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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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Heinrich war erhitzt, und nur spät gegen
Morgen schlief er ein. In wunderliche Träu¬
me flossen die Gedanken seiner Seele zusam¬
men. Ein tiefer blauer Strom schimmerte
aus der grünen Ebene herauf. Auf der glat¬
ten Fläche schwamm ein Kahn. Mathilde
saß und ruderte. Sie war mit Kränzen ge¬
schmückt, sang ein einfaches Lied, und sah
nach ihm mit süßer Wehmuth herüber. Sei¬
ne Brust war beklommen. Er wußte nicht
warum. Der Himmel war heiter, die Flut
ruhig. Ihr himmlisches Gesicht spiegelte sich
in den Wellen. Auf einmal fing der Kahn
an sich umzudrehen. Er rief ihr ängstlich zu.
Sie lächelte und legte das Ruder in den
Kahn, der sich immerwährend drehte. Eine
ungeheure Bangigkeit ergriff ihn. Er stürzte
sich in den Strom; aber er konnte nicht
fort, das Wasser trug ihn. Sie winkte, sie
[ - 1 Zeichen fehlt]chien ihm etwas sagen zu wollen, der Kahn

Heinrich war erhitzt, und nur ſpät gegen
Morgen ſchlief er ein. In wunderliche Träu¬
me floſſen die Gedanken ſeiner Seele zuſam¬
men. Ein tiefer blauer Strom ſchimmerte
aus der grünen Ebene herauf. Auf der glat¬
ten Fläche ſchwamm ein Kahn. Mathilde
ſaß und ruderte. Sie war mit Kränzen ge¬
ſchmückt, ſang ein einfaches Lied, und ſah
nach ihm mit ſüßer Wehmuth herüber. Sei¬
ne Bruſt war beklommen. Er wußte nicht
warum. Der Himmel war heiter, die Flut
ruhig. Ihr himmliſches Geſicht ſpiegelte ſich
in den Wellen. Auf einmal fing der Kahn
an ſich umzudrehen. Er rief ihr ängſtlich zu.
Sie lächelte und legte das Ruder in den
Kahn, der ſich immerwährend drehte. Eine
ungeheure Bangigkeit ergriff ihn. Er ſtürzte
ſich in den Strom; aber er konnte nicht
fort, das Waſſer trug ihn. Sie winkte, ſie
[ – 1 Zeichen fehlt]chien ihm etwas ſagen zu wollen, der Kahn

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[232/0240] Heinrich war erhitzt, und nur ſpät gegen Morgen ſchlief er ein. In wunderliche Träu¬ me floſſen die Gedanken ſeiner Seele zuſam¬ men. Ein tiefer blauer Strom ſchimmerte aus der grünen Ebene herauf. Auf der glat¬ ten Fläche ſchwamm ein Kahn. Mathilde ſaß und ruderte. Sie war mit Kränzen ge¬ ſchmückt, ſang ein einfaches Lied, und ſah nach ihm mit ſüßer Wehmuth herüber. Sei¬ ne Bruſt war beklommen. Er wußte nicht warum. Der Himmel war heiter, die Flut ruhig. Ihr himmliſches Geſicht ſpiegelte ſich in den Wellen. Auf einmal fing der Kahn an ſich umzudrehen. Er rief ihr ängſtlich zu. Sie lächelte und legte das Ruder in den Kahn, der ſich immerwährend drehte. Eine ungeheure Bangigkeit ergriff ihn. Er ſtürzte ſich in den Strom; aber er konnte nicht fort, das Waſſer trug ihn. Sie winkte, ſie _chien ihm etwas ſagen zu wollen, der Kahn

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/240>, abgerufen am 21.11.2024.