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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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was zu sagen. Dieser vernahm ihn genau,
und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte
er die Blätter einer edlen, göttergleichen
Frau hin, die sich an einen Altar lehnte, auf
welchem eine dunkle Schaale mit klarem
Wasser stand, in welches sie mit heiterm Lä¬
cheln blickte. Sie tauchte die Blätter jedes¬
mal hinein, und wenn sie bey'm Herausziehn
gewahr wurde, daß einige Schrift stehen ge¬
blieben und glänzend geworden war, so gab
sie das Blatt dem Schreiber zurück, der es
in ein großes Buch heftete, und oft verdrie߬
lich zu seyn schien, wenn seine Mühe vergeb¬
lich gewesen und alles ausgelöscht war. Die
Frau wandte sich zu Zeiten gegen Ginni¬
stan und die Kinder, tauchte den Finger in
die Schaale, und sprützte einige Tropfen auf
sie hin, die, sobald sie die Amme, das Kind,
oder die Wiege berührten, in einen blauen
Dunst zerrannen, der tausend seltsame Bil¬

was zu ſagen. Dieſer vernahm ihn genau,
und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte
er die Blätter einer edlen, göttergleichen
Frau hin, die ſich an einen Altar lehnte, auf
welchem eine dunkle Schaale mit klarem
Waſſer ſtand, in welches ſie mit heiterm Lä¬
cheln blickte. Sie tauchte die Blätter jedes¬
mal hinein, und wenn ſie bey'm Herausziehn
gewahr wurde, daß einige Schrift ſtehen ge¬
blieben und glänzend geworden war, ſo gab
ſie das Blatt dem Schreiber zurück, der es
in ein großes Buch heftete, und oft verdrie߬
lich zu ſeyn ſchien, wenn ſeine Mühe vergeb¬
lich geweſen und alles ausgelöſcht war. Die
Frau wandte ſich zu Zeiten gegen Ginni¬
ſtan und die Kinder, tauchte den Finger in
die Schaale, und ſprützte einige Tropfen auf
ſie hin, die, ſobald ſie die Amme, das Kind,
oder die Wiege berührten, in einen blauen
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[279/0287] was zu ſagen. Dieſer vernahm ihn genau, und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte er die Blätter einer edlen, göttergleichen Frau hin, die ſich an einen Altar lehnte, auf welchem eine dunkle Schaale mit klarem Waſſer ſtand, in welches ſie mit heiterm Lä¬ cheln blickte. Sie tauchte die Blätter jedes¬ mal hinein, und wenn ſie bey'm Herausziehn gewahr wurde, daß einige Schrift ſtehen ge¬ blieben und glänzend geworden war, ſo gab ſie das Blatt dem Schreiber zurück, der es in ein großes Buch heftete, und oft verdrie߬ lich zu ſeyn ſchien, wenn ſeine Mühe vergeb¬ lich geweſen und alles ausgelöſcht war. Die Frau wandte ſich zu Zeiten gegen Ginni¬ ſtan und die Kinder, tauchte den Finger in die Schaale, und ſprützte einige Tropfen auf ſie hin, die, ſobald ſie die Amme, das Kind, oder die Wiege berührten, in einen blauen Dunſt zerrannen, der tauſend ſeltſame Bil¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/287>, abgerufen am 21.11.2024.