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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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anbeten, so tief er auch alle meine Empfin¬
dungen kränkte.

Seit der Zeit, wo er sich aufmachte und
mir entfloh, so rührend ich auch mit den hei¬
ßesten Thränen ihn beschwor, bey mir zu
bleiben, bin ich ihm überall gefolgt. Er
scheint es ordentlich darauf anzulegen, mich
zu necken. Kaum habe ich ihn erreicht, so
fliegt er tückisch weiter. Sein Bogen richtet
überall Verwüstungen an. Ich habe nichts
zu thun, als die Unglücklichen zu trösten,
und habe doch selbst Trost nöthig. Ihre
Stimmen, die mich rufen, zeigen mir seinen
Weg, und ihre wehmüthigen Klagen, wenn
ich sie wieder verlassen muß, gehen mir tief
zu Herzen. Der Schreiber verfolgt uns mit
entsetzlicher Wuth, und rächt sich an den ar¬
men Getroffenen. Die Frucht jener geheim¬
nißvollen Nacht, waren eine zahlreiche Men¬
ge wunderlicher Kinder, die ihrem Großva¬

anbeten, ſo tief er auch alle meine Empfin¬
dungen kränkte.

Seit der Zeit, wo er ſich aufmachte und
mir entfloh, ſo rührend ich auch mit den hei¬
ßeſten Thränen ihn beſchwor, bey mir zu
bleiben, bin ich ihm überall gefolgt. Er
ſcheint es ordentlich darauf anzulegen, mich
zu necken. Kaum habe ich ihn erreicht, ſo
fliegt er tückiſch weiter. Sein Bogen richtet
überall Verwüſtungen an. Ich habe nichts
zu thun, als die Unglücklichen zu tröſten,
und habe doch ſelbſt Troſt nöthig. Ihre
Stimmen, die mich rufen, zeigen mir ſeinen
Weg, und ihre wehmüthigen Klagen, wenn
ich ſie wieder verlaſſen muß, gehen mir tief
zu Herzen. Der Schreiber verfolgt uns mit
entſetzlicher Wuth, und rächt ſich an den ar¬
men Getroffenen. Die Frucht jener geheim¬
nißvollen Nacht, waren eine zahlreiche Men¬
ge wunderlicher Kinder, die ihrem Großva¬

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[312/0320] anbeten, ſo tief er auch alle meine Empfin¬ dungen kränkte. Seit der Zeit, wo er ſich aufmachte und mir entfloh, ſo rührend ich auch mit den hei¬ ßeſten Thränen ihn beſchwor, bey mir zu bleiben, bin ich ihm überall gefolgt. Er ſcheint es ordentlich darauf anzulegen, mich zu necken. Kaum habe ich ihn erreicht, ſo fliegt er tückiſch weiter. Sein Bogen richtet überall Verwüſtungen an. Ich habe nichts zu thun, als die Unglücklichen zu tröſten, und habe doch ſelbſt Troſt nöthig. Ihre Stimmen, die mich rufen, zeigen mir ſeinen Weg, und ihre wehmüthigen Klagen, wenn ich ſie wieder verlaſſen muß, gehen mir tief zu Herzen. Der Schreiber verfolgt uns mit entſetzlicher Wuth, und rächt ſich an den ar¬ men Getroffenen. Die Frucht jener geheim¬ nißvollen Nacht, waren eine zahlreiche Men¬ ge wunderlicher Kinder, die ihrem Großva¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/320>, abgerufen am 22.11.2024.