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St. Galler Volksblatt. Nr. 4, Uznach, 14. 01. 1888.

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St. Galler Volksblatt.

[Spaltenumbruch]
33. Jahrgang.

[Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
[Spaltenumbruch] Samstag, 14. Januar 1888.



[Spaltenumbruch]

Abonnementspreis: Bei der Expedition 1/2jährl. Fr. 2. 30, 1/4jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adresse in der Schweiz: 1/2j. Fr. 2. 50, 1/4j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Post: jährlich Fr. 5.--, 1/2jährl. Fr. 2. 60, 1/4jährl. Fr. 1. 40
Für's Ausland (Postverein) jede Nummer mit Adresse: 1/2jährl. Fr. 5. --
" " " wöchentl. einmal " " 1/2jährl. Fr. 3. 50
Die Versendung findet am Dienstag und Freitag Abend statt und es können
daher nur jene Inseraten berücksichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe-
Tages in der Druckerei abgegeben sind.


[Spaltenumbruch]
No. 4.

[Spaltenumbruch]

Inserationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der sog. Inseraten-
bureaux): Die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inserenten kostet die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. -- Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. --
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inserate müssen 10 Cts. in Brief-
marken für Rückantwort enthalten. -- Unfrankirte Sendungen werden nicht
berücksichtigt. -- Das Blatt erscheint wöchentlich zweimal: Mittwoch & Samstag.
Alle Samstag mit den "Linth-Blätter".




Auf das "St. Galler Volksblatt" kann
während dem Monat Januar bei allen Post-
bureaux, bei der Expedition und den betr. Ver-
trägern zu jeder Zeit abonnirt werden.




Hetzblätter.



Am schweizerischen Piusvereinsfest in Sachseln wurde
vom Referenten über die "Soziale Frage", Hrn. Dr.
P. A. Ming, eine Anregung gemacht, die wir aufrichtig be-
grüßten, und nur wünschen, daß sie baldigst verwirklicht
werden möchte. Er führte in seinem, nun im Drucke
erschienenen, vorzüglichen Vortrage über die Stellung der
schweizerischen Katholiken zur solzialen Frage aus, daß
"eine schweizer. katholische Arbeiterzeitung
als Organ der katholischen Arbeiter-, Gesellen-
und Krankenvereine Boden gewinnen könnte." --
Zur Begründung seines zeitgemäßen Vorschlages erwähnte
Redner, daß "in gegenwärtiger Zeit auf die arbeitende
Bevölkerung auch sehr nachdrücklich durch die Presse
gewirkt werde." "Wenigstens ein halbes Dutzend schwei-
zerischer Blätter, mehr oder weniger radikal-sozia-
listischer
Tendenz, besprechen soziale Verhältnisse und
volkswirthschaftliche Fragen, oft auf eine Art und
Weise,
welche nicht dazu beitragen kann, den sozialen
Frieden zu befestigen. Sie stehen auf dem Boden des
Materialismus und behandeln das Christenthum
gleichgiltig, geringschätzig
oder geradezu feind-
selig
. Durch eine solche Literatur wird die schweizerische
Arbeiterbevölkerung über die soziale Frage und deren
Lösung belehrt!" --

Wer immer Gelegenheit hat, die sozialistische und
sozialdemokratische Tagesliteratur zu genießen, der wird
dem katholischen Sozialpolitiker von Sachseln vollkommen
Recht geben. Eine Reihe jener Blätter, die vom Comite
des schweizerischen Arbeiterbundes als offiziell erklärt
wurden, sind nicht Fachschriften zur Aufklärung, Belehrung
und Einigung der Arbeiter, sondern eigentliche Hetz-
blätter,
Uebersetzungen und Ableger der ausländischen
Sozialdemokraten- und Anarchisten-Presse. Weit entfernt,
in ruhiger, sachlicher Weise die soziale Lage des Arbeiter-
standes zu besprechen, für Beseitigung von Uebelständen
die, wie in jedem andern Stande, auch den Arbeiter be-
drücken, nüchterne, praktische Vorschläge zu machen, Vor-
urtheile und eingedrungene schiefe Welturtheile zu bekämpfen,
überhaupt weit entfernt, sich auf dem Boden der christ-
lichen Sittengesetze und der bürgerlichen Rechtsordnung
zu bewegen, erblickt diese Petroleumpresse ihre Aufgabe
darin, ein ganz neues Evangelium zu predigen, das mit
dem der Christen gar wenig gemein hat. Mit dem Gelde
der Arbeiter bezahlte Hetzer und Wühler gießen noch Oel
in's Feuer, schüren giftig den Klassenhaß, drohen den
"verlotterten gesellschaftlichen Einrichtungen" mit dem Ver-
nichtungskampf, spotten der Nächstenliebe und der Religion
des Kreuzes und stürmen mit zurückgeschlagenen Aermeln
dem Genusse zu.

Eben ist wieder ein neues sozialistisches Blatt für die
Arbeiterschaft in Lugano aufgetaucht: "Jl Lavoratore"
(der Arbeiter). Schon in der ersten Nummer spricht es
sein tiefstes Bedauern und Mitleid über die Arbeiter aus,
die "auf dem Wege des Fortschritts durch die Wunder-
lichkeiten religiöser Fabeln" aufgehalten werden."
-- Mit grandioser Unwissenheit und Bosheit wird von
diesen Agitatoren des Sozialismus gegen die Glaubens-
und Sittenlehren der Kirche gewüthet, als ob die Kirche
nicht zu allen Zeiten der treueste Hort aller Armen, Unter-
drückten und "vom Kapital Ausgebeuteten" gewesen wäre.
Wer nur einen ernsten Blick in die Geschichte der Mensch-
heit gethan, findet das Gesagte bestätigt. Im Mittelalter,
wo die Wirksamkeit der Kirche noch ungehemmter war,
als heutzutage, forderte das kirchliche Recht aus Fürsorge
für die arbeitenden Menschen, daß in der gesammten
wirthschaftlichen Thätigkeit nicht der persönliche Vortheil,
nicht die rastlose Gier nach materiellem Gewinn und Be-
sitz, sondern die in brüderlicher Liebe vereinigte Gesammt-
heit Aller den Ausgangspunkt bilde. -- Ehrlicher als
unsere schweizerischen "Arbeiterfreunde", sagte der Jour-
nalist und Sozialist Hyndmann in London zu den Ar-
beitern, daß ihr Elend von der großen protestantischen
Reform (unter dem berüchtigten König Heinrich VIII. und
seiner ihm würdigen Tochter Elisabeth) herrühre; daß
die Aufhebung der Klöster ein am Volke begangener Dieb-
stahl gewesen und daß der Pauperismus in England mit
dem Protestantismus eingezogen sei.


[Spaltenumbruch]

Im vielgeschmähten Mittelalter verlangte die kirchliche
Lehre vor Allem, daß man niemals dem Hülfsbedürftigen,
welchem das Geld nur zur Abhülfe augenblicklicher Noth,
zum unmittelbaren Gebrauch diente, irgend einen Zins
abfordere, denn ein solcher wäre eine abscheuliche Aus-
beutung der Noth des Nebenmenschen, eine habsüchtige
Aneignung fremden Eigenthums.

Wie man die Arbeiter über den Charakter und Ein-
fluß der kathol. Kirche belehrt, davon leistet der Basler
"Arbeiterfreund" (!) in den jüngsten Nummern einige
kennzeichnende Beispiele. "Die Vertreter des offiziellen
Christenthums", schreibt dieses Hetzblatt, "und speziell der
römischen Kirche haben in unseren sogenannten zivilisirten
Landen die Macht Jahrhunderte lang vollständig, direkt
und indirekt, besessen, ohne das ökonomische und geistige
Elend der Volksmassen zu beseitigen oder auch nur erheb-
lich zu lindern, und wo irgend eine Besserung in dieser
Hinsicht eintrat, muße sie meist in hartem Kampfe mit
der Kirche errungen werden." -- Kann man der geschicht-
lichen Wahrheit frecher in's Gesicht schlagen als mit solchen
Behauptungen? Das nämliche Blatt druckt mit sichtlichem
Wohlbehagen die Reden ab, welche zur Verherrlichung
der fünf Anarchisten in Chicago (Nord-Amerika) ge-
halten wurden -- "Arbeiterführer", die bekanntlich letzten
Herbst wegen Ermordung zweier Polizisten vom Gerichte
zum Tode verurtheilt und gehängt worden sind. Das
rothe Basler Blatt macht natürlich mit dem beflissenen
Abdruck dieser Reden die darin enthaltenen Grundsätze
zu seinen eigenen. Einer der Freunde der "gemordeten
selbstlosen Vorkämpfer für die Emanzipation der Arbeiter"
sprach u. A.: "Die Religion klage ich an, welche den
Unterdrückten zuruft: "Duldet, so werdet ihr ernten, --
seid unterthan aller Obrigkeit, denn sie ist von Gott."
Dieses System und diese Religion haben die Menschheit
entmannt und das Wort "Humanität" geschändet (sic!)
dieses System und die noch übrig gebliebenen Einflüsse
der Religion, in deren Namen man euch getauft hat,
haben euch, ihr Arbeiter von Chicago, so feige gemacht,
daß ihr zusaht, wie man euere besten Männer ermor-
dete" ...... "Wir sind keine Christen, welche die
Rache ihrem Herrgott überlassen, wir müssen sie selbst
an die Hand nehmen, und da wir keinen Himmel
erhoffen,
so müssen wir Alles, was gethan werden
kann, auf Erden thun und bald thun" ....... Der
nämliche Rede- und Gesinnungsgenosse des "Arbeiter-
freundes" formulirt seine Forderungen an die Gesellschaft,
und sagt: "Man kann von Jedem verlangen, daß er von
diesen Todten wahren Lebensmuth kennen lernt, nämlich
über die gewöhnlichen Lebensbedingungen die Erringung
jener Ideale (!) zu setzen, welche von allen großen
Menschen (!) empfunden und gelehrt und von jedem
Lumpen verlacht werden: Freie Liebe! freie Wahr-
heit! freies Recht!"

Hat Most, der Anarchistenhäuptling und Mordstifter,
ein anderes Glaubensbekenntniß gelehrt, als das der
freien Liebe -- der Thierheit, -- der freien Wahr-
heit -- der Lüge und des freien Rechts -- oder der
Gewalt? -- Zum Schluß ruft der Redner, zum Gau-
dium des schweizerischen Hetzblattes, aus:

"Wir haben lang genug geliebt,
Wir wollen endlich hassen!"

Gewiß haben die Arbeiter ein unbestreitbares Recht,
sich fest zusammenzuthun und ihre Standesinteressen in
allweg zu wahren; aber inwiefern sollen dieselben durch
solch' schamlose Aufreizungen gefördert werden? wie sollen
sie zufriedener, glücklicher werden, indem man ihnen die
Grundlagen der sittlichen Handlungen, des Trostes und
des Friedens frevelnd aus dem Herzen zu reißen sucht?
Ist doch das Christenthum, wie Al. Baumgartner sagt,
"nicht blos die Grundlage der reinsten und schönsten
religiösen Poesie, es allein verleiht auch den übrigen Be-
ziehungen des Menschenlebens wahre Weihe und Würde.
Wo es nicht hingedrungen, oder wo es fre-
velnd vertrieben wurde, zieht der Fluch der
Sünde in das geistige Leben der Menschheit
ein und trübt und vergiftet auch den Born
des Schönen."

Wahrlich, eine schweizerische katholische Arbeiterzeitung
erscheint als eines der zeitgemäßesten Bedürfnisse!




* Hochw. Herr Kanzler Jos. Ant. Niedermann.

Letzten Dienstag den 10. Jan. verschied in den altehr-
würdigen Klosterräumen zu St. Gallen ein Mann, der es ver-
dient, daß in allen Gauen unserer Diözese seiner gedacht werde,
[Spaltenumbruch] es ist der hochw. Herr Jos. Ant. Niedermann,
bischöflicher Kanzler
. Er war der Sohn sehr ge-
achteter Eltern, die beide an seinem Grabe trauern.
Sein Vater war Bezirksrichter und Verwaltungsrath.
Geboren wurde der Dahingeschiedene den 31. Aug. 1845
als das älteste von 5 Geschwistern. Wie aus seinen
eigenen Aufzeichnungen zu entnehmen ist, wurde er in
seiner frühen Jugend vier Mal fast wunderbar aus Todes-
gefahr gerettet; bei einer Feuersbrunst brannte schon der
Fußboden unter seiner Wiege; einmal wurde er aus dem
angeschwollenen Dorfbach herausgezogen; einst entging er
beim Sturze einer Tanne mit Noth dem Tode; ein
andermal hatte ihn in der Scheune ein herunterstürzendes
Futtermesser beinahe getödtet. -- Nachdem er die Primar-
schule absolvirt hatte, besuchte er während 31/2 Jahren
die Realschule in dem 1 Stunde entfernten Bischofszell,
täglich machte er zu Fuß den Weg hin und zurück. Da
er sich erst jetzt zum weitern Studium definitiv entschloß,
und noch keinen Lateinunterricht genossen hatte, trat er
in's Collegium in Schwyz in die erste Gymnasialklasse.
Während 7 Jahren absolvirte er hier mit Glanz das
Gymnasium und den philosophischen Kurs. Nachher ging
er an das theologische Seminar in Mainz, wohin damals
so viele St. Gallische Jünglinge pilgerten, um aus dem
Munde eines Dr. Heinrich, Dr. Moufang, Dr. Brück etc.
die heilige Wissenschaft zu hören. Nach dreijährigem
Studium der Theologie trat er 1871 in's Priesterseminar
zu St. Georgen ein und wurde im Frühjahr 1872 zum
Priester geweiht. Sein erstes hl. Meßopfer feierte er in
seiner Heimathgemeinde Niederbüren. Während aller
seiner Studienjahre war er von Lehrern und Mitschülern
gleich geachtet und geliebt, seine Talente sowohl als sein
liebenswürdiger Charakter gewannen ihm alle Herzen.

Seine priesterliche Wirksamkeit begann er 1872 als
Domvikar in St. Gallen, wo er wegen seines musterhaften
Wandels und seines außerordentlichen Eifers bei seinen
geistlichen Obern wie beim Volke in hoher Achtung stand.
Von den Kindern als liebevoller Religionslehrer hochge-
schätzt, als Beichtvater von Hoch und Nieder sehr gesucht,
als Tröster sehr häufig an's Krankenbett gerufen und
als Vorsänger in der Kathedrale stets gerne gehört, wirkte
er mit anspruchsloser Bescheidenheit außerordentlich viel.
Besonders steht seine damalige Wirksamkeit als Seelsorger
im Kantonsspital heute noch im besten Andenken. Das
beste Zeugniß für sein Wirken stellte ihm 1878 der hoch-
würdigste Bischof Karl Johann sel. aus, indem er ihn
zu seinem Kanzler ernannte und im Ernennungsschreiben
ihm ganz vorzügliches Lob spendet. -- Als Kanzler war
er stets eine treue und feste Stütze sowohl für den ver-
storbenen Bischof Karl Johann, wie für unsern jetzigen
Oberhirten; von beiden war er gleich geschätzt. Mit der
größten Gewissenhaftigkeit lag er seinen amtlichen Ge-
schäften ob, die ihm zwar, wie er öfters äußerte, nicht
ganz zusagten, da er, wie er meinte, nicht zum Büreau-
kraten geboren sei. Trotz der anstrengenden Arbeiten
eines bischöflichen Kanzlers, die einen Mann hinlänglich
in Anspruch nehmen, suchte er darum stets noch Beschäf-
tigung in der Seelsorge, die er auch reichlich fand, be-
sonders im Beichtstuhl und am Krankenbett. Seine geist-
lichen Amtsbrüder fanden an ihm stets einen bereitwilligen
Helfer, der es sich zur Freude anrechnete, andern einen Dienst
zu erweisen. Wer irgend einen Rath nöthig hatte, der ging,
ob geistlich oder weltlich, vertrauensvoll zum Herrn Kanzler
u. wurde immer mit liebevoller Freundlichkeit aufgenommen.
Wie vielen Unschlüssigen er gerathen und wie vielen Be-
drängten er geholfen hat, das weiß Gott allein. An
Sonntagen war seine Wohnung geradezu belagert und
auch an Werktagen traf man ihn selten allein. -- Auf
den Firmungsreisen hatte er den hochwürdigsten Ober-
hirten zu begleiten und ward der liebenswürdige Kanzler
von allen Pfarrherren mit Freuden begrüßt. 1883 be-
gleitete er den hochwst. Bischof Augustinus nach Rom;
nach seiner Rückkehr schilderte er in einer Versammlung
des hiesigen Domchores, dessen eifriges Mitglied und zeit-
weiliger Vizepräsident er gewesen, mit großer Begeisterung
die Eindrücke, die er von Rom, besonders von der Privat-
audienz beim hl. Vater, mit nach Hause genommen. Im
gleichen Jahre machte er die erste Firmungs- und
Visitationsreise unseres Bischofs mit; half in allen
Pfarreien mit der angestrengtesten Ausdauer im Beicht-
stuhle aus, ordnete und dirigirte Alles bei Spendung
der hl. Firmung, examinirte die Kinder im Religions-
unterricht, visitirte Kirchen und Sakristeien und nachdem
er unter solcher Anstrengung jede Woche einige Pfarreien
durchwandert, kam er auf den Sonntag nach St. Gallen


St. Galler Volksblatt.

[Spaltenumbruch]
33. Jahrgang.

[Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
[Spaltenumbruch] Samſtag, 14. Januar 1888.



[Spaltenumbruch]

Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz: ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5.—, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40
Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —
„ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50
Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können
daher nur jene Inſeraten berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe-
Tages in der Druckerei abgegeben ſind.


[Spaltenumbruch]
No. 4.

[Spaltenumbruch]

Inſerationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten-
bureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. —
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief-
marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht
berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch & Samſtag.
Alle Samſtag mit den „Linth-Blätter“.




Auf das „St. Galler Volksblatt“ kann
während dem Monat Januar bei allen Poſt-
bureaux, bei der Expedition und den betr. Ver-
trägern zu jeder Zeit abonnirt werden.




Hetzblätter.



Am ſchweizeriſchen Piusvereinsfeſt in Sachſeln wurde
vom Referenten über die „Soziale Frage“, Hrn. Dr.
P. A. Ming, eine Anregung gemacht, die wir aufrichtig be-
grüßten, und nur wünſchen, daß ſie baldigſt verwirklicht
werden möchte. Er führte in ſeinem, nun im Drucke
erſchienenen, vorzüglichen Vortrage über die Stellung der
ſchweizeriſchen Katholiken zur ſolzialen Frage aus, daß
„eine ſchweizer. katholiſche Arbeiterzeitung
als Organ der katholiſchen Arbeiter-, Geſellen-
und Krankenvereine Boden gewinnen könnte.“ —
Zur Begründung ſeines zeitgemäßen Vorſchlages erwähnte
Redner, daß „in gegenwärtiger Zeit auf die arbeitende
Bevölkerung auch ſehr nachdrücklich durch die Preſſe
gewirkt werde.“ „Wenigſtens ein halbes Dutzend ſchwei-
zeriſcher Blätter, mehr oder weniger radikal-ſozia-
liſtiſcher
Tendenz, beſprechen ſoziale Verhältniſſe und
volkswirthſchaftliche Fragen, oft auf eine Art und
Weiſe,
welche nicht dazu beitragen kann, den ſozialen
Frieden zu befeſtigen. Sie ſtehen auf dem Boden des
Materialismus und behandeln das Chriſtenthum
gleichgiltig, geringſchätzig
oder geradezu feind-
ſelig
. Durch eine ſolche Literatur wird die ſchweizeriſche
Arbeiterbevölkerung über die ſoziale Frage und deren
Löſung belehrt!“ —

Wer immer Gelegenheit hat, die ſozialiſtiſche und
ſozialdemokratiſche Tagesliteratur zu genießen, der wird
dem katholiſchen Sozialpolitiker von Sachſeln vollkommen
Recht geben. Eine Reihe jener Blätter, die vom Comite
des ſchweizeriſchen Arbeiterbundes als offiziell erklärt
wurden, ſind nicht Fachſchriften zur Aufklärung, Belehrung
und Einigung der Arbeiter, ſondern eigentliche Hetz-
blätter,
Ueberſetzungen und Ableger der ausländiſchen
Sozialdemokraten- und Anarchiſten-Preſſe. Weit entfernt,
in ruhiger, ſachlicher Weiſe die ſoziale Lage des Arbeiter-
ſtandes zu beſprechen, für Beſeitigung von Uebelſtänden
die, wie in jedem andern Stande, auch den Arbeiter be-
drücken, nüchterne, praktiſche Vorſchläge zu machen, Vor-
urtheile und eingedrungene ſchiefe Welturtheile zu bekämpfen,
überhaupt weit entfernt, ſich auf dem Boden der chriſt-
lichen Sittengeſetze und der bürgerlichen Rechtsordnung
zu bewegen, erblickt dieſe Petroleumpreſſe ihre Aufgabe
darin, ein ganz neues Evangelium zu predigen, das mit
dem der Chriſten gar wenig gemein hat. Mit dem Gelde
der Arbeiter bezahlte Hetzer und Wühler gießen noch Oel
in’s Feuer, ſchüren giftig den Klaſſenhaß, drohen den
„verlotterten geſellſchaftlichen Einrichtungen“ mit dem Ver-
nichtungskampf, ſpotten der Nächſtenliebe und der Religion
des Kreuzes und ſtürmen mit zurückgeſchlagenen Aermeln
dem Genuſſe zu.

Eben iſt wieder ein neues ſozialiſtiſches Blatt für die
Arbeiterſchaft in Lugano aufgetaucht: „Jl Lavoratore
(der Arbeiter). Schon in der erſten Nummer ſpricht es
ſein tiefſtes Bedauern und Mitleid über die Arbeiter aus,
die „auf dem Wege des Fortſchritts durch die Wunder-
lichkeiten religiöſer Fabeln“ aufgehalten werden.“
— Mit grandioſer Unwiſſenheit und Bosheit wird von
dieſen Agitatoren des Sozialismus gegen die Glaubens-
und Sittenlehren der Kirche gewüthet, als ob die Kirche
nicht zu allen Zeiten der treueſte Hort aller Armen, Unter-
drückten und „vom Kapital Ausgebeuteten“ geweſen wäre.
Wer nur einen ernſten Blick in die Geſchichte der Menſch-
heit gethan, findet das Geſagte beſtätigt. Im Mittelalter,
wo die Wirkſamkeit der Kirche noch ungehemmter war,
als heutzutage, forderte das kirchliche Recht aus Fürſorge
für die arbeitenden Menſchen, daß in der geſammten
wirthſchaftlichen Thätigkeit nicht der perſönliche Vortheil,
nicht die raſtloſe Gier nach materiellem Gewinn und Be-
ſitz, ſondern die in brüderlicher Liebe vereinigte Geſammt-
heit Aller den Ausgangspunkt bilde. — Ehrlicher als
unſere ſchweizeriſchen „Arbeiterfreunde“, ſagte der Jour-
naliſt und Sozialiſt Hyndmann in London zu den Ar-
beitern, daß ihr Elend von der großen proteſtantiſchen
Reform (unter dem berüchtigten König Heinrich VIII. und
ſeiner ihm würdigen Tochter Eliſabeth) herrühre; daß
die Aufhebung der Klöſter ein am Volke begangener Dieb-
ſtahl geweſen und daß der Pauperismus in England mit
dem Proteſtantismus eingezogen ſei.


[Spaltenumbruch]

Im vielgeſchmähten Mittelalter verlangte die kirchliche
Lehre vor Allem, daß man niemals dem Hülfsbedürftigen,
welchem das Geld nur zur Abhülfe augenblicklicher Noth,
zum unmittelbaren Gebrauch diente, irgend einen Zins
abfordere, denn ein ſolcher wäre eine abſcheuliche Aus-
beutung der Noth des Nebenmenſchen, eine habſüchtige
Aneignung fremden Eigenthums.

Wie man die Arbeiter über den Charakter und Ein-
fluß der kathol. Kirche belehrt, davon leiſtet der Basler
„Arbeiterfreund“ (!) in den jüngſten Nummern einige
kennzeichnende Beiſpiele. „Die Vertreter des offiziellen
Chriſtenthums“, ſchreibt dieſes Hetzblatt, „und ſpeziell der
römiſchen Kirche haben in unſeren ſogenannten ziviliſirten
Landen die Macht Jahrhunderte lang vollſtändig, direkt
und indirekt, beſeſſen, ohne das ökonomiſche und geiſtige
Elend der Volksmaſſen zu beſeitigen oder auch nur erheb-
lich zu lindern, und wo irgend eine Beſſerung in dieſer
Hinſicht eintrat, muße ſie meiſt in hartem Kampfe mit
der Kirche errungen werden.“ — Kann man der geſchicht-
lichen Wahrheit frecher in’s Geſicht ſchlagen als mit ſolchen
Behauptungen? Das nämliche Blatt druckt mit ſichtlichem
Wohlbehagen die Reden ab, welche zur Verherrlichung
der fünf Anarchiſten in Chicago (Nord-Amerika) ge-
halten wurden — „Arbeiterführer“, die bekanntlich letzten
Herbſt wegen Ermordung zweier Poliziſten vom Gerichte
zum Tode verurtheilt und gehängt worden ſind. Das
rothe Basler Blatt macht natürlich mit dem befliſſenen
Abdruck dieſer Reden die darin enthaltenen Grundſätze
zu ſeinen eigenen. Einer der Freunde der „gemordeten
ſelbſtloſen Vorkämpfer für die Emanzipation der Arbeiter“
ſprach u. A.: „Die Religion klage ich an, welche den
Unterdrückten zuruft: „Duldet, ſo werdet ihr ernten, —
ſeid unterthan aller Obrigkeit, denn ſie iſt von Gott.“
Dieſes Syſtem und dieſe Religion haben die Menſchheit
entmannt und das Wort „Humanität“ geſchändet (sic!)
dieſes Syſtem und die noch übrig gebliebenen Einflüſſe
der Religion, in deren Namen man euch getauft hat,
haben euch, ihr Arbeiter von Chicago, ſo feige gemacht,
daß ihr zuſaht, wie man euere beſten Männer ermor-
dete“ ...... „Wir ſind keine Chriſten, welche die
Rache ihrem Herrgott überlaſſen, wir müſſen ſie ſelbſt
an die Hand nehmen, und da wir keinen Himmel
erhoffen,
ſo müſſen wir Alles, was gethan werden
kann, auf Erden thun und bald thun“ ....... Der
nämliche Rede- und Geſinnungsgenoſſe des „Arbeiter-
freundes“ formulirt ſeine Forderungen an die Geſellſchaft,
und ſagt: „Man kann von Jedem verlangen, daß er von
dieſen Todten wahren Lebensmuth kennen lernt, nämlich
über die gewöhnlichen Lebensbedingungen die Erringung
jener Ideale (!) zu ſetzen, welche von allen großen
Menſchen (!) empfunden und gelehrt und von jedem
Lumpen verlacht werden: Freie Liebe! freie Wahr-
heit! freies Recht!“

Hat Moſt, der Anarchiſtenhäuptling und Mordſtifter,
ein anderes Glaubensbekenntniß gelehrt, als das der
freien Liebe — der Thierheit, — der freien Wahr-
heit — der Lüge und des freien Rechts — oder der
Gewalt? — Zum Schluß ruft der Redner, zum Gau-
dium des ſchweizeriſchen Hetzblattes, aus:

„Wir haben lang genug geliebt,
Wir wollen endlich haſſen!“

Gewiß haben die Arbeiter ein unbeſtreitbares Recht,
ſich feſt zuſammenzuthun und ihre Standesintereſſen in
allweg zu wahren; aber inwiefern ſollen dieſelben durch
ſolch’ ſchamloſe Aufreizungen gefördert werden? wie ſollen
ſie zufriedener, glücklicher werden, indem man ihnen die
Grundlagen der ſittlichen Handlungen, des Troſtes und
des Friedens frevelnd aus dem Herzen zu reißen ſucht?
Iſt doch das Chriſtenthum, wie Al. Baumgartner ſagt,
„nicht blos die Grundlage der reinſten und ſchönſten
religiöſen Poeſie, es allein verleiht auch den übrigen Be-
ziehungen des Menſchenlebens wahre Weihe und Würde.
Wo es nicht hingedrungen, oder wo es fre-
velnd vertrieben wurde, zieht der Fluch der
Sünde in das geiſtige Leben der Menſchheit
ein und trübt und vergiftet auch den Born
des Schönen.“

Wahrlich, eine ſchweizeriſche katholiſche Arbeiterzeitung
erſcheint als eines der zeitgemäßeſten Bedürfniſſe!




* Hochw. Herr Kanzler Joſ. Ant. Niedermann.

Letzten Dienſtag den 10. Jan. verſchied in den altehr-
würdigen Kloſterräumen zu St. Gallen ein Mann, der es ver-
dient, daß in allen Gauen unſerer Diözeſe ſeiner gedacht werde,
[Spaltenumbruch] es iſt der hochw. Herr Joſ. Ant. Niedermann,
biſchöflicher Kanzler
. Er war der Sohn ſehr ge-
achteter Eltern, die beide an ſeinem Grabe trauern.
Sein Vater war Bezirksrichter und Verwaltungsrath.
Geboren wurde der Dahingeſchiedene den 31. Aug. 1845
als das älteſte von 5 Geſchwiſtern. Wie aus ſeinen
eigenen Aufzeichnungen zu entnehmen iſt, wurde er in
ſeiner frühen Jugend vier Mal faſt wunderbar aus Todes-
gefahr gerettet; bei einer Feuersbrunſt brannte ſchon der
Fußboden unter ſeiner Wiege; einmal wurde er aus dem
angeſchwollenen Dorfbach herausgezogen; einſt entging er
beim Sturze einer Tanne mit Noth dem Tode; ein
andermal hatte ihn in der Scheune ein herunterſtürzendes
Futtermeſſer beinahe getödtet. — Nachdem er die Primar-
ſchule abſolvirt hatte, beſuchte er während 3½ Jahren
die Realſchule in dem 1 Stunde entfernten Biſchofszell,
täglich machte er zu Fuß den Weg hin und zurück. Da
er ſich erſt jetzt zum weitern Studium definitiv entſchloß,
und noch keinen Lateinunterricht genoſſen hatte, trat er
in’s Collegium in Schwyz in die erſte Gymnaſialklaſſe.
Während 7 Jahren abſolvirte er hier mit Glanz das
Gymnaſium und den philoſophiſchen Kurs. Nachher ging
er an das theologiſche Seminar in Mainz, wohin damals
ſo viele St. Galliſche Jünglinge pilgerten, um aus dem
Munde eines Dr. Heinrich, Dr. Moufang, Dr. Brück ꝛc.
die heilige Wiſſenſchaft zu hören. Nach dreijährigem
Studium der Theologie trat er 1871 in’s Prieſterſeminar
zu St. Georgen ein und wurde im Frühjahr 1872 zum
Prieſter geweiht. Sein erſtes hl. Meßopfer feierte er in
ſeiner Heimathgemeinde Niederbüren. Während aller
ſeiner Studienjahre war er von Lehrern und Mitſchülern
gleich geachtet und geliebt, ſeine Talente ſowohl als ſein
liebenswürdiger Charakter gewannen ihm alle Herzen.

Seine prieſterliche Wirkſamkeit begann er 1872 als
Domvikar in St. Gallen, wo er wegen ſeines muſterhaften
Wandels und ſeines außerordentlichen Eifers bei ſeinen
geiſtlichen Obern wie beim Volke in hoher Achtung ſtand.
Von den Kindern als liebevoller Religionslehrer hochge-
ſchätzt, als Beichtvater von Hoch und Nieder ſehr geſucht,
als Tröſter ſehr häufig an’s Krankenbett gerufen und
als Vorſänger in der Kathedrale ſtets gerne gehört, wirkte
er mit anſpruchsloſer Beſcheidenheit außerordentlich viel.
Beſonders ſteht ſeine damalige Wirkſamkeit als Seelſorger
im Kantonsſpital heute noch im beſten Andenken. Das
beſte Zeugniß für ſein Wirken ſtellte ihm 1878 der hoch-
würdigſte Biſchof Karl Johann ſel. aus, indem er ihn
zu ſeinem Kanzler ernannte und im Ernennungsſchreiben
ihm ganz vorzügliches Lob ſpendet. — Als Kanzler war
er ſtets eine treue und feſte Stütze ſowohl für den ver-
ſtorbenen Biſchof Karl Johann, wie für unſern jetzigen
Oberhirten; von beiden war er gleich geſchätzt. Mit der
größten Gewiſſenhaftigkeit lag er ſeinen amtlichen Ge-
ſchäften ob, die ihm zwar, wie er öfters äußerte, nicht
ganz zuſagten, da er, wie er meinte, nicht zum Büreau-
kraten geboren ſei. Trotz der anſtrengenden Arbeiten
eines biſchöflichen Kanzlers, die einen Mann hinlänglich
in Anſpruch nehmen, ſuchte er darum ſtets noch Beſchäf-
tigung in der Seelſorge, die er auch reichlich fand, be-
ſonders im Beichtſtuhl und am Krankenbett. Seine geiſt-
lichen Amtsbrüder fanden an ihm ſtets einen bereitwilligen
Helfer, der es ſich zur Freude anrechnete, andern einen Dienſt
zu erweiſen. Wer irgend einen Rath nöthig hatte, der ging,
ob geiſtlich oder weltlich, vertrauensvoll zum Herrn Kanzler
u. wurde immer mit liebevoller Freundlichkeit aufgenommen.
Wie vielen Unſchlüſſigen er gerathen und wie vielen Be-
drängten er geholfen hat, das weiß Gott allein. An
Sonntagen war ſeine Wohnung geradezu belagert und
auch an Werktagen traf man ihn ſelten allein. — Auf
den Firmungsreiſen hatte er den hochwürdigſten Ober-
hirten zu begleiten und ward der liebenswürdige Kanzler
von allen Pfarrherren mit Freuden begrüßt. 1883 be-
gleitete er den hochwſt. Biſchof Auguſtinus nach Rom;
nach ſeiner Rückkehr ſchilderte er in einer Verſammlung
des hieſigen Domchores, deſſen eifriges Mitglied und zeit-
weiliger Vizepräſident er geweſen, mit großer Begeiſterung
die Eindrücke, die er von Rom, beſonders von der Privat-
audienz beim hl. Vater, mit nach Hauſe genommen. Im
gleichen Jahre machte er die erſte Firmungs- und
Viſitationsreiſe unſeres Biſchofs mit; half in allen
Pfarreien mit der angeſtrengteſten Ausdauer im Beicht-
ſtuhle aus, ordnete und dirigirte Alles bei Spendung
der hl. Firmung, examinirte die Kinder im Religions-
unterricht, viſitirte Kirchen und Sakriſteien und nachdem
er unter ſolcher Anſtrengung jede Woche einige Pfarreien
durchwandert, kam er auf den Sonntag nach St. Gallen

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[1/0001] St. Galler Volksblatt. 33. Jahrgang. (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) Samſtag, 14. Januar 1888. Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20 Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz: ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30 Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5.—, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40 Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. — „ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50 Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können daher nur jene Inſeraten berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe- Tages in der Druckerei abgegeben ſind. No. 4. Inſerationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten- bureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts. Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. — Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief- marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch & Samſtag. Alle Samſtag mit den „Linth-Blätter“. Auf das „St. Galler Volksblatt“ kann während dem Monat Januar bei allen Poſt- bureaux, bei der Expedition und den betr. Ver- trägern zu jeder Zeit abonnirt werden. Hetzblätter. Am ſchweizeriſchen Piusvereinsfeſt in Sachſeln wurde vom Referenten über die „Soziale Frage“, Hrn. Dr. P. A. Ming, eine Anregung gemacht, die wir aufrichtig be- grüßten, und nur wünſchen, daß ſie baldigſt verwirklicht werden möchte. Er führte in ſeinem, nun im Drucke erſchienenen, vorzüglichen Vortrage über die Stellung der ſchweizeriſchen Katholiken zur ſolzialen Frage aus, daß „eine ſchweizer. katholiſche Arbeiterzeitung als Organ der katholiſchen Arbeiter-, Geſellen- und Krankenvereine Boden gewinnen könnte.“ — Zur Begründung ſeines zeitgemäßen Vorſchlages erwähnte Redner, daß „in gegenwärtiger Zeit auf die arbeitende Bevölkerung auch ſehr nachdrücklich durch die Preſſe gewirkt werde.“ „Wenigſtens ein halbes Dutzend ſchwei- zeriſcher Blätter, mehr oder weniger radikal-ſozia- liſtiſcher Tendenz, beſprechen ſoziale Verhältniſſe und volkswirthſchaftliche Fragen, oft auf eine Art und Weiſe, welche nicht dazu beitragen kann, den ſozialen Frieden zu befeſtigen. Sie ſtehen auf dem Boden des Materialismus und behandeln das Chriſtenthum gleichgiltig, geringſchätzig oder geradezu feind- ſelig. Durch eine ſolche Literatur wird die ſchweizeriſche Arbeiterbevölkerung über die ſoziale Frage und deren Löſung belehrt!“ — Wer immer Gelegenheit hat, die ſozialiſtiſche und ſozialdemokratiſche Tagesliteratur zu genießen, der wird dem katholiſchen Sozialpolitiker von Sachſeln vollkommen Recht geben. Eine Reihe jener Blätter, die vom Comite des ſchweizeriſchen Arbeiterbundes als offiziell erklärt wurden, ſind nicht Fachſchriften zur Aufklärung, Belehrung und Einigung der Arbeiter, ſondern eigentliche Hetz- blätter, Ueberſetzungen und Ableger der ausländiſchen Sozialdemokraten- und Anarchiſten-Preſſe. Weit entfernt, in ruhiger, ſachlicher Weiſe die ſoziale Lage des Arbeiter- ſtandes zu beſprechen, für Beſeitigung von Uebelſtänden die, wie in jedem andern Stande, auch den Arbeiter be- drücken, nüchterne, praktiſche Vorſchläge zu machen, Vor- urtheile und eingedrungene ſchiefe Welturtheile zu bekämpfen, überhaupt weit entfernt, ſich auf dem Boden der chriſt- lichen Sittengeſetze und der bürgerlichen Rechtsordnung zu bewegen, erblickt dieſe Petroleumpreſſe ihre Aufgabe darin, ein ganz neues Evangelium zu predigen, das mit dem der Chriſten gar wenig gemein hat. Mit dem Gelde der Arbeiter bezahlte Hetzer und Wühler gießen noch Oel in’s Feuer, ſchüren giftig den Klaſſenhaß, drohen den „verlotterten geſellſchaftlichen Einrichtungen“ mit dem Ver- nichtungskampf, ſpotten der Nächſtenliebe und der Religion des Kreuzes und ſtürmen mit zurückgeſchlagenen Aermeln dem Genuſſe zu. Eben iſt wieder ein neues ſozialiſtiſches Blatt für die Arbeiterſchaft in Lugano aufgetaucht: „Jl Lavoratore“ (der Arbeiter). Schon in der erſten Nummer ſpricht es ſein tiefſtes Bedauern und Mitleid über die Arbeiter aus, die „auf dem Wege des Fortſchritts durch die Wunder- lichkeiten religiöſer Fabeln“ aufgehalten werden.“ — Mit grandioſer Unwiſſenheit und Bosheit wird von dieſen Agitatoren des Sozialismus gegen die Glaubens- und Sittenlehren der Kirche gewüthet, als ob die Kirche nicht zu allen Zeiten der treueſte Hort aller Armen, Unter- drückten und „vom Kapital Ausgebeuteten“ geweſen wäre. Wer nur einen ernſten Blick in die Geſchichte der Menſch- heit gethan, findet das Geſagte beſtätigt. Im Mittelalter, wo die Wirkſamkeit der Kirche noch ungehemmter war, als heutzutage, forderte das kirchliche Recht aus Fürſorge für die arbeitenden Menſchen, daß in der geſammten wirthſchaftlichen Thätigkeit nicht der perſönliche Vortheil, nicht die raſtloſe Gier nach materiellem Gewinn und Be- ſitz, ſondern die in brüderlicher Liebe vereinigte Geſammt- heit Aller den Ausgangspunkt bilde. — Ehrlicher als unſere ſchweizeriſchen „Arbeiterfreunde“, ſagte der Jour- naliſt und Sozialiſt Hyndmann in London zu den Ar- beitern, daß ihr Elend von der großen proteſtantiſchen Reform (unter dem berüchtigten König Heinrich VIII. und ſeiner ihm würdigen Tochter Eliſabeth) herrühre; daß die Aufhebung der Klöſter ein am Volke begangener Dieb- ſtahl geweſen und daß der Pauperismus in England mit dem Proteſtantismus eingezogen ſei. Im vielgeſchmähten Mittelalter verlangte die kirchliche Lehre vor Allem, daß man niemals dem Hülfsbedürftigen, welchem das Geld nur zur Abhülfe augenblicklicher Noth, zum unmittelbaren Gebrauch diente, irgend einen Zins abfordere, denn ein ſolcher wäre eine abſcheuliche Aus- beutung der Noth des Nebenmenſchen, eine habſüchtige Aneignung fremden Eigenthums. Wie man die Arbeiter über den Charakter und Ein- fluß der kathol. Kirche belehrt, davon leiſtet der Basler „Arbeiterfreund“ (!) in den jüngſten Nummern einige kennzeichnende Beiſpiele. „Die Vertreter des offiziellen Chriſtenthums“, ſchreibt dieſes Hetzblatt, „und ſpeziell der römiſchen Kirche haben in unſeren ſogenannten ziviliſirten Landen die Macht Jahrhunderte lang vollſtändig, direkt und indirekt, beſeſſen, ohne das ökonomiſche und geiſtige Elend der Volksmaſſen zu beſeitigen oder auch nur erheb- lich zu lindern, und wo irgend eine Beſſerung in dieſer Hinſicht eintrat, muße ſie meiſt in hartem Kampfe mit der Kirche errungen werden.“ — Kann man der geſchicht- lichen Wahrheit frecher in’s Geſicht ſchlagen als mit ſolchen Behauptungen? Das nämliche Blatt druckt mit ſichtlichem Wohlbehagen die Reden ab, welche zur Verherrlichung der fünf Anarchiſten in Chicago (Nord-Amerika) ge- halten wurden — „Arbeiterführer“, die bekanntlich letzten Herbſt wegen Ermordung zweier Poliziſten vom Gerichte zum Tode verurtheilt und gehängt worden ſind. Das rothe Basler Blatt macht natürlich mit dem befliſſenen Abdruck dieſer Reden die darin enthaltenen Grundſätze zu ſeinen eigenen. Einer der Freunde der „gemordeten ſelbſtloſen Vorkämpfer für die Emanzipation der Arbeiter“ ſprach u. A.: „Die Religion klage ich an, welche den Unterdrückten zuruft: „Duldet, ſo werdet ihr ernten, — ſeid unterthan aller Obrigkeit, denn ſie iſt von Gott.“ Dieſes Syſtem und dieſe Religion haben die Menſchheit entmannt und das Wort „Humanität“ geſchändet (sic!) dieſes Syſtem und die noch übrig gebliebenen Einflüſſe der Religion, in deren Namen man euch getauft hat, haben euch, ihr Arbeiter von Chicago, ſo feige gemacht, daß ihr zuſaht, wie man euere beſten Männer ermor- dete“ ...... „Wir ſind keine Chriſten, welche die Rache ihrem Herrgott überlaſſen, wir müſſen ſie ſelbſt an die Hand nehmen, und da wir keinen Himmel erhoffen, ſo müſſen wir Alles, was gethan werden kann, auf Erden thun und bald thun“ ....... Der nämliche Rede- und Geſinnungsgenoſſe des „Arbeiter- freundes“ formulirt ſeine Forderungen an die Geſellſchaft, und ſagt: „Man kann von Jedem verlangen, daß er von dieſen Todten wahren Lebensmuth kennen lernt, nämlich über die gewöhnlichen Lebensbedingungen die Erringung jener Ideale (!) zu ſetzen, welche von allen großen Menſchen (!) empfunden und gelehrt und von jedem Lumpen verlacht werden: Freie Liebe! freie Wahr- heit! freies Recht!“ Hat Moſt, der Anarchiſtenhäuptling und Mordſtifter, ein anderes Glaubensbekenntniß gelehrt, als das der freien Liebe — der Thierheit, — der freien Wahr- heit — der Lüge und des freien Rechts — oder der Gewalt? — Zum Schluß ruft der Redner, zum Gau- dium des ſchweizeriſchen Hetzblattes, aus: „Wir haben lang genug geliebt, Wir wollen endlich haſſen!“ Gewiß haben die Arbeiter ein unbeſtreitbares Recht, ſich feſt zuſammenzuthun und ihre Standesintereſſen in allweg zu wahren; aber inwiefern ſollen dieſelben durch ſolch’ ſchamloſe Aufreizungen gefördert werden? wie ſollen ſie zufriedener, glücklicher werden, indem man ihnen die Grundlagen der ſittlichen Handlungen, des Troſtes und des Friedens frevelnd aus dem Herzen zu reißen ſucht? Iſt doch das Chriſtenthum, wie Al. Baumgartner ſagt, „nicht blos die Grundlage der reinſten und ſchönſten religiöſen Poeſie, es allein verleiht auch den übrigen Be- ziehungen des Menſchenlebens wahre Weihe und Würde. Wo es nicht hingedrungen, oder wo es fre- velnd vertrieben wurde, zieht der Fluch der Sünde in das geiſtige Leben der Menſchheit ein und trübt und vergiftet auch den Born des Schönen.“ Wahrlich, eine ſchweizeriſche katholiſche Arbeiterzeitung erſcheint als eines der zeitgemäßeſten Bedürfniſſe! * Hochw. Herr Kanzler Joſ. Ant. Niedermann. Letzten Dienſtag den 10. Jan. verſchied in den altehr- würdigen Kloſterräumen zu St. Gallen ein Mann, der es ver- dient, daß in allen Gauen unſerer Diözeſe ſeiner gedacht werde, es iſt der hochw. Herr Joſ. Ant. Niedermann, biſchöflicher Kanzler. Er war der Sohn ſehr ge- achteter Eltern, die beide an ſeinem Grabe trauern. Sein Vater war Bezirksrichter und Verwaltungsrath. Geboren wurde der Dahingeſchiedene den 31. Aug. 1845 als das älteſte von 5 Geſchwiſtern. Wie aus ſeinen eigenen Aufzeichnungen zu entnehmen iſt, wurde er in ſeiner frühen Jugend vier Mal faſt wunderbar aus Todes- gefahr gerettet; bei einer Feuersbrunſt brannte ſchon der Fußboden unter ſeiner Wiege; einmal wurde er aus dem angeſchwollenen Dorfbach herausgezogen; einſt entging er beim Sturze einer Tanne mit Noth dem Tode; ein andermal hatte ihn in der Scheune ein herunterſtürzendes Futtermeſſer beinahe getödtet. — Nachdem er die Primar- ſchule abſolvirt hatte, beſuchte er während 3½ Jahren die Realſchule in dem 1 Stunde entfernten Biſchofszell, täglich machte er zu Fuß den Weg hin und zurück. Da er ſich erſt jetzt zum weitern Studium definitiv entſchloß, und noch keinen Lateinunterricht genoſſen hatte, trat er in’s Collegium in Schwyz in die erſte Gymnaſialklaſſe. Während 7 Jahren abſolvirte er hier mit Glanz das Gymnaſium und den philoſophiſchen Kurs. Nachher ging er an das theologiſche Seminar in Mainz, wohin damals ſo viele St. Galliſche Jünglinge pilgerten, um aus dem Munde eines Dr. Heinrich, Dr. Moufang, Dr. Brück ꝛc. die heilige Wiſſenſchaft zu hören. Nach dreijährigem Studium der Theologie trat er 1871 in’s Prieſterſeminar zu St. Georgen ein und wurde im Frühjahr 1872 zum Prieſter geweiht. Sein erſtes hl. Meßopfer feierte er in ſeiner Heimathgemeinde Niederbüren. Während aller ſeiner Studienjahre war er von Lehrern und Mitſchülern gleich geachtet und geliebt, ſeine Talente ſowohl als ſein liebenswürdiger Charakter gewannen ihm alle Herzen. Seine prieſterliche Wirkſamkeit begann er 1872 als Domvikar in St. Gallen, wo er wegen ſeines muſterhaften Wandels und ſeines außerordentlichen Eifers bei ſeinen geiſtlichen Obern wie beim Volke in hoher Achtung ſtand. Von den Kindern als liebevoller Religionslehrer hochge- ſchätzt, als Beichtvater von Hoch und Nieder ſehr geſucht, als Tröſter ſehr häufig an’s Krankenbett gerufen und als Vorſänger in der Kathedrale ſtets gerne gehört, wirkte er mit anſpruchsloſer Beſcheidenheit außerordentlich viel. Beſonders ſteht ſeine damalige Wirkſamkeit als Seelſorger im Kantonsſpital heute noch im beſten Andenken. Das beſte Zeugniß für ſein Wirken ſtellte ihm 1878 der hoch- würdigſte Biſchof Karl Johann ſel. aus, indem er ihn zu ſeinem Kanzler ernannte und im Ernennungsſchreiben ihm ganz vorzügliches Lob ſpendet. — Als Kanzler war er ſtets eine treue und feſte Stütze ſowohl für den ver- ſtorbenen Biſchof Karl Johann, wie für unſern jetzigen Oberhirten; von beiden war er gleich geſchätzt. Mit der größten Gewiſſenhaftigkeit lag er ſeinen amtlichen Ge- ſchäften ob, die ihm zwar, wie er öfters äußerte, nicht ganz zuſagten, da er, wie er meinte, nicht zum Büreau- kraten geboren ſei. Trotz der anſtrengenden Arbeiten eines biſchöflichen Kanzlers, die einen Mann hinlänglich in Anſpruch nehmen, ſuchte er darum ſtets noch Beſchäf- tigung in der Seelſorge, die er auch reichlich fand, be- ſonders im Beichtſtuhl und am Krankenbett. Seine geiſt- lichen Amtsbrüder fanden an ihm ſtets einen bereitwilligen Helfer, der es ſich zur Freude anrechnete, andern einen Dienſt zu erweiſen. Wer irgend einen Rath nöthig hatte, der ging, ob geiſtlich oder weltlich, vertrauensvoll zum Herrn Kanzler u. wurde immer mit liebevoller Freundlichkeit aufgenommen. Wie vielen Unſchlüſſigen er gerathen und wie vielen Be- drängten er geholfen hat, das weiß Gott allein. An Sonntagen war ſeine Wohnung geradezu belagert und auch an Werktagen traf man ihn ſelten allein. — Auf den Firmungsreiſen hatte er den hochwürdigſten Ober- hirten zu begleiten und ward der liebenswürdige Kanzler von allen Pfarrherren mit Freuden begrüßt. 1883 be- gleitete er den hochwſt. Biſchof Auguſtinus nach Rom; nach ſeiner Rückkehr ſchilderte er in einer Verſammlung des hieſigen Domchores, deſſen eifriges Mitglied und zeit- weiliger Vizepräſident er geweſen, mit großer Begeiſterung die Eindrücke, die er von Rom, beſonders von der Privat- audienz beim hl. Vater, mit nach Hauſe genommen. Im gleichen Jahre machte er die erſte Firmungs- und Viſitationsreiſe unſeres Biſchofs mit; half in allen Pfarreien mit der angeſtrengteſten Ausdauer im Beicht- ſtuhle aus, ordnete und dirigirte Alles bei Spendung der hl. Firmung, examinirte die Kinder im Religions- unterricht, viſitirte Kirchen und Sakriſteien und nachdem er unter ſolcher Anſtrengung jede Woche einige Pfarreien durchwandert, kam er auf den Sonntag nach St. Gallen

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Zitationshilfe: St. Galler Volksblatt. Nr. 4, Uznach, 14. 01. 1888, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_stgaller4_1888/1>, abgerufen am 18.04.2024.