Talvj, Volkslieder der Serben, 1825nennen) ist von der äußersten Wichtigkeit, ja Heiligkeit im Serbischen. Sie legt dem Angerufnen die Pflicht auf, sich des Bittenden anzunehmen. Wer die Benennung nicht auf der Stelle von sich weist, und nachher etwa die übernom- mene Verpflichtung bricht, ladet große Sünde auf sich. Ein kleines Gedicht (übrigens ohne den mindesten poetischen Werth) erzählt folgende Szene: ein Mädchen verirrt sich, und bittet einen, ihr begegnenden Mann, sie nach Hause zu führen, mit der feierlichen Anrede: "Bruder in Gott!" -- Er nimmt sich "um Gott" ihrer an. Unterweges aber sucht er ihre verlaßne Lage zu größrer Vertraulichkeit als sich ziemt, zu benutzen. Sogleich tödtet ihn "vom heiteren Himmel ein Blitzstrahl." -- "Siehst Du! spricht das Mädchen, so geht es jedem, der die Schwester in Gott nicht ehrt!" So bietet eine schöne, heilige Volkssitte einen merkwür- digen Ersatz für die fehlende Cultur, indem sie dem Schwa- chen Schutz, dem Verlassenen Hülfe gewährt. Ein herrli- cher Nationalzug, verwandt mit dem nicht weniger religiösen Zug der feierlichen Verbrüderung. S. Anm. 19. 15) Um des Wunders, um der Heilung willen Kommen hierher sie, ihr Kind zu stillen. Eine feuchte Stelle in einer von Skutari's Mauern, aus welcher Kalk tropft, erhält diese rührende Sage, und macht den Ort zum Wallfahrtsziel liebender Mütter, denen es an Nahrung fehlt. 16) -- -- -- Diese schwören Bei dem Bruder, jene bei der Schwester. Bei dem Leben der Geschwister oder Mutter, lautet eine der feierlichsten serbischen Betheurungsformeln. Be- sonders ist es der Serbin heiligster Schwur: "bei meinem nennen) ist von der äußersten Wichtigkeit, ja Heiligkeit im Serbischen. Sie legt dem Angerufnen die Pflicht auf, sich des Bittenden anzunehmen. Wer die Benennung nicht auf der Stelle von sich weist, und nachher etwa die übernom- mene Verpflichtung bricht, ladet große Sünde auf sich. Ein kleines Gedicht (übrigens ohne den mindesten poetischen Werth) erzählt folgende Szene: ein Mädchen verirrt sich, und bittet einen, ihr begegnenden Mann, sie nach Hause zu führen, mit der feierlichen Anrede: „Bruder in Gott!“ — Er nimmt sich „um Gott“ ihrer an. Unterweges aber sucht er ihre verlaßne Lage zu größrer Vertraulichkeit als sich ziemt, zu benutzen. Sogleich tödtet ihn „vom heiteren Himmel ein Blitzstrahl.“ — „Siehst Du! spricht das Mädchen, so geht es jedem, der die Schwester in Gott nicht ehrt!“ So bietet eine schöne, heilige Volkssitte einen merkwür- digen Ersatz für die fehlende Cultur, indem sie dem Schwa- chen Schutz, dem Verlassenen Hülfe gewährt. Ein herrli- cher Nationalzug, verwandt mit dem nicht weniger religiösen Zug der feierlichen Verbrüderung. S. Anm. 19. 15) Um des Wunders, um der Heilung willen Kommen hierher sie, ihr Kind zu stillen. Eine feuchte Stelle in einer von Skutari's Mauern, aus welcher Kalk tropft, erhält diese rührende Sage, und macht den Ort zum Wallfahrtsziel liebender Mütter, denen es an Nahrung fehlt. 16) — — — Diese schwören Bei dem Bruder, jene bei der Schwester. Bei dem Leben der Geschwister oder Mutter, lautet eine der feierlichsten serbischen Betheurungsformeln. Be- sonders ist es der Serbin heiligster Schwur: „bei meinem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="edt14" prev="#ed14" place="end" n="14)"> <pb facs="#f0346" n="280"/> <p>nennen) ist von der äußersten Wichtigkeit, ja Heiligkeit im<lb/> Serbischen. Sie legt dem Angerufnen die Pflicht auf, sich<lb/> des Bittenden anzunehmen. Wer die Benennung nicht auf<lb/> der Stelle von sich weist, und nachher etwa die übernom-<lb/> mene Verpflichtung bricht, ladet große Sünde auf sich. 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¹⁴⁾ nennen) ist von der äußersten Wichtigkeit, ja Heiligkeit im
Serbischen. Sie legt dem Angerufnen die Pflicht auf, sich
des Bittenden anzunehmen. Wer die Benennung nicht auf
der Stelle von sich weist, und nachher etwa die übernom-
mene Verpflichtung bricht, ladet große Sünde auf sich. Ein
kleines Gedicht (übrigens ohne den mindesten poetischen
Werth) erzählt folgende Szene: ein Mädchen verirrt sich,
und bittet einen, ihr begegnenden Mann, sie nach Hause
zu führen, mit der feierlichen Anrede: „Bruder in Gott!“
— Er nimmt sich „um Gott“ ihrer an. Unterweges aber
sucht er ihre verlaßne Lage zu größrer Vertraulichkeit als sich
ziemt, zu benutzen. Sogleich tödtet ihn „vom heiteren
Himmel ein Blitzstrahl.“ — „Siehst Du! spricht das
Mädchen, so geht es jedem, der die Schwester in Gott
nicht ehrt!“
So bietet eine schöne, heilige Volkssitte einen merkwür-
digen Ersatz für die fehlende Cultur, indem sie dem Schwa-
chen Schutz, dem Verlassenen Hülfe gewährt. Ein herrli-
cher Nationalzug, verwandt mit dem nicht weniger religiösen
Zug der feierlichen Verbrüderung. S. Anm. 19.
¹⁵⁾ Um des Wunders, um der Heilung willen
Kommen hierher sie, ihr Kind zu stillen.
Eine feuchte Stelle in einer von Skutari's Mauern,
aus welcher Kalk tropft, erhält diese rührende Sage, und
macht den Ort zum Wallfahrtsziel liebender Mütter, denen
es an Nahrung fehlt.
¹⁶⁾ — — — Diese schwören
Bei dem Bruder, jene bei der Schwester.
Bei dem Leben der Geschwister oder Mutter, lautet
eine der feierlichsten serbischen Betheurungsformeln. Be-
sonders ist es der Serbin heiligster Schwur: „bei meinem
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