Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Kannst Du etwa nicht die Zeit erwarten, Bis zum weißen Hause wir gelangten, Und die heil'ge Ehe uns vermählet?" -- Und er griff nach dem beschlagnen Säbel. 245 Doch es neigte sich die schöne Jungfrau, So zum Königsohne Marko sprechend: "Herr, nicht Schelmin nenne mich, Du weißt es, Nicht von Elenden und Schelmen stamm' ich, Sondern aus hochadlichem Geschlechte. 250 Nur Du selber führest Schelme mit Dir, Schelme sind der Pathe und Brautführer! Sieh', es übergab mich Dein Freund Stephan An den Dogen für drei Stiefeln Goldes. Willst Du dieses mir nicht glauben, Marko? 255 Sich' den Bart des Dogen von Venedig!" -- Und sie warf den Bart aus ihrem Tuche. Als dieß sahe der Priliper Marko, Sprach er also zur bulgar'schen Jungfrau: "Setze Dich hierher, Du schönes Mädchen! 260 Morgen früh wird sie der Marko finden." Und er legte wieder sich zum Schlafen; Doch des Morgens, als der Tag kaum graute, Sprang er leichten Fußes auf vom Lager, Nahm verkehrt den Pelzrock um die Schultern, 265 In die Hände die gewalt'ge Keule, Und zum Pathen und zu Stephan gehend, Bot er also ihnen guten Morgen: 13*
Kannst Du etwa nicht die Zeit erwarten, Bis zum weißen Hause wir gelangten, Und die heil'ge Ehe uns vermählet?“ — Und er griff nach dem beschlagnen Säbel. 245 Doch es neigte sich die schöne Jungfrau, So zum Königsohne Marko sprechend: „Herr, nicht Schelmin nenne mich, Du weißt es, Nicht von Elenden und Schelmen stamm' ich, Sondern aus hochadlichem Geschlechte. 250 Nur Du selber führest Schelme mit Dir, Schelme sind der Pathe und Brautführer! Sieh', es übergab mich Dein Freund Stephan An den Dogen für drei Stiefeln Goldes. Willst Du dieses mir nicht glauben, Marko? 255 Sich' den Bart des Dogen von Venedig!“ — Und sie warf den Bart aus ihrem Tuche. Als dieß sahe der Priliper Marko, Sprach er also zur bulgar'schen Jungfrau: „Setze Dich hierher, Du schönes Mädchen! 260 Morgen früh wird sie der Marko finden.“ Und er legte wieder sich zum Schlafen; Doch des Morgens, als der Tag kaum graute, Sprang er leichten Fußes auf vom Lager, Nahm verkehrt den Pelzrock um die Schultern, 265 In die Hände die gewalt'ge Keule, Und zum Pathen und zu Stephan gehend, Bot er also ihnen guten Morgen: 13*
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Kannst Du etwa nicht die Zeit erwarten,
Bis zum weißen Hause wir gelangten,
Und die heil'ge Ehe uns vermählet?“ —
Und er griff nach dem beschlagnen Säbel.
Doch es neigte sich die schöne Jungfrau,
So zum Königsohne Marko sprechend:
„Herr, nicht Schelmin nenne mich, Du weißt es,
Nicht von Elenden und Schelmen stamm' ich,
Sondern aus hochadlichem Geschlechte.
Nur Du selber führest Schelme mit Dir,
Schelme sind der Pathe und Brautführer!
Sieh', es übergab mich Dein Freund Stephan
An den Dogen für drei Stiefeln Goldes.
Willst Du dieses mir nicht glauben, Marko?
Sich' den Bart des Dogen von Venedig!“ —
Und sie warf den Bart aus ihrem Tuche.
Als dieß sahe der Priliper Marko,
Sprach er also zur bulgar'schen Jungfrau:
„Setze Dich hierher, Du schönes Mädchen!
Morgen früh wird sie der Marko finden.“
Und er legte wieder sich zum Schlafen;
Doch des Morgens, als der Tag kaum graute,
Sprang er leichten Fußes auf vom Lager,
Nahm verkehrt den Pelzrock um die Schultern,
In die Hände die gewalt'ge Keule,
Und zum Pathen und zu Stephan gehend,
Bot er also ihnen guten Morgen:
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Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/261>, abgerufen am 26.06.2024. |