Gegen das Jahr 1150 behauptete In Serbien Tschudo- mil, von den Griechen Bachinus genannt, unter mannichfa- chen Kämpfen den Herrscherstuhl. Auch er hatte vorzüglich die Loßreißung vom griechischen Reiche im Auge; klug die Zeit benutzend, in welcher der Kaiser Manuel Comnenus mit Ro- ger von Sicilien in Krieg verwickelt war, rief er die Ungarn zu Hülfe, das Joch abzuschütteln. In der geheimen Hoff- nung, bey dieser Gelegenheit Serbien selbst zu erobern, ward sie ihm zugesagt. So richteten rings umher mächtigere Nach- baren habgierige Augen auf das unglückliche Land. Ehe in- dessen noch dieser gefährliche Beystand erschien, war der Kaiser schon aus Sicilien zurück, und nach Serbien geeilt. In einem 1152 hitzigen Gefecht im Gebirge, ohnweit Setzenitza, kam es zum Zweykampf zwischen Manuel und dem Großshupan, in welchem dieser zwar den Kaiser bedeutend im Gesichte verwundete, aber doch endlich von ihm besiegt, und zum Gefangenen gemacht ward. Großmuth oder Klugheit bewogen den Kaiser, ihm die Verzeihung unter leichten Bedingungen zu bewilligen, und der kriegerische Tschudomil hielt sich von da an ruhig und still.
Aehnliche Versuche, ähnliche Niederlagen bezeichnen die Regierung seiner nächsten Nachfolger, die im schnellen Wechsel einander theils verdrängten, theils ablösten. Die Stimme des Kaiser Manuel erhob endlich, statt des gefangenen Für- sten Tjechomil (bey den Griechen Dessa, auch Deses, die cor- rumpirte DimunitivformTjescha) der sich ihm durch Hinneigung zu den Ungarn verdächtig machte, dessen jüngsten Sohn, Ste- phan Nemanja, zum Großshupan von Serbien, während sich die älteren Brüdcr mit einzelnen, untergeordneten Landschaf- ten dieses Reiches begnügen mußten. Mit Stephan Nemanja beginnt eine glänzendere Periode Serbiens. Unter den Re- genten seines Hauses hob es sich, sank es und fiel. Der neue Fürst, wie seine Vorfahren darauf bedacht, 1165 sich vom byzantinischen Hofe unabhängig zu machen, benutzte
Gegen das Jahr 1150 behauptete In Serbien Tschudo- mil, von den Griechen Bachinus genannt, unter mannichfa- chen Kämpfen den Herrscherstuhl. Auch er hatte vorzüglich die Loßreißung vom griechischen Reiche im Auge; klug die Zeit benutzend, in welcher der Kaiser Manuel Comnenus mit Ro- ger von Sicilien in Krieg verwickelt war, rief er die Ungarn zu Hülfe, das Joch abzuschütteln. In der geheimen Hoff- nung, bey dieser Gelegenheit Serbien selbst zu erobern, ward sie ihm zugesagt. So richteten rings umher mächtigere Nach- baren habgierige Augen auf das unglückliche Land. Ehe in- dessen noch dieser gefährliche Beystand erschien, war der Kaiser schon aus Sicilien zurück, und nach Serbien geeilt. In einem 1152 hitzigen Gefecht im Gebirge, ohnweit Setzenitza, kam es zum Zweykampf zwischen Manuel und dem Großshupan, in welchem dieser zwar den Kaiser bedeutend im Gesichte verwundete, aber doch endlich von ihm besiegt, und zum Gefangenen gemacht ward. Großmuth oder Klugheit bewogen den Kaiser, ihm die Verzeihung unter leichten Bedingungen zu bewilligen, und der kriegerische Tschudomil hielt sich von da an ruhig und still.
Aehnliche Versuche, ähnliche Niederlagen bezeichnen die Regierung seiner nächsten Nachfolger, die im schnellen Wechsel einander theils verdrängten, theils ablösten. Die Stimme des Kaiser Manuel erhob endlich, statt des gefangenen Für- sten Tjechomil (bey den Griechen Dessa, auch Deses, die cor- rumpirte DimunitivformTjescha) der sich ihm durch Hinneigung zu den Ungarn verdächtig machte, dessen jüngsten Sohn, Ste- phan Nemanja, zum Großshupan von Serbien, während sich die älteren Brüdcr mit einzelnen, untergeordneten Landschaf- ten dieses Reiches begnügen mußten. Mit Stephan Nemanja beginnt eine glänzendere Periode Serbiens. Unter den Re- genten seines Hauses hob es sich, sank es und fiel. Der neue Fürst, wie seine Vorfahren darauf bedacht, 1165 sich vom byzantinischen Hofe unabhängig zu machen, benutzte
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Gegen das Jahr 1150 behauptete In Serbien Tschudo-
mil, von den Griechen Bachinus genannt, unter mannichfa-
chen Kämpfen den Herrscherstuhl. Auch er hatte vorzüglich
die Loßreißung vom griechischen Reiche im Auge; klug die Zeit
benutzend, in welcher der Kaiser Manuel Comnenus mit Ro-
ger von Sicilien in Krieg verwickelt war, rief er die Ungarn
zu Hülfe, das Joch abzuschütteln. In der geheimen Hoff-
nung, bey dieser Gelegenheit Serbien selbst zu erobern, ward
sie ihm zugesagt. So richteten rings umher mächtigere Nach-
baren habgierige Augen auf das unglückliche Land. Ehe in-
dessen noch dieser gefährliche Beystand erschien, war der Kaiser
schon aus Sicilien zurück, und nach Serbien geeilt. In einem
hitzigen Gefecht im Gebirge, ohnweit Setzenitza, kam es zum
Zweykampf zwischen Manuel und dem Großshupan, in welchem
dieser zwar den Kaiser bedeutend im Gesichte verwundete, aber
doch endlich von ihm besiegt, und zum Gefangenen gemacht
ward. Großmuth oder Klugheit bewogen den Kaiser, ihm die
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kriegerische Tschudomil hielt sich von da an ruhig und still.
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Aehnliche Versuche, ähnliche Niederlagen bezeichnen die
Regierung seiner nächsten Nachfolger, die im schnellen Wechsel
einander theils verdrängten, theils ablösten. Die Stimme
des Kaiser Manuel erhob endlich, statt des gefangenen Für-
sten Tjechomil (bey den Griechen Dessa, auch Deses, die cor-
rumpirte DimunitivformTjescha) der sich ihm durch Hinneigung
zu den Ungarn verdächtig machte, dessen jüngsten Sohn, Ste-
phan Nemanja, zum Großshupan von Serbien, während sich
die älteren Brüdcr mit einzelnen, untergeordneten Landschaf-
ten dieses Reiches begnügen mußten. Mit Stephan Nemanja
beginnt eine glänzendere Periode Serbiens. Unter den Re-
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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/30>, abgerufen am 03.12.2024.
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