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Sonntags-Blatt. Nr. 29. Berlin, 19. Juli 1868.

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[Beginn Spaltensatz] möge, die gewöhnlichen sterblichen Hunde, wie sie in der Geschichte und
der Dichtung des Mittelalters auftreten, sind in keiner Weise von der
Kirche oder ihren Dienern geächtet; sie sind stolz und glücklich wie ihre
Gebieter unter dem Schutz des heiligen Eustachius oder des heiligen Hu-
bertus, wofern sie nicht jener weißen, dem heiligen Rochus geweihten Race
angehörten, von welcher an seinem Namenstage eine große Anzahl vor
seinem Altar eingesegnet wurde.

Beide Heilige, Eustachius und Hubertus, waren große Jäger. Beider
Bekehrung geschah durch schneeweiße Hirsche, welche sie bis in den tiefsten
Wald verfolgten; dort wandten sich diese plötzlich um und zeigten zwischen
ihren Geweihen das Kruzifix. Während im südlichen Europa der heilige
Eustachius der große Patron der Jagd ist, steht im Norden der heilige
Hubertus nicht allein dem Waidwerk vor, sondern auch den Uebungen der
Bogen= oder Armbrustschützen. Die Geschichte seiner Bekehrung ist in
einer großen Anzahl von Fresken, Skulpturen und Glasmalereien dar-
gestellt; sein Reliquienschrein in den Buchenwaldungen der Ardennen war
jedoch der wahre Gegenstand der Verehrung eines jeden treuen Anhängers
des heiligen Hubertus. Die Benediktiner=Abtei, welche dieses Reliquien-
kästchen besaß, war an derselben Stelle gegründet worden, wo der Hirsch
seinen Lauf gehemmt und wo der Heilige sieben Jahre in der tiefsten Ein-
samkeit zugebracht hatte. Nach Verlauf dieser Zeit begab er sich nach
Rom, wo er von dem Papst Sergius 1. zum Bischof geweiht wurde und
das erledigte Bisthum Mastricht erhielt. Während dieser Ceremonie über-
brachte ein Engel dem Papst die berühmte Stola, welche noch heut zu den
Kostbarkeiten der St. Hubertuskirche gehört.

Den Sitz seines Bisthums verlegte der heilige Hubertus nach Lüttich
unter die halb heidnische Bevölkerung von Brabant. Der heilige Petrus
selbst machte ihm der Sage nach einen goldenen Schlüssel zum Geschenk,
mit dessen Besitz eine außerordentliche Gewalt über die bösen und unreinen
Geister verbunden war.

Beinahe ein Jahrhundert nach dem Tode des heiligen Hubertus, welcher
im Jahr 727 erfolgt sein soll, wurde der Reliquienschrein, der seine sterb-
lichen Ueberreste enthielt, mit Erlaubniß des Bischofs Walrand von Lüttich
nach dem Benediktinerkloster übergeführt, das lange Zeit vorher auf der
nämlichen Stelle gegründet worden war, die seine Buße gesehen hatte.
Das in Ruinen liegende Kloster wurde damals feierlich wieder hergestellt,
und die Abtei von St. Hubertus wurde einer der berühmtesten Wallfahrts-
orte im Norden des französischen und belgischen Galliens.

Das Fest des heiligen Hubertus fällt auf den 2. November, und an
diesem Tage muß der in den Ardennen reisende Fremde nicht versäumen,
sich einen Weg durch das hohe Haidekraut nach den Thürmen seines alten
Klosters zu bahnen. Der hochgebietende, mächtige Abt, dessen Lehnsherrlich-
keit das ganze Land ringsum umfaßte, ist zwar verschwunden, und was
von seiner Abtei übrig geblieben, ist zum Hauptgefängniß des Großherzog-
thums Luxemburg geworden; an seinem Namenstag aber kann die Kirche
des Heiligen noch immer kaum die Menge der Pilger fassen, welche von
allen Seiten herbeiströmen, um für sich und ihre Hunde einen Segens-
spruch zu erlangen. Die kleinen Brötchen, welche an diesem Tage an den
Altären des heiligen Hubertus oder des heiligen Rochus geweiht werden, sollen,
wenn man sie unter die Meute vertheilt, die Kraft haben, dieselbe ein ganzes
Jahr lang gegen die Hundswuth zu schützen. Das Grab oder der Re-
liquienschrein des heiligen Hubertus selbst befindet sich in der Krypta der
Kirche, und dem Volksglauben nach soll sein Körper nicht allein wohl-
erhalten sein, sondern Bart und Nägel sollen fortwachsen, wie bei dem
Kaiser Barbarossa. Die wunderbare weißseidene Stola soll den Körper
des Heiligen noch bedeckt haben, als bei seiner Ueberführung in die Abtei
im neunten Jahrhundert der Reliquienschrein geöffnet wurde. Trotz der
Stücke, welche man beständig von ihr wegnimmt, soll sie doch stets ganz
und unverkürzt bleiben. Namentlich rechnen diejenigen auf die Heilkraft
dieser Stola, welche einen Anfall der Hundswuth zu befürchten haben oder
davon befallen sind.

Vielleicht ist es nicht unmöglich, noch in irgend einer alten Dorfkirche
Luxemburgs oder der Vogesen eine wirkliche St. Hubertusmesse am Na-
menstage dieses Heiligen zu hören -- eine Messe, welcher ehemals die Jagd-
aufseher und Förster mit ihren Hunden beiwohnten, und wo im Augenblick
der Konsekration die St. Hubertus=Fanfare ertönte.

Alle Jagdhunde standen unter dem Schutz des heiligen Hubertus, na-
mentlich aber wachten die Aebte mit ganz besonderer Sorgfalt über eine
Art von Hunden, welche der Sage nach von denjenigen Hunden abstammen
sollten, von denen der Heilige am Tage seiner wunderbaren Bekehrung be-
gleitet war. Diese Hunde waren schwarz wie Ebenholz, von kräftigem
Körperbau und hatten etwas kurze Beine; es waren eher Spürhunde als
Windhunde. Sie waren in ganz Frankreich und in den Niederlanden sehr
gesucht. Die Herzöge von Burgund rechneten sie zu den größten Schätzen
ihrer prächtigen Jagden, und die Aebte von St. Hubertus schickten alle Jahr
drei Paar von diesen Hunden nebst sechs Falken von den Ufern der Maas
als Geschenk an den König von Frankreich. Eine ganz weiße Art von
Hunden, welche die nämlichen charakteristischen Eigenschaften besaß, war
ursprünglich dem heiligen Rochus geweiht, auf dessen Altären häufig ein
weißer Hund dargestellt ist, der jenes heilkräftige Brötchen in der Schnauze
trägt, welches wie das des heiligen Hubertus die Eigenschaft besaß, die
Hundswuth vom Hundestall fern zu halten. Diese Race soll aus dem
Orient eingeführt worden sein; bald aber vermischte sie sich mit der alten
Race, und nun nannte man die weißen und die schwarzen Hunde ohne
Unterschied St. Hubertushunde.

Die Hunde, welche in den Dichtungen des Mittelalters auftreten, sind
größtentheils Jagdhunde von unzweifelhaftem Werth. Der Art ist z. B.
Hodain, dessen Name in geheimnißvoller Beziehung zu dem Namen der
großen sächsischen Gottheit zu stehen scheint, obgleich das Gedicht, in
welchem er vorkommt, ursprünglich unzweifelhaftes Eigenthum der heid-
nischen Bretonen ist. Während der Ueberfahrt Tristans und der schönen
[Spaltenumbruch] Jsolde, als diese Jrland verließen, leckte Hodain die Schale aus, welche
den Liebestrank enthalten hatte, dessen Genuß die beiden Liebenden so un-
heilvoll vereinigte. Auch er erlag der Kraft des Trankes und blieb mit
dem Geschick des Liebespaars verbunden, in dessen Dienste er mit Peticru
( dem wunderbaren bunten Hündchen, welches Tristan aus dem Lande Wallis
an Jsolden abschickte ) eine große Anzahl edler Hirsche erlegte, als die Lie-
benden in ihrer Höhle im Walde zum strengsten Fasten verurtheilt waren,
woraus wir schließen können, daß die schöne Königin von Cornwallis
keine so gute Köchin war, als Hodain ein guter Jäger. Ueberall tritt
die Treue und Anhänglichkeit dieses Hundes hervor. Als Tristan als Narr
verkleidet mit abgeschnittenem Haar und geschwärztem Gesicht auf dem
Schloß Tintagel anlangte, erkannte ihn Hodain und liebkoste ihn, während
Jsolde selbst mehr als zweifelhaft war; als die Leichen der unglücklich Lie-
benden nach Cornwallis gebracht wurden, um dort begraben zu werden,
verließ Hodain den Wald, ohne sich umzuwenden und die Hirsche zu ver-
folgen, die es dort in großer Masse gab, und lief gerades Weges nach
der Kapelle. Hier trauerte er lange, ohne Speise und Trank zu sich
zu nehmen.

Die außerordentliche Anhänglichkeit Hodains an Tristan und Jsolde
war Folge eines Zaubertranks, den er mit ihnen getheilt hatte; diese rüh-
rende Hingebung eines Hundes an seinen Herrn ist aber seiner Natur
eigenthümlich, wie die Erzählung von dem Hunde des Hadschi Aivad be-
zeugt. Unter der Dynastie der Seldschucken, deren Hauptstadt Brussa
war, besorgte Hadschi Aivad den Botendienst zwischen dieser Stadt und
Mekka, wo er endlich von Arabern getödtet wurde, welche ihn zu Honain
begruben. Sein Hund blieb bei den Mördern und ging mit denselben
nach Damaskus, wo er sich den Vorübergehenden zu Füßen zu legen und
sie an den Kleidern in die Straßen und in die Bazars zu ziehen pflegte.
Als er so ihre Aufmerksamkeit erregt, fiel er die Araber bellend und beißend
an. Jn Folge dessen wurden diese festgenommen und durchsucht; man
fand die Sachen des Hadschi Aivad unter ihrem Gepäck, seine Schleuder,
seine Axt, die blutigen Kleidungsstücke und den Briefbeutel. Die über-
wiesenen Mörder wurden neben einander aufgehängt, während der Hund
sich unter sie legte und verschied.

Wenn die Dichter den Hund des Ritters zu dessen Gefährten und treuen
Diener machten, so gaben sie nur Schilderungen des wahren Lebens im
Mittelalter. Jn der That war das edle Waidwerk damals die Lieblings-
beschäftigung aller edeln Herren. Der echte Ritter nun, wie Gaston de
Foix, der seinen besten Hunden die Namen Brutus, Tristan, Roland und
ähnliche gab, liebte seine Hunde mehr als alle anderen Thiere, und seine
Zuneigung wurde dann durch deren außerordentliche Treue belohnt.

Die berühmten Hunde der Ritter auf Rhodus, welche durch Geruch
einen Türken von einem Christen unterscheiden konnten und sich danach
gegen Beide verschieden benahmen, waren englische Hofhunde. Diese Race
scheint im südlichen Europa hauptsächlich wohl deßhalb sehr hoch geschätzt
worden zu sein, weil sie für Abkömmlinge von den Hunden des Ritters
galten, welcher mit dem großen Drachen von Rhodus kämpfte und ihn
tödtete, und dessen Geschichte durch Schillers "Taucher" volksthümlich
geworden ist.

Der vornehmste Hund im Süden war jedoch der Spürhund. Ganz
besonders stand er in Gunst bei den Spaniern des sechszehnten und sieb-
zehnten Jahrhunderts; sein wildes, beinahe unzähmbares Wesen machte ihn
zum geeignetsten Gefährten für die Ritter des Herzogs Alba oder für die
unbarmherzigen Eroberer der neuen Welt. Diese Hunde nahmen thätigen
Antheil an den blutbefleckten Handlungen ihrer Herren, sowohl in den
Niederlanden, wie in Mexiko und Peru. Sie empfingen regelmäßig ihre
Rationen, ganz so wie die Soldaten, und eine große Anzahl unglücklicher
Jndianer wurde ohne Zweifel von ihnen in den dichten Waldungen und
dem Buschholz aufgescheucht. Diese Race wurde in Spanien sorgfältig
erhalten und, abgesehen von einem großen, dem dänischen Hunde ähnlichen
Jagdhunde, dessen Vorfahren von den Gothen nach Spanien gebracht
worden sein sollen, erscheint der Spürhund am häufigsten auf den Bildern
von Titian und Velasquez.

Welche Race der Künstler auch für geeignet zur Bezeichnung der
Domini canes, jener weißen und schwarzen Hunde, welche die treuen
Söhne des heiligen Dominicus mit ihren schwarzen Kapuzen und weißen
Scapulieren darstellen, gehalten haben mag, es ist nicht zu bezweifeln, daß
sich bei ihnen eine deutliche Vermischung mit der Race der Spürhunde
zeigt. Jn einer der Fresken des Simone Memmi, welche das Kapitel von
Santa Maria Novella in Florenz schmücken, sieht man eine ganze Meute
von Domini canes, welche einen Trupp Wölfe anfallen, unter deren Ge-
stalt man die Häretiker, wie Petrus Waldus, darstellte. Die Bezeichnung
der "Hunde des Herrn", obgleich man sie ganz naturgemäß von dem Na-
men des heiligen Dominicus herleiten könnte, war schon vor der Existenz
des Dominicaner=Ordens bekannt.

Wenn die Dominicaner und die Jnquisition ihre Hunde hatten, so
könnte man auch protestantische Hunde anführen, so unter anderen den
aus der Grafschaft Wiltshire, welcher dem päpstlichen Pantoffel sehr
wenig Respekt bezeigte. Als nämlich bei dem Empfang der englischen Ge-
sandtschaft im Quirinal im Jahr 1530 kein Mitglied derselben zu merken
schien, daß der Papst ihnen in seiner Grandezza den Fuß zum Kuß dar-
bot, sprang nur das Wachtelhündchen des Gesandten herbei und biß den
heiligen Vater in die Zehe, weßhalb er von den Jesuiten ein ketzerischer
Hund genannt wurde.

Die Behandlung der Hunde ist bei den verschiedenen Völkern und zu
den verschiedenen Zeiten eine verschiedene gewesen. So waren während des
Mittelalters den Windhunden alle Ehren als Erbtheil zugefallen. Die
Hunde einer gewissen Race genossen das Vorrecht, mit ihren Herren vor
dem Kaiser Karl dem Großen erscheinen zu dürfen. Die rechte Pfote des
Hundes war geschoren, eine allerdings minder nützliche Auszeichnung als
die damascirten Schilder, mit denen man die Windhunde bekleidete, wenn
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] möge, die gewöhnlichen sterblichen Hunde, wie sie in der Geschichte und
der Dichtung des Mittelalters auftreten, sind in keiner Weise von der
Kirche oder ihren Dienern geächtet; sie sind stolz und glücklich wie ihre
Gebieter unter dem Schutz des heiligen Eustachius oder des heiligen Hu-
bertus, wofern sie nicht jener weißen, dem heiligen Rochus geweihten Race
angehörten, von welcher an seinem Namenstage eine große Anzahl vor
seinem Altar eingesegnet wurde.

Beide Heilige, Eustachius und Hubertus, waren große Jäger. Beider
Bekehrung geschah durch schneeweiße Hirsche, welche sie bis in den tiefsten
Wald verfolgten; dort wandten sich diese plötzlich um und zeigten zwischen
ihren Geweihen das Kruzifix. Während im südlichen Europa der heilige
Eustachius der große Patron der Jagd ist, steht im Norden der heilige
Hubertus nicht allein dem Waidwerk vor, sondern auch den Uebungen der
Bogen= oder Armbrustschützen. Die Geschichte seiner Bekehrung ist in
einer großen Anzahl von Fresken, Skulpturen und Glasmalereien dar-
gestellt; sein Reliquienschrein in den Buchenwaldungen der Ardennen war
jedoch der wahre Gegenstand der Verehrung eines jeden treuen Anhängers
des heiligen Hubertus. Die Benediktiner=Abtei, welche dieses Reliquien-
kästchen besaß, war an derselben Stelle gegründet worden, wo der Hirsch
seinen Lauf gehemmt und wo der Heilige sieben Jahre in der tiefsten Ein-
samkeit zugebracht hatte. Nach Verlauf dieser Zeit begab er sich nach
Rom, wo er von dem Papst Sergius 1. zum Bischof geweiht wurde und
das erledigte Bisthum Mastricht erhielt. Während dieser Ceremonie über-
brachte ein Engel dem Papst die berühmte Stola, welche noch heut zu den
Kostbarkeiten der St. Hubertuskirche gehört.

Den Sitz seines Bisthums verlegte der heilige Hubertus nach Lüttich
unter die halb heidnische Bevölkerung von Brabant. Der heilige Petrus
selbst machte ihm der Sage nach einen goldenen Schlüssel zum Geschenk,
mit dessen Besitz eine außerordentliche Gewalt über die bösen und unreinen
Geister verbunden war.

Beinahe ein Jahrhundert nach dem Tode des heiligen Hubertus, welcher
im Jahr 727 erfolgt sein soll, wurde der Reliquienschrein, der seine sterb-
lichen Ueberreste enthielt, mit Erlaubniß des Bischofs Walrand von Lüttich
nach dem Benediktinerkloster übergeführt, das lange Zeit vorher auf der
nämlichen Stelle gegründet worden war, die seine Buße gesehen hatte.
Das in Ruinen liegende Kloster wurde damals feierlich wieder hergestellt,
und die Abtei von St. Hubertus wurde einer der berühmtesten Wallfahrts-
orte im Norden des französischen und belgischen Galliens.

Das Fest des heiligen Hubertus fällt auf den 2. November, und an
diesem Tage muß der in den Ardennen reisende Fremde nicht versäumen,
sich einen Weg durch das hohe Haidekraut nach den Thürmen seines alten
Klosters zu bahnen. Der hochgebietende, mächtige Abt, dessen Lehnsherrlich-
keit das ganze Land ringsum umfaßte, ist zwar verschwunden, und was
von seiner Abtei übrig geblieben, ist zum Hauptgefängniß des Großherzog-
thums Luxemburg geworden; an seinem Namenstag aber kann die Kirche
des Heiligen noch immer kaum die Menge der Pilger fassen, welche von
allen Seiten herbeiströmen, um für sich und ihre Hunde einen Segens-
spruch zu erlangen. Die kleinen Brötchen, welche an diesem Tage an den
Altären des heiligen Hubertus oder des heiligen Rochus geweiht werden, sollen,
wenn man sie unter die Meute vertheilt, die Kraft haben, dieselbe ein ganzes
Jahr lang gegen die Hundswuth zu schützen. Das Grab oder der Re-
liquienschrein des heiligen Hubertus selbst befindet sich in der Krypta der
Kirche, und dem Volksglauben nach soll sein Körper nicht allein wohl-
erhalten sein, sondern Bart und Nägel sollen fortwachsen, wie bei dem
Kaiser Barbarossa. Die wunderbare weißseidene Stola soll den Körper
des Heiligen noch bedeckt haben, als bei seiner Ueberführung in die Abtei
im neunten Jahrhundert der Reliquienschrein geöffnet wurde. Trotz der
Stücke, welche man beständig von ihr wegnimmt, soll sie doch stets ganz
und unverkürzt bleiben. Namentlich rechnen diejenigen auf die Heilkraft
dieser Stola, welche einen Anfall der Hundswuth zu befürchten haben oder
davon befallen sind.

Vielleicht ist es nicht unmöglich, noch in irgend einer alten Dorfkirche
Luxemburgs oder der Vogesen eine wirkliche St. Hubertusmesse am Na-
menstage dieses Heiligen zu hören — eine Messe, welcher ehemals die Jagd-
aufseher und Förster mit ihren Hunden beiwohnten, und wo im Augenblick
der Konsekration die St. Hubertus=Fanfare ertönte.

Alle Jagdhunde standen unter dem Schutz des heiligen Hubertus, na-
mentlich aber wachten die Aebte mit ganz besonderer Sorgfalt über eine
Art von Hunden, welche der Sage nach von denjenigen Hunden abstammen
sollten, von denen der Heilige am Tage seiner wunderbaren Bekehrung be-
gleitet war. Diese Hunde waren schwarz wie Ebenholz, von kräftigem
Körperbau und hatten etwas kurze Beine; es waren eher Spürhunde als
Windhunde. Sie waren in ganz Frankreich und in den Niederlanden sehr
gesucht. Die Herzöge von Burgund rechneten sie zu den größten Schätzen
ihrer prächtigen Jagden, und die Aebte von St. Hubertus schickten alle Jahr
drei Paar von diesen Hunden nebst sechs Falken von den Ufern der Maas
als Geschenk an den König von Frankreich. Eine ganz weiße Art von
Hunden, welche die nämlichen charakteristischen Eigenschaften besaß, war
ursprünglich dem heiligen Rochus geweiht, auf dessen Altären häufig ein
weißer Hund dargestellt ist, der jenes heilkräftige Brötchen in der Schnauze
trägt, welches wie das des heiligen Hubertus die Eigenschaft besaß, die
Hundswuth vom Hundestall fern zu halten. Diese Race soll aus dem
Orient eingeführt worden sein; bald aber vermischte sie sich mit der alten
Race, und nun nannte man die weißen und die schwarzen Hunde ohne
Unterschied St. Hubertushunde.

Die Hunde, welche in den Dichtungen des Mittelalters auftreten, sind
größtentheils Jagdhunde von unzweifelhaftem Werth. Der Art ist z. B.
Hodain, dessen Name in geheimnißvoller Beziehung zu dem Namen der
großen sächsischen Gottheit zu stehen scheint, obgleich das Gedicht, in
welchem er vorkommt, ursprünglich unzweifelhaftes Eigenthum der heid-
nischen Bretonen ist. Während der Ueberfahrt Tristans und der schönen
[Spaltenumbruch] Jsolde, als diese Jrland verließen, leckte Hodain die Schale aus, welche
den Liebestrank enthalten hatte, dessen Genuß die beiden Liebenden so un-
heilvoll vereinigte. Auch er erlag der Kraft des Trankes und blieb mit
dem Geschick des Liebespaars verbunden, in dessen Dienste er mit Peticru
( dem wunderbaren bunten Hündchen, welches Tristan aus dem Lande Wallis
an Jsolden abschickte ) eine große Anzahl edler Hirsche erlegte, als die Lie-
benden in ihrer Höhle im Walde zum strengsten Fasten verurtheilt waren,
woraus wir schließen können, daß die schöne Königin von Cornwallis
keine so gute Köchin war, als Hodain ein guter Jäger. Ueberall tritt
die Treue und Anhänglichkeit dieses Hundes hervor. Als Tristan als Narr
verkleidet mit abgeschnittenem Haar und geschwärztem Gesicht auf dem
Schloß Tintagel anlangte, erkannte ihn Hodain und liebkoste ihn, während
Jsolde selbst mehr als zweifelhaft war; als die Leichen der unglücklich Lie-
benden nach Cornwallis gebracht wurden, um dort begraben zu werden,
verließ Hodain den Wald, ohne sich umzuwenden und die Hirsche zu ver-
folgen, die es dort in großer Masse gab, und lief gerades Weges nach
der Kapelle. Hier trauerte er lange, ohne Speise und Trank zu sich
zu nehmen.

Die außerordentliche Anhänglichkeit Hodains an Tristan und Jsolde
war Folge eines Zaubertranks, den er mit ihnen getheilt hatte; diese rüh-
rende Hingebung eines Hundes an seinen Herrn ist aber seiner Natur
eigenthümlich, wie die Erzählung von dem Hunde des Hadschi Aivad be-
zeugt. Unter der Dynastie der Seldschucken, deren Hauptstadt Brussa
war, besorgte Hadschi Aivad den Botendienst zwischen dieser Stadt und
Mekka, wo er endlich von Arabern getödtet wurde, welche ihn zu Honain
begruben. Sein Hund blieb bei den Mördern und ging mit denselben
nach Damaskus, wo er sich den Vorübergehenden zu Füßen zu legen und
sie an den Kleidern in die Straßen und in die Bazars zu ziehen pflegte.
Als er so ihre Aufmerksamkeit erregt, fiel er die Araber bellend und beißend
an. Jn Folge dessen wurden diese festgenommen und durchsucht; man
fand die Sachen des Hadschi Aivad unter ihrem Gepäck, seine Schleuder,
seine Axt, die blutigen Kleidungsstücke und den Briefbeutel. Die über-
wiesenen Mörder wurden neben einander aufgehängt, während der Hund
sich unter sie legte und verschied.

Wenn die Dichter den Hund des Ritters zu dessen Gefährten und treuen
Diener machten, so gaben sie nur Schilderungen des wahren Lebens im
Mittelalter. Jn der That war das edle Waidwerk damals die Lieblings-
beschäftigung aller edeln Herren. Der echte Ritter nun, wie Gaston de
Foix, der seinen besten Hunden die Namen Brutus, Tristan, Roland und
ähnliche gab, liebte seine Hunde mehr als alle anderen Thiere, und seine
Zuneigung wurde dann durch deren außerordentliche Treue belohnt.

Die berühmten Hunde der Ritter auf Rhodus, welche durch Geruch
einen Türken von einem Christen unterscheiden konnten und sich danach
gegen Beide verschieden benahmen, waren englische Hofhunde. Diese Race
scheint im südlichen Europa hauptsächlich wohl deßhalb sehr hoch geschätzt
worden zu sein, weil sie für Abkömmlinge von den Hunden des Ritters
galten, welcher mit dem großen Drachen von Rhodus kämpfte und ihn
tödtete, und dessen Geschichte durch Schillers „Taucher“ volksthümlich
geworden ist.

Der vornehmste Hund im Süden war jedoch der Spürhund. Ganz
besonders stand er in Gunst bei den Spaniern des sechszehnten und sieb-
zehnten Jahrhunderts; sein wildes, beinahe unzähmbares Wesen machte ihn
zum geeignetsten Gefährten für die Ritter des Herzogs Alba oder für die
unbarmherzigen Eroberer der neuen Welt. Diese Hunde nahmen thätigen
Antheil an den blutbefleckten Handlungen ihrer Herren, sowohl in den
Niederlanden, wie in Mexiko und Peru. Sie empfingen regelmäßig ihre
Rationen, ganz so wie die Soldaten, und eine große Anzahl unglücklicher
Jndianer wurde ohne Zweifel von ihnen in den dichten Waldungen und
dem Buschholz aufgescheucht. Diese Race wurde in Spanien sorgfältig
erhalten und, abgesehen von einem großen, dem dänischen Hunde ähnlichen
Jagdhunde, dessen Vorfahren von den Gothen nach Spanien gebracht
worden sein sollen, erscheint der Spürhund am häufigsten auf den Bildern
von Titian und Velasquez.

Welche Race der Künstler auch für geeignet zur Bezeichnung der
Domini canes, jener weißen und schwarzen Hunde, welche die treuen
Söhne des heiligen Dominicus mit ihren schwarzen Kapuzen und weißen
Scapulieren darstellen, gehalten haben mag, es ist nicht zu bezweifeln, daß
sich bei ihnen eine deutliche Vermischung mit der Race der Spürhunde
zeigt. Jn einer der Fresken des Simone Memmi, welche das Kapitel von
Santa Maria Novella in Florenz schmücken, sieht man eine ganze Meute
von Domini canes, welche einen Trupp Wölfe anfallen, unter deren Ge-
stalt man die Häretiker, wie Petrus Waldus, darstellte. Die Bezeichnung
der „Hunde des Herrn“, obgleich man sie ganz naturgemäß von dem Na-
men des heiligen Dominicus herleiten könnte, war schon vor der Existenz
des Dominicaner=Ordens bekannt.

Wenn die Dominicaner und die Jnquisition ihre Hunde hatten, so
könnte man auch protestantische Hunde anführen, so unter anderen den
aus der Grafschaft Wiltshire, welcher dem päpstlichen Pantoffel sehr
wenig Respekt bezeigte. Als nämlich bei dem Empfang der englischen Ge-
sandtschaft im Quirinal im Jahr 1530 kein Mitglied derselben zu merken
schien, daß der Papst ihnen in seiner Grandezza den Fuß zum Kuß dar-
bot, sprang nur das Wachtelhündchen des Gesandten herbei und biß den
heiligen Vater in die Zehe, weßhalb er von den Jesuiten ein ketzerischer
Hund genannt wurde.

Die Behandlung der Hunde ist bei den verschiedenen Völkern und zu
den verschiedenen Zeiten eine verschiedene gewesen. So waren während des
Mittelalters den Windhunden alle Ehren als Erbtheil zugefallen. Die
Hunde einer gewissen Race genossen das Vorrecht, mit ihren Herren vor
dem Kaiser Karl dem Großen erscheinen zu dürfen. Die rechte Pfote des
Hundes war geschoren, eine allerdings minder nützliche Auszeichnung als
die damascirten Schilder, mit denen man die Windhunde bekleidete, wenn
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[230/0006] 230 möge, die gewöhnlichen sterblichen Hunde, wie sie in der Geschichte und der Dichtung des Mittelalters auftreten, sind in keiner Weise von der Kirche oder ihren Dienern geächtet; sie sind stolz und glücklich wie ihre Gebieter unter dem Schutz des heiligen Eustachius oder des heiligen Hu- bertus, wofern sie nicht jener weißen, dem heiligen Rochus geweihten Race angehörten, von welcher an seinem Namenstage eine große Anzahl vor seinem Altar eingesegnet wurde. Beide Heilige, Eustachius und Hubertus, waren große Jäger. Beider Bekehrung geschah durch schneeweiße Hirsche, welche sie bis in den tiefsten Wald verfolgten; dort wandten sich diese plötzlich um und zeigten zwischen ihren Geweihen das Kruzifix. Während im südlichen Europa der heilige Eustachius der große Patron der Jagd ist, steht im Norden der heilige Hubertus nicht allein dem Waidwerk vor, sondern auch den Uebungen der Bogen= oder Armbrustschützen. Die Geschichte seiner Bekehrung ist in einer großen Anzahl von Fresken, Skulpturen und Glasmalereien dar- gestellt; sein Reliquienschrein in den Buchenwaldungen der Ardennen war jedoch der wahre Gegenstand der Verehrung eines jeden treuen Anhängers des heiligen Hubertus. Die Benediktiner=Abtei, welche dieses Reliquien- kästchen besaß, war an derselben Stelle gegründet worden, wo der Hirsch seinen Lauf gehemmt und wo der Heilige sieben Jahre in der tiefsten Ein- samkeit zugebracht hatte. Nach Verlauf dieser Zeit begab er sich nach Rom, wo er von dem Papst Sergius 1. zum Bischof geweiht wurde und das erledigte Bisthum Mastricht erhielt. Während dieser Ceremonie über- brachte ein Engel dem Papst die berühmte Stola, welche noch heut zu den Kostbarkeiten der St. Hubertuskirche gehört. Den Sitz seines Bisthums verlegte der heilige Hubertus nach Lüttich unter die halb heidnische Bevölkerung von Brabant. Der heilige Petrus selbst machte ihm der Sage nach einen goldenen Schlüssel zum Geschenk, mit dessen Besitz eine außerordentliche Gewalt über die bösen und unreinen Geister verbunden war. Beinahe ein Jahrhundert nach dem Tode des heiligen Hubertus, welcher im Jahr 727 erfolgt sein soll, wurde der Reliquienschrein, der seine sterb- lichen Ueberreste enthielt, mit Erlaubniß des Bischofs Walrand von Lüttich nach dem Benediktinerkloster übergeführt, das lange Zeit vorher auf der nämlichen Stelle gegründet worden war, die seine Buße gesehen hatte. Das in Ruinen liegende Kloster wurde damals feierlich wieder hergestellt, und die Abtei von St. Hubertus wurde einer der berühmtesten Wallfahrts- orte im Norden des französischen und belgischen Galliens. Das Fest des heiligen Hubertus fällt auf den 2. November, und an diesem Tage muß der in den Ardennen reisende Fremde nicht versäumen, sich einen Weg durch das hohe Haidekraut nach den Thürmen seines alten Klosters zu bahnen. Der hochgebietende, mächtige Abt, dessen Lehnsherrlich- keit das ganze Land ringsum umfaßte, ist zwar verschwunden, und was von seiner Abtei übrig geblieben, ist zum Hauptgefängniß des Großherzog- thums Luxemburg geworden; an seinem Namenstag aber kann die Kirche des Heiligen noch immer kaum die Menge der Pilger fassen, welche von allen Seiten herbeiströmen, um für sich und ihre Hunde einen Segens- spruch zu erlangen. Die kleinen Brötchen, welche an diesem Tage an den Altären des heiligen Hubertus oder des heiligen Rochus geweiht werden, sollen, wenn man sie unter die Meute vertheilt, die Kraft haben, dieselbe ein ganzes Jahr lang gegen die Hundswuth zu schützen. Das Grab oder der Re- liquienschrein des heiligen Hubertus selbst befindet sich in der Krypta der Kirche, und dem Volksglauben nach soll sein Körper nicht allein wohl- erhalten sein, sondern Bart und Nägel sollen fortwachsen, wie bei dem Kaiser Barbarossa. Die wunderbare weißseidene Stola soll den Körper des Heiligen noch bedeckt haben, als bei seiner Ueberführung in die Abtei im neunten Jahrhundert der Reliquienschrein geöffnet wurde. Trotz der Stücke, welche man beständig von ihr wegnimmt, soll sie doch stets ganz und unverkürzt bleiben. Namentlich rechnen diejenigen auf die Heilkraft dieser Stola, welche einen Anfall der Hundswuth zu befürchten haben oder davon befallen sind. Vielleicht ist es nicht unmöglich, noch in irgend einer alten Dorfkirche Luxemburgs oder der Vogesen eine wirkliche St. Hubertusmesse am Na- menstage dieses Heiligen zu hören — eine Messe, welcher ehemals die Jagd- aufseher und Förster mit ihren Hunden beiwohnten, und wo im Augenblick der Konsekration die St. Hubertus=Fanfare ertönte. Alle Jagdhunde standen unter dem Schutz des heiligen Hubertus, na- mentlich aber wachten die Aebte mit ganz besonderer Sorgfalt über eine Art von Hunden, welche der Sage nach von denjenigen Hunden abstammen sollten, von denen der Heilige am Tage seiner wunderbaren Bekehrung be- gleitet war. Diese Hunde waren schwarz wie Ebenholz, von kräftigem Körperbau und hatten etwas kurze Beine; es waren eher Spürhunde als Windhunde. Sie waren in ganz Frankreich und in den Niederlanden sehr gesucht. Die Herzöge von Burgund rechneten sie zu den größten Schätzen ihrer prächtigen Jagden, und die Aebte von St. Hubertus schickten alle Jahr drei Paar von diesen Hunden nebst sechs Falken von den Ufern der Maas als Geschenk an den König von Frankreich. Eine ganz weiße Art von Hunden, welche die nämlichen charakteristischen Eigenschaften besaß, war ursprünglich dem heiligen Rochus geweiht, auf dessen Altären häufig ein weißer Hund dargestellt ist, der jenes heilkräftige Brötchen in der Schnauze trägt, welches wie das des heiligen Hubertus die Eigenschaft besaß, die Hundswuth vom Hundestall fern zu halten. Diese Race soll aus dem Orient eingeführt worden sein; bald aber vermischte sie sich mit der alten Race, und nun nannte man die weißen und die schwarzen Hunde ohne Unterschied St. Hubertushunde. Die Hunde, welche in den Dichtungen des Mittelalters auftreten, sind größtentheils Jagdhunde von unzweifelhaftem Werth. Der Art ist z. B. Hodain, dessen Name in geheimnißvoller Beziehung zu dem Namen der großen sächsischen Gottheit zu stehen scheint, obgleich das Gedicht, in welchem er vorkommt, ursprünglich unzweifelhaftes Eigenthum der heid- nischen Bretonen ist. Während der Ueberfahrt Tristans und der schönen Jsolde, als diese Jrland verließen, leckte Hodain die Schale aus, welche den Liebestrank enthalten hatte, dessen Genuß die beiden Liebenden so un- heilvoll vereinigte. Auch er erlag der Kraft des Trankes und blieb mit dem Geschick des Liebespaars verbunden, in dessen Dienste er mit Peticru ( dem wunderbaren bunten Hündchen, welches Tristan aus dem Lande Wallis an Jsolden abschickte ) eine große Anzahl edler Hirsche erlegte, als die Lie- benden in ihrer Höhle im Walde zum strengsten Fasten verurtheilt waren, woraus wir schließen können, daß die schöne Königin von Cornwallis keine so gute Köchin war, als Hodain ein guter Jäger. Ueberall tritt die Treue und Anhänglichkeit dieses Hundes hervor. Als Tristan als Narr verkleidet mit abgeschnittenem Haar und geschwärztem Gesicht auf dem Schloß Tintagel anlangte, erkannte ihn Hodain und liebkoste ihn, während Jsolde selbst mehr als zweifelhaft war; als die Leichen der unglücklich Lie- benden nach Cornwallis gebracht wurden, um dort begraben zu werden, verließ Hodain den Wald, ohne sich umzuwenden und die Hirsche zu ver- folgen, die es dort in großer Masse gab, und lief gerades Weges nach der Kapelle. Hier trauerte er lange, ohne Speise und Trank zu sich zu nehmen. Die außerordentliche Anhänglichkeit Hodains an Tristan und Jsolde war Folge eines Zaubertranks, den er mit ihnen getheilt hatte; diese rüh- rende Hingebung eines Hundes an seinen Herrn ist aber seiner Natur eigenthümlich, wie die Erzählung von dem Hunde des Hadschi Aivad be- zeugt. Unter der Dynastie der Seldschucken, deren Hauptstadt Brussa war, besorgte Hadschi Aivad den Botendienst zwischen dieser Stadt und Mekka, wo er endlich von Arabern getödtet wurde, welche ihn zu Honain begruben. Sein Hund blieb bei den Mördern und ging mit denselben nach Damaskus, wo er sich den Vorübergehenden zu Füßen zu legen und sie an den Kleidern in die Straßen und in die Bazars zu ziehen pflegte. Als er so ihre Aufmerksamkeit erregt, fiel er die Araber bellend und beißend an. Jn Folge dessen wurden diese festgenommen und durchsucht; man fand die Sachen des Hadschi Aivad unter ihrem Gepäck, seine Schleuder, seine Axt, die blutigen Kleidungsstücke und den Briefbeutel. Die über- wiesenen Mörder wurden neben einander aufgehängt, während der Hund sich unter sie legte und verschied. Wenn die Dichter den Hund des Ritters zu dessen Gefährten und treuen Diener machten, so gaben sie nur Schilderungen des wahren Lebens im Mittelalter. Jn der That war das edle Waidwerk damals die Lieblings- beschäftigung aller edeln Herren. Der echte Ritter nun, wie Gaston de Foix, der seinen besten Hunden die Namen Brutus, Tristan, Roland und ähnliche gab, liebte seine Hunde mehr als alle anderen Thiere, und seine Zuneigung wurde dann durch deren außerordentliche Treue belohnt. Die berühmten Hunde der Ritter auf Rhodus, welche durch Geruch einen Türken von einem Christen unterscheiden konnten und sich danach gegen Beide verschieden benahmen, waren englische Hofhunde. Diese Race scheint im südlichen Europa hauptsächlich wohl deßhalb sehr hoch geschätzt worden zu sein, weil sie für Abkömmlinge von den Hunden des Ritters galten, welcher mit dem großen Drachen von Rhodus kämpfte und ihn tödtete, und dessen Geschichte durch Schillers „Taucher“ volksthümlich geworden ist. Der vornehmste Hund im Süden war jedoch der Spürhund. Ganz besonders stand er in Gunst bei den Spaniern des sechszehnten und sieb- zehnten Jahrhunderts; sein wildes, beinahe unzähmbares Wesen machte ihn zum geeignetsten Gefährten für die Ritter des Herzogs Alba oder für die unbarmherzigen Eroberer der neuen Welt. Diese Hunde nahmen thätigen Antheil an den blutbefleckten Handlungen ihrer Herren, sowohl in den Niederlanden, wie in Mexiko und Peru. Sie empfingen regelmäßig ihre Rationen, ganz so wie die Soldaten, und eine große Anzahl unglücklicher Jndianer wurde ohne Zweifel von ihnen in den dichten Waldungen und dem Buschholz aufgescheucht. Diese Race wurde in Spanien sorgfältig erhalten und, abgesehen von einem großen, dem dänischen Hunde ähnlichen Jagdhunde, dessen Vorfahren von den Gothen nach Spanien gebracht worden sein sollen, erscheint der Spürhund am häufigsten auf den Bildern von Titian und Velasquez. Welche Race der Künstler auch für geeignet zur Bezeichnung der Domini canes, jener weißen und schwarzen Hunde, welche die treuen Söhne des heiligen Dominicus mit ihren schwarzen Kapuzen und weißen Scapulieren darstellen, gehalten haben mag, es ist nicht zu bezweifeln, daß sich bei ihnen eine deutliche Vermischung mit der Race der Spürhunde zeigt. Jn einer der Fresken des Simone Memmi, welche das Kapitel von Santa Maria Novella in Florenz schmücken, sieht man eine ganze Meute von Domini canes, welche einen Trupp Wölfe anfallen, unter deren Ge- stalt man die Häretiker, wie Petrus Waldus, darstellte. Die Bezeichnung der „Hunde des Herrn“, obgleich man sie ganz naturgemäß von dem Na- men des heiligen Dominicus herleiten könnte, war schon vor der Existenz des Dominicaner=Ordens bekannt. Wenn die Dominicaner und die Jnquisition ihre Hunde hatten, so könnte man auch protestantische Hunde anführen, so unter anderen den aus der Grafschaft Wiltshire, welcher dem päpstlichen Pantoffel sehr wenig Respekt bezeigte. Als nämlich bei dem Empfang der englischen Ge- sandtschaft im Quirinal im Jahr 1530 kein Mitglied derselben zu merken schien, daß der Papst ihnen in seiner Grandezza den Fuß zum Kuß dar- bot, sprang nur das Wachtelhündchen des Gesandten herbei und biß den heiligen Vater in die Zehe, weßhalb er von den Jesuiten ein ketzerischer Hund genannt wurde. Die Behandlung der Hunde ist bei den verschiedenen Völkern und zu den verschiedenen Zeiten eine verschiedene gewesen. So waren während des Mittelalters den Windhunden alle Ehren als Erbtheil zugefallen. Die Hunde einer gewissen Race genossen das Vorrecht, mit ihren Herren vor dem Kaiser Karl dem Großen erscheinen zu dürfen. Die rechte Pfote des Hundes war geschoren, eine allerdings minder nützliche Auszeichnung als die damascirten Schilder, mit denen man die Windhunde bekleidete, wenn

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 29. Berlin, 19. Juli 1868, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt29_1868/6>, abgerufen am 14.06.2024.