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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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dabei schwimmt, wobei die elastische Welle die Muskeln
wieder stärkt und kräftigt.

Jn Berlin sind jetzt in der Nähe des Turnplatzes
zwei Schwimmanstalten, die der Herren Lutze und Tichy.
Der deutsche Schwimmmeister Exc. General von Pfuel
sagte mir einmal auf der hiesigen Schwimmanstalt am
Oberbaume, daß er die reinsten Freuden dem Wasser
verdanke. Auch ich kann dies sagen. Hat mich eine
Sorge oder ein Verdruß mißgestimmt, die gaukelnde
Welle hat beide bald wieder hinweggespült und jede
Aufregung beschwichtigt und abgekühlt. Hiezu kommt noch
beim Schwimmen der erhebende Gedanke, manchen Ver-
unglückenden dem nahen Tode zu entreißen und zur
"schönen freundlichen Gewohnheit des Daseins und Wir-
kens" zurückzuführen. Auch haben die Helden der Vor-
zeit das Schwimmen verstanden und geübt. Der viel-
gewandte Odysseus war auch ein rüstiger Schwimmer
und entkam dadurch dem Schiffbruche zur Jnsel der
Fäaken. Leander schwamm, wie in neuer Zeit Lord
Byron, über den Hellespont, und Karl der Große bei
seiner Burg Jngelheim über den Rhein. Alle Natur-
völker sind seit ihrer Kindheit mit den Wellen vertraut
und scheinen das Schwimmen mit dem Gehen zugleich
zu erlernen. Bei ihnen ist Turnen zu Wasser und zu
Lande ein Naturtrieb, und nur in unserm gebildeten oft
überbildeten geselligen Zustande muß es mit Anstrengung
erworben werden.

Für den preußischen Staat scheint mir die Uebung
der Leibeskräfte vorzüglich ein dringendes Bedürfniß.
Man sehe seine Lage auf der Landkarte: ein schmaler
in zwei Massen getheilte Streifen, eine Wespengestalt
beim Herzen durchgerissen. Wird er von übelwollenden
Nachbaren angegriffen, wie es im siebenjährigen Kriege
der Fall war, so haben sie bald das Land überschwemmt.
Drum hat Preußen in neuer Zeit so trefflich für sein
Heerwesen gesorgt, das als Muster nicht blos für
Deutschland, sondern als Muster für ganz Europa da-

dabei ſchwimmt, wobei die elaſtiſche Welle die Muskeln
wieder ſtärkt und kräftigt.

Jn Berlin ſind jetzt in der Nähe des Turnplatzes
zwei Schwimmanſtalten, die der Herren Lutze und Tichy.
Der deutſche Schwimmmeiſter Exc. General von Pfuel
ſagte mir einmal auf der hieſigen Schwimmanſtalt am
Oberbaume, daß er die reinſten Freuden dem Waſſer
verdanke. Auch ich kann dies ſagen. Hat mich eine
Sorge oder ein Verdruß mißgeſtimmt, die gaukelnde
Welle hat beide bald wieder hinweggeſpült und jede
Aufregung beſchwichtigt und abgekühlt. Hiezu kommt noch
beim Schwimmen der erhebende Gedanke, manchen Ver-
unglückenden dem nahen Tode zu entreißen und zur
„ſchönen freundlichen Gewohnheit des Daſeins und Wir-
kens“ zurückzuführen. Auch haben die Helden der Vor-
zeit das Schwimmen verſtanden und geübt. Der viel-
gewandte Odyſſeus war auch ein rüſtiger Schwimmer
und entkam dadurch dem Schiffbruche zur Jnſel der
Fäaken. Leander ſchwamm, wie in neuer Zeit Lord
Byron, über den Hellespont, und Karl der Große bei
ſeiner Burg Jngelheim über den Rhein. Alle Natur-
völker ſind ſeit ihrer Kindheit mit den Wellen vertraut
und ſcheinen das Schwimmen mit dem Gehen zugleich
zu erlernen. Bei ihnen iſt Turnen zu Waſſer und zu
Lande ein Naturtrieb, und nur in unſerm gebildeten oft
überbildeten geſelligen Zuſtande muß es mit Anſtrengung
erworben werden.

Für den preußiſchen Staat ſcheint mir die Uebung
der Leibeskräfte vorzüglich ein dringendes Bedürfniß.
Man ſehe ſeine Lage auf der Landkarte: ein ſchmaler
in zwei Maſſen getheilte Streifen, eine Wespengeſtalt
beim Herzen durchgeriſſen. Wird er von übelwollenden
Nachbaren angegriffen, wie es im ſiebenjährigen Kriege
der Fall war, ſo haben ſie bald das Land überſchwemmt.
Drum hat Preußen in neuer Zeit ſo trefflich für ſein
Heerweſen geſorgt, das als Muſter nicht blos für
Deutſchland, ſondern als Muſter für ganz Europa da-

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[63/0067] dabei ſchwimmt, wobei die elaſtiſche Welle die Muskeln wieder ſtärkt und kräftigt. Jn Berlin ſind jetzt in der Nähe des Turnplatzes zwei Schwimmanſtalten, die der Herren Lutze und Tichy. Der deutſche Schwimmmeiſter Exc. General von Pfuel ſagte mir einmal auf der hieſigen Schwimmanſtalt am Oberbaume, daß er die reinſten Freuden dem Waſſer verdanke. Auch ich kann dies ſagen. Hat mich eine Sorge oder ein Verdruß mißgeſtimmt, die gaukelnde Welle hat beide bald wieder hinweggeſpült und jede Aufregung beſchwichtigt und abgekühlt. Hiezu kommt noch beim Schwimmen der erhebende Gedanke, manchen Ver- unglückenden dem nahen Tode zu entreißen und zur „ſchönen freundlichen Gewohnheit des Daſeins und Wir- kens“ zurückzuführen. Auch haben die Helden der Vor- zeit das Schwimmen verſtanden und geübt. Der viel- gewandte Odyſſeus war auch ein rüſtiger Schwimmer und entkam dadurch dem Schiffbruche zur Jnſel der Fäaken. Leander ſchwamm, wie in neuer Zeit Lord Byron, über den Hellespont, und Karl der Große bei ſeiner Burg Jngelheim über den Rhein. Alle Natur- völker ſind ſeit ihrer Kindheit mit den Wellen vertraut und ſcheinen das Schwimmen mit dem Gehen zugleich zu erlernen. Bei ihnen iſt Turnen zu Waſſer und zu Lande ein Naturtrieb, und nur in unſerm gebildeten oft überbildeten geſelligen Zuſtande muß es mit Anſtrengung erworben werden. Für den preußiſchen Staat ſcheint mir die Uebung der Leibeskräfte vorzüglich ein dringendes Bedürfniß. Man ſehe ſeine Lage auf der Landkarte: ein ſchmaler in zwei Maſſen getheilte Streifen, eine Wespengeſtalt beim Herzen durchgeriſſen. Wird er von übelwollenden Nachbaren angegriffen, wie es im ſiebenjährigen Kriege der Fall war, ſo haben ſie bald das Land überſchwemmt. Drum hat Preußen in neuer Zeit ſo trefflich für ſein Heerweſen geſorgt, das als Muſter nicht blos für Deutſchland, ſondern als Muſter für ganz Europa da-

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/67>, abgerufen am 24.11.2024.