wissen nur von Tschaslaw, daß er ihm dafür ergeben und dank- bar blieb.
Hierauf folgt in der serbischen Geschichte eine Lücke von siebzig bis achtzig Jahren. Einige griechische und slavische Schriftsteller füllen sie mit fabelhaften Namen und Begeben- heiten aus, die wir hier weder wiederholen, noch widerlegen wollen. Der erste Serbenfürst, dessen Gestalt wir wieder mit größerer Klarheit erkennen, ist Wladimir, ein tapferer tugendhafter Mann, den frühere harre Schicksale friedfertig und billig gestimmt hatten. Das Ereigniß, durch welches er zur Macht gelangte, ist zwar nichts weniger als verbürgt; es ist aber eine zu lichtvolle Stelle in diesem Nachtstücke, als daß unser Blick nicht dadurch gefesselt werden sollte. Der Bulgarenfürst Samuel hatte die Serben bereits besiegt, ih- ren Shupan in der Schlacht getödtet, und dessen SohnWla- dimir in die Gefangenschaft nach Prespa, seiner Hauptstadt, geschickt. Während er nun in seinen blutigen Unternehmun- gen fortfährt, übt zu Hause seine Tochter Coffara Werke christ- licher Milde aus. Sie besucht die Kerker, die Gefangenen zu reinigen und zu bedienen. Hier sieht sie Wladimir. Ihre Liebe weiß ihn zu befreien, und den Vater zu versöhnen, der ihn ihr zum Gemahl giebt, und ihn zum Vasallenfürsten des eroberten serbisch-dalmatischen Gebiets und der Stadt Duraz- zo einsetzt. In dieser finstern, barbarischen Vorzeit sehn wir so oft die rohsten Begierden, Herrschsucht, Neid, Fana- tismus -- wie selten aber dir Liebe thätig! --
Wladimir's Schwager, der Bulgarenchan Gabriel, ward inzwischen von einem mächtigen Bösewicht, Johann Wladis- law, getödtet. Die Rache Wladimirs fürchtend, suchte er bald auch diesen nach Prespa zu locken. Wladimir traute nicht. Seine Gemahlin reiste voraus. Ihre Versicherungen, daß keine Gefahr zu besorgen, und das heilige Kreuz, welches ihm der Bulgare durch hohe Geistliche zusendete, bestimmen
wissen nur von Tschaslaw, daß er ihm dafür ergeben und dank- bar blieb.
Hierauf folgt in der serbischen Geschichte eine Lücke von siebzig bis achtzig Jahren. Einige griechische und slavische Schriftsteller füllen sie mit fabelhaften Namen und Begeben- heiten aus, die wir hier weder wiederholen, noch widerlegen wollen. Der erste Serbenfürst, dessen Gestalt wir wieder mit größerer Klarheit erkennen, ist Wladimir, ein tapferer tugendhafter Mann, den frühere harre Schicksale friedfertig und billig gestimmt hatten. Das Ereigniß, durch welches er zur Macht gelangte, ist zwar nichts weniger als verbürgt; es ist aber eine zu lichtvolle Stelle in diesem Nachtstücke, als daß unser Blick nicht dadurch gefesselt werden sollte. Der Bulgarenfürst Samuel hatte die Serben bereits besiegt, ih- ren Shupan in der Schlacht getödtet, und dessen SohnWla- dimir in die Gefangenschaft nach Prespa, seiner Hauptstadt, geschickt. Während er nun in seinen blutigen Unternehmun- gen fortfährt, übt zu Hause seine Tochter Coffara Werke christ- licher Milde aus. Sie besucht die Kerker, die Gefangenen zu reinigen und zu bedienen. Hier sieht sie Wladimir. Ihre Liebe weiß ihn zu befreien, und den Vater zu versöhnen, der ihn ihr zum Gemahl giebt, und ihn zum Vasallenfürsten des eroberten serbisch-dalmatischen Gebiets und der Stadt Duraz- zo einsetzt. In dieser finstern, barbarischen Vorzeit sehn wir so oft die rohsten Begierden, Herrschsucht, Neid, Fana- tismus — wie selten aber dir Liebe thätig! —
Wladimir's Schwager, der Bulgarenchan Gabriel, ward inzwischen von einem mächtigen Bösewicht, Johann Wladis- law, getödtet. Die Rache Wladimirs fürchtend, suchte er bald auch diesen nach Prespa zu locken. Wladimir traute nicht. Seine Gemahlin reiste voraus. Ihre Versicherungen, daß keine Gefahr zu besorgen, und das heilige Kreuz, welches ihm der Bulgare durch hohe Geistliche zusendete, bestimmen
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[VII/0027]
wissen nur von Tschaslaw, daß er ihm dafür ergeben und dank-
bar blieb.
Hierauf folgt in der serbischen Geschichte eine Lücke von
siebzig bis achtzig Jahren. Einige griechische und slavische
Schriftsteller füllen sie mit fabelhaften Namen und Begeben-
heiten aus, die wir hier weder wiederholen, noch widerlegen
wollen. Der erste Serbenfürst, dessen Gestalt wir wieder
mit größerer Klarheit erkennen, ist Wladimir, ein tapferer
tugendhafter Mann, den frühere harre Schicksale friedfertig
und billig gestimmt hatten. Das Ereigniß, durch welches
er zur Macht gelangte, ist zwar nichts weniger als verbürgt;
es ist aber eine zu lichtvolle Stelle in diesem Nachtstücke, als
daß unser Blick nicht dadurch gefesselt werden sollte. Der
Bulgarenfürst Samuel hatte die Serben bereits besiegt, ih-
ren Shupan in der Schlacht getödtet, und dessen SohnWla-
dimir in die Gefangenschaft nach Prespa, seiner Hauptstadt,
geschickt. Während er nun in seinen blutigen Unternehmun-
gen fortfährt, übt zu Hause seine Tochter Coffara Werke christ-
licher Milde aus. Sie besucht die Kerker, die Gefangenen
zu reinigen und zu bedienen. Hier sieht sie Wladimir. Ihre
Liebe weiß ihn zu befreien, und den Vater zu versöhnen, der
ihn ihr zum Gemahl giebt, und ihn zum Vasallenfürsten des
eroberten serbisch-dalmatischen Gebiets und der Stadt Duraz-
zo einsetzt. In dieser finstern, barbarischen Vorzeit sehn
wir so oft die rohsten Begierden, Herrschsucht, Neid, Fana-
tismus — wie selten aber dir Liebe thätig! —
Wladimir's Schwager, der Bulgarenchan Gabriel, ward
inzwischen von einem mächtigen Bösewicht, Johann Wladis-
law, getödtet. Die Rache Wladimirs fürchtend, suchte er bald
auch diesen nach Prespa zu locken. Wladimir traute nicht.
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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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