das wüste Gränzland. Raubgierig und wild, durchstreiften sie die Gebirge, und fielen in mächtigen Heereszügen in das serbi- sche Gebiet ein. Heurathen, Gevatterschaften sollten wiederholt den Frieden verbürgen; aber immer wieder von Neuem sahn sich die Serben außer den eignen Feindseligkeiten, auch in die des byzantinischen Hofes mit den Bulgaren verwickelt. Wech- selsweise zur Hinneigung zu diesen oder jenem gezwungen, wuß- ten ihre Fürsten doch eine Art von Unabhängigkeit zu behaup- ten, die ihnen oft gefährlich ward.
Zu Anfang des zehnten Jahrhunderts hatte der Shupan Zacharias Pribeslawitsch auf solche Weise den Zorn des mäch- tigen Bulgarenherrschers Simeon auf sich geladen. Dieser nun benutzte einen kurzen Frieden mit dem griechischen Reiche, Serbien mit einem ungeheuren Heere zu überziehen. Ge- walt und List eroberten in Kurzem das unglückliche Land. Die Bojaren wurden niedergemetzelt; das Volk in Masse nach der Bulgarey in die Knechtschaft getrieben, ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes. Wer konnte, floh nach Croa- tien oder in die Gebirge. Das verödete Land ward planmä- ßig zur Wüste gemacht, alles Vieh weggeführt oder getödtet, alle Dörfer niedergebrannt, die Aecker verheert. Nichts blieb als Bäume, Berge und Flüsse, und das Land existirte eine Reihe von zwölf langen Jahren nur unter dem Namen des Bulgarenwaldes.
Während dieser Zeit hatte Tschaslaw, der Sohn eines einst aus Serbien Vertriebnen Fürsten Clominir, Mittei ge- funden, aus der bulgarischen Gefangenschaft zu entfliehen. Er sammelte die in dem Waldgebirge Zerstreuten, rief die Flüchtlinge aus Croatien zurück, warf sich zu ihrem Führer auf, und fing an, aufs Neue Ortschaften zu gründen. In der Folge unterstützte ihn der griechische Kaiser Constantin Por- phyrogeneta in dein rühmlichen Unternehmen, Serbien zu be- völkern und zu civilisiren, auf jede mögliche Weise, und wir
das wüste Gränzland. Raubgierig und wild, durchstreiften sie die Gebirge, und fielen in mächtigen Heereszügen in das serbi- sche Gebiet ein. Heurathen, Gevatterschaften sollten wiederholt den Frieden verbürgen; aber immer wieder von Neuem sahn sich die Serben außer den eignen Feindseligkeiten, auch in die des byzantinischen Hofes mit den Bulgaren verwickelt. Wech- selsweise zur Hinneigung zu diesen oder jenem gezwungen, wuß- ten ihre Fürsten doch eine Art von Unabhängigkeit zu behaup- ten, die ihnen oft gefährlich ward.
Zu Anfang des zehnten Jahrhunderts hatte der Shupan Zacharias Pribeslawitsch auf solche Weise den Zorn des mäch- tigen Bulgarenherrschers Simeon auf sich geladen. Dieser nun benutzte einen kurzen Frieden mit dem griechischen Reiche, Serbien mit einem ungeheuren Heere zu überziehen. Ge- walt und List eroberten in Kurzem das unglückliche Land. Die Bojaren wurden niedergemetzelt; das Volk in Masse nach der Bulgarey in die Knechtschaft getrieben, ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes. Wer konnte, floh nach Croa- tien oder in die Gebirge. Das verödete Land ward planmä- ßig zur Wüste gemacht, alles Vieh weggeführt oder getödtet, alle Dörfer niedergebrannt, die Aecker verheert. Nichts blieb als Bäume, Berge und Flüsse, und das Land existirte eine Reihe von zwölf langen Jahren nur unter dem Namen des Bulgarenwaldes.
Während dieser Zeit hatte Tschaslaw, der Sohn eines einst aus Serbien Vertriebnen Fürsten Clominir, Mittei ge- funden, aus der bulgarischen Gefangenschaft zu entfliehen. Er sammelte die in dem Waldgebirge Zerstreuten, rief die Flüchtlinge aus Croatien zurück, warf sich zu ihrem Führer auf, und fing an, aufs Neue Ortschaften zu gründen. In der Folge unterstützte ihn der griechische Kaiser Constantin Por- phyrogeneta in dein rühmlichen Unternehmen, Serbien zu be- völkern und zu civilisiren, auf jede mögliche Weise, und wir
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[VI/0026]
das wüste Gränzland. Raubgierig und wild, durchstreiften sie
die Gebirge, und fielen in mächtigen Heereszügen in das serbi-
sche Gebiet ein. Heurathen, Gevatterschaften sollten wiederholt
den Frieden verbürgen; aber immer wieder von Neuem sahn
sich die Serben außer den eignen Feindseligkeiten, auch in die
des byzantinischen Hofes mit den Bulgaren verwickelt. Wech-
selsweise zur Hinneigung zu diesen oder jenem gezwungen, wuß-
ten ihre Fürsten doch eine Art von Unabhängigkeit zu behaup-
ten, die ihnen oft gefährlich ward.
Zu Anfang des zehnten Jahrhunderts hatte der Shupan
Zacharias Pribeslawitsch auf solche Weise den Zorn des mäch-
tigen Bulgarenherrschers Simeon auf sich geladen. Dieser
nun benutzte einen kurzen Frieden mit dem griechischen Reiche,
Serbien mit einem ungeheuren Heere zu überziehen. Ge-
walt und List eroberten in Kurzem das unglückliche Land. Die
Bojaren wurden niedergemetzelt; das Volk in Masse nach
der Bulgarey in die Knechtschaft getrieben, ohne Unterschied
des Alters und Geschlechtes. Wer konnte, floh nach Croa-
tien oder in die Gebirge. Das verödete Land ward planmä-
ßig zur Wüste gemacht, alles Vieh weggeführt oder getödtet,
alle Dörfer niedergebrannt, die Aecker verheert. Nichts blieb
als Bäume, Berge und Flüsse, und das Land existirte eine
Reihe von zwölf langen Jahren nur unter dem Namen des
Bulgarenwaldes.
Während dieser Zeit hatte Tschaslaw, der Sohn eines
einst aus Serbien Vertriebnen Fürsten Clominir, Mittei ge-
funden, aus der bulgarischen Gefangenschaft zu entfliehen.
Er sammelte die in dem Waldgebirge Zerstreuten, rief die
Flüchtlinge aus Croatien zurück, warf sich zu ihrem Führer
auf, und fing an, aufs Neue Ortschaften zu gründen. In
der Folge unterstützte ihn der griechische Kaiser Constantin Por-
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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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