Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Stieg er ab und gab's der schlanken Sclavin, Eilig selbst zum weißen Thurme gehend. Als er zur Frau Königin gelangte, 105 Nahm die Mütz' er ab, und tief sich neigend, Wünscht er grüßend ihr des Herren Hülfe. Und die Königin, den Gruß erwiedernd, Führt' ihn zum bereitgehalt'nen Eßtisch, Reicht' ihm selber Wein und süßen Branntwein, 110 Und jedwede prächtige Bewirthung. Simon saß und labt' am gold'nen Wein sich; Doch die schöne Königin vermocht's nicht, Ganz vertieft in ihres Gastes Anschaun. Aber als die Nacht begann zu dunkeln, 115 Sprach die Königin zum Fündling Simon: "Bleibe bei mir, unbekannter Reiter! Würdig bist Du einer Fürstin Liebe, Würdig, eine Königin zu küssen!" -- Fündling Simon, den der Wein berauschte, 120 That, wie ihm die Königin geboten, Liebend ihre schönen Wangen küßend. Aber als der Morgen morgens anbrach, Und der Weinrausch gänzlich ihn verlassen, Sah er mit Beschämung, was geschehen. 125 Schwer aufs Herz fiel dieß dem Jüngling Simon, Und er sprang auf seine leichten Füße, Wollt' alsbald nach seinem Rosse eilen. Wehrte ihm die königliche Herrin, Stieg er ab und gab's der schlanken Sclavin, Eilig selbst zum weißen Thurme gehend. Als er zur Frau Königin gelangte, 105 Nahm die Mütz' er ab, und tief sich neigend, Wünscht er grüßend ihr des Herren Hülfe. Und die Königin, den Gruß erwiedernd, Führt' ihn zum bereitgehalt'nen Eßtisch, Reicht' ihm selber Wein und süßen Branntwein, 110 Und jedwede prächtige Bewirthung. Simon saß und labt' am gold'nen Wein sich; Doch die schöne Königin vermocht's nicht, Ganz vertieft in ihres Gastes Anschaun. Aber als die Nacht begann zu dunkeln, 115 Sprach die Königin zum Fündling Simon: „Bleibe bei mir, unbekannter Reiter! Würdig bist Du einer Fürstin Liebe, Würdig, eine Königin zu küssen!“ — Fündling Simon, den der Wein berauschte, 120 That, wie ihm die Königin geboten, Liebend ihre schönen Wangen küßend. Aber als der Morgen morgens anbrach, Und der Weinrausch gänzlich ihn verlassen, Sah er mit Beschämung, was geschehen. 125 Schwer aufs Herz fiel dieß dem Jüngling Simon, Und er sprang auf seine leichten Füße, Wollt' alsbald nach seinem Rosse eilen. Wehrte ihm die königliche Herrin, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0209" n="143"/> <lg> <l>Stieg er ab und gab's der schlanken Sclavin,</l><lb/> <l>Eilig selbst zum weißen Thurme gehend.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Als er zur Frau Königin gelangte, <note place="right">105</note></l><lb/> <l>Nahm die Mütz' er ab, und tief sich neigend,</l><lb/> <l>Wünscht er grüßend ihr des Herren Hülfe.</l><lb/> <l>Und die Königin, den Gruß erwiedernd,</l><lb/> <l>Führt' ihn zum bereitgehalt'nen Eßtisch,</l><lb/> <l>Reicht' ihm selber Wein und süßen Branntwein, <note place="right">110</note></l><lb/> <l>Und jedwede prächtige Bewirthung.</l><lb/> <l>Simon saß und labt' am gold'nen Wein sich;</l><lb/> <l>Doch die schöne Königin vermocht's nicht,</l><lb/> <l>Ganz vertieft in ihres Gastes Anschaun.</l><lb/> <l>Aber als die Nacht begann zu dunkeln, <note place="right">115</note></l><lb/> <l>Sprach die Königin zum Fündling Simon:</l><lb/> <l>„Bleibe bei mir, unbekannter Reiter!</l><lb/> <l>Würdig bist Du einer Fürstin Liebe,</l><lb/> <l>Würdig, eine Königin zu küssen!“ —</l><lb/> <l>Fündling Simon, den der Wein berauschte, <note place="right">120</note></l><lb/> <l>That, wie ihm die Königin geboten,</l><lb/> <l>Liebend ihre schönen Wangen küßend.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Aber als der Morgen morgens anbrach,</l><lb/> <l>Und der Weinrausch gänzlich ihn verlassen,</l><lb/> <l>Sah er mit Beschämung, was geschehen. <note place="right">125</note></l><lb/> <l>Schwer aufs Herz fiel dieß dem Jüngling Simon,</l><lb/> <l>Und er sprang auf seine leichten Füße,</l><lb/> <l>Wollt' alsbald nach seinem Rosse eilen.</l><lb/> <l>Wehrte ihm die königliche Herrin,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0209]
Stieg er ab und gab's der schlanken Sclavin,
Eilig selbst zum weißen Thurme gehend.
Als er zur Frau Königin gelangte,
Nahm die Mütz' er ab, und tief sich neigend,
Wünscht er grüßend ihr des Herren Hülfe.
Und die Königin, den Gruß erwiedernd,
Führt' ihn zum bereitgehalt'nen Eßtisch,
Reicht' ihm selber Wein und süßen Branntwein,
Und jedwede prächtige Bewirthung.
Simon saß und labt' am gold'nen Wein sich;
Doch die schöne Königin vermocht's nicht,
Ganz vertieft in ihres Gastes Anschaun.
Aber als die Nacht begann zu dunkeln,
Sprach die Königin zum Fündling Simon:
„Bleibe bei mir, unbekannter Reiter!
Würdig bist Du einer Fürstin Liebe,
Würdig, eine Königin zu küssen!“ —
Fündling Simon, den der Wein berauschte,
That, wie ihm die Königin geboten,
Liebend ihre schönen Wangen küßend.
Aber als der Morgen morgens anbrach,
Und der Weinrausch gänzlich ihn verlassen,
Sah er mit Beschämung, was geschehen.
Schwer aufs Herz fiel dieß dem Jüngling Simon,
Und er sprang auf seine leichten Füße,
Wollt' alsbald nach seinem Rosse eilen.
Wehrte ihm die königliche Herrin,
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