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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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Preußen von der Schlacht bei Jena bis zum Sieg bei
Schönbund. Aber diese geistigen und leiblichen Eigen-
schaften, und dies Bewußtsein, vermöge deren man in
den trübsten Stunden wie Scharnhorst, Blücher und
Jahn, den Himmel offen sieht, ist kein Ergebniß des
Augenblickes, kommt auch nicht über Nacht. Solche
Güter wollen errungen sein.

Der Gegner muß am besten wissen, ob
Hieb oder Stich gesessen.
Daraus schließen wir
folgerecht: es gibt kein besser Mittel als das Turnen,
um diese Eigenschaften zu erlangen. Durch das Turnen
wird die juventus, die Jugend verlängert, die productive,
bildende Lebenskraft erweitert und verstärkt, und die
Widerstandsfähigkeit gegen alle Angriffe des Lebens er-
höhet. Der Körper verliert die -- leider jetzt überall
herrschende -- Passivität, die Trägheit, Versteiftheit,
wird dagegen schnell-kräftig, ausdauernd, energisch. Durch
das Turnen erhält der Geist die Kenntniß, daß der
Körper ihm in allen Lagen ein treuer und anstelliger
Diener ist; ferner -- was von unberechenbarem Nutzen
ist -- er lernt nicht allein die verschiedenen Schwierig-
keiten in ihrer wahren Größe kennen, sondern auch das
Maß der Kraft, die nöthig ist, um jede einzelne Schwie-
rigkeit zu überwinden. Daraus ergibt sich eine Ruhe
und Zuversicht, die man eben früher nicht wollte, die
dem Manne und Krieger so nothwendig ist und so schön
steht. Nur ein so gebildeter und geschulter Körper und
Soldat hat Appell in allen Lagen des Lebens und
Streites.

Das Turnwesen ist von den Deutschen aus seinem
verborgenen Orte hervorgeholt, und am meisten und
gründlichsten behandelt und bearbeitet worden; -- und
Deutsche waren es, welche die Turnkunst zu allen Völ-
kern vom Ural bis zum Weltmeere trugen. Aber Frank-
reich, England, unsere Baltischen Vettern (Dänemark
und Schweden), und Rußland haben bis jetzt den mei-
sten Nutzen davon gehabt. Selbst die Hellenen haben

Preußen von der Schlacht bei Jena bis zum Sieg bei
Schönbund. Aber dieſe geiſtigen und leiblichen Eigen-
ſchaften, und dies Bewußtſein, vermöge deren man in
den trübſten Stunden wie Scharnhorſt, Blücher und
Jahn, den Himmel offen ſieht, iſt kein Ergebniß des
Augenblickes, kommt auch nicht über Nacht. Solche
Güter wollen errungen ſein.

Der Gegner muß am beſten wiſſen, ob
Hieb oder Stich geſeſſen.
Daraus ſchließen wir
folgerecht: es gibt kein beſſer Mittel als das Turnen,
um dieſe Eigenſchaften zu erlangen. Durch das Turnen
wird die juventus, die Jugend verlängert, die productive,
bildende Lebenskraft erweitert und verſtärkt, und die
Widerſtandsfähigkeit gegen alle Angriffe des Lebens er-
höhet. Der Körper verliert die — leider jetzt überall
herrſchende — Paſſivität, die Trägheit, Verſteiftheit,
wird dagegen ſchnell-kräftig, ausdauernd, energiſch. Durch
das Turnen erhält der Geiſt die Kenntniß, daß der
Körper ihm in allen Lagen ein treuer und anſtelliger
Diener iſt; ferner — was von unberechenbarem Nutzen
iſt — er lernt nicht allein die verſchiedenen Schwierig-
keiten in ihrer wahren Größe kennen, ſondern auch das
Maß der Kraft, die nöthig iſt, um jede einzelne Schwie-
rigkeit zu überwinden. Daraus ergibt ſich eine Ruhe
und Zuverſicht, die man eben früher nicht wollte, die
dem Manne und Krieger ſo nothwendig iſt und ſo ſchön
ſteht. Nur ein ſo gebildeter und geſchulter Körper und
Soldat hat Appell in allen Lagen des Lebens und
Streites.

Das Turnweſen iſt von den Deutſchen aus ſeinem
verborgenen Orte hervorgeholt, und am meiſten und
gründlichſten behandelt und bearbeitet worden; — und
Deutſche waren es, welche die Turnkunſt zu allen Völ-
kern vom Ural bis zum Weltmeere trugen. Aber Frank-
reich, England, unſere Baltiſchen Vettern (Dänemark
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[47/0051] Preußen von der Schlacht bei Jena bis zum Sieg bei Schönbund. Aber dieſe geiſtigen und leiblichen Eigen- ſchaften, und dies Bewußtſein, vermöge deren man in den trübſten Stunden wie Scharnhorſt, Blücher und Jahn, den Himmel offen ſieht, iſt kein Ergebniß des Augenblickes, kommt auch nicht über Nacht. Solche Güter wollen errungen ſein. Der Gegner muß am beſten wiſſen, ob Hieb oder Stich geſeſſen. Daraus ſchließen wir folgerecht: es gibt kein beſſer Mittel als das Turnen, um dieſe Eigenſchaften zu erlangen. Durch das Turnen wird die juventus, die Jugend verlängert, die productive, bildende Lebenskraft erweitert und verſtärkt, und die Widerſtandsfähigkeit gegen alle Angriffe des Lebens er- höhet. Der Körper verliert die — leider jetzt überall herrſchende — Paſſivität, die Trägheit, Verſteiftheit, wird dagegen ſchnell-kräftig, ausdauernd, energiſch. Durch das Turnen erhält der Geiſt die Kenntniß, daß der Körper ihm in allen Lagen ein treuer und anſtelliger Diener iſt; ferner — was von unberechenbarem Nutzen iſt — er lernt nicht allein die verſchiedenen Schwierig- keiten in ihrer wahren Größe kennen, ſondern auch das Maß der Kraft, die nöthig iſt, um jede einzelne Schwie- rigkeit zu überwinden. Daraus ergibt ſich eine Ruhe und Zuverſicht, die man eben früher nicht wollte, die dem Manne und Krieger ſo nothwendig iſt und ſo ſchön ſteht. Nur ein ſo gebildeter und geſchulter Körper und Soldat hat Appell in allen Lagen des Lebens und Streites. Das Turnweſen iſt von den Deutſchen aus ſeinem verborgenen Orte hervorgeholt, und am meiſten und gründlichſten behandelt und bearbeitet worden; — und Deutſche waren es, welche die Turnkunſt zu allen Völ- kern vom Ural bis zum Weltmeere trugen. Aber Frank- reich, England, unſere Baltiſchen Vettern (Dänemark und Schweden), und Rußland haben bis jetzt den mei- ſten Nutzen davon gehabt. Selbſt die Hellenen haben

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/51>, abgerufen am 22.11.2024.