Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Dorten kehre rückwärts Deinen Scharatz, 50 Sitze ab, und bind' ihn an die Tanne; Neige Dich hinab auf's Brunnenwasser, Daß Dein Antlitz Du im Spiegel schauest, Siehest dorten, wann Du sterben werdest!" -- Da that Marko nach der Wila Worten. 55 Als er kam auf des Gebirges Gipfel, Schaut' er von der Rechten zu der Linken, Und erblickte die zwei schlanken Tannen, Die des Waldes Bäum' all' überragten, Schön geschmückt mit reichen grünen Blättern. 60 Darauf kehrte er den Scharatz rückwärts, Saß dann ab und band ihn an die Tanne, Neigte sich hinab auf's Brunnenwasser, Sah im Wasser spiegeln sich sein Antlitz, Und er sahe, wann er sterben werde. 65 Thränen rollten aus des Helden Augen: "Falsche Welt! du meine schöne Blume! Schön warst du, o kurzes Pilgerleben, Kurzes, nur dreihundertjährig Leben! Zeit ist's nun, daß ich die Welt vertausche." 70 Drauf zog er den schneidend scharfen Säbel, Zog heraus ihn, von dem Gürtel lösend; Schritt damit zu seinem Rosse Scharatz, Hieb dem Scharatz Eines Streichs das Haupt ab, Daß er nicht in Türkenhände falle, 75 Dorten kehre rückwärts Deinen Scharatz, 50 Sitze ab, und bind' ihn an die Tanne; Neige Dich hinab auf's Brunnenwasser, Daß Dein Antlitz Du im Spiegel schauest, Siehest dorten, wann Du sterben werdest!“ — Da that Marko nach der Wila Worten. 55 Als er kam auf des Gebirges Gipfel, Schaut' er von der Rechten zu der Linken, Und erblickte die zwei schlanken Tannen, Die des Waldes Bäum' all' überragten, Schön geschmückt mit reichen grünen Blättern. 60 Darauf kehrte er den Scharatz rückwärts, Saß dann ab und band ihn an die Tanne, Neigte sich hinab auf's Brunnenwasser, Sah im Wasser spiegeln sich sein Antlitz, Und er sahe, wann er sterben werde. 65 Thränen rollten aus des Helden Augen: „Falsche Welt! du meine schöne Blume! Schön warst du, o kurzes Pilgerleben, Kurzes, nur dreihundertjährig Leben! Zeit ist's nun, daß ich die Welt vertausche.“ 70 Drauf zog er den schneidend scharfen Säbel, Zog heraus ihn, von dem Gürtel lösend; Schritt damit zu seinem Rosse Scharatz, Hieb dem Scharatz Eines Streichs das Haupt ab, Daß er nicht in Türkenhände falle, 75 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0308" n="242"/> <lg> <l>Dorten kehre rückwärts Deinen Scharatz, <note place="right">50</note></l><lb/> <l>Sitze ab, und bind' ihn an die Tanne;</l><lb/> <l>Neige Dich hinab auf's Brunnenwasser,</l><lb/> <l>Daß Dein Antlitz Du im Spiegel schauest,</l><lb/> <l>Siehest dorten, wann Du sterben werdest!“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>Da that Marko nach der Wila Worten. <note place="right">55</note></l><lb/> <l>Als er kam auf des Gebirges Gipfel,</l><lb/> <l>Schaut' er von der Rechten zu der Linken,</l><lb/> <l>Und erblickte die zwei schlanken Tannen,</l><lb/> <l>Die des Waldes Bäum' all' überragten,</l><lb/> <l>Schön geschmückt mit reichen grünen Blättern. <note place="right">60</note></l><lb/> <l>Darauf kehrte er den Scharatz rückwärts,</l><lb/> <l>Saß dann ab und band ihn an die Tanne,</l><lb/> <l>Neigte sich hinab auf's Brunnenwasser,</l><lb/> <l>Sah im Wasser spiegeln sich sein Antlitz,</l><lb/> <l>Und er sahe, wann er sterben werde. <note place="right">65</note></l> </lg><lb/> <lg> <l>Thränen rollten aus des Helden Augen:</l><lb/> <l>„Falsche Welt! du meine schöne Blume!</l><lb/> <l>Schön warst du, o kurzes Pilgerleben,</l><lb/> <l>Kurzes, nur dreihundertjährig Leben!</l><lb/> <l>Zeit ist's nun, daß ich die Welt vertausche.“ <note place="right">70</note></l> </lg><lb/> <lg> <l>Drauf zog er den schneidend scharfen Säbel,</l><lb/> <l>Zog heraus ihn, von dem Gürtel lösend;</l><lb/> <l>Schritt damit zu seinem Rosse Scharatz,</l><lb/> <l>Hieb dem Scharatz Eines Streichs das Haupt ab,</l><lb/> <l>Daß er nicht in Türkenhände falle, <note place="right">75</note></l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [242/0308]
Dorten kehre rückwärts Deinen Scharatz,
Sitze ab, und bind' ihn an die Tanne;
Neige Dich hinab auf's Brunnenwasser,
Daß Dein Antlitz Du im Spiegel schauest,
Siehest dorten, wann Du sterben werdest!“ —
Da that Marko nach der Wila Worten.
Als er kam auf des Gebirges Gipfel,
Schaut' er von der Rechten zu der Linken,
Und erblickte die zwei schlanken Tannen,
Die des Waldes Bäum' all' überragten,
Schön geschmückt mit reichen grünen Blättern.
Darauf kehrte er den Scharatz rückwärts,
Saß dann ab und band ihn an die Tanne,
Neigte sich hinab auf's Brunnenwasser,
Sah im Wasser spiegeln sich sein Antlitz,
Und er sahe, wann er sterben werde.
Thränen rollten aus des Helden Augen:
„Falsche Welt! du meine schöne Blume!
Schön warst du, o kurzes Pilgerleben,
Kurzes, nur dreihundertjährig Leben!
Zeit ist's nun, daß ich die Welt vertausche.“
Drauf zog er den schneidend scharfen Säbel,
Zog heraus ihn, von dem Gürtel lösend;
Schritt damit zu seinem Rosse Scharatz,
Hieb dem Scharatz Eines Streichs das Haupt ab,
Daß er nicht in Türkenhände falle,
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