heftige Erschütterungen erfolgten; indeß sieht man doch das allmächtige Streben nach freyer, einträchtiger Verfassung, und in die¬ sem Geiste wird jede Erschütterung vorüber¬ gehen und dem großen Ziele näher führen. Mag es seyn, daß die Natur nicht mehr so fruchtbar ist, daß heut zu Tage keine Metal¬ le und Edelsteine, keine Felsen und Berge mehr entstehn, daß Pflanzen und Thiere nicht mehr zu so erstaunlichen Größen und Kräften aufquellen: je mehr sich ihre erzeu¬ gende Kraft erschöpft hat, desto mehr haben ihre bildenden, veredelnden und geselligen Kräfte zugenommen, ihr Gemüth ist em¬ pfänglicher und zarter, ihre Fantasie mannich¬ faltiger und sinnbildlicher, ihre Hand leichter und kunstreicher geworden. Sie nähert sich dem Menschen, und wenn sie, ehmals ein wildgebährender Fels war, so ist sie jetzt eine stille, treibende Pflanze, eine stumme mensch¬
heftige Erſchütterungen erfolgten; indeß ſieht man doch das allmächtige Streben nach freyer, einträchtiger Verfaſſung, und in die¬ ſem Geiſte wird jede Erſchütterung vorüber¬ gehen und dem großen Ziele näher führen. Mag es ſeyn, daß die Natur nicht mehr ſo fruchtbar iſt, daß heut zu Tage keine Metal¬ le und Edelſteine, keine Felſen und Berge mehr entſtehn, daß Pflanzen und Thiere nicht mehr zu ſo erſtaunlichen Größen und Kräften aufquellen: je mehr ſich ihre erzeu¬ gende Kraft erſchöpft hat, deſto mehr haben ihre bildenden, veredelnden und geſelligen Kräfte zugenommen, ihr Gemüth iſt em¬ pfänglicher und zarter, ihre Fantaſie mannich¬ faltiger und ſinnbildlicher, ihre Hand leichter und kunſtreicher geworden. Sie nähert ſich dem Menſchen, und wenn ſie, ehmals ein wildgebährender Fels war, ſo iſt ſie jetzt eine ſtille, treibende Pflanze, eine ſtumme menſch¬
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heftige Erſchütterungen erfolgten; indeß ſieht
man doch das allmächtige Streben nach
freyer, einträchtiger Verfaſſung, und in die¬
ſem Geiſte wird jede Erſchütterung vorüber¬
gehen und dem großen Ziele näher führen.
Mag es ſeyn, daß die Natur nicht mehr ſo
fruchtbar iſt, daß heut zu Tage keine Metal¬
le und Edelſteine, keine Felſen und Berge
mehr entſtehn, daß Pflanzen und Thiere
nicht mehr zu ſo erſtaunlichen Größen und
Kräften aufquellen: je mehr ſich ihre erzeu¬
gende Kraft erſchöpft hat, deſto mehr haben
ihre bildenden, veredelnden und geſelligen
Kräfte zugenommen, ihr Gemüth iſt em¬
pfänglicher und zarter, ihre Fantaſie mannich¬
faltiger und ſinnbildlicher, ihre Hand leichter
und kunſtreicher geworden. Sie nähert ſich
dem Menſchen, und wenn ſie, ehmals ein
wildgebährender Fels war, ſo iſt ſie jetzt eine
ſtille, treibende Pflanze, eine ſtumme menſch¬
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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/197>, abgerufen am 21.11.2024.
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