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Sonntags-Blatt. Nr. 25. Berlin, 21. Juni 1868.

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Zwei Sklavenverschwörungen in Virginien und
Süd=Carolina.

( Fortsetzung. )

Für seine eigene Haut besorgt, legte William jetzt stückweise Be-
kenntnisse ab und nannte wieder andere Farbige als Mitglieder
der Verschwörung. Aber Mehrere der so Angeschuldigten eilten
auf die Nachricht davon auf der Stelle zum Bürgermeister und
erklärten sich mit Kundgebung ihres Unwillens über diese Verdäch-
tigung und den stärksten Versicherungen ihrer Loyalität bereit, der
strengsten Untersuchung Rede zu stehen. Jn ihrere Rathlosigkeit und
Verwirrung hielten die Behörden die Sache so geheim als möglich,
ließen jedoch scharfe Patronen anfertigen und die Polizei und Wachen
mit geladenen Gewehren versehen. "So groß", heißt es in der
Botschaft des Gouverneurs, "war die geträumte Sicherheit, daß diese
bisher nur mit hölzernen Kolben an der Seite die Wache bezogen
hatten."

Jn der Zwischenzeit hatten die verschworenen Farbigen ihre Rolle
mit solchem Erfolg gespielt, daß die Obrigkeit allmälig die Wahrheit
der Angaben Williams zu bezweifeln anfing und weitere Nachforschun-
gen unterließ, während Jene ( wie sich später auswies ) ihre Organi-
sation rasch vollendeten und die Stunde des Losbruchs um zwei
Wochen früher anberaumten. Zu ihrem Verderben fand aber am
Vorabend der Erhebung ein neuer Verrath von einer andern Seite
her statt. Ein Mulatte und Schullehrer einer farbigen Methodisten-
gemeinde war von seinem Herrn bestochen worden, unter seinen
Stammesgenossen zu spioniren und Weiteres über den angeblich pro-
jektirten Aufstand zu ermitteln. Bald kam diesem zu Ohren, daß
Rolla, ein Sklave des Gouverneurs, einen seiner Freunde in das
Geheimniß eingeweiht und ihm vertraut habe, daß der folgende
Sonntag=Abend ( 16. Juni ) zum Zeitpunkt der allgemeinen Erhebung
bestimmt sei. Am Freitag wurde die Sache verrathen; es blieb den
Behörden also nur die kurze Zeit von zwei Tagen, um ihre Vor-
kehrungen zu treffen -- eine schwierige Aufgabe, da sie die Stadt weder
gefährden, noch alarmiren wollten. Gleichwohl führten sie dieselben
mit solcher Umsicht durch, daß die Bevölkerung von Charleston, dar-
unter selbst manche Regierungsbeamte, von der Gefahr, in welcher
sie geschwebt, erst erfuhr, als dieselbe bereits vorüber war. Am
Mittag des 15. Juni wurden zehn verdächtige Farbige zu gleicher
Zeit in ihren Wohnungen verhaftet, und dieser Schlag tödtete die
Verschwörung; denn unter den Verhafteten befanden sich Telemach
Vesey, ihr Haupt, und Harth und Poyas, ihre eifrigsten Missionäre,
dieselben unschuldigen loyalen Leute, die drei Wochen vorher vom
Gericht verhört und ehrenvoll entlassen worden waren. Die nun
folgende Untersuchung ergab, daß der Plan dieses vereitelten Auf-
standes vom kühnsten Geist ersonnen und einer der ausgedehntesten
war, der je von amerikanischen Sklaven entworfen wurde. Ehe wir
zum Prozeßgang übergehen, müssen wir den Leser mit den vornehm-
sten Helden dieses Trauerspiels bekannt machen.

Telemach Vesey war durch einen Zufall von Hayti nach Süd-
Carolina versetzt worden, um, statt dort einer der triumphirenden Hel-
den, hier ein Märtyrer seiner Race zu werden. Jm Jahr 1781
nämlich wurde er im Alter von vierzehn Jahren durch einen alten
Schiffskapitain aus Charleston, Namens Vesey, der zwischen St.
Thomas und Cap Francais fuhr, mit einer Ladung von 390 Skla-
nen nach letzterem Hafen gebracht. Während der Fahrt erregte die
Schönheit und Jntelligenz des Knaben die Aufmerksamkeit des Ka-
pitains, der ihn neu kleiden ließ und als Diener in seine Kajüte
nahm, was den alten Menschenhändler nicht hinderte, bei der Ankunft
im Cap den jungen Telemach auf dem Markt zu verkaufen. Sein
Aerger war aber nicht gering, als ihm bei seiner nächsten Rückkunft
von St. Thomas der Käufer die Meldung machte, er müsse den
Jungen zurücknehmen, da derselbe, den er ihm als "gesund an Körper
und Geist" verkauft habe, epileptischen Anfällen unterworfen sei.
Der durch ein stadtärztliches Zeugniß unterstützten Forderung mußte
entsprochen werden, und Telemach diente nun dem Kapitain zwanzig
Jahre lang, ohne daß jene Anfälle sich wieder eingestellt hätten, so
daß die Möglichkeit einer Fiktion derselben wohl nicht ausgeschlossen
ist. Telemach bereiste mit dem Kapitain fast die ganze Welt, erlernte
mehrere Sprachen und bildete seinen Geist durch Lektüre. Mit dem
höchsten Jnteresse war er den Zeitungsnachrichten über den Verlauf
des Unabhängigkeitskampfes der Farbigen auf Hayti gefolgt, und sein
glühendster Wunsch war, der Toussaint seiner Stammesgenossen in den
Südstaaten der Union zu werden. Jm Jahr 1800 erkaufte er um
den Preis von 1500 Dollars, die er in der Eastbaystreet=Lotterie
gewonnen hatte, seine Freiheit.

"Seit dieser Zeit", heißt es im amtlichen Bericht, "arbeitete er
als Schiffszimmermann in Charleston und zeichnete sich vor seinen
Genossen durch physische Stärke und Energie aus. Wegen seines
[Spaltenumbruch] leicht aufwallenden gebieterischen Temperaments blickten seine Stammes-
brüder mit scheuer Ehrerbietung auf ihn, und Jahre bevor er seine
geheimen Absichten Jemandem offenbarte, war er emsig beschäftigt
gewesen, die Gemüther der farbigen Bevölkerung gegen die Weißen
zu erbittern". Dabei nahm er sich das Verfahren der weißen Geist-
lichen zum Muster. Wie diese aus der Bibel die Gesetzlichkeit
der Sklaverei, so bewies er mit allen zweckdienlichen Stellen der
heiligen Schrift, "daß Sklaverei den Gesetzen Gottes entgegen, daß
es eine religiöse Pflicht der Sklaven sei, ihre Befreiung zu versuchen,
so ungesetzlich und blutig auch die Folgen sein möchten. Solche Ver-
suche seien dem Allmächtigen nicht allein wohlgefällig, sondern von
ihm ausdrücklich geboten und ihr Triumph in der heiligen Schrift
prophezeiet. Lieblingstexte seiner Anreden an die farbigen Hörer
waren dem 4. Kapitel des Josua und dem 14. des Propheten Za-
charias entnommen, und in allen seinen Ansprachen identifizirte er die
Lage der Farbigen in den Sklavenstaaten mit der der Kinder Jsraels.
Die zahlreichen aufreizenden Pamphlete über Sklaverei, welche in den
letzten Jahren von einigen unserer Schwesterstaaten ( sogar auch von
Sierra Leone ) nach Charleston gebracht und unter der farbigen Be-
völkerung dieser Stadt vertheilt worden sind, was in Folge des un-
gehemmten Verkehrs mit ihren Stammesgenossen in den verschiedenen
Staaten mit aller Leichtigkeit geschehen konnte, sowie die Reden mancher
Repräsentanten im Kongreß gegen den Eintritt Missouri's in die Union,
verstümmelt und verfälscht, wie sie vielleicht im Druck erschienen, lie-
ferten dem Vesey das Material zur Entflammung der Gemüther seines
Stammes. Manche Stellen dieser Reden riß er aus dem Zusammen-
hang oder fälschte sie geradezu, um die Farbigen zu überzeugen, daß
der Kongreß sie für frei erklärt habe, und daß sie den Landesgesetzen
zuwider in Sklaverei gehalten würden. Selbst auf seinen Spazier-
gängen durch die Straßen an der Seite von Farbigen war er nicht
müßig im Werk der Aufwiegelung; grüßte sein Begleiter einen Weißen,
so tadelte er ihn dafür in zornigen Worten als wegen einer Ernie-
drigung. "Alle Menschen sind gleich geboren", rief er aus, "Keiner
sollte sich vor dem Andern bücken!" Und wenn Einer ihm entgegnete:
"Wir sind ja Sklaven", dann gab er mit Spott und Unwillen zur Ant-
wort: "Jhr verdient auch Sklaven zu bleiben!" Aber nicht allein
unter den Farbigen, auch vor den Weißen in den Werkstätten und
Schänken verfocht er mit kecken Reden die Freiheit seines Stammes,
und das um so rücksichtsloser, wenn er wußte, daß ihm einer seiner
farbigen Genossen zuhörte. Jn Folge dieser wühlerischen Thätigkeit
war sein Einfluß auf die Sklaven ein unbegrenzter; Viele von ihnen
fürchteten ihn mehr als ihre Herren, und einer derselben versicherte
sogar, er scheue den Vesey mehr als Gott."

So weit der amtliche Bericht über die Vorarbeiten Vesey's zu seinem
Unternehmen. Seine Weiber, sämmtlich Sklavinnen, waren rasch
hinter einander gestorben und hatten ihm viele Kinder hinterlassen,
die dem Gesetz nach ebenfalls Sklaven waren, und deren Befreiung
seinem großen nationalen Zweck noch den persönlichen Beweggrund
der Vaterliebe hinzufügte.

War Vesey das geistige Haupt, so konnte Peter Poyas als der
militärische Leiter des Aufstandes gelten. Auch er war Schiffs-
zimmermann, und weil er eine ausgedehnte Bekanntschaft unter den
Sklaven des Staates besaß, hatte man ihm das Register der Kan-
didaten übertragen; er entschied über Befähigung und Aufnahme der
Eidgenossen. Der Plan zur nächtlichen Erhebung war von ihm mit
Umsicht und Geschick entworfen; er hatte ein berittenes Corps zur
Säuberung und Offenhaltung der Straßen bestimmt und sich eine
Liste sämmtlicher Waffenläden verschafft, deren Vorräthe man sich zu
gleicher Zeit bemächtigen wollte. Den schwierigsten und gefährlichsten
Theil des Unternehmens, die Ueberrumpelung der Hauptwache, hatte
er freiwillig übernommen; ganz allein wollte er sich der Schildwache
nähern und sie durch einen Dolchstoß beseitigen. Poyas war ein
geborener Afrikaner und ein Mann von riesiger Gestalt, sein Auge
besaß den Magnetismus auf seine Verbündeten, welchen der Aber-
glaube den Schlangen beimißt, und nach Aussage mancher Zeugen
vermochte Niemand, seinem Blick Widerstand zu leisten.

Eines der merkwürdigsten Jndividuen unter den Verschworenen
war der Sklave Jack Purcell, im Negerjargon gewöhnlich Gullah
Jack genannt, vom verstümmelten Namen seiner afrikanischen Heimath
Angola. Dort war er nach Abkunft und Stand "Zauberer, Geister-
beschwörer, Wahrsager und Wunderdoktor" gewesen, sagt der amtliche
Bericht, und diesem vielseitigen Beruf folgte er auch auf der andern
Seite des Ozeans. Seit fünfzehn Jahren hatte er sich durch diese
geheimen Künste einen ungeheuren Einfluß unter den Farbigen Char-
lestons verschafft und war so gerade der rechte Mann zur Werbung
von Rekruten für den Aufstand, da er für gefeit galt und die Kunst
der Unverletzbarkeit durch Schuß, Hieb und Stich lehrte. Blindlings
gehorchten ihm die in der Umgegend von Charleston so zahlreichen
Abkömmlinge von Angola und hielten monatlich regelmäßige Zu-
sammenkünfte auf der sogenannten Bulkleys Farm. Dieser Ort war
mit gutem Bedacht gewählt; denn er war zu Wasser erreichbar, so
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Zwei Sklavenverschwörungen in Virginien und
Süd=Carolina.

( Fortsetzung. )

Für seine eigene Haut besorgt, legte William jetzt stückweise Be-
kenntnisse ab und nannte wieder andere Farbige als Mitglieder
der Verschwörung. Aber Mehrere der so Angeschuldigten eilten
auf die Nachricht davon auf der Stelle zum Bürgermeister und
erklärten sich mit Kundgebung ihres Unwillens über diese Verdäch-
tigung und den stärksten Versicherungen ihrer Loyalität bereit, der
strengsten Untersuchung Rede zu stehen. Jn ihrere Rathlosigkeit und
Verwirrung hielten die Behörden die Sache so geheim als möglich,
ließen jedoch scharfe Patronen anfertigen und die Polizei und Wachen
mit geladenen Gewehren versehen. „So groß“, heißt es in der
Botschaft des Gouverneurs, „war die geträumte Sicherheit, daß diese
bisher nur mit hölzernen Kolben an der Seite die Wache bezogen
hatten.“

Jn der Zwischenzeit hatten die verschworenen Farbigen ihre Rolle
mit solchem Erfolg gespielt, daß die Obrigkeit allmälig die Wahrheit
der Angaben Williams zu bezweifeln anfing und weitere Nachforschun-
gen unterließ, während Jene ( wie sich später auswies ) ihre Organi-
sation rasch vollendeten und die Stunde des Losbruchs um zwei
Wochen früher anberaumten. Zu ihrem Verderben fand aber am
Vorabend der Erhebung ein neuer Verrath von einer andern Seite
her statt. Ein Mulatte und Schullehrer einer farbigen Methodisten-
gemeinde war von seinem Herrn bestochen worden, unter seinen
Stammesgenossen zu spioniren und Weiteres über den angeblich pro-
jektirten Aufstand zu ermitteln. Bald kam diesem zu Ohren, daß
Rolla, ein Sklave des Gouverneurs, einen seiner Freunde in das
Geheimniß eingeweiht und ihm vertraut habe, daß der folgende
Sonntag=Abend ( 16. Juni ) zum Zeitpunkt der allgemeinen Erhebung
bestimmt sei. Am Freitag wurde die Sache verrathen; es blieb den
Behörden also nur die kurze Zeit von zwei Tagen, um ihre Vor-
kehrungen zu treffen — eine schwierige Aufgabe, da sie die Stadt weder
gefährden, noch alarmiren wollten. Gleichwohl führten sie dieselben
mit solcher Umsicht durch, daß die Bevölkerung von Charleston, dar-
unter selbst manche Regierungsbeamte, von der Gefahr, in welcher
sie geschwebt, erst erfuhr, als dieselbe bereits vorüber war. Am
Mittag des 15. Juni wurden zehn verdächtige Farbige zu gleicher
Zeit in ihren Wohnungen verhaftet, und dieser Schlag tödtete die
Verschwörung; denn unter den Verhafteten befanden sich Telemach
Vesey, ihr Haupt, und Harth und Poyas, ihre eifrigsten Missionäre,
dieselben unschuldigen loyalen Leute, die drei Wochen vorher vom
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folgende Untersuchung ergab, daß der Plan dieses vereitelten Auf-
standes vom kühnsten Geist ersonnen und einer der ausgedehntesten
war, der je von amerikanischen Sklaven entworfen wurde. Ehe wir
zum Prozeßgang übergehen, müssen wir den Leser mit den vornehm-
sten Helden dieses Trauerspiels bekannt machen.

Telemach Vesey war durch einen Zufall von Hayti nach Süd-
Carolina versetzt worden, um, statt dort einer der triumphirenden Hel-
den, hier ein Märtyrer seiner Race zu werden. Jm Jahr 1781
nämlich wurde er im Alter von vierzehn Jahren durch einen alten
Schiffskapitain aus Charleston, Namens Vesey, der zwischen St.
Thomas und Cap Français fuhr, mit einer Ladung von 390 Skla-
nen nach letzterem Hafen gebracht. Während der Fahrt erregte die
Schönheit und Jntelligenz des Knaben die Aufmerksamkeit des Ka-
pitains, der ihn neu kleiden ließ und als Diener in seine Kajüte
nahm, was den alten Menschenhändler nicht hinderte, bei der Ankunft
im Cap den jungen Telemach auf dem Markt zu verkaufen. Sein
Aerger war aber nicht gering, als ihm bei seiner nächsten Rückkunft
von St. Thomas der Käufer die Meldung machte, er müsse den
Jungen zurücknehmen, da derselbe, den er ihm als „gesund an Körper
und Geist“ verkauft habe, epileptischen Anfällen unterworfen sei.
Der durch ein stadtärztliches Zeugniß unterstützten Forderung mußte
entsprochen werden, und Telemach diente nun dem Kapitain zwanzig
Jahre lang, ohne daß jene Anfälle sich wieder eingestellt hätten, so
daß die Möglichkeit einer Fiktion derselben wohl nicht ausgeschlossen
ist. Telemach bereiste mit dem Kapitain fast die ganze Welt, erlernte
mehrere Sprachen und bildete seinen Geist durch Lektüre. Mit dem
höchsten Jnteresse war er den Zeitungsnachrichten über den Verlauf
des Unabhängigkeitskampfes der Farbigen auf Hayti gefolgt, und sein
glühendster Wunsch war, der Toussaint seiner Stammesgenossen in den
Südstaaten der Union zu werden. Jm Jahr 1800 erkaufte er um
den Preis von 1500 Dollars, die er in der Eastbaystreet=Lotterie
gewonnen hatte, seine Freiheit.

„Seit dieser Zeit“, heißt es im amtlichen Bericht, „arbeitete er
als Schiffszimmermann in Charleston und zeichnete sich vor seinen
Genossen durch physische Stärke und Energie aus. Wegen seines
[Spaltenumbruch] leicht aufwallenden gebieterischen Temperaments blickten seine Stammes-
brüder mit scheuer Ehrerbietung auf ihn, und Jahre bevor er seine
geheimen Absichten Jemandem offenbarte, war er emsig beschäftigt
gewesen, die Gemüther der farbigen Bevölkerung gegen die Weißen
zu erbittern“. Dabei nahm er sich das Verfahren der weißen Geist-
lichen zum Muster. Wie diese aus der Bibel die Gesetzlichkeit
der Sklaverei, so bewies er mit allen zweckdienlichen Stellen der
heiligen Schrift, „daß Sklaverei den Gesetzen Gottes entgegen, daß
es eine religiöse Pflicht der Sklaven sei, ihre Befreiung zu versuchen,
so ungesetzlich und blutig auch die Folgen sein möchten. Solche Ver-
suche seien dem Allmächtigen nicht allein wohlgefällig, sondern von
ihm ausdrücklich geboten und ihr Triumph in der heiligen Schrift
prophezeiet. Lieblingstexte seiner Anreden an die farbigen Hörer
waren dem 4. Kapitel des Josua und dem 14. des Propheten Za-
charias entnommen, und in allen seinen Ansprachen identifizirte er die
Lage der Farbigen in den Sklavenstaaten mit der der Kinder Jsraels.
Die zahlreichen aufreizenden Pamphlete über Sklaverei, welche in den
letzten Jahren von einigen unserer Schwesterstaaten ( sogar auch von
Sierra Leone ) nach Charleston gebracht und unter der farbigen Be-
völkerung dieser Stadt vertheilt worden sind, was in Folge des un-
gehemmten Verkehrs mit ihren Stammesgenossen in den verschiedenen
Staaten mit aller Leichtigkeit geschehen konnte, sowie die Reden mancher
Repräsentanten im Kongreß gegen den Eintritt Missouri's in die Union,
verstümmelt und verfälscht, wie sie vielleicht im Druck erschienen, lie-
ferten dem Vesey das Material zur Entflammung der Gemüther seines
Stammes. Manche Stellen dieser Reden riß er aus dem Zusammen-
hang oder fälschte sie geradezu, um die Farbigen zu überzeugen, daß
der Kongreß sie für frei erklärt habe, und daß sie den Landesgesetzen
zuwider in Sklaverei gehalten würden. Selbst auf seinen Spazier-
gängen durch die Straßen an der Seite von Farbigen war er nicht
müßig im Werk der Aufwiegelung; grüßte sein Begleiter einen Weißen,
so tadelte er ihn dafür in zornigen Worten als wegen einer Ernie-
drigung. „Alle Menschen sind gleich geboren“, rief er aus, „Keiner
sollte sich vor dem Andern bücken!“ Und wenn Einer ihm entgegnete:
„Wir sind ja Sklaven“, dann gab er mit Spott und Unwillen zur Ant-
wort: „Jhr verdient auch Sklaven zu bleiben!“ Aber nicht allein
unter den Farbigen, auch vor den Weißen in den Werkstätten und
Schänken verfocht er mit kecken Reden die Freiheit seines Stammes,
und das um so rücksichtsloser, wenn er wußte, daß ihm einer seiner
farbigen Genossen zuhörte. Jn Folge dieser wühlerischen Thätigkeit
war sein Einfluß auf die Sklaven ein unbegrenzter; Viele von ihnen
fürchteten ihn mehr als ihre Herren, und einer derselben versicherte
sogar, er scheue den Vesey mehr als Gott.“

So weit der amtliche Bericht über die Vorarbeiten Vesey's zu seinem
Unternehmen. Seine Weiber, sämmtlich Sklavinnen, waren rasch
hinter einander gestorben und hatten ihm viele Kinder hinterlassen,
die dem Gesetz nach ebenfalls Sklaven waren, und deren Befreiung
seinem großen nationalen Zweck noch den persönlichen Beweggrund
der Vaterliebe hinzufügte.

War Vesey das geistige Haupt, so konnte Peter Poyas als der
militärische Leiter des Aufstandes gelten. Auch er war Schiffs-
zimmermann, und weil er eine ausgedehnte Bekanntschaft unter den
Sklaven des Staates besaß, hatte man ihm das Register der Kan-
didaten übertragen; er entschied über Befähigung und Aufnahme der
Eidgenossen. Der Plan zur nächtlichen Erhebung war von ihm mit
Umsicht und Geschick entworfen; er hatte ein berittenes Corps zur
Säuberung und Offenhaltung der Straßen bestimmt und sich eine
Liste sämmtlicher Waffenläden verschafft, deren Vorräthe man sich zu
gleicher Zeit bemächtigen wollte. Den schwierigsten und gefährlichsten
Theil des Unternehmens, die Ueberrumpelung der Hauptwache, hatte
er freiwillig übernommen; ganz allein wollte er sich der Schildwache
nähern und sie durch einen Dolchstoß beseitigen. Poyas war ein
geborener Afrikaner und ein Mann von riesiger Gestalt, sein Auge
besaß den Magnetismus auf seine Verbündeten, welchen der Aber-
glaube den Schlangen beimißt, und nach Aussage mancher Zeugen
vermochte Niemand, seinem Blick Widerstand zu leisten.

Eines der merkwürdigsten Jndividuen unter den Verschworenen
war der Sklave Jack Purcell, im Negerjargon gewöhnlich Gullah
Jack genannt, vom verstümmelten Namen seiner afrikanischen Heimath
Angola. Dort war er nach Abkunft und Stand „Zauberer, Geister-
beschwörer, Wahrsager und Wunderdoktor“ gewesen, sagt der amtliche
Bericht, und diesem vielseitigen Beruf folgte er auch auf der andern
Seite des Ozeans. Seit fünfzehn Jahren hatte er sich durch diese
geheimen Künste einen ungeheuren Einfluß unter den Farbigen Char-
lestons verschafft und war so gerade der rechte Mann zur Werbung
von Rekruten für den Aufstand, da er für gefeit galt und die Kunst
der Unverletzbarkeit durch Schuß, Hieb und Stich lehrte. Blindlings
gehorchten ihm die in der Umgegend von Charleston so zahlreichen
Abkömmlinge von Angola und hielten monatlich regelmäßige Zu-
sammenkünfte auf der sogenannten Bulkleys Farm. Dieser Ort war
mit gutem Bedacht gewählt; denn er war zu Wasser erreichbar, so
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[197/0005] 197 Zwei Sklavenverschwörungen in Virginien und Süd=Carolina. ( Fortsetzung. ) Für seine eigene Haut besorgt, legte William jetzt stückweise Be- kenntnisse ab und nannte wieder andere Farbige als Mitglieder der Verschwörung. Aber Mehrere der so Angeschuldigten eilten auf die Nachricht davon auf der Stelle zum Bürgermeister und erklärten sich mit Kundgebung ihres Unwillens über diese Verdäch- tigung und den stärksten Versicherungen ihrer Loyalität bereit, der strengsten Untersuchung Rede zu stehen. Jn ihrere Rathlosigkeit und Verwirrung hielten die Behörden die Sache so geheim als möglich, ließen jedoch scharfe Patronen anfertigen und die Polizei und Wachen mit geladenen Gewehren versehen. „So groß“, heißt es in der Botschaft des Gouverneurs, „war die geträumte Sicherheit, daß diese bisher nur mit hölzernen Kolben an der Seite die Wache bezogen hatten.“ Jn der Zwischenzeit hatten die verschworenen Farbigen ihre Rolle mit solchem Erfolg gespielt, daß die Obrigkeit allmälig die Wahrheit der Angaben Williams zu bezweifeln anfing und weitere Nachforschun- gen unterließ, während Jene ( wie sich später auswies ) ihre Organi- sation rasch vollendeten und die Stunde des Losbruchs um zwei Wochen früher anberaumten. Zu ihrem Verderben fand aber am Vorabend der Erhebung ein neuer Verrath von einer andern Seite her statt. Ein Mulatte und Schullehrer einer farbigen Methodisten- gemeinde war von seinem Herrn bestochen worden, unter seinen Stammesgenossen zu spioniren und Weiteres über den angeblich pro- jektirten Aufstand zu ermitteln. Bald kam diesem zu Ohren, daß Rolla, ein Sklave des Gouverneurs, einen seiner Freunde in das Geheimniß eingeweiht und ihm vertraut habe, daß der folgende Sonntag=Abend ( 16. Juni ) zum Zeitpunkt der allgemeinen Erhebung bestimmt sei. Am Freitag wurde die Sache verrathen; es blieb den Behörden also nur die kurze Zeit von zwei Tagen, um ihre Vor- kehrungen zu treffen — eine schwierige Aufgabe, da sie die Stadt weder gefährden, noch alarmiren wollten. Gleichwohl führten sie dieselben mit solcher Umsicht durch, daß die Bevölkerung von Charleston, dar- unter selbst manche Regierungsbeamte, von der Gefahr, in welcher sie geschwebt, erst erfuhr, als dieselbe bereits vorüber war. Am Mittag des 15. Juni wurden zehn verdächtige Farbige zu gleicher Zeit in ihren Wohnungen verhaftet, und dieser Schlag tödtete die Verschwörung; denn unter den Verhafteten befanden sich Telemach Vesey, ihr Haupt, und Harth und Poyas, ihre eifrigsten Missionäre, dieselben unschuldigen loyalen Leute, die drei Wochen vorher vom Gericht verhört und ehrenvoll entlassen worden waren. Die nun folgende Untersuchung ergab, daß der Plan dieses vereitelten Auf- standes vom kühnsten Geist ersonnen und einer der ausgedehntesten war, der je von amerikanischen Sklaven entworfen wurde. Ehe wir zum Prozeßgang übergehen, müssen wir den Leser mit den vornehm- sten Helden dieses Trauerspiels bekannt machen. Telemach Vesey war durch einen Zufall von Hayti nach Süd- Carolina versetzt worden, um, statt dort einer der triumphirenden Hel- den, hier ein Märtyrer seiner Race zu werden. Jm Jahr 1781 nämlich wurde er im Alter von vierzehn Jahren durch einen alten Schiffskapitain aus Charleston, Namens Vesey, der zwischen St. Thomas und Cap Français fuhr, mit einer Ladung von 390 Skla- nen nach letzterem Hafen gebracht. Während der Fahrt erregte die Schönheit und Jntelligenz des Knaben die Aufmerksamkeit des Ka- pitains, der ihn neu kleiden ließ und als Diener in seine Kajüte nahm, was den alten Menschenhändler nicht hinderte, bei der Ankunft im Cap den jungen Telemach auf dem Markt zu verkaufen. Sein Aerger war aber nicht gering, als ihm bei seiner nächsten Rückkunft von St. Thomas der Käufer die Meldung machte, er müsse den Jungen zurücknehmen, da derselbe, den er ihm als „gesund an Körper und Geist“ verkauft habe, epileptischen Anfällen unterworfen sei. Der durch ein stadtärztliches Zeugniß unterstützten Forderung mußte entsprochen werden, und Telemach diente nun dem Kapitain zwanzig Jahre lang, ohne daß jene Anfälle sich wieder eingestellt hätten, so daß die Möglichkeit einer Fiktion derselben wohl nicht ausgeschlossen ist. Telemach bereiste mit dem Kapitain fast die ganze Welt, erlernte mehrere Sprachen und bildete seinen Geist durch Lektüre. Mit dem höchsten Jnteresse war er den Zeitungsnachrichten über den Verlauf des Unabhängigkeitskampfes der Farbigen auf Hayti gefolgt, und sein glühendster Wunsch war, der Toussaint seiner Stammesgenossen in den Südstaaten der Union zu werden. Jm Jahr 1800 erkaufte er um den Preis von 1500 Dollars, die er in der Eastbaystreet=Lotterie gewonnen hatte, seine Freiheit. „Seit dieser Zeit“, heißt es im amtlichen Bericht, „arbeitete er als Schiffszimmermann in Charleston und zeichnete sich vor seinen Genossen durch physische Stärke und Energie aus. Wegen seines leicht aufwallenden gebieterischen Temperaments blickten seine Stammes- brüder mit scheuer Ehrerbietung auf ihn, und Jahre bevor er seine geheimen Absichten Jemandem offenbarte, war er emsig beschäftigt gewesen, die Gemüther der farbigen Bevölkerung gegen die Weißen zu erbittern“. Dabei nahm er sich das Verfahren der weißen Geist- lichen zum Muster. Wie diese aus der Bibel die Gesetzlichkeit der Sklaverei, so bewies er mit allen zweckdienlichen Stellen der heiligen Schrift, „daß Sklaverei den Gesetzen Gottes entgegen, daß es eine religiöse Pflicht der Sklaven sei, ihre Befreiung zu versuchen, so ungesetzlich und blutig auch die Folgen sein möchten. Solche Ver- suche seien dem Allmächtigen nicht allein wohlgefällig, sondern von ihm ausdrücklich geboten und ihr Triumph in der heiligen Schrift prophezeiet. Lieblingstexte seiner Anreden an die farbigen Hörer waren dem 4. Kapitel des Josua und dem 14. des Propheten Za- charias entnommen, und in allen seinen Ansprachen identifizirte er die Lage der Farbigen in den Sklavenstaaten mit der der Kinder Jsraels. Die zahlreichen aufreizenden Pamphlete über Sklaverei, welche in den letzten Jahren von einigen unserer Schwesterstaaten ( sogar auch von Sierra Leone ) nach Charleston gebracht und unter der farbigen Be- völkerung dieser Stadt vertheilt worden sind, was in Folge des un- gehemmten Verkehrs mit ihren Stammesgenossen in den verschiedenen Staaten mit aller Leichtigkeit geschehen konnte, sowie die Reden mancher Repräsentanten im Kongreß gegen den Eintritt Missouri's in die Union, verstümmelt und verfälscht, wie sie vielleicht im Druck erschienen, lie- ferten dem Vesey das Material zur Entflammung der Gemüther seines Stammes. Manche Stellen dieser Reden riß er aus dem Zusammen- hang oder fälschte sie geradezu, um die Farbigen zu überzeugen, daß der Kongreß sie für frei erklärt habe, und daß sie den Landesgesetzen zuwider in Sklaverei gehalten würden. Selbst auf seinen Spazier- gängen durch die Straßen an der Seite von Farbigen war er nicht müßig im Werk der Aufwiegelung; grüßte sein Begleiter einen Weißen, so tadelte er ihn dafür in zornigen Worten als wegen einer Ernie- drigung. „Alle Menschen sind gleich geboren“, rief er aus, „Keiner sollte sich vor dem Andern bücken!“ Und wenn Einer ihm entgegnete: „Wir sind ja Sklaven“, dann gab er mit Spott und Unwillen zur Ant- wort: „Jhr verdient auch Sklaven zu bleiben!“ Aber nicht allein unter den Farbigen, auch vor den Weißen in den Werkstätten und Schänken verfocht er mit kecken Reden die Freiheit seines Stammes, und das um so rücksichtsloser, wenn er wußte, daß ihm einer seiner farbigen Genossen zuhörte. Jn Folge dieser wühlerischen Thätigkeit war sein Einfluß auf die Sklaven ein unbegrenzter; Viele von ihnen fürchteten ihn mehr als ihre Herren, und einer derselben versicherte sogar, er scheue den Vesey mehr als Gott.“ So weit der amtliche Bericht über die Vorarbeiten Vesey's zu seinem Unternehmen. Seine Weiber, sämmtlich Sklavinnen, waren rasch hinter einander gestorben und hatten ihm viele Kinder hinterlassen, die dem Gesetz nach ebenfalls Sklaven waren, und deren Befreiung seinem großen nationalen Zweck noch den persönlichen Beweggrund der Vaterliebe hinzufügte. War Vesey das geistige Haupt, so konnte Peter Poyas als der militärische Leiter des Aufstandes gelten. Auch er war Schiffs- zimmermann, und weil er eine ausgedehnte Bekanntschaft unter den Sklaven des Staates besaß, hatte man ihm das Register der Kan- didaten übertragen; er entschied über Befähigung und Aufnahme der Eidgenossen. Der Plan zur nächtlichen Erhebung war von ihm mit Umsicht und Geschick entworfen; er hatte ein berittenes Corps zur Säuberung und Offenhaltung der Straßen bestimmt und sich eine Liste sämmtlicher Waffenläden verschafft, deren Vorräthe man sich zu gleicher Zeit bemächtigen wollte. Den schwierigsten und gefährlichsten Theil des Unternehmens, die Ueberrumpelung der Hauptwache, hatte er freiwillig übernommen; ganz allein wollte er sich der Schildwache nähern und sie durch einen Dolchstoß beseitigen. Poyas war ein geborener Afrikaner und ein Mann von riesiger Gestalt, sein Auge besaß den Magnetismus auf seine Verbündeten, welchen der Aber- glaube den Schlangen beimißt, und nach Aussage mancher Zeugen vermochte Niemand, seinem Blick Widerstand zu leisten. Eines der merkwürdigsten Jndividuen unter den Verschworenen war der Sklave Jack Purcell, im Negerjargon gewöhnlich Gullah Jack genannt, vom verstümmelten Namen seiner afrikanischen Heimath Angola. Dort war er nach Abkunft und Stand „Zauberer, Geister- beschwörer, Wahrsager und Wunderdoktor“ gewesen, sagt der amtliche Bericht, und diesem vielseitigen Beruf folgte er auch auf der andern Seite des Ozeans. Seit fünfzehn Jahren hatte er sich durch diese geheimen Künste einen ungeheuren Einfluß unter den Farbigen Char- lestons verschafft und war so gerade der rechte Mann zur Werbung von Rekruten für den Aufstand, da er für gefeit galt und die Kunst der Unverletzbarkeit durch Schuß, Hieb und Stich lehrte. Blindlings gehorchten ihm die in der Umgegend von Charleston so zahlreichen Abkömmlinge von Angola und hielten monatlich regelmäßige Zu- sammenkünfte auf der sogenannten Bulkleys Farm. Dieser Ort war mit gutem Bedacht gewählt; denn er war zu Wasser erreichbar, so

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 25. Berlin, 21. Juni 1868, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt25_1868/5>, abgerufen am 01.06.2024.