St. Galler Volksblatt. Nr. 18, Uznach, 03. 03. 1886.St. Galler Volksblatt. [Spaltenumbruch] 31. Jahrgang. [Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) [Spaltenumbruch] Mittwoch, 3. März 1886. [Spaltenumbruch] Abounementspreis: Bei der Expedition 1/2jährl. Fr. 2. 30, 1/4jährl. Fr. 1. 20 [Spaltenumbruch] No. 18. [Spaltenumbruch] Inserationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der sog. Inseraten- Eine katholische Universität in Freiburg. (Schluß.) Wir lesen soeben in einem Blatte Frankreichs, daß Es müßte männiglich wundern, wenn dem, der eine Die Katholiken empfinden das Bedürfniß, ächt christ- Was sind die meisten bestehenden Hochschulen in Be- Der protestantisch-radikale "National" von La Chaux- Wir waren eben daran, unseren Artikel über die Nachträgliches zur Nationalrathswahl vom 14. Februar l. I. I. Die Liberalen rühmen sich bekanntlich in ihrer an- II. Die Thatsache, daß Bislin im Wahlkampfe unter- III. Bislin gehörte s. Z. zu jener auserlesenen Schaar IV. Nach der verlornen Schlacht meinten katholische St. Galler Volksblatt. [Spaltenumbruch] 31. Jahrgang. [Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) [Spaltenumbruch] Mittwoch, 3. März 1886. [Spaltenumbruch] Abounementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20 [Spaltenumbruch] No. 18. [Spaltenumbruch] Inſerationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten- Eine katholiſche Univerſität in Freiburg. (Schluß.) Wir leſen ſoeben in einem Blatte Frankreichs, daß Es müßte männiglich wundern, wenn dem, der eine Die Katholiken empfinden das Bedürfniß, ächt chriſt- Was ſind die meiſten beſtehenden Hochſchulen in Be- Der proteſtantiſch-radikale „National“ von La Chaux- Wir waren eben daran, unſeren Artikel über die Nachträgliches zur Nationalrathswahl vom 14. Februar l. I. I. Die Liberalen rühmen ſich bekanntlich in ihrer an- II. Die Thatſache, daß Bislin im Wahlkampfe unter- III. Bislin gehörte ſ. Z. zu jener auserleſenen Schaar IV. Nach der verlornen Schlacht meinten katholiſche <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="1"/> <titlePage xml:id="tp01a" type="heading" next="#tp01b"><lb/> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">St. Galler Volksblatt.</hi> </titlePart><lb/> <cb/> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b">31. Jahrgang.</hi> </titlePart><lb/> <cb/> <docImprint> <publisher>(Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)</publisher><lb/> <cb/> <docDate> <hi rendition="#b">Mittwoch, 3. März 1886.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Abounementspreis:</hi> Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20<lb/> Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz: ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30<lb/> Bei der eidgen. <hi rendition="#g">Poſt</hi>: jährlich Fr. 5.—, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40<lb/> Für’s <hi rendition="#g">Ausland</hi> (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —<lb/> „ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50<lb/> Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können<lb/> daher nur jene Inſeraten berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe-<lb/> Tages in der Druckerei abgegeben ſind.</p> </div><lb/> <cb/> <titlePage xml:id="tp01b" prev="#tp01a" type="heading"> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b">No. 18.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Inſerationsgebühr</hi> für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. 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Biſchof Kaſpar Mermillod von Lauſanne und<lb/> Genf während ſeiner vorübergehenden Anweſenheit in Rom<lb/> dem hl. Vater das Projekt einer kathol. Univerſität in<lb/> Freiburg (Schweiz) vorgelegt habe. Aus dieſer Nachricht<lb/> ergibt ſich die Folgerung, daß der ſeit mehr denn 20 Jahre<lb/> lang im Stillen genährte Plan der katholiſchen Führerſchaft<lb/> aus dem Stadium der bloßen Wünſche heraus ſei und<lb/> bereits greifbare Geſtalt angenommen habe. In der That<lb/> brachte jüngſt das Luzerner „Vaterland“ einen ſachbe-<lb/> züglichen Artikel, gemäß welchem die <hi rendition="#g">Frage allmälig<lb/> ihrer Löſung entgegenzugehen</hi> ſcheine. Nach dem<lb/> nämlichen Blatte wäre als Univerſitätsort unſere Zähringer-<lb/> ſtadt <hi rendition="#g">Freiburg</hi> beſtimmt, und zwar würde die Hochſchule<lb/> im ehemaligen Jeſuitenpenſionat (gegenwärtig für Waiſen-<lb/> haus, Prieſterſeminar und Primarſchulen in Anſpruch ge-<lb/> nommen) eingerichtet werden. Als Anfang wird, unter<lb/> Umgehung einer mediziniſchen Fakultät (Schulabtheilung)<lb/> eine theologiſche, juriſtiſche und philoſophiſche Fakultät ge-<lb/> ſchaffen, wofür die Hülfsmittel zum Theil vorhanden ſein<lb/> ſollen. Die oberſten weltlichen und geiſtlichen Behörden<lb/> Freiburgs ſollen dem Plane günſtig geſtimmt ſein und<lb/> der Korreſp. des konſervativen Zentralorganes „zweifelt<lb/> keinen Augenblick an der Verwirklichung desſelben“.</p><lb/> <p>Es müßte männiglich wundern, wenn dem, der eine<lb/> große Idee, und mag ſie noch ſo berechtigt, edel und gut<lb/> ſein, auszuführen im Begriffe ſteht, nicht Schwierigkeiten<lb/> und Hinderniſſe in den Weg gelegt, oder wenn ihm<lb/> wenigſtens nicht dick und breit widerſprochen würde. Im<lb/> vorwürfigen mußte es ein „katholiſches“, ein urſchweizeriſches<lb/> Organ, das „Urner Wochenblatt“ ſein, welches zuerſt das<lb/> geplante Unternehmen tadelte, während die Mittheilungen<lb/> des „Vaterland“ auch nicht ein einziges akatholiſches Blatt<lb/> zu Bemerkungen veranlaßten. Wir ſollen uns hüten, meint<lb/> das mit dem Haſenpanier aufrückende Urnerblatt, einen<lb/> konfeſſionellen Univerſitätsunterricht anzuſtreben, um die<lb/> Empfindlichkeiten unſerer proteſtantiſchen Mitbürger nicht<lb/> zu reizen. Die Freiburger „Liberte“ aber gibt dem tapfern<lb/> Kollegen in Altdorf zu verſtehen, daß der einfachſte Anſtand<lb/> ihn hätte abhalten ſollen, die Brandfackel der Zwietracht<lb/> in’s katholiſche und konſervative Lager zu werfen; es ſei<lb/> eine ſchöne Sache um den Frieden und die Einigkeit mit<lb/> unſeren proteſtantiſchen Brüdern; aber eine ſchönere und<lb/> nothwendigere ſei es noch, die Streitigkeiten unter den<lb/> Katholiken nicht zu ſuchen. Leider kennen wir nur zu viele,<lb/> welche dieſe Art Mäßigung, <hi rendition="#g">Friedens-</hi> und <hi rendition="#g">Nächſten-<lb/> liebe</hi> nicht kennen, trotz des <hi rendition="#g">Kleides,</hi> und des <hi rendition="#g">Schildes</hi>.<lb/> Wir wiſſen dem Frieden und der Einigkeit mit unſeren<lb/> Mitbürgern jeder Konfeſſion und Glaubensanſicht alle<lb/> pflichtigen Opfer zu bringen; es gibt aber eines, das man<lb/> billigerweiſe von uns nicht mehr verlangen kann und das<lb/> wir auch nicht mehr zugeben könnten: das unſerer Ueber-<lb/> zeugung und unſeres katholiſchn Glaubens. Die kathol.<lb/> Univerſität wird nicht die Zweckbeſtimmung einer Propa-<lb/> ganda nach Außen, ſondern mehr diejenige einer einfachen<lb/> Maßnahme der innern Schutzwehr haben. Sie wendet ſich<lb/> nicht an die Proteſtanten, die auch ferners ihre Univerſitäten,<lb/> ihre Akademien, ihren höheren Unterricht haben werden.<lb/> Sie wird bloß mit Rückſicht auf die Nützlichkeit für die<lb/> Katholiken geſchaffen.</p><lb/> <p>Die Katholiken empfinden das Bedürfniß, ächt chriſt-<lb/> liche Beamte, Gelehrte, Geiſtliche, Juriſten, Lehrer ꝛc.<lb/> heranzubilden, was nur unter dem direkteu Einfluſſe der<lb/> Kirche geſchehen kann. <hi rendition="#g">Chriſt und Kirche gehören<lb/> zuſammen;</hi> ohne Kirche gibt es keinen Chriſten, und<lb/> was der Chriſt iſt, hat er von der Kirche und zwar von<lb/> der Kirche allein, und er lebt und gedeiht und wächst<lb/> und blüht und wird vollendet nur in und durch die<lb/> Kirche. Wir haben dieſe Wahrheit um ſo mehr zu be-<lb/> obachten, als ſich der moderne Staat ſelbſt für unchriſtlich,<lb/> religions- und konfeſſionslos erklärt. Unter ſolchen Auſpizien<lb/> muß die Kirche mit allem Ernſte und aller Ausdauer den<lb/> Kampf um die Schule führen, weil ſie zugleich auch das<lb/> natürlichſte aller Rechte zu verfechten die heiligſte Pflicht hat.</p><lb/> <p>Was ſind die meiſten beſtehenden Hochſchulen in Be-<lb/> zug auf die Propaganda für das <hi rendition="#g">Lehrfach?</hi> Als harm-<lb/> loſer Stadt- oder Landjunker betritt der moderne Profeſſor<lb/> die Hochſchule; als freigeiſtiger auf- und abgeklärter Schul-<lb/> mann verläßt er die Räume, welche von zerſetzenden, Pilz<lb/> und Schimmel bildenden Keimſporen erfüllt ſind. Der<lb/> höhere, wie der untere Schulmeiſter iſt der wahre Pfad-<lb/> finder der Neuerer und verläßlichſte Emiſſär der gegen<lb/><cb/> die alte Weltordnung und chriſtliche Weltanſchauung be-<lb/> ſtehenden Verſchwörung. — Von den deutſchen, wenigſtens<lb/> preußiſchen Hochſchulen ſagt Viktor Tiſſot, vielleicht ohne<lb/> ſtarke Uebertreibung: „Alles in der Regierung neigt nach<lb/> dem einzigen Ziel: blinde, unbedingte Unterwürfigkeit<lb/> gegenüber der Gewalt. Man ſpricht ſelten von Gott, aus<lb/> Furcht, er möchte dem Kaiſer Eintrag thun“.</p><lb/> <p>Der proteſtantiſch-radikale „National“ von La Chaux-<lb/> de-fonds (Neuenburg) griff gierig die unzeitigen Einwürfe<lb/> des Urner Wochenblattes auf. Er ſieht in der künftigen<lb/> Univerſität einen Intriguenherd gegen die franzöſiſche<lb/> Republik. Die „Liberte“ erklärt das für Flauſen; die<lb/> franzöſiſchen Katholiken hätten 5 Univerſitäten, die ſie ge-<lb/> gründet und unterhalten. Das genüge für ſie offenbar.<lb/> Wenn wir in Freiburg eine Univerſität gründen, ſo ſei<lb/> es für die Bedürfniſſe der ganzen katholiſchen Schweiz.<lb/> Das neuenburgiſche Organ befürchtet auch eine Ueber-<lb/> ſchwemmung mit franzöſiſchen und belgiſchen Ideen, während<lb/> das Zentralorgan der Freiburger Katholiken auch dieſen<lb/> Einwand beſeitigt. Die Doktrinen (wiſſenſchaftlichen Lehren)<lb/> einer katholiſchen ſchweizeriſchen Univerſität ſeien nicht<lb/> einem anderen Lande entlehnt, da dies partikulariſtiſche<lb/> Doktrinen wären; unſere Lehren ſeien ſchlechthin die der<lb/> römiſchen Kirche ohne Miſchung, wie auch ohne Minderung.<lb/> Die Lehren auf unſerer Univerſität werden die gleichen<lb/> ſein, welche Papſt Leo <hi rendition="#aq">XIII.</hi> in ſeinen herrlichen, auch<lb/> von den Gegnern des Papſtthums bewunderten Rund-<lb/> ſchreiben verkündet hat.</p><lb/> <p>Wir waren eben daran, unſeren Artikel über die<lb/> katholiſche Univerſität in Freiburg abzuſchließen, als uns<lb/> die römiſche Korreſpondenz des „Genfer Courrier“ über<lb/> die Audienz des Kardinalkollegiums und der anweſenden<lb/> Biſchöfe in Rom beim hl. Vater v. 20. Februar zu Ge-<lb/> ſichte kam. Mermillod ſprach in der hohen Verſammlung<lb/> über das Projekt einer katholiſchen Univerſität in der<lb/> Schweiz, er hebt die Gewogenheit der freiburgiſchen<lb/> Regierung hervor und erklärt, der ganze ſchweizeriſche<lb/> Episkopat ſei für dieſe Gründung eingenommen. Leo <hi rendition="#aq">XIII.</hi><lb/> frug ſodann, ob die Landesgeſetze in dieſem Punkte volle<lb/> Freiheit laſſen; würde z. B. der Bundesrath Oppoſition<lb/> machen? Monſeign. Mermillod antwortete, in Betreff des<lb/> höheren Unterrichts beſtehe in der Schweiz vollkommene<lb/> Freiheit, zudem ſei der Bundesrath für den Fortſchritt<lb/> der Wiſſenſchaften und Künſte zu ſehr eingenommen, als<lb/> daß er die Gründung einer neuen Univerſität nicht gerne<lb/> ſähe. Schließlich erklärte der <hi rendition="#g">Papſt, er werde dieſe<lb/> Inſtitution ſo viel er vermöge begünſtigen</hi><lb/> und <hi rendition="#g">wünſche ihr einen raſchen Erfolg</hi>. Möge<lb/> das Werk gelingen und damit ein langehegter Herzens-<lb/> wunſch unſerer katholiſchen Führerſchaft geiſtlichen und<lb/> weltlichen Standes in Erfüllung gehen!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Nachträgliches zur Nationalrathswahl<lb/> vom 14. Februar l. I.</hi> </head><lb/> <byline>(Eingeſandt.)</byline><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">I.</hi> </head><lb/> <p>Die Liberalen rühmen ſich bekanntlich in ihrer an-<lb/> geſtammten Beſcheidenheit als Generalpächter der „Liebe“.<lb/> Den Glauben weiſen dieſe ſonderbaren Liebesjünger vor-<lb/> nehm ab, dagegen ſtellen ſie ſich der Welt als die all-<lb/> einigen, ausſchließlichen Inhaber der „Menſchenliebe“ zur<lb/> Schau. Wie ſich dieſe liberale Liebesjüngerei gegenüber<lb/> dem „Ultramontanismus“ äußert, iſt weltbekannt. Daß<lb/> aber auch der <hi rendition="#g">radikale Demokrat Bislin</hi> dieſe Art<lb/> „Liebe“ in ſo ausgiebiger Weiſe verkoſten mußte, das<lb/> iſt dann ſchon ein wenig bemerkenswerth. Oder <hi rendition="#g">wie</hi><lb/> wurde die <hi rendition="#g">Kandidatur Bislin</hi> von den liberalen<lb/> Syſtemsblättern behandelt? Bislin wurde ſchonungslos<lb/> heruntergemacht. Was man in amtlichen Protokollen, in<lb/> privatlichen Rechnungsſtellungen ꝛc. Nachtheiliges gefunden<lb/> zu haben glaubte, das wurde marktſchreieriſch an die<lb/> große Glocke gehängt. Kein guter Fetzen wurde an <hi rendition="#g">Bislin</hi><lb/> gelaſſen. Es war das Schauſpiel einer politiſchen Ab-<lb/> ſchlachtung und Mundtodtmachung. Und das Alles aus<lb/> — der allerreinſten „<hi rendition="#g">Liebe</hi>“. Es gibt doch nichts<lb/> herrlicheres, als dieſe neue Art „Liebe“! —</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">II.</hi> </head><lb/> <p>Die Thatſache, daß <hi rendition="#g">Bislin</hi> im Wahlkampfe unter-<lb/> legen, mag füglich auf verſchiedene Gründe zurückgeführt<lb/> werden. Wir laſſen das dahingeſtellt. Dagegen will uns<lb/> die Stellung, welche dem katholiſchen Volke im 30. Wahl-<lb/> kreiſe jeweilen bei Anlaß der Nationalrathswahlen von<lb/> Oben angewieſen wird, immer weniger einleuchten. Seit<lb/><cb/> Jahren ſieht man in dieſem Wahlkreiſe ab von Auf-<lb/> ſtellung einer <hi rendition="#g">grundſätzlich katholiſchen</hi> Kandidatur<lb/> und freut ſich, das „Zünglein in der Waage“ ſpielen<lb/> zu können. In unſern Augen trägt ſolche politiſche<lb/> Weisheit nicht ſehr viel zur <hi rendition="#g">grundſätzlichen Bildung</hi><lb/> einer katholiſchen Wählerſchaft bei, wohl aber zu ihrer<lb/> Verwirrung und Zerſplitterung und muß ſo führen zur<lb/> politiſchen Halt- und Grundſatzloſigkeit. Der grundſätzliche<lb/> Mann findet vor dieſer Weisheit keine Gnade, es muß<lb/> ein Schaukelpolitiker oder ein radikaler Demokrat ſein.<lb/> Begreiflich, wenn der geſunde Volksſinn anfängt, ſich<lb/> gegen dieſe Manöver zu ſträuben. Wir ſagen es zum<lb/> hundertſten Male: <hi rendition="#g">Lieber unterliegen mit einer<lb/> katholiſchen grundſätzlichen Kandidatur, als<lb/> hie und da einmal ſiegen mit allerlei Halb-<lb/> heiten</hi>. Mit Letzteren iſt, wie die Erfahrung ſollte dar-<lb/> gethan haben, der katholiſchen Wählerſchaft mit Nichten<lb/> gedient und daß ſolche Wahlmanöver <hi rendition="#g">Verwirrung</hi> in<lb/> die Reihen grundſätzlicher Wähler bringen, hat der<lb/> 14. Februar abhin ſaitſam bewieſen. Das Geheimniß<lb/> der Kraft liegt nicht in der Diplomatie, ſondern in der<lb/> Einheit.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">III.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Bislin</hi> gehörte ſ. Z. zu jener auserleſenen Schaar<lb/> radikaler Katholiken, welche von den Proteſtanten der<lb/> Stadt und des Kantons hochgefeiert und mit Ehren und<lb/> Aemtern beſchenkt worden ſind. Und mit Recht. An<lb/> Talent, Rednergabe, Kühnheit und Radikalismus fehlte<lb/> es Bislin durchaus nicht. Er ſtieg deßwegen hinauf bis<lb/> zur höchſten kantonalen Amtswürde. Wer ſich nun aber<lb/> der Kandidatur <hi rendition="#g">Bislin</hi> im eben beendigten Wahlkampfe<lb/> am heftigſten widerſetzte, das war die Preſſe der <hi rendition="#g">pro-<lb/> teſtantiſchen</hi> Stadt St. Gallen und wem die Maſſe<lb/> der <hi rendition="#g">St. Galler Proteſtanten</hi> ihre Stimmen that-<lb/> ſächlich zuwandten, iſt bekannt. Kurz: Bislin iſt bei der<lb/> Stadt in Ungnade gefallen, ſie hat ihn aus der Zahl<lb/> der Getreuen exkommunizirt, das ihm von dieſer Seite<lb/> präſentirte Mißtrauensvotum könnte nicht klarer und<lb/> eklatanter ſein. Es legt ſich uns daher die Frage wie<lb/> von ſelber nahe: Wodurch zog ſich denn Bislin dieſe<lb/> Ungnade zu? Was hat er gegen die Stadt verbrochen?<lb/> Welches iſt ſeine Sünde? <hi rendition="#g">Bislin wagte es, im<lb/> Jahre 1872 eine ſelbſtſtändige Stellung in<lb/> der Stadt St. Galliſchen Altkatholikenfrage<lb/> einzunehmen</hi>. Er bekannte offen: <hi rendition="#g">ſein Freiſinn<lb/> erlaube ihm nicht, Altkatholik zu werden</hi>.<lb/> Das war genug, um den Zorn der Stadtgötter auf ſich<lb/> herabzuziehen. Daher die gedachte Exkommunikation. Das<lb/> iſt das gewöhnliche Schickſal der ſt. galliſchen liberalen<lb/> Katholiken. Ihre erſte und letzte Bürgerpflicht iſt blinder<lb/> Gehorſam gegen die politiſchen Kommando der pro-<lb/> teſtantiſchen Stadt. Von freier Stellungnahme in politiſchen<lb/> Tagesfragen iſt keine Rede. Ueberzeugung iſt da Neben-<lb/> ſache. Der freie Wille des Bürgers muß unbedingt ge-<lb/> opfert werden. Was gefordert wird mit eiſerner Konſequenz,<lb/> das iſt — Gehorſam und wagt ein liberaler Katholik<lb/> ſich den Liberalismus etwas anders zu denken, als die<lb/> proteſtantiſchen Glaubensrichter, ſo wird die Exkommunkation<lb/> in aller Form Rechtens über ihn und ſeine Nachkommen<lb/> ausgeſprochen. So wurden nacheinander politiſch ab-<lb/> geſchlachtet die liberalen Katholiken <hi rendition="#g">Baumgartner,<lb/> Weder, Sailer, Thoma, Thuli, Bislin</hi>.<lb/><hi rendition="#aq">Vivat sequens!</hi> Und der <hi rendition="#g">liberale Sturzenegger</hi><lb/> von Altſtätten, der bei den Nationalrathswahlen vom<lb/> 26. Oktober 1884 im 30. Wahlkreiſe die ſchöne Zahl<lb/> von 3120 Stimmen auf ſich vereinigte, auch er, der<lb/> allzeit getreue Fahnenträger des Freiſinns, ſollte am<lb/> 14. Februar ebenfalls keine Gnade finden vor der Stadt<lb/> St. Gallen. So ſteht denn der liberale Katholik im Kanton<lb/> St. Gallen vor der Alternative: <hi rendition="#g">Entweder blinder<lb/> Gehorſam oder Exkommunikation</hi>. Und das<lb/> nennt man Freiſinn! und die <hi rendition="#g">Unterthänigen</hi> nennt<lb/> man <hi rendition="#g">Freiſinnige!</hi> </p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </head><lb/> <p>Nach der verlornen Schlacht meinten katholiſche<lb/> Blätter: Man hätte katholiſcherſeits Herrn alt-Staats-<lb/> anwalt <hi rendition="#g">Karl Gmür</hi> portiren ſollen, ſeine Kandidatur<lb/> würde im 30. Wahlkreiſe unbedingt reüärt haben. Ferne<lb/> ſei es, Herrn Gmür’s Talente, Ehrenhaftigkeit, Ueber-<lb/> zeugungstreue in Zweifel zu ziehen. Was uns jedoch<lb/> mehr als auffallend erſcheint, iſt die Thatſache, daß<lb/> gerade ſolche Blätter von Gmür’s Kandidatur reden, die<lb/> ſeine Haltung als Adminiſtrationsrath in Sachen ge-<lb/> wiſſer Prüfungen auf das Entſchiedendſte getadelt haben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1/0001]
St. Galler Volksblatt.
31. Jahrgang.
(Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
Mittwoch, 3. März 1886.
Abounementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz: ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5.—, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40
Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —
„ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50
Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können
daher nur jene Inſeraten berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe-
Tages in der Druckerei abgegeben ſind.
No. 18.
Inſerationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten-
bureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. —
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief-
marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht
berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch & Samſtag.
Alle Samſtag mit den „Linth-Blätter“.
Eine katholiſche Univerſität in Freiburg.
(Schluß.)
Wir leſen ſoeben in einem Blatte Frankreichs, daß
der hochwſt. Biſchof Kaſpar Mermillod von Lauſanne und
Genf während ſeiner vorübergehenden Anweſenheit in Rom
dem hl. Vater das Projekt einer kathol. Univerſität in
Freiburg (Schweiz) vorgelegt habe. Aus dieſer Nachricht
ergibt ſich die Folgerung, daß der ſeit mehr denn 20 Jahre
lang im Stillen genährte Plan der katholiſchen Führerſchaft
aus dem Stadium der bloßen Wünſche heraus ſei und
bereits greifbare Geſtalt angenommen habe. In der That
brachte jüngſt das Luzerner „Vaterland“ einen ſachbe-
züglichen Artikel, gemäß welchem die Frage allmälig
ihrer Löſung entgegenzugehen ſcheine. Nach dem
nämlichen Blatte wäre als Univerſitätsort unſere Zähringer-
ſtadt Freiburg beſtimmt, und zwar würde die Hochſchule
im ehemaligen Jeſuitenpenſionat (gegenwärtig für Waiſen-
haus, Prieſterſeminar und Primarſchulen in Anſpruch ge-
nommen) eingerichtet werden. Als Anfang wird, unter
Umgehung einer mediziniſchen Fakultät (Schulabtheilung)
eine theologiſche, juriſtiſche und philoſophiſche Fakultät ge-
ſchaffen, wofür die Hülfsmittel zum Theil vorhanden ſein
ſollen. Die oberſten weltlichen und geiſtlichen Behörden
Freiburgs ſollen dem Plane günſtig geſtimmt ſein und
der Korreſp. des konſervativen Zentralorganes „zweifelt
keinen Augenblick an der Verwirklichung desſelben“.
Es müßte männiglich wundern, wenn dem, der eine
große Idee, und mag ſie noch ſo berechtigt, edel und gut
ſein, auszuführen im Begriffe ſteht, nicht Schwierigkeiten
und Hinderniſſe in den Weg gelegt, oder wenn ihm
wenigſtens nicht dick und breit widerſprochen würde. Im
vorwürfigen mußte es ein „katholiſches“, ein urſchweizeriſches
Organ, das „Urner Wochenblatt“ ſein, welches zuerſt das
geplante Unternehmen tadelte, während die Mittheilungen
des „Vaterland“ auch nicht ein einziges akatholiſches Blatt
zu Bemerkungen veranlaßten. Wir ſollen uns hüten, meint
das mit dem Haſenpanier aufrückende Urnerblatt, einen
konfeſſionellen Univerſitätsunterricht anzuſtreben, um die
Empfindlichkeiten unſerer proteſtantiſchen Mitbürger nicht
zu reizen. Die Freiburger „Liberte“ aber gibt dem tapfern
Kollegen in Altdorf zu verſtehen, daß der einfachſte Anſtand
ihn hätte abhalten ſollen, die Brandfackel der Zwietracht
in’s katholiſche und konſervative Lager zu werfen; es ſei
eine ſchöne Sache um den Frieden und die Einigkeit mit
unſeren proteſtantiſchen Brüdern; aber eine ſchönere und
nothwendigere ſei es noch, die Streitigkeiten unter den
Katholiken nicht zu ſuchen. Leider kennen wir nur zu viele,
welche dieſe Art Mäßigung, Friedens- und Nächſten-
liebe nicht kennen, trotz des Kleides, und des Schildes.
Wir wiſſen dem Frieden und der Einigkeit mit unſeren
Mitbürgern jeder Konfeſſion und Glaubensanſicht alle
pflichtigen Opfer zu bringen; es gibt aber eines, das man
billigerweiſe von uns nicht mehr verlangen kann und das
wir auch nicht mehr zugeben könnten: das unſerer Ueber-
zeugung und unſeres katholiſchn Glaubens. Die kathol.
Univerſität wird nicht die Zweckbeſtimmung einer Propa-
ganda nach Außen, ſondern mehr diejenige einer einfachen
Maßnahme der innern Schutzwehr haben. Sie wendet ſich
nicht an die Proteſtanten, die auch ferners ihre Univerſitäten,
ihre Akademien, ihren höheren Unterricht haben werden.
Sie wird bloß mit Rückſicht auf die Nützlichkeit für die
Katholiken geſchaffen.
Die Katholiken empfinden das Bedürfniß, ächt chriſt-
liche Beamte, Gelehrte, Geiſtliche, Juriſten, Lehrer ꝛc.
heranzubilden, was nur unter dem direkteu Einfluſſe der
Kirche geſchehen kann. Chriſt und Kirche gehören
zuſammen; ohne Kirche gibt es keinen Chriſten, und
was der Chriſt iſt, hat er von der Kirche und zwar von
der Kirche allein, und er lebt und gedeiht und wächst
und blüht und wird vollendet nur in und durch die
Kirche. Wir haben dieſe Wahrheit um ſo mehr zu be-
obachten, als ſich der moderne Staat ſelbſt für unchriſtlich,
religions- und konfeſſionslos erklärt. Unter ſolchen Auſpizien
muß die Kirche mit allem Ernſte und aller Ausdauer den
Kampf um die Schule führen, weil ſie zugleich auch das
natürlichſte aller Rechte zu verfechten die heiligſte Pflicht hat.
Was ſind die meiſten beſtehenden Hochſchulen in Be-
zug auf die Propaganda für das Lehrfach? Als harm-
loſer Stadt- oder Landjunker betritt der moderne Profeſſor
die Hochſchule; als freigeiſtiger auf- und abgeklärter Schul-
mann verläßt er die Räume, welche von zerſetzenden, Pilz
und Schimmel bildenden Keimſporen erfüllt ſind. Der
höhere, wie der untere Schulmeiſter iſt der wahre Pfad-
finder der Neuerer und verläßlichſte Emiſſär der gegen
die alte Weltordnung und chriſtliche Weltanſchauung be-
ſtehenden Verſchwörung. — Von den deutſchen, wenigſtens
preußiſchen Hochſchulen ſagt Viktor Tiſſot, vielleicht ohne
ſtarke Uebertreibung: „Alles in der Regierung neigt nach
dem einzigen Ziel: blinde, unbedingte Unterwürfigkeit
gegenüber der Gewalt. Man ſpricht ſelten von Gott, aus
Furcht, er möchte dem Kaiſer Eintrag thun“.
Der proteſtantiſch-radikale „National“ von La Chaux-
de-fonds (Neuenburg) griff gierig die unzeitigen Einwürfe
des Urner Wochenblattes auf. Er ſieht in der künftigen
Univerſität einen Intriguenherd gegen die franzöſiſche
Republik. Die „Liberte“ erklärt das für Flauſen; die
franzöſiſchen Katholiken hätten 5 Univerſitäten, die ſie ge-
gründet und unterhalten. Das genüge für ſie offenbar.
Wenn wir in Freiburg eine Univerſität gründen, ſo ſei
es für die Bedürfniſſe der ganzen katholiſchen Schweiz.
Das neuenburgiſche Organ befürchtet auch eine Ueber-
ſchwemmung mit franzöſiſchen und belgiſchen Ideen, während
das Zentralorgan der Freiburger Katholiken auch dieſen
Einwand beſeitigt. Die Doktrinen (wiſſenſchaftlichen Lehren)
einer katholiſchen ſchweizeriſchen Univerſität ſeien nicht
einem anderen Lande entlehnt, da dies partikulariſtiſche
Doktrinen wären; unſere Lehren ſeien ſchlechthin die der
römiſchen Kirche ohne Miſchung, wie auch ohne Minderung.
Die Lehren auf unſerer Univerſität werden die gleichen
ſein, welche Papſt Leo XIII. in ſeinen herrlichen, auch
von den Gegnern des Papſtthums bewunderten Rund-
ſchreiben verkündet hat.
Wir waren eben daran, unſeren Artikel über die
katholiſche Univerſität in Freiburg abzuſchließen, als uns
die römiſche Korreſpondenz des „Genfer Courrier“ über
die Audienz des Kardinalkollegiums und der anweſenden
Biſchöfe in Rom beim hl. Vater v. 20. Februar zu Ge-
ſichte kam. Mermillod ſprach in der hohen Verſammlung
über das Projekt einer katholiſchen Univerſität in der
Schweiz, er hebt die Gewogenheit der freiburgiſchen
Regierung hervor und erklärt, der ganze ſchweizeriſche
Episkopat ſei für dieſe Gründung eingenommen. Leo XIII.
frug ſodann, ob die Landesgeſetze in dieſem Punkte volle
Freiheit laſſen; würde z. B. der Bundesrath Oppoſition
machen? Monſeign. Mermillod antwortete, in Betreff des
höheren Unterrichts beſtehe in der Schweiz vollkommene
Freiheit, zudem ſei der Bundesrath für den Fortſchritt
der Wiſſenſchaften und Künſte zu ſehr eingenommen, als
daß er die Gründung einer neuen Univerſität nicht gerne
ſähe. Schließlich erklärte der Papſt, er werde dieſe
Inſtitution ſo viel er vermöge begünſtigen
und wünſche ihr einen raſchen Erfolg. Möge
das Werk gelingen und damit ein langehegter Herzens-
wunſch unſerer katholiſchen Führerſchaft geiſtlichen und
weltlichen Standes in Erfüllung gehen!
Nachträgliches zur Nationalrathswahl
vom 14. Februar l. I.
(Eingeſandt.)
I.
Die Liberalen rühmen ſich bekanntlich in ihrer an-
geſtammten Beſcheidenheit als Generalpächter der „Liebe“.
Den Glauben weiſen dieſe ſonderbaren Liebesjünger vor-
nehm ab, dagegen ſtellen ſie ſich der Welt als die all-
einigen, ausſchließlichen Inhaber der „Menſchenliebe“ zur
Schau. Wie ſich dieſe liberale Liebesjüngerei gegenüber
dem „Ultramontanismus“ äußert, iſt weltbekannt. Daß
aber auch der radikale Demokrat Bislin dieſe Art
„Liebe“ in ſo ausgiebiger Weiſe verkoſten mußte, das
iſt dann ſchon ein wenig bemerkenswerth. Oder wie
wurde die Kandidatur Bislin von den liberalen
Syſtemsblättern behandelt? Bislin wurde ſchonungslos
heruntergemacht. Was man in amtlichen Protokollen, in
privatlichen Rechnungsſtellungen ꝛc. Nachtheiliges gefunden
zu haben glaubte, das wurde marktſchreieriſch an die
große Glocke gehängt. Kein guter Fetzen wurde an Bislin
gelaſſen. Es war das Schauſpiel einer politiſchen Ab-
ſchlachtung und Mundtodtmachung. Und das Alles aus
— der allerreinſten „Liebe“. Es gibt doch nichts
herrlicheres, als dieſe neue Art „Liebe“! —
II.
Die Thatſache, daß Bislin im Wahlkampfe unter-
legen, mag füglich auf verſchiedene Gründe zurückgeführt
werden. Wir laſſen das dahingeſtellt. Dagegen will uns
die Stellung, welche dem katholiſchen Volke im 30. Wahl-
kreiſe jeweilen bei Anlaß der Nationalrathswahlen von
Oben angewieſen wird, immer weniger einleuchten. Seit
Jahren ſieht man in dieſem Wahlkreiſe ab von Auf-
ſtellung einer grundſätzlich katholiſchen Kandidatur
und freut ſich, das „Zünglein in der Waage“ ſpielen
zu können. In unſern Augen trägt ſolche politiſche
Weisheit nicht ſehr viel zur grundſätzlichen Bildung
einer katholiſchen Wählerſchaft bei, wohl aber zu ihrer
Verwirrung und Zerſplitterung und muß ſo führen zur
politiſchen Halt- und Grundſatzloſigkeit. Der grundſätzliche
Mann findet vor dieſer Weisheit keine Gnade, es muß
ein Schaukelpolitiker oder ein radikaler Demokrat ſein.
Begreiflich, wenn der geſunde Volksſinn anfängt, ſich
gegen dieſe Manöver zu ſträuben. Wir ſagen es zum
hundertſten Male: Lieber unterliegen mit einer
katholiſchen grundſätzlichen Kandidatur, als
hie und da einmal ſiegen mit allerlei Halb-
heiten. Mit Letzteren iſt, wie die Erfahrung ſollte dar-
gethan haben, der katholiſchen Wählerſchaft mit Nichten
gedient und daß ſolche Wahlmanöver Verwirrung in
die Reihen grundſätzlicher Wähler bringen, hat der
14. Februar abhin ſaitſam bewieſen. Das Geheimniß
der Kraft liegt nicht in der Diplomatie, ſondern in der
Einheit.
III.
Bislin gehörte ſ. Z. zu jener auserleſenen Schaar
radikaler Katholiken, welche von den Proteſtanten der
Stadt und des Kantons hochgefeiert und mit Ehren und
Aemtern beſchenkt worden ſind. Und mit Recht. An
Talent, Rednergabe, Kühnheit und Radikalismus fehlte
es Bislin durchaus nicht. Er ſtieg deßwegen hinauf bis
zur höchſten kantonalen Amtswürde. Wer ſich nun aber
der Kandidatur Bislin im eben beendigten Wahlkampfe
am heftigſten widerſetzte, das war die Preſſe der pro-
teſtantiſchen Stadt St. Gallen und wem die Maſſe
der St. Galler Proteſtanten ihre Stimmen that-
ſächlich zuwandten, iſt bekannt. Kurz: Bislin iſt bei der
Stadt in Ungnade gefallen, ſie hat ihn aus der Zahl
der Getreuen exkommunizirt, das ihm von dieſer Seite
präſentirte Mißtrauensvotum könnte nicht klarer und
eklatanter ſein. Es legt ſich uns daher die Frage wie
von ſelber nahe: Wodurch zog ſich denn Bislin dieſe
Ungnade zu? Was hat er gegen die Stadt verbrochen?
Welches iſt ſeine Sünde? Bislin wagte es, im
Jahre 1872 eine ſelbſtſtändige Stellung in
der Stadt St. Galliſchen Altkatholikenfrage
einzunehmen. Er bekannte offen: ſein Freiſinn
erlaube ihm nicht, Altkatholik zu werden.
Das war genug, um den Zorn der Stadtgötter auf ſich
herabzuziehen. Daher die gedachte Exkommunikation. Das
iſt das gewöhnliche Schickſal der ſt. galliſchen liberalen
Katholiken. Ihre erſte und letzte Bürgerpflicht iſt blinder
Gehorſam gegen die politiſchen Kommando der pro-
teſtantiſchen Stadt. Von freier Stellungnahme in politiſchen
Tagesfragen iſt keine Rede. Ueberzeugung iſt da Neben-
ſache. Der freie Wille des Bürgers muß unbedingt ge-
opfert werden. Was gefordert wird mit eiſerner Konſequenz,
das iſt — Gehorſam und wagt ein liberaler Katholik
ſich den Liberalismus etwas anders zu denken, als die
proteſtantiſchen Glaubensrichter, ſo wird die Exkommunkation
in aller Form Rechtens über ihn und ſeine Nachkommen
ausgeſprochen. So wurden nacheinander politiſch ab-
geſchlachtet die liberalen Katholiken Baumgartner,
Weder, Sailer, Thoma, Thuli, Bislin.
Vivat sequens! Und der liberale Sturzenegger
von Altſtätten, der bei den Nationalrathswahlen vom
26. Oktober 1884 im 30. Wahlkreiſe die ſchöne Zahl
von 3120 Stimmen auf ſich vereinigte, auch er, der
allzeit getreue Fahnenträger des Freiſinns, ſollte am
14. Februar ebenfalls keine Gnade finden vor der Stadt
St. Gallen. So ſteht denn der liberale Katholik im Kanton
St. Gallen vor der Alternative: Entweder blinder
Gehorſam oder Exkommunikation. Und das
nennt man Freiſinn! und die Unterthänigen nennt
man Freiſinnige!
IV.
Nach der verlornen Schlacht meinten katholiſche
Blätter: Man hätte katholiſcherſeits Herrn alt-Staats-
anwalt Karl Gmür portiren ſollen, ſeine Kandidatur
würde im 30. Wahlkreiſe unbedingt reüärt haben. Ferne
ſei es, Herrn Gmür’s Talente, Ehrenhaftigkeit, Ueber-
zeugungstreue in Zweifel zu ziehen. Was uns jedoch
mehr als auffallend erſcheint, iſt die Thatſache, daß
gerade ſolche Blätter von Gmür’s Kandidatur reden, die
ſeine Haltung als Adminiſtrationsrath in Sachen ge-
wiſſer Prüfungen auf das Entſchiedendſte getadelt haben.
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