Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

am Reisen zu finden, und so hielten sie sich
meist nicht lange auf. Indeß habe ich auf
meinen Wanderungen nach Illyrien, nach
Sachsen und Schwedenland nicht selten wel¬
che gefunden, deren Andenken mich immer er¬
freuen wird.

So seyd ihr ja weit umhergekommen,
und müßt viele denkwürdige Dinge erlebt
haben.

Unsere Kunst macht es fast nöthig, daß
man sich weit auf dem Erdboden umsieht,
und es ist als triebe den Bergmann ein un¬
terirdisches Feuer umher. Ein Berg schickt
ihn dem andern. Er wird nie mit Sehen fer¬
tig, und hat seine ganze Lebenszeit an jener
wunderlichen Baukunst zu lernen, die unsern
Fußboden so seltsam gegründet und ausgetä¬
felt hat. Unsere Kunst ist uralt und weit
verbreitet. Sie mag wohl aus Morgen, mit
der Sonne, wie unser Geschlecht, nach Abend

am Reiſen zu finden, und ſo hielten ſie ſich
meiſt nicht lange auf. Indeß habe ich auf
meinen Wanderungen nach Illyrien, nach
Sachſen und Schwedenland nicht ſelten wel¬
che gefunden, deren Andenken mich immer er¬
freuen wird.

So ſeyd ihr ja weit umhergekommen,
und müßt viele denkwürdige Dinge erlebt
haben.

Unſere Kunſt macht es faſt nöthig, daß
man ſich weit auf dem Erdboden umſieht,
und es iſt als triebe den Bergmann ein un¬
terirdiſches Feuer umher. Ein Berg ſchickt
ihn dem andern. Er wird nie mit Sehen fer¬
tig, und hat ſeine ganze Lebenszeit an jener
wunderlichen Baukunſt zu lernen, die unſern
Fußboden ſo ſeltſam gegründet und ausgetä¬
felt hat. Unſere Kunſt iſt uralt und weit
verbreitet. Sie mag wohl aus Morgen, mit
der Sonne, wie unſer Geſchlecht, nach Abend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0192" n="184"/>
am Rei&#x017F;en zu finden, und &#x017F;o hielten &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
mei&#x017F;t nicht lange auf. Indeß habe ich auf<lb/>
meinen Wanderungen nach Illyrien, nach<lb/>
Sach&#x017F;en und Schwedenland nicht &#x017F;elten wel¬<lb/>
che gefunden, deren Andenken mich immer er¬<lb/>
freuen wird.</p><lb/>
            <p>So &#x017F;eyd ihr ja weit umhergekommen,<lb/>
und müßt viele denkwürdige Dinge erlebt<lb/>
haben.</p><lb/>
            <p>Un&#x017F;ere Kun&#x017F;t macht es fa&#x017F;t nöthig, daß<lb/>
man &#x017F;ich weit auf dem Erdboden um&#x017F;ieht,<lb/>
und es i&#x017F;t als triebe den Bergmann ein un¬<lb/>
terirdi&#x017F;ches Feuer umher. Ein Berg &#x017F;chickt<lb/>
ihn dem andern. Er wird nie mit Sehen fer¬<lb/>
tig, und hat &#x017F;eine ganze Lebenszeit an jener<lb/>
wunderlichen Baukun&#x017F;t zu lernen, die un&#x017F;ern<lb/>
Fußboden &#x017F;o &#x017F;elt&#x017F;am gegründet und ausgetä¬<lb/>
felt hat. Un&#x017F;ere Kun&#x017F;t i&#x017F;t uralt und weit<lb/>
verbreitet. Sie mag wohl aus Morgen, mit<lb/>
der Sonne, wie un&#x017F;er Ge&#x017F;chlecht, nach Abend<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0192] am Reiſen zu finden, und ſo hielten ſie ſich meiſt nicht lange auf. Indeß habe ich auf meinen Wanderungen nach Illyrien, nach Sachſen und Schwedenland nicht ſelten wel¬ che gefunden, deren Andenken mich immer er¬ freuen wird. So ſeyd ihr ja weit umhergekommen, und müßt viele denkwürdige Dinge erlebt haben. Unſere Kunſt macht es faſt nöthig, daß man ſich weit auf dem Erdboden umſieht, und es iſt als triebe den Bergmann ein un¬ terirdiſches Feuer umher. Ein Berg ſchickt ihn dem andern. Er wird nie mit Sehen fer¬ tig, und hat ſeine ganze Lebenszeit an jener wunderlichen Baukunſt zu lernen, die unſern Fußboden ſo ſeltſam gegründet und ausgetä¬ felt hat. Unſere Kunſt iſt uralt und weit verbreitet. Sie mag wohl aus Morgen, mit der Sonne, wie unſer Geſchlecht, nach Abend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/192
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/192>, abgerufen am 21.11.2024.