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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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noch mehr der Fall bei Bewohnerinnen großer Städte.
Hier ist der Schauplatz für die Zerstörungen, die all-
mälig aus geringen Abweichungen von der Gesundheit
sich entwickeln, in der zweiten, dritten Generation aber
schon zu den schrecklichsten Krankheiten sich gestalten, zu
tuberculöser Schwindsucht, zu Erweichung des Hirns und
Rückenmarks, zu Krankheiten der großen Gefäße und
des Herzens.

Sollte unter diesen Umständen nicht jedes Mittel
willkommen sein, um jenen schädlichen Einflüssen auf die
Gesundheit der Mädchen und Jungfrauen, besonders in
großen Städten, entgegen zu wirken? und das Turnen
ist ein um so willkommneres Mittel, als es am allge-
meinsten anwendbar ist. Zu den anderen Leibes-Uebun-
gen, zum Jagen, Fahren, Reiten, Schwimmen, Reisen,
gehört größerer Aufwand, als die meisten zu machen im
Stande sind; Tanzen, wie es gewöhnlich geschieht, rasches
Walzen und Galopiren, kann keinesweges Turnübungen
ersetzen; es treibt Athem und Circulation zu gewaltig
an, erschöpst anstatt zu stärken, und hat in seinem Ge-
folge gar zu leicht Affektionen der Lunge; zum Spazieren-
gehen im Freien, zu Wanderungen über Berg und Thal
ist den Städterinnen selten Gelegenheit geboten; selbst
zu zweckmäßiger Beschäftigung im Haus, Hof und Gar-
ten ist nicht häufig Rath zu schaffen, -- zu Turnübun-
gen dagegen überall. Dafür genügt der kleine Raum
des Zimmers, des Corridors, ein Stab, ein Reifen,
einige Stühle: es gibt hunderte von Uebungen, die auf
dem kleinsten Raum mit den geringfügigsten Apparaten
von einer Person allein, oder in Gesellschaft von mehren
ausgeführt werden können, wenn man nur turnen ge-
lernt hat.

Jn den Turn-Uebungen der Mädchen ist allerdings
eine gewisse Auswahl zu treffen; für Mädchen passen
die schwereren Muskel-Uebungen, und die eine heftige
Erschütterung des ganzen Körpers hervorbringen, z. B.
starkes Springen, nicht, wohl aber die leichteren Uebun-

noch mehr der Fall bei Bewohnerinnen großer Städte.
Hier iſt der Schauplatz für die Zerſtörungen, die all-
mälig aus geringen Abweichungen von der Geſundheit
ſich entwickeln, in der zweiten, dritten Generation aber
ſchon zu den ſchrecklichſten Krankheiten ſich geſtalten, zu
tuberculöſer Schwindſucht, zu Erweichung des Hirns und
Rückenmarks, zu Krankheiten der großen Gefäße und
des Herzens.

Sollte unter dieſen Umſtänden nicht jedes Mittel
willkommen ſein, um jenen ſchädlichen Einflüſſen auf die
Geſundheit der Mädchen und Jungfrauen, beſonders in
großen Städten, entgegen zu wirken? und das Turnen
iſt ein um ſo willkommneres Mittel, als es am allge-
meinſten anwendbar iſt. Zu den anderen Leibes-Uebun-
gen, zum Jagen, Fahren, Reiten, Schwimmen, Reiſen,
gehört größerer Aufwand, als die meiſten zu machen im
Stande ſind; Tanzen, wie es gewöhnlich geſchieht, raſches
Walzen und Galopiren, kann keinesweges Turnübungen
erſetzen; es treibt Athem und Circulation zu gewaltig
an, erſchöpſt anſtatt zu ſtärken, und hat in ſeinem Ge-
folge gar zu leicht Affektionen der Lunge; zum Spazieren-
gehen im Freien, zu Wanderungen über Berg und Thal
iſt den Städterinnen ſelten Gelegenheit geboten; ſelbſt
zu zweckmäßiger Beſchäftigung im Haus, Hof und Gar-
ten iſt nicht häufig Rath zu ſchaffen, — zu Turnübun-
gen dagegen überall. Dafür genügt der kleine Raum
des Zimmers, des Corridors, ein Stab, ein Reifen,
einige Stühle: es gibt hunderte von Uebungen, die auf
dem kleinſten Raum mit den geringfügigſten Apparaten
von einer Perſon allein, oder in Geſellſchaft von mehren
ausgeführt werden können, wenn man nur turnen ge-
lernt hat.

Jn den Turn-Uebungen der Mädchen iſt allerdings
eine gewiſſe Auswahl zu treffen; für Mädchen paſſen
die ſchwereren Muskel-Uebungen, und die eine heftige
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ſtarkes Springen, nicht, wohl aber die leichteren Uebun-

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[101/0105] noch mehr der Fall bei Bewohnerinnen großer Städte. Hier iſt der Schauplatz für die Zerſtörungen, die all- mälig aus geringen Abweichungen von der Geſundheit ſich entwickeln, in der zweiten, dritten Generation aber ſchon zu den ſchrecklichſten Krankheiten ſich geſtalten, zu tuberculöſer Schwindſucht, zu Erweichung des Hirns und Rückenmarks, zu Krankheiten der großen Gefäße und des Herzens. Sollte unter dieſen Umſtänden nicht jedes Mittel willkommen ſein, um jenen ſchädlichen Einflüſſen auf die Geſundheit der Mädchen und Jungfrauen, beſonders in großen Städten, entgegen zu wirken? und das Turnen iſt ein um ſo willkommneres Mittel, als es am allge- meinſten anwendbar iſt. Zu den anderen Leibes-Uebun- gen, zum Jagen, Fahren, Reiten, Schwimmen, Reiſen, gehört größerer Aufwand, als die meiſten zu machen im Stande ſind; Tanzen, wie es gewöhnlich geſchieht, raſches Walzen und Galopiren, kann keinesweges Turnübungen erſetzen; es treibt Athem und Circulation zu gewaltig an, erſchöpſt anſtatt zu ſtärken, und hat in ſeinem Ge- folge gar zu leicht Affektionen der Lunge; zum Spazieren- gehen im Freien, zu Wanderungen über Berg und Thal iſt den Städterinnen ſelten Gelegenheit geboten; ſelbſt zu zweckmäßiger Beſchäftigung im Haus, Hof und Gar- ten iſt nicht häufig Rath zu ſchaffen, — zu Turnübun- gen dagegen überall. Dafür genügt der kleine Raum des Zimmers, des Corridors, ein Stab, ein Reifen, einige Stühle: es gibt hunderte von Uebungen, die auf dem kleinſten Raum mit den geringfügigſten Apparaten von einer Perſon allein, oder in Geſellſchaft von mehren ausgeführt werden können, wenn man nur turnen ge- lernt hat. Jn den Turn-Uebungen der Mädchen iſt allerdings eine gewiſſe Auswahl zu treffen; für Mädchen paſſen die ſchwereren Muskel-Uebungen, und die eine heftige Erſchütterung des ganzen Körpers hervorbringen, z. B. ſtarkes Springen, nicht, wohl aber die leichteren Uebun-

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/105>, abgerufen am 22.11.2024.