Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Einen goldnen Speisetisch dem Pathen, Und dem Brautführer ein Hemd' von Golde, Giebt ihm auch ein Roß und drauf das Mädchen. Und es spricht dabei der König also: 135 "Siehe, dieses Roß und dieses Mädchen, Bringe Du nach Markos weißem Hause, Dieses schöne Mädchen gieb dem Marko; Aber als Geschenk behalt das Kampfroß!" -- Drauf verließen ihn die Hochzeitgäste, 140 Zogen fort durch die bulgarschen Fluren. Wo das Glück ist, weilet auch das Unglück! Sieh', der Wind weht auf dem weiten Felde, Hebt den Schleier auf des schönen Mädchens, Daß entblößt das Angesicht zu sehen. 145 Und es sah's der Doge von Venedig: Gluth ergreift ihn und verzehrt das Haupt ihm, Daß er kaum die Nachtzeit kann erwarten, Wo der Hochzeitzug verweilend Rast hält. Da zum Zelte des Semlitschen Stephan 150 Schleicht sogleich der Doge von Venedig, Und zu Stephan spricht er leise also: "Lieber Schwager, o Semlitsche Stephan! Gieb, o gieb mir Deine süße Schwägrin, Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen! 155 Sieh', ich geb' Dir einen Stiefel Goldes, Ganz gefüllt mit goldenen Dukaten!" Ihm entgegnet der Semlitsche Stephan: "Schweige, Doge, daß zu Stein Du werdest! Einen goldnen Speisetisch dem Pathen, Und dem Brautführer ein Hemd' von Golde, Giebt ihm auch ein Roß und drauf das Mädchen. Und es spricht dabei der König also: 135 „Siehe, dieses Roß und dieses Mädchen, Bringe Du nach Markos weißem Hause, Dieses schöne Mädchen gieb dem Marko; Aber als Geschenk behalt das Kampfroß!“ — Drauf verließen ihn die Hochzeitgäste, 140 Zogen fort durch die bulgarschen Fluren. Wo das Glück ist, weilet auch das Unglück! Sieh', der Wind weht auf dem weiten Felde, Hebt den Schleier auf des schönen Mädchens, Daß entblößt das Angesicht zu sehen. 145 Und es sah's der Doge von Venedig: Gluth ergreift ihn und verzehrt das Haupt ihm, Daß er kaum die Nachtzeit kann erwarten, Wo der Hochzeitzug verweilend Rast hält. Da zum Zelte des Semlitschen Stephan 150 Schleicht sogleich der Doge von Venedig, Und zu Stephan spricht er leise also: „Lieber Schwager, o Semlitsche Stephan! Gieb, o gieb mir Deine süße Schwägrin, Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen! 155 Sieh', ich geb' Dir einen Stiefel Goldes, Ganz gefüllt mit goldenen Dukaten!“ Ihm entgegnet der Semlitsche Stephan: „Schweige, Doge, daß zu Stein Du werdest! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0257" n="191"/> <lg> <l>Einen goldnen Speisetisch dem Pathen,</l><lb/> <l>Und dem Brautführer ein Hemd' von Golde,</l><lb/> <l>Giebt ihm auch ein Roß und drauf das Mädchen.</l><lb/> <l>Und es spricht dabei der König also: <note place="right">135</note></l><lb/> <l>„Siehe, dieses Roß und dieses Mädchen,</l><lb/> <l>Bringe Du nach Markos weißem Hause,</l><lb/> <l>Dieses schöne Mädchen gieb dem Marko;</l><lb/> <l>Aber als Geschenk behalt das Kampfroß!“ —</l><lb/> <l>Drauf verließen ihn die Hochzeitgäste, <note place="right">140</note></l><lb/> <l>Zogen fort durch die bulgarschen Fluren.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Wo das Glück ist, weilet auch das Unglück!</l><lb/> <l>Sieh', der Wind weht auf dem weiten Felde,</l><lb/> <l>Hebt den Schleier auf des schönen Mädchens,</l><lb/> <l>Daß entblößt das Angesicht zu sehen. <note place="right">145</note></l><lb/> <l>Und es sah's der Doge von Venedig:</l><lb/> <l>Gluth ergreift ihn und verzehrt das Haupt ihm,</l><lb/> <l>Daß er kaum die Nachtzeit kann erwarten,</l><lb/> <l>Wo der Hochzeitzug verweilend Rast hält.</l><lb/> <l>Da zum Zelte des Semlitschen Stephan <note place="right">150</note></l><lb/> <l>Schleicht sogleich der Doge von Venedig,</l><lb/> <l>Und zu Stephan spricht er leise also:</l><lb/> <l>„Lieber Schwager, o Semlitsche Stephan!</l><lb/> <l>Gieb, o gieb mir Deine süße Schwägrin,</l><lb/> <l>Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen! <note place="right">155</note></l><lb/> <l>Sieh', ich geb' Dir einen Stiefel Goldes,</l><lb/> <l>Ganz gefüllt mit goldenen Dukaten!“</l><lb/> <l>Ihm entgegnet der Semlitsche Stephan:</l><lb/> <l>„Schweige, Doge, daß zu Stein Du werdest!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [191/0257]
Einen goldnen Speisetisch dem Pathen,
Und dem Brautführer ein Hemd' von Golde,
Giebt ihm auch ein Roß und drauf das Mädchen.
Und es spricht dabei der König also:
„Siehe, dieses Roß und dieses Mädchen,
Bringe Du nach Markos weißem Hause,
Dieses schöne Mädchen gieb dem Marko;
Aber als Geschenk behalt das Kampfroß!“ —
Drauf verließen ihn die Hochzeitgäste,
Zogen fort durch die bulgarschen Fluren.
Wo das Glück ist, weilet auch das Unglück!
Sieh', der Wind weht auf dem weiten Felde,
Hebt den Schleier auf des schönen Mädchens,
Daß entblößt das Angesicht zu sehen.
Und es sah's der Doge von Venedig:
Gluth ergreift ihn und verzehrt das Haupt ihm,
Daß er kaum die Nachtzeit kann erwarten,
Wo der Hochzeitzug verweilend Rast hält.
Da zum Zelte des Semlitschen Stephan
Schleicht sogleich der Doge von Venedig,
Und zu Stephan spricht er leise also:
„Lieber Schwager, o Semlitsche Stephan!
Gieb, o gieb mir Deine süße Schwägrin,
Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen!
Sieh', ich geb' Dir einen Stiefel Goldes,
Ganz gefüllt mit goldenen Dukaten!“
Ihm entgegnet der Semlitsche Stephan:
„Schweige, Doge, daß zu Stein Du werdest!
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