Talvj, Volkslieder der Serben, 1825"Als ich mich in dieser Noth sah', Mutter, Nahm ich meine Mütz' ab, legt' aufs Knie sie, Und der Mütze auf den Knieen schwor ich: Meiner Treu! ich will Dich nicht verlassen! Meiner Treu! ich will Dich nicht betrügen! 55 Auch die Sonne hat ihr Wort gebrochen, Scheinet nicht im Winter, wie im Sommer; Aber ich will dieses Wort nicht brechen." -- "Und mir glaubte das getäuschte Mädchen, Glaubte, daß ich dieses ihr geschworen. 60 Als der Abend einst begann zu dunkeln, Oeffnete sie meines Kerkers Pforte, Führte mich aus dem Gefängniß, Mutter! Brachte mir den wutherfüllten Scharatz, Und für sich ein bess'res Roß, als Scharatz; 65 Beide trugen Säcke voll Dukaten; Brachte mir auch den beschlag'nen Säbel. Und die beiden Rosse d'rauf besteigend, Ritten Nachts wir durch das Land der Mohren." "Aber als der Tag nun angebrochen, 70 Setzt' ich mich, um auszuruhen, nieder. Mir zur Seite setzte sich die Mohrin, Mich umschlingend mit den schwarzen Armen. Siehe, als ich sahe, meine Mutter, Wie so schwarz sie war, und weiß die Zähne: 75 Da befiel solch Grau'n mich und Entsetzen, Daß ich vorriß den beschlag'nen Säbel, „Als ich mich in dieser Noth sah', Mutter, Nahm ich meine Mütz' ab, legt' aufs Knie sie, Und der Mütze auf den Knieen schwor ich: Meiner Treu! ich will Dich nicht verlassen! Meiner Treu! ich will Dich nicht betrügen! 55 Auch die Sonne hat ihr Wort gebrochen, Scheinet nicht im Winter, wie im Sommer; Aber ich will dieses Wort nicht brechen.“ — „Und mir glaubte das getäuschte Mädchen, Glaubte, daß ich dieses ihr geschworen. 60 Als der Abend einst begann zu dunkeln, Oeffnete sie meines Kerkers Pforte, Führte mich aus dem Gefängniß, Mutter! Brachte mir den wutherfüllten Scharatz, Und für sich ein bess'res Roß, als Scharatz; 65 Beide trugen Säcke voll Dukaten; Brachte mir auch den beschlag'nen Säbel. Und die beiden Rosse d'rauf besteigend, Ritten Nachts wir durch das Land der Mohren.“ „Aber als der Tag nun angebrochen, 70 Setzt' ich mich, um auszuruhen, nieder. Mir zur Seite setzte sich die Mohrin, Mich umschlingend mit den schwarzen Armen. Siehe, als ich sahe, meine Mutter, Wie so schwarz sie war, und weiß die Zähne: 75 Da befiel solch Grau'n mich und Entsetzen, Daß ich vorriß den beschlag'nen Säbel, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0265" n="199"/> <lg> <l>„Als ich mich in dieser Noth sah', Mutter,</l><lb/> <l>Nahm ich meine Mütz' ab, legt' aufs Knie sie,</l><lb/> <l>Und der Mütze auf den Knieen schwor ich:</l><lb/> <l>Meiner Treu! ich will Dich nicht verlassen!</l><lb/> <l>Meiner Treu! ich will Dich nicht betrügen! <note place="right">55</note></l><lb/> <l>Auch die Sonne hat ihr Wort gebrochen,</l><lb/> <l>Scheinet nicht im Winter, wie im Sommer;</l><lb/> <l>Aber ich will dieses Wort nicht brechen.“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>„Und mir glaubte das getäuschte Mädchen,</l><lb/> <l>Glaubte, daß ich dieses ihr geschworen. <note place="right">60</note></l><lb/> <l>Als der Abend einst begann zu dunkeln,</l><lb/> <l>Oeffnete sie meines Kerkers Pforte,</l><lb/> <l>Führte mich aus dem Gefängniß, Mutter!</l><lb/> <l>Brachte mir den wutherfüllten Scharatz,</l><lb/> <l>Und für sich ein bess'res Roß, als Scharatz; <note place="right">65</note></l><lb/> <l>Beide trugen Säcke voll Dukaten;</l><lb/> <l>Brachte mir auch den beschlag'nen Säbel.</l><lb/> <l>Und die beiden Rosse d'rauf besteigend,</l><lb/> <l>Ritten Nachts wir durch das Land der Mohren.“</l> </lg><lb/> <lg> <l>„Aber als der Tag nun angebrochen, <note place="right">70</note></l><lb/> <l>Setzt' ich mich, um auszuruhen, nieder.</l><lb/> <l>Mir zur Seite setzte sich die Mohrin,</l><lb/> <l>Mich umschlingend mit den schwarzen Armen.</l><lb/> <l>Siehe, als ich sahe, meine Mutter,</l><lb/> <l>Wie so schwarz sie war, und weiß die Zähne: <note place="right">75</note></l><lb/> <l>Da befiel solch Grau'n mich und Entsetzen,</l><lb/> <l>Daß ich vorriß den beschlag'nen Säbel,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [199/0265]
„Als ich mich in dieser Noth sah', Mutter,
Nahm ich meine Mütz' ab, legt' aufs Knie sie,
Und der Mütze auf den Knieen schwor ich:
Meiner Treu! ich will Dich nicht verlassen!
Meiner Treu! ich will Dich nicht betrügen!
Auch die Sonne hat ihr Wort gebrochen,
Scheinet nicht im Winter, wie im Sommer;
Aber ich will dieses Wort nicht brechen.“ —
„Und mir glaubte das getäuschte Mädchen,
Glaubte, daß ich dieses ihr geschworen.
Als der Abend einst begann zu dunkeln,
Oeffnete sie meines Kerkers Pforte,
Führte mich aus dem Gefängniß, Mutter!
Brachte mir den wutherfüllten Scharatz,
Und für sich ein bess'res Roß, als Scharatz;
Beide trugen Säcke voll Dukaten;
Brachte mir auch den beschlag'nen Säbel.
Und die beiden Rosse d'rauf besteigend,
Ritten Nachts wir durch das Land der Mohren.“
„Aber als der Tag nun angebrochen,
Setzt' ich mich, um auszuruhen, nieder.
Mir zur Seite setzte sich die Mohrin,
Mich umschlingend mit den schwarzen Armen.
Siehe, als ich sahe, meine Mutter,
Wie so schwarz sie war, und weiß die Zähne:
Da befiel solch Grau'n mich und Entsetzen,
Daß ich vorriß den beschlag'nen Säbel,
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