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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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dem Berggürtel mit hellem Klange zu zer¬
splittern, denn es fiel in lauter Funken her¬
unter.

Zu der Zeit lag der schöne Knabe Eros
in seiner Wiege und schlummerte sanft, wäh¬
rend Ginnistan seine Amme die Wiege schau¬
kelte und seiner Milchschwester Fabel die
Brust reichte. Ihr buntes Halstuch hatte sie
über die Wiege ausgebreitet, daß die hell¬
brennende Lampe, die der Schreiber vor sich
stehen hatte, das Kind mit ihrem Scheine
nicht beunruhigen möchte. Der Schreiber
schrieb unverdrossen, sah sich nur zuweilen
mürrisch nach den Kindern um, und schnitt
der Amme finstere Gesichter, die ihn gutmü¬
thig anlächelte und schwieg.

Der Vater der Kinder ging immer ein
und aus, indem er jedesmal die Kinder be¬
trachtete und Ginnistan freundlich begrü߬
te. Er hatte unaufhörlich dem Schreiber et¬

dem Berggürtel mit hellem Klange zu zer¬
ſplittern, denn es fiel in lauter Funken her¬
unter.

Zu der Zeit lag der ſchöne Knabe Eros
in ſeiner Wiege und ſchlummerte ſanft, wäh¬
rend Ginniſtan ſeine Amme die Wiege ſchau¬
kelte und ſeiner Milchſchweſter Fabel die
Bruſt reichte. Ihr buntes Halstuch hatte ſie
über die Wiege ausgebreitet, daß die hell¬
brennende Lampe, die der Schreiber vor ſich
ſtehen hatte, das Kind mit ihrem Scheine
nicht beunruhigen möchte. Der Schreiber
ſchrieb unverdroſſen, ſah ſich nur zuweilen
mürriſch nach den Kindern um, und ſchnitt
der Amme finſtere Geſichter, die ihn gutmü¬
thig anlächelte und ſchwieg.

Der Vater der Kinder ging immer ein
und aus, indem er jedesmal die Kinder be¬
trachtete und Ginniſtan freundlich begrü߬
te. Er hatte unaufhörlich dem Schreiber et¬

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[278/0286] dem Berggürtel mit hellem Klange zu zer¬ ſplittern, denn es fiel in lauter Funken her¬ unter. Zu der Zeit lag der ſchöne Knabe Eros in ſeiner Wiege und ſchlummerte ſanft, wäh¬ rend Ginniſtan ſeine Amme die Wiege ſchau¬ kelte und ſeiner Milchſchweſter Fabel die Bruſt reichte. Ihr buntes Halstuch hatte ſie über die Wiege ausgebreitet, daß die hell¬ brennende Lampe, die der Schreiber vor ſich ſtehen hatte, das Kind mit ihrem Scheine nicht beunruhigen möchte. Der Schreiber ſchrieb unverdroſſen, ſah ſich nur zuweilen mürriſch nach den Kindern um, und ſchnitt der Amme finſtere Geſichter, die ihn gutmü¬ thig anlächelte und ſchwieg. Der Vater der Kinder ging immer ein und aus, indem er jedesmal die Kinder be¬ trachtete und Ginniſtan freundlich begrü߬ te. Er hatte unaufhörlich dem Schreiber et¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/286>, abgerufen am 21.11.2024.