Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Sprach er also zu dem Briefpostboten: "Trag ihn nach Prilip, der weißen Feste, Auf das Knie des Königsohnes Marko!" Nach dem weißen Prilip gieng der Bote, Und erreicht' es an dem heil'gen Sonntag, 55 Als die Serben in der Kirche waren. Bei der weißen Kirche stand der Bote, Harrete des Königsohnes Marko. Aber als der Held heraus trat, jetzo, Nahm der Bote unter'n Arm die Mütze, 60 Und demüthig sich zur Erde neigend, Gab er ihm des Briefes dünnes Blättlein. Marko, als das Schreiben er empfangen, Las er seinen Inhalt auf der Stelle; Als er wußte, was es ihm verkündet, 65 Rannen Thränen aus des Helden Augen, Und es sprach der Königsohn Herr Marko: "Wehe mir, Du theurer Freund und Bruder! Welche Noth hat, Armer! Dich befallen! Doch so wahr Dir meine Treue lebet, 70 Freund, ich will Dich retten und befreien, Sey's mit Gelde, sey es mit den Waffen!" -- Und er geht nach seinem schlanken Thurme, Setzet sich, ein wenig Wein zu trinken. Gürtet sich mit dem beschlag'nen Säbel, 75 Wirft den Rock von Wolfsfell auf die Schultern, Aber auf das Haupt die Wolfsfellmütze; Windet dann das Kopftuch drum, das schwarze, Sprach er also zu dem Briefpostboten: „Trag ihn nach Prilip, der weißen Feste, Auf das Knie des Königsohnes Marko!“ Nach dem weißen Prilip gieng der Bote, Und erreicht' es an dem heil'gen Sonntag, 55 Als die Serben in der Kirche waren. Bei der weißen Kirche stand der Bote, Harrete des Königsohnes Marko. Aber als der Held heraus trat, jetzo, Nahm der Bote unter'n Arm die Mütze, 60 Und demüthig sich zur Erde neigend, Gab er ihm des Briefes dünnes Blättlein. Marko, als das Schreiben er empfangen, Las er seinen Inhalt auf der Stelle; Als er wußte, was es ihm verkündet, 65 Rannen Thränen aus des Helden Augen, Und es sprach der Königsohn Herr Marko: „Wehe mir, Du theurer Freund und Bruder! Welche Noth hat, Armer! Dich befallen! Doch so wahr Dir meine Treue lebet, 70 Freund, ich will Dich retten und befreien, Sey's mit Gelde, sey es mit den Waffen!“ — Und er geht nach seinem schlanken Thurme, Setzet sich, ein wenig Wein zu trinken. Gürtet sich mit dem beschlag'nen Säbel, 75 Wirft den Rock von Wolfsfell auf die Schultern, Aber auf das Haupt die Wolfsfellmütze; Windet dann das Kopftuch drum, das schwarze, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0269" n="203"/> <lg> <l>Sprach er also zu dem Briefpostboten:</l><lb/> <l>„Trag ihn nach Prilip, der weißen Feste,</l><lb/> <l>Auf das Knie des Königsohnes Marko!“</l><lb/> <l>Nach dem weißen Prilip gieng der Bote,</l><lb/> <l>Und erreicht' es an dem heil'gen Sonntag, <note place="right">55</note></l><lb/> <l>Als die Serben in der Kirche waren.</l><lb/> <l>Bei der weißen Kirche stand der Bote,</l><lb/> <l>Harrete des Königsohnes Marko.</l><lb/> <l>Aber als der Held heraus trat, jetzo,</l><lb/> <l>Nahm der Bote unter'n Arm die Mütze, <note place="right">60</note></l><lb/> <l>Und demüthig sich zur Erde neigend,</l><lb/> <l>Gab er ihm des Briefes dünnes Blättlein.</l><lb/> <l>Marko, als das Schreiben er empfangen,</l><lb/> <l>Las er seinen Inhalt auf der Stelle;</l><lb/> <l>Als er wußte, was es ihm verkündet, <note place="right">65</note></l><lb/> <l>Rannen Thränen aus des Helden Augen,</l><lb/> <l>Und es sprach der Königsohn Herr Marko:</l> </lg><lb/> <lg> <l>„Wehe mir, Du theurer Freund und Bruder!</l><lb/> <l>Welche Noth hat, Armer! Dich befallen!</l><lb/> <l>Doch so wahr Dir meine Treue lebet, <note place="right">70</note></l><lb/> <l>Freund, ich will Dich retten und befreien,</l><lb/> <l>Sey's mit Gelde, sey es mit den Waffen!“ —</l><lb/> <l>Und er geht nach seinem schlanken Thurme,</l><lb/> <l>Setzet sich, ein wenig Wein zu trinken.</l><lb/> <l>Gürtet sich mit dem beschlag'nen Säbel, <note place="right">75</note></l><lb/> <l>Wirft den Rock von Wolfsfell auf die Schultern,</l><lb/> <l>Aber auf das Haupt die Wolfsfellmütze;</l><lb/> <l>Windet dann das Kopftuch drum, das schwarze,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0269]
Sprach er also zu dem Briefpostboten:
„Trag ihn nach Prilip, der weißen Feste,
Auf das Knie des Königsohnes Marko!“
Nach dem weißen Prilip gieng der Bote,
Und erreicht' es an dem heil'gen Sonntag,
Als die Serben in der Kirche waren.
Bei der weißen Kirche stand der Bote,
Harrete des Königsohnes Marko.
Aber als der Held heraus trat, jetzo,
Nahm der Bote unter'n Arm die Mütze,
Und demüthig sich zur Erde neigend,
Gab er ihm des Briefes dünnes Blättlein.
Marko, als das Schreiben er empfangen,
Las er seinen Inhalt auf der Stelle;
Als er wußte, was es ihm verkündet,
Rannen Thränen aus des Helden Augen,
Und es sprach der Königsohn Herr Marko:
„Wehe mir, Du theurer Freund und Bruder!
Welche Noth hat, Armer! Dich befallen!
Doch so wahr Dir meine Treue lebet,
Freund, ich will Dich retten und befreien,
Sey's mit Gelde, sey es mit den Waffen!“ —
Und er geht nach seinem schlanken Thurme,
Setzet sich, ein wenig Wein zu trinken.
Gürtet sich mit dem beschlag'nen Säbel,
Wirft den Rock von Wolfsfell auf die Schultern,
Aber auf das Haupt die Wolfsfellmütze;
Windet dann das Kopftuch drum, das schwarze,
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