Statthalterschaft. So von den eignen Landsleuten verdrängt, warfen sich die Söhne dem Feind in die Arme. Marco er- hielt von dem türkischen Sultan einige ansehnliche Landschaf- ten, und folgte ihm als Vasall in seinen Kriegen mit den Christen. Den Sagen nach, ist er zu diesem Schritt durch einen Fluch des eignen Vaters gezwungen, und er dient nur mit empörtem Herzen den Ungläubigen.
Bey den Türken steht er in großem Ansehn, und der Sultan selbst zittert vor seinem Zorn, welcher ihn in einen Zustand setzt, der ganz der Berserkerwuth der Scandinavier gleicht. Daß er im Innern seinen Glaubensgenossen treu ge- blieben, bezeugt auch die Geschichte, indem sie ihn in der blu- 1392tigen Schlacht bn Rovini gegen die Wallachen rufen läßt: "Stehe den Christen bey, o Gott! und möge ich der Erste seyn, der in der Schlacht fällt!" -- Er fiel auch wirklich an diesem Tage. Im Glauben des Volkes aber lebte er noch viele Jahrhunderte fort; ja, die serbische Sage behauptet, er lebe noch immer, aber seit der Erfindung des Pulvers halte er sich im Waldgebirge verborgen, erschreckt von der Vorstellung, daß die Hand eines schwachen Kindes die Kraft des gewaltig- sten Helden bezwingen könne.
Markos Laufbahn verfolgend, griffen wir der Geschichte des Reiches vor, das durch die verlorene Schlacht am Tä- narus in seinen Grundpfeilern erschüttert ward. Die christ- lichen benachbarten Mächte, denen das unaufhaltsame Vor- dringen der Ungläubigen gleiche Gefahr drohte, sahen mit un- begreiflicher Sorglosigkeit das Verderben nahn. Trotz der griechischen Kaiser Aufforderung, trotz des Pabstes dringen- dem Mahnen, bewegte der König Ludwig den Arm nicht wi- per die Türken: von Leidenschaft geblendet hatte er nur einen Krieg mit Venedig im Auge, auf welchen er alle Kraft des Landes verwendete. Der Ban von Boßnien, Twartko,
Statthalterschaft. So von den eignen Landsleuten verdrängt, warfen sich die Söhne dem Feind in die Arme. Marco er- hielt von dem türkischen Sultan einige ansehnliche Landschaf- ten, und folgte ihm als Vasall in seinen Kriegen mit den Christen. Den Sagen nach, ist er zu diesem Schritt durch einen Fluch des eignen Vaters gezwungen, und er dient nur mit empörtem Herzen den Ungläubigen.
Bey den Türken steht er in großem Ansehn, und der Sultan selbst zittert vor seinem Zorn, welcher ihn in einen Zustand setzt, der ganz der Berserkerwuth der Scandinavier gleicht. Daß er im Innern seinen Glaubensgenossen treu ge- blieben, bezeugt auch die Geschichte, indem sie ihn in der blu- 1392tigen Schlacht bn Rovini gegen die Wallachen rufen läßt: „Stehe den Christen bey, o Gott! und möge ich der Erste seyn, der in der Schlacht fällt!“ — Er fiel auch wirklich an diesem Tage. Im Glauben des Volkes aber lebte er noch viele Jahrhunderte fort; ja, die serbische Sage behauptet, er lebe noch immer, aber seit der Erfindung des Pulvers halte er sich im Waldgebirge verborgen, erschreckt von der Vorstellung, daß die Hand eines schwachen Kindes die Kraft des gewaltig- sten Helden bezwingen könne.
Markos Laufbahn verfolgend, griffen wir der Geschichte des Reiches vor, das durch die verlorene Schlacht am Tä- narus in seinen Grundpfeilern erschüttert ward. Die christ- lichen benachbarten Mächte, denen das unaufhaltsame Vor- dringen der Ungläubigen gleiche Gefahr drohte, sahen mit un- begreiflicher Sorglosigkeit das Verderben nahn. Trotz der griechischen Kaiser Aufforderung, trotz des Pabstes dringen- dem Mahnen, bewegte der König Ludwig den Arm nicht wi- per die Türken: von Leidenschaft geblendet hatte er nur einen Krieg mit Venedig im Auge, auf welchen er alle Kraft des Landes verwendete. Der Ban von Boßnien, Twartko,
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Statthalterschaft. So von den eignen Landsleuten verdrängt,
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ten, und folgte ihm als Vasall in seinen Kriegen mit den
Christen. Den Sagen nach, ist er zu diesem Schritt durch
einen Fluch des eignen Vaters gezwungen, und er dient nur
mit empörtem Herzen den Ungläubigen.
Bey den Türken steht er in großem Ansehn, und der
Sultan selbst zittert vor seinem Zorn, welcher ihn in einen
Zustand setzt, der ganz der Berserkerwuth der Scandinavier
gleicht. Daß er im Innern seinen Glaubensgenossen treu ge-
blieben, bezeugt auch die Geschichte, indem sie ihn in der blu-
tigen Schlacht bn Rovini gegen die Wallachen rufen läßt:
„Stehe den Christen bey, o Gott! und möge ich der Erste
seyn, der in der Schlacht fällt!“ — Er fiel auch wirklich
an diesem Tage. Im Glauben des Volkes aber lebte er noch
viele Jahrhunderte fort; ja, die serbische Sage behauptet, er
lebe noch immer, aber seit der Erfindung des Pulvers halte er
sich im Waldgebirge verborgen, erschreckt von der Vorstellung,
daß die Hand eines schwachen Kindes die Kraft des gewaltig-
sten Helden bezwingen könne.
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Markos Laufbahn verfolgend, griffen wir der Geschichte
des Reiches vor, das durch die verlorene Schlacht am Tä-
narus in seinen Grundpfeilern erschüttert ward. Die christ-
lichen benachbarten Mächte, denen das unaufhaltsame Vor-
dringen der Ungläubigen gleiche Gefahr drohte, sahen mit un-
begreiflicher Sorglosigkeit das Verderben nahn. Trotz der
griechischen Kaiser Aufforderung, trotz des Pabstes dringen-
dem Mahnen, bewegte der König Ludwig den Arm nicht wi-
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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XXVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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