gegen ihn auftreten. Namentlich philosophische Bücher
verschlang er, wie junge Mädchen es mit Liebesromanen zu thun
pflegen. Sein Nachdenken wurde durch Alles und Jedes rege;
er ließ sich durch kein Hinderniß von dieser steten geistigen Be-
schäftigung abwenden. So z. B. machten ihm einst die Anfangs-
worte des Christengebetes „Vater Unser,“ viel zu schaffen; er
folgerte aus ihnen: die Menschen, da sie alle Gott zum Vater
hätten, wären öffenbar Brüder, wären gleich. Sie sollten,
meinte er, als Gotteskinder, eine einzige Gottesfamilie bilden,
deren Mitglieder sich zu lieben und zu unterstützen hätten. Ein
Nachbar, ein wahres Bild der Faulheit und Bosheit, wurde
plötzlich durch Erbschaft der tiefsten Armuth entrissen und wohl-
habend; und zwar in der nämlichen Woche, wo ein anderer
Nachbar, ein braver und fleißiger Arbeiter, durch den Blitz Werk-
statt und Magazin verlor und ein armer Mann wurde. Bei
diesem doppelten Ereignisse, was oft genug vorkommt und un-
beachtet bleibt, erwachte in Jkar die Einsicht in die elendigliche
Gesellschaftsorganisation. Was ist das für eine Menshcheit, rief
er verwundert, in welcher Reichthum und Armuth von den Lau-
nen des Zufalls abhängig sind! Und dieser Gedanke keimte in
ihm und erzeugte bald andere.
Eines Tages betrachtete er einen Steinhauer bei der Arbeit
und verglich damit die Anordnungen des Architekten beim Bau
des Hauses. Hieran knüpfte sich in seinem rastlos thätigen
Geiste ein näheres Eingehen auf die Art und Weise, wie ein
ganzes Land zweckmäßig verwaltet werden könne. Und als er
in seinem Karren nach einem alten reichen Kloster fuhr, und dort
die Mönche beobachtete, entdeckte er — was freilich schon Mancher
vor ihm wußte — daß durch Leben in Gemeinschaft Manches
erspart werden könne, und schloß weiter: durch gegenseitiges Ar-
beiten müsse eine ganze Bevölkerung in Gütergemeinschaft und
Geselligkeit existiren.
Die Gedanken waren gewiß anfangs bei ihm sehr wenig
ausgeführt, doch war schon viel gewonnen, daß sie in seinem
jugendlichen Verstande auftraten.
Ein seltsamer Umstand machte ihn zum Priester, er wollte
übrigens schlechterdings auf irgend eine Weise sich für das Wohl
der Menschen weihen. Nach einiger Zeit war es ihm möglich,
nach der Hauptstadt zu kommen und dort zu predigen. Sein
Talent der Rede, seine Begeisterung, seine männliche Kraft mach-
ten ihn beliebt und berühmt; die Kirche füllte sich nie so
sehr, als wenn es hieß: Jkar wird heute die Kanzel besteigen.
Mit ungeheurer Energie sprach er gegen die Verschwendung und
die Misere, gegen das Elend des Arbeiters und die Prasserei der
Nichtarbeitenden; er kannte aus seiner Kindheit die Sachlage
schon, und studirte sie jetzt täglich mehr auf seinen frommen Be-
suchen bei den Darbenden in der Stadt und Umgegend. Mit
evangelischem Zorn griff er, der Diener Gottes, die schlechte ge-
sellschaftliche Einrichtung an, in welcher Mildthätigkeit auf der
Zunge sitzt und fast nie in Wirklichkeit übergeht, und wenn sie
es thut, durch eine verkehrte Anwendung beinahe immer mehr
schadet, wie nützt. Er berief sich unverdrossen auf Jesus Chri-
stus, sobald er von Gleichheit und Brüderlichkeit zu sprechen
hatte; auch auf Gütergemeinschaft verwies er öfters. Die Pre-
digten machten zu viel Lärm, er selbst ward zu gefeiert, als daß
seine Oberen lange dem Treiben des jungen Priesters hätten
geduldig zusehen sollen; sie verboten ihm, nach vorherigem frucht-
losen Ermahnen, alles fernere Reden.
Unwillig sagte er der Kirche Lebewohl fur immer und ging
an die Veröffentlichung mehrerer Schriften, die ihm Seitens der
Landesregierung Verfolgungen zuzogen. Da er sich nicht ab-
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